Ein Schlaganfall kann zu einer Vielzahl von neurologischen Beeinträchtigungen führen, darunter auch die Spastik. Diese betrifft etwa ein Drittel der Schlaganfallpatienten und kann die Lebensqualität erheblich mindern. Ziel dieses Artikels ist es, Betroffenen und ihren Angehörigen einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der Spastik nach einem Schlaganfall zu geben.
Was ist Spastik?
Spastik wird als eine geschwindigkeitsabhängige Zunahme des Muskeltonus infolge einer Übererregbarkeit des spinalen tonischen Dehnungsreflexes definiert. Sie beschreibt alle positiven Phänomene, die durch eine Störung der sensomotorischen Kontrolle infolge einer Läsion des ersten Motoneurons hervorgerufen werden und die sich als intermittierende oder anhaltende unwillkürliche Aktivierung von Muskeln darstellen. Einfach ausgedrückt, handelt es sich um eine erhöhte Muskelspannung, die zu Steifheit und unkontrollierten Muskelkrämpfen führen kann. Diese Veränderungen im Gehirn können den Informationsfluss zwischen Gehirn und Muskeln unterbrechen, was zu einer leichten oder schweren Spastik führt, die sich durch Muskelsteifheit und -spasmen bemerkbar macht.
Ursachen und Entstehung
Die Ursache für Spastik liegt in einer Schädigung des Gehirns, die durch den Schlaganfall verursacht wird. Bei einem Schlaganfall sterben einige Gehirnzellen in bestimmten Bereichen ab, weil die Blutversorgung dieses Bereichs unterbrochen wurde. Diese Schädigung unterbricht wichtige Signale zwischen dem Nervensystem und den Muskeln und führt zu einem Ungleichgewicht, das die Muskelaktivität oder die Spasmen erhöht. Diese Schädigung des zentralen Nervensystems führt zu einer Erhöhung des Spannungszustands von Muskeln.
Risikofaktoren
Nach einem Schlaganfall bekommen Menschen häufiger Spastik, wenn sie stärkere Lähmungen und Gefühlsstörungen haben sowie deutlich in der Alltagsbewältigung eingeschränkt sind. Ein höherer Schweregrad der Parese, eine Hemihypästhesie, schwere Einschränkungen bei der Alltagsbewältigung, ein moderat erhöhter Muskeltonus und das Vorliegen von Sensibilitätsstörungen sind solche Faktoren und sagen die Entwicklung einer Spastik nach Schlaganfall voraus.
Zeitpunkt des Auftretens
Meistens tritt eine Spastik in den ersten drei bis sechs Monaten nach dem Schlaganfall auf. Sie kann aber auch später auftreten, daher ist es wichtig, auch später auf Anzeichen einer Spastik zu achten. Im Allgemeinen nimmt die Prävalenz der Post Stroke Spasticity (PSS) mit der Zeit nach dem Schlaganfall zu.
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Symptome und Auswirkungen der Spastik
Die Symptome einer Spastik können vielfältig sein und sich je nach betroffenem Körperbereich unterschiedlich äußern.
Häufige Symptome
- Erhöhter Muskeltonus: Gelenke oder Körperabschnitte sind an den Muskeln steifer als normal.
- Muskelkrämpfe: Verkrampfungen von Fingern, Händen oder Zehen.
- Fehlhaltungen: Zwanghaftes Strecken der Füße oder Fehlhaltungen der betroffenen oberen oder unteren Gliedmaßen.
- Bewegungseinschränkungen: Schwierigkeiten bei der Körperpflege, Probleme beim Öffnen von Flaschen, fehlende Geschicklichkeit beim Schneiden mit dem Messer oder ein unsicherer Gang.
- Schmerzen: Lähmung und Spastik als Folge eines Schlaganfalles sind häufig mit Schmerzen verbunden.
- Verändertes Gangbild: Betroffene haben ein verändertes, langsameres Gangbild. Das Bein kann nicht einfach nach vorne gezogen werden, sondern wird seitlich im Halbkreis nach vorne geführt.
- Spitzfuß: Ein typisches Erscheinungsbild ist der „Spitzfuß“, bei dem der Fuß leicht nach innen rotiert und nach unten weist.
Auswirkungen auf die Lebensqualität
Die Auswirkungen einer Spastik können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dazu gehören:
- Eingeschränkte Mobilität: Spastik nach einem Schlaganfall kann Bewegung, Körperhaltung und Gleichgewicht erschweren. Dieser Zustand kann Ihre Fähigkeit beeinflussen, eine oder mehrere Gliedmaßen oder eine Körperhälfte zu bewegen.
- Verlust der Selbstständigkeit: Aufgrund der Bewegungseinschränkungen können alltägliche Aufgaben wie Anziehen, Essen oder Waschen erschwert sein.
- Schmerzen: Spastik kann mit Schmerzen in den betroffenen Muskeln und Gelenken einhergehen.
- Psychische Belastung: Die Einschränkungen und Schmerzen können zu Depressionen, Angstzuständen und einem geringen Selbstwertgefühl führen.
Diagnose der Spastik
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um die Spastik effektiv behandeln zu können. Wenn eine Spastik zum ersten Mal auftritt, sich eine schon vorhandene Spastik verschlimmert oder Schmerzen hinzukommen, sollte dringend ärztlicher Rat eingeholt werden. Erster Ansprechpartner ist häufig der Hausarzt. Ihr behandelnder Hausarzt wird Sie bei Bedarf an einen Schlaganfall-Spezialisten überweisen. Dies ist in der Regel ein Neurologe.
Klinische Untersuchung
Die Diagnose beginnt in der Regel mit einer ausführlichen körperlichen Untersuchung. Dabei achtet der Arzt auf:
- Bewegungseinschränkungen: Achten Sie vor allem auf Bewegungseinschränkungen, die sich hinderlich auf Tätigkeiten im Alltag auswirken.
- Muskeltonus: Beurteilung des Muskeltonus durch Tasten und Bewegen der betroffenen Gliedmaßen.
- Reflexe: Überprüfung der Reflexe, die bei Spastik oft übersteigert sind.
- Fehlhaltungen: Beurteilung von Fehlhaltungen der Gliedmaßen.
Spezielle Tests und Assessments
In der Neurorehabilitation sind Assessments und einfache Tests zur Erfassung von Spastik wichtig, um den Therapieerfolg zu bewerten und die weiterführende Behandlung festzulegen. Als geeignete Instrumente werden in den aktuellen Leitlinien die Ashworth-Skala, die modifizierte Ashworth-Skala, die REsistance to PAssive movement Scale (REPAS) sowie die Tardieu-Skala aufgeführt. Das passende Assessment ist nach individueller Ziel- oder Problemstellung auszuwählen:
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- Ashworth-Skala (AS) und modifizierte Ashworth-Skala (MAS): Zur klinischen Einschätzung des spastischen Muskeltonus werden am häufigsten die Ashworth-Skala (AS) und die modifizierte Ashworth-Skala (MAS) eingesetzt.
- Modifizierte Tardieu-Skala: Mit dieser kann im Gegensatz zur AS eine Spastik von z. B. einer reinen Kontraktur oder Muskelverspannung zuverlässig unterschieden werden.
- REsistance to PAssive movement Scale (REPAS): Eine Alternative zur Ashworth-Skala stellt die modifizierte Tardieu-Skala dar. Mit dieser kann im Gegensatz zur AS eine Spastik von z. B. einer reinen Kontraktur oder Muskelverspannung zuverlässig unterschieden werden.
Bildgebende Verfahren
Darüber hinaus gibt es eine Reihe spezieller Untersuchungen zur Diagnose eines Schlaganfalls oder zur Untersuchung des Schlaganfallrisikos.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) werden sowohl ein Magnetfeld als auch Radiowellen verwendet, um ein detaillierteres Bild des Inneren Ihres Körpers zu erhalten. Aufgrund dieser höheren Detailgenauigkeit kann ein MRT-Scan zur Identifizierung von Schlaganfällen verwendet werden, die kleinere oder weniger übliche Teile des Gehirns betreffen.
- Zerebrale Angiographie: Bei der zerebralen Angiographie wird unter Röntgendurchleuchtung ein dünner, biegsamer Schlauch (Katheter) eingeführt, üblicherweise auf Höhe der Leiste.
Die Spastik-Ampel
Mithilfe der „Spastik-Ampel“, einem Risikoklassifizierungssystem in Form eines Ampelsystems, werden Ärzte, Physio- und Ergotherapeuten in die Lage versetzt, Patienten mit einem Risiko für eine Spastik zu identifizieren und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Das PSS-Risikoklassifizierungssystem in Form eines Ampelsystems soll insbesondere Ärzte in der Primärversorgung, Physio- und Ergotherapeuten, die Patienten während der Schlaganfall-Rehabilitation betreuen, bei der Identifizierung und Priorisierung von Patienten mit PSS-Risiko unterstützen. Ziel ist es, eine Handreichung für eine erforderliche Überweisung eines Patienten zu einem Arzt, der für die Behandlung von spastischen Syndromen spezialisiert ist, zu geben. Die Spastik-Ampel unterscheidet drei Kategorisierungen in Risikogruppen, die auf den Risikofaktoren für PSS basieren: Rot = dringende Überweisung, Gelb = Routineüberweisung, Grün = regelmäßige Überwachung. Für jede Klassifizierung/Gruppe werden die nächsten Schritte für das Patientenmanagement aufgezeigt.
- Rot: Die Spastik-Ampel steht auf Rot, wenn eine dringende Überweisung zu einem Spezialisten erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn die beiden folgenden Kriterien erfüllt sind: 1. Mäßig, deutlich oder stark erhöhter Muskeltonus (modifizierte Ashworth-Skala (MAS) ≥2) in zwei oder mehr Gelenken. Starke Störung der sensomotorischen Funktionen, z. B. starke Abnahme der Oberflächensensibilität, Beeinträchtigung der Propriozeption und schwere motorische Dysfunktion. In diesem Fall sollte dringend eine Physio- und Ergotherapie eingeleitet werden.
- Gelb: Die Spastik-Ampel steht auf Gelb, wenn eine Beratung mit dem multiprofessionellen Team (MPT) und eine enge spezialisierte Überwachung angezeigt ist. Dies ist der Fall bei Vorliegen eines leicht erhöhten Muskeltonus in einem Gelenk (MAS 1 und 1+) und unwillkürlichen Muskelkontraktionen in der betroffenen Extremität plus einem oder mehreren der folgenden Kriterien: Reduzierte Sensibilität auf einer Körperseite und/oder visuelle Unaufmerksamkeit. Schwäche der Extremitäten und Störung der sensomotorischen Funktionen. Schwierigkeiten mit aktiven Bewegungen, die im Alltag stören. Ausdehnung und Lokalisation der Läsion im Kortikospinaltrakt anhand eines CT und/oder MRT. In diesen Fällen sollte eine Physio- und Ergotherapie eingeleitet werden und der Patient durch Spezialisten des MPT mit fundierter Erfahrung im Management von spastischen Bewegungsstörungen betreut werden.
- Grün: Die Spastik-Ampel zeigt Grün, wenn lediglich eine Überprüfung von Muskeltonus und sensomotorischen Funktionen erforderlich ist. Eine regelmäßige Überwachung sollte bei Patienten mit anhaltenden motorischen Problemen und nicht erhöhtem Muskeltonus erfolgen. Nach drei bis sechs Monaten wird eine erneute Beurteilung empfohlen.
Behandlungsmöglichkeiten der Spastik
Für die Behandlung gibt es Therapien mit und ohne Medikamente. Die wichtigsten Ziele der Behandlung einer Spastik sind die Verbesserung der Symptome und der Erhalt der Lebensqualität. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, die Beweglichkeit und Körperhaltung zu fördern und mögliche Schmerzen zu lindern.
Nicht-medikamentöse Therapien
Die Physiotherapie bildet einen grundlegenden Baustein in der komplexen Therapie der Spastik nach einem Schlaganfall. Sie dient dazu, die Beweglichkeit von Muskeln und Gelenken zu erhalten oder zu verbessern und die Muskeln zu kräftigen.
- Physiotherapie (Krankengymnastik): Die Physiotherapie bildet die Grundlage der Behandlung einer spastischen Bewegungsstörung. Verschiedene Übungen dienen dazu, Muskeln und Gelenke beweglich zu halten. Eine passive Bewegung sowie Strecken und Dehnen sollen die Steifheit der Gelenke und Muskeln verringern. Die beim Physiotherapeuten erlernten Übungen können auch selbstständig zu Hause durchgeführt werden.
- Ergotherapie: Die ergotherapeutische Behandlung beinhaltet verschiedene Maßnahmen und Übungen, die erlernt werden können. Sie dienen dazu, möglichst viele Alltagsaktivitäten trotz der Einschränkungen durch eine Spastik zu bewältigen. Hierzu gehören das Einüben von Tätigkeiten wie An- und Ausziehen, Essen und Zähneputzen sowie eine Beratung zum Umgang mit Hilfsmitteln wie Prothese, Rollator oder Schreibhilfe.
- Orthopädische Hilfsmittel: Eine Orthese ist ein medizinisches Hilfsmittel, das äußerlich am Körper angebracht wird, wie beispielsweise eine Schiene. Es wird eingesetzt, um die von der Spastik betroffenen Gliedmaßen zu stützen, zu fixieren oder zu entlasten. Auch wenn sich Verkürzungen von Muskeln, Bändern oder Sehnen einstellen, können diese Hilfsmittel sinnvoll sein. Eine Lähmung ausgleichen und günstige Effekte auf die Muskelspannung und Muskellänge haben Schienen, Splints, Verbände (Casts) und Orthesen. Für die Beine ist das Aufrichten der Betroffenen die beste Mobilisationsform. Durch das Anlegen von Casts kann schrittweise ein eingeschränkter Bewegungsumfang wieder ausgedehnt werden.
- Elektrostimulation und Elektroakupunktur: Diese Methoden werden direkt am spastischen Muskel angewendet, um die überhöhte Muskelspannung zu behandeln und langfristig die Beweglichkeit zu verbessern. Elektrostimulation aktiviert über angeklebte Elektroden auf der Haut Nerven und Muskelfasern mit kleinen Strömen (transkutane elektrische Nervenstimulation, TENS). Hier gibt es positive Effekte auf Spastik und den Bewegungsumfang (ROM). Auch die funktionelle Elektrostimulation (FES) für Bewegungen, die vom Patienten ganz oder teilweise selbst ausgeführt werden (z.B. Greifen und Hantieren, Gehen), kann neben der Verbesserung motorischer Funktionen einen Spastik-mindernden Effekt aufweisen. Günstige Auswirkungen auf die Spastik wurden zudem mittels Oberflächenelektrostimulation des Rückenmarks bzw.
- Weitere physikalische Maßnahmen: Eine spastische Tonuserhöhung lässt sich mit gezielten Magnetfeldreizen zur Stimulation ausgewählter Nerven, Nervenwurzeln oder Hirnarealen behandeln (periphere repetitive Magnetstimulation, prMS; repetitive transkranielle Magnetstimulation, rTMS). Stoßwellentherapie kann über Wochen anhaltend einen spastisch erhöhten Muskeltonus mindern mit einer begleitenden Erweiterung des Bewegungsumfangs (extrakorporale Stoßwellentherapie, ESTW).
- Robotik: Für die Therapie von Standsicherheit, Gang, Treppensteigen oder der Arm-Hand-Funktion sieht man vielversprechende Verbesserungen bei einer Spastik durch den Einsatz von Robotern.
Medikamentöse Therapien
Medikamente zur Behandlung der Spastik sollten eingesetzt werden, wenn die Beeinträchtigungen und Beschwerden mit einer ausschließlich nicht-medikamentösen Therapie nicht zufriedenstellend verbessert werden konnten. Dabei wird unterschieden zwischen Medikamenten, die per Injektion oder Infusion verabreicht werden, und solchen, die man einnehmen kann (orale Antispastika).
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Behandlungen mit Medikamenten zur Injektion oder Infusion
- Therapie mit Botulinumtoxin Typ A: Der Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A ist ein Nervengift, das bei der Behandlung unwillkürlicher Muskelkontraktionen helfen kann, da es die Muskulatur entspannt. Für die therapeutische Anwendung wird es stark verdünnt und in einer sehr geringen Menge mit Hilfe einer Spritze in den betroffenen Muskel injiziert. Der Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A wird zur Behandlung der fokalen Spastik (betrifft nur eine Körperregion) und multifokalen Spastik (betrifft zwei oder mehrere Körperregionen) eingesetzt. Die Behandlung erfolgt gezielt durch Injektionen in den von der Spastik betroffenen Muskel. Der Vorteil: Die Wirkung entfaltet sich direkt am Ort der Beschwerden, auf die Funktion entfernter Muskeln im Körper hat der Wirkstoff keinen Einfluss. Botulinumtoxin Typ A wirkt, indem es vorübergehend die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel blockiert. Dadurch entspannen sich die Muskeln vorübergehend für einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten. Auch Schmerzen können gelindert werden. Die Injektion mit Botulinumtoxin Typ A wird von ärztlichen Leitlinien, unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung einer lokal begrenzten Spastik nach einem Schlaganfall empfohlen. Physiotherapeutische Maßnahmen sollten die Behandlung ergänzen. Zunächst wird der Arzt sehr genau untersuchen, welche Muskeln von der Spastik betroffen sind und wie stark die Kontraktion ist. Auf Basis dieser Informationen wird das Botulinumtoxin Typ A individuell dosiert und in die überaktiven Muskeln injiziert. Nach wenigen Tagen beginnen sich die Muskeln zu entspannen. Da die Wirkung von Botulinumtoxin Typ A im Durchschnitt 12 Wochen anhält, muss die Behandlung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Sowohl im Hinblick auf die Nebenwirkungen einer oralen Therapie, als auch im Hinblick auf die Wirksamkeit ist eine BoNT-Behandlung Tabletten und Spray überlegen und mindert zudem Schmerzen, die von der Spastik herrühren. Schließlich mehren sich Daten, dass sich eine Spastik nach Schlaganfall durch eine frühzeitige Injektion in reduzierter Dosis vermeiden lässt. Nebenwirkungen sind unter BoNT in den empfohlenen Dosisbereichen pro Muskel und Injektionssitzung selten. Es kann zu Lähmungen kommen (wenn der falsche Muskel getroffen oder zu viel BoNt gespritzt wird). Möglich sind auch Effekte wie Mundtrockenheit oder eine allgemeine Schwäche und lokalen Problemen (Bluterguss und lokale Schmerzen). Bei wiederholtem Einsatz können neutralisierende Antikörper im Blut von Betroffenen können die Wirkung von BoNT abschwächen oder aufheben. Das kommt bei etwa 6 Prozent der Patienten mit Spastik-Behandlung vor. Das Risiko für das Auftreten neutralisierender Antikörper steigt mit der langjährigen Gesamtdosis und wenn das Behandlungsintervall kürzer als drei Monate ist.
- Therapie mit Baclofen: Bei einer sehr stark ausgeprägten Spastik, die den Alltag deutlich behindert und wenn die bisherige Therapie nicht erfolgreich war, kann die sogenannte intrathekale Therapie mit Baclofen (ITB) zum Einsatz kommen. Dabei wird das muskelentspannende Medikament über ein spezielles Infusionssystem mit einer Pumpe direkt in den das Rückenmark umgebenden Raum (Liquor) verabreicht. Da zu Beginn der Behandlung eine Operation notwendig ist, sollte die ITB nur in schweren Fällen zur Anwendung kommen. Zur Behandlung einer schweren Spastik kann man das Medikament Baclofen auch über ein spezielles Infusionssystem mit einer Pumpe einsetzen. Das Mittel wird dabei direkt in den Nervenwasserraum des Rückenmarks injiziert (intrathekal). Typische und erfolgversprechende Fälle sind Betroffene mit schwerer Spastik nach Rückenmarksverletzungen oder Hirnschädigung, Menschen mit Paraspastik oder multisegmentaler Spastik sowie Hemispastik mit einschießenden Tonussteigerungen. Patienten mit länger zurückliegendem Schlaganfall und Spastik profitieren von einer ITB im Vergleich zur Therapie mit Tabletten und Spray. Auch für Querschnittgelähmte ist die gute Wirksamkeit belegt. Die Indikation für eine ITB sollte erst erfolgen, wenn andere Behandlungen nicht zufriedenstellend waren. Unerwünschte Wirkungen können Infektionen und lokale Flüssigkeitsansammlungen (Serome) beinhalten. Die Diagnose und Betreuung bei Patienten mit ITB sollte daher von einem interdisziplinären Team mit ausgewiesener Kompetenz erfolgen. Die Abklärung und Behandlung von Nebenwirkungen und Komplikationen sollte zu jeder Zeit gewährleistet sein. Leichtere Nebenwirkungen in der Test- und Einstellungsphase verschwinden im Verlauf meist von alleine. Schwere Nebenwirkungen und Komplikationen können im Einzelfall zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.
Orale Antispastika
- Klassische Antispastika: Klassische Antispastika sind krampflösende Medikamente, die eine Entkrampfung der Muskeln bewirken. Hierzu gehören die Wirkstoffe Baclofen, Tizanidin und Tolperison. Diese können die Spastik lösen und damit Bewegungseinschränkungen verbessern. Für Tolperison gegenüber Baclofen und für Tizanidin gegenüber Diazepam wurden jedoch auch Alltagsvorteile für Schlaganfall-Betroffene) beschrieben.
- Dantrolen: Der Wirkstoff Dantrolen hemmt gewisse Vorgänge im Muskel und bewirkt dadurch eine Muskelentspannung. Der Wirkstoff ist zugelassen für „Spastiken mit krankhaft gesteigerter Muskelspannung unterschiedlicher Ursache“. Dantrolen bewirkt Muskelentspannung durch Hemmung der Freisetzung von Kalziumionen im Muskel. Dantrolen sollte wegen der potenziell toxischen Leberschädigung und der Verstärkung bestehender Lähmungen nur eingesetzt werden, wenn es keine bessere Alternative gibt und die Symptome es wirklich erfordern.
- Benzodiazepine: Benzodiazepine stellen eine Substanzgruppe dar, die zu den Psychopharmaka gehören. Sie wirken angstlösend, schlaffördernd und entspannend auf die Muskulatur. Für die Behandlung der Spastik nach einem Schlaganfall sind sie nicht zugelassen, werden aufgrund ihrer Wirksamkeit aber dennoch angewendet.
- Cannabinoide: Die Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) können bei schmerzhaften Krämpfen der Muskulatur helfen. Sie sind als Spray zur Anwendung in der Mundhöhle derzeit ausschließlich zur Behandlung der Spastik im Zusammenhang mit der Erkrankung Multiple Sklerose (MS) zugelassen, werden aber ebenfalls bei einer Spastik nach einem Schlaganfall eingesetzt. Sativex® ist ein Spray für die Mundhöhle und ausschließlich für die bei Multipler Sklerose auftretende spastische Tonuserhöhung zugelassen.
Orale Antispastika weisen - in Abhängigkeit von der verabreichten Dosis - häufig Nebenwirkungen auf, die den ganzen Körper betreffen, wie Schläfrigkeit und Kraftlosigkeit. Daher sollten vor der Therapie Nutzen und Risiken abgewogen werden. Zudem wird empfohlen, die Behandlung mit einer geringen Dosis zu beginnen und diese allmählich zu steigern, um möglicherweise auftretende unerwünschte Wirkungen frühzeitig zu erkennen. Die Verbesserungen einer Spastik mit Tabletten und Spray sind zwar messbar, werden von Betroffenen aber nicht immer im Alltag wahrgenommen.
Operation
Unter gewissen Umständen kann eine Operation in Erwägung gezogen werden, um Sehnen zu verlängern oder zu verkürzen, Verwachsungen zu lösen oder Fehlstellungen und Verformungen der Knochen zu korrigieren. Bei schwerster Spastik, die anders nicht zu behandeln sind, gibt es chirurgische Verfahren (dorsale Rhizotomie oder Eingriffe in der Eintrittszone der Hinterwurzel ins Rückenmark). Durch sie können ausgeprägte Fehlhaltungen vermieden werden und damit verbundene Pflegehemmnisse, hygienische Probleme und Komplikationen wie Kontrakturen oder Hautläsionen. Nach Versagen der Standardtherapieverfahren und damit verbundenen Schmerzen können in weiteren chirurgischen Verfahren bestimmte Stellen eines Nerven durchtrennt werden (motorische Endäste, z.B. Nervus tibialis bei spastischem Spitzfuß, „pes equinus“).
Ziele der Behandlung
Konkrete Behandlungsziele können beispielsweise sein:
- Sitzen, Gehen und Stehen verbessern
- Aktivitäten im Alltag erleichtern
- Folgeerkrankungen vermeiden
- Selbstwertgefühl verbessern
- Selbständigkeit erhalten oder erreichen
Die Behandlungsziele sollten gemeinsam mit pflegenden Angehörigen oder anderen Pflegepersonen und dem behandelnden Arzt festgelegt und regelmäßig überprüft werden. Dabei ist es oft hilfreich, die Ziele aufzuschreiben und Veränderungen von Symptomen und Beschwerden ausführlich zu dokumentieren.
Multidisziplinärer Ansatz
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie der Spastik ist ein multiprofessionelles Behandlungsteam, das gemeinsam mit dem Patienten die Ziele für die Behandlung definiert. Schlüsselbereiche für die Zielsetzung sind u. a. Symptome und Behinderungen sowie Aktivitäten. Die Ziele sollten sich grundsätzlich an den „SMART-Kriterien” orientieren, d. h. spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch und terminiert sein. Der Patient sollte nicht nur aktiv an der Festlegung der Ziele, sondern auch an deren Evaluation, also der Messung von Ergebnissen der Interventionen, beteiligt werden. Zur standardisierten individuellen und partizipativen Vereinbarung von Therapiezielen ist das Goal Attainment Scaling (GAS) ein geeignetes Verfahren. An der Behandlung der Spastik können neben dem Neurologen auch Ärzte anderer Fachbereiche wie beispielsweise Innere Medizin, Kardiologie, Radiologie oder Chirurgie sowie verschiedene Therapeuten beteiligt sein.
Was kann ich selbst tun?
Neben den professionellen Behandlungen gibt es auch Maßnahmen, die Sie selbst ergreifen können, um Ihre Spastik zu verbessern:
- Regelmäßige Bewegung: Es gibt spezielle Sportgruppen für Menschen nach einem Schlaganfall. Die Teilnahme kann Ihnen Ihr Arzt verordnen, der Ihnen sicherlich auch ein passendes Angebot empfehlen kann. Der sogenannte Rehabilitationssport hat zum Ziel, die Bewegungsfähigkeit zu verbessern und den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen. Zudem tut es gut, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
- Dehnübungen: Regelmäßiges Dehnen der betroffenen Muskeln kann helfen, die Steifheit zu reduzieren.
- Vermeidung von Triggerfaktoren: Eine bestehende Spastik kann sich durch Bewegungseinschränkung, Schmerzen, emotionale Anspannung, Entzündungen/Infekte, Stuhl- oder Harndrang, Hautschädigungen, Thrombosen oder Knochenbrüche verstärken. Solche Faktoren sollten beseitigt bzw.
- Austausch mit anderen Betroffenen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen und neue Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.
Rehabilitation und Nachsorge
Nach einem Schlaganfall beginnen rehabilitative Maßnahmen bereits während des stationären Aufenthaltes.
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