Bildgebende Diagnostik in Neurologie und Neurochirurgie: Ein umfassender Überblick

Die bildgebende Diagnostik ist ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Neurologie und Neurochirurgie. Sie ermöglicht die Visualisierung von Strukturen und Funktionen des Nervensystems und spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose, Behandlungsplanung und Verlaufskontrolle neurologischer und neurochirurgischer Erkrankungen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen bildgebenden Verfahren, ihre Anwendungsgebiete und ihre Bedeutung für die klinische Praxis.

Einführung

Die Neuroradiologie ist ein junges und innovatives Teilgebiet der Radiologie, das die Diagnostik und minimal-invasive Therapie von Erkrankungen des Nervensystems umfasst. Zum Kernbereich der Neuroradiologie zählt die bildgebende Darstellung von Gehirn und Rückenmark sowie der Blutgefäße, die diese Organe versorgen. Auch periphere Nerven (außerhalb von Gehirn und Rückenmark) können mit den Methoden der Neuroradiologie zunehmend besser untersucht werden. Durch eine sehr exakte Abbildung neuroanatomischer Details, aber auch durch funktionelle Untersuchungen leistet die Neuroradiologie einen wichtigen Beitrag, um Erkrankungen des Nervensystems zeitnah zu erkennen und zu behandeln.

Methodische Grundlagen der neuroradiologischen Schnittbildgebung

Das neuroradiologische Facharztwissen für angehende Neurologen und Neurochirurgen ist von großer Bedeutung, da es sich hier nicht um genuine Weiterbildungsinhalte des eigenen Gebiets, sondern mehr um fachfremdes Wissen handelt. Trotzdem müssen in Weiterbildung befindliche Ärzte lernen, bildgebende Untersuchungen im angemessenen Umfang anzufordern, deren Ergebnisse im klinischen Kontext korrekt zu bewerten und auf dieser Grundlage adäquate weitere diagnostische und therapeutische Entscheidungen zu treffen. Ausgehend von der Situation des Klinikalltags zeigt das Kompendium fallbezogen den effizienten Einsatz bildgebender Verfahren. Typische Befundkonstellationen für die häufigsten und wichtigsten Krankheitsbilder aus Neurologie und Neurochirurgie werden so dargestellt, dass konkrete Schlüsse für die klinische Routine abgeleitet werden können. Hilfestellung bei der Interpretation der Befunde und Empfehlungen zu operativen und konservativen Therapien werden gegeben.

Computertomographie (CT)

Die Computertomographie (CT) ist eine schnelle und nicht-invasive Untersuchung, die auf einer rotierenden Röntgenuntersuchung basiert. Die Messergebnisse werden computergestützt aufgearbeitet und liefern so sehr schnell eine hoch auflösende Darstellung von Schädel, Gehirn und Wirbelsäule. Anders als bei konventionellen Röntgenaufnahmen ist so eine überlagerungsfreie, hochauflösende Darstellung der Körperorgane möglich. Durch die Gabe eines Kontrastmittels können Unterschiede zwischen verschiedenen Gewebestrukturen noch verstärkt werden.

Da eine CT-Untersuchung in kurzer Zeit einen guten Überblick über Knochen und Weichteile liefert, ist sie vor allem in Akutsituationen die Methode der Wahl - aber auch, wenn beispielsweise eine Kernspintomographie (MRT) aufgrund eines Herzschrittmachers nicht möglich ist. In der Neuroradiologie wird die CT u.a. eingesetzt, um Schädel-Hirn-Traumata, Schlaganfälle oder Hirnblutungen abzuklären. Durch Kontrastmittel-Gabe ist eine gezielte Darstellung der Blutgefäße möglich (CT-Angiographie), um so beispielsweise Hirnblutungen oder Aneurysmen abzuklären.

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Anwendungsgebiete der CT:

  • Intrakranielle Blutungen
  • Infektionen
  • Tumoren
  • Fehlbildungen
  • Hirnkammererweiterung (Hydrozephalus)
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Degenerative oder verletzungsbedingte Wirbelsäulenerkrankungen
  • CT-Angiographie: Bei Verdacht auf eine Gefäßfehlbildung

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die Kernspintomographie oder auch Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein zentrales Diagnose-Instrument der Neuroradiologie. Ebenso wie die Computertomographie erzeugt auch die MRT dreidimensionale Schnittbilder. Sie arbeitet aber nicht mit Röntgenstrahlung, sondern mithilfe eines starken Magnetfelds, das auf die Wasserstoffatome im Körper einwirkt und sie zu Schwingungen anregt. Die Resonanzsignale werden anschließend durch einen Sensor aufgezeichnet. Vor allem Veränderungen von Weichteilen wie Gehirn, Rückenmark oder Gefäßen lassen sich mithilfe der MRT sehr präzise darstellen. Die MRT-Untersuchung ist somit die Untersuchung der Wahl zur Darstellung des ZNS und seiner Erkrankungen. Die genaue anatomische Darstellung liefert wichtige Information zur Vorbereitung neurochirurgischer Eingriffe. Spezielle Untersuchungssequenzen liefern zusätzliche Informationen bei Durchblutungsstörungen des Gehirns, bei Tumorerkrankungen und bei Hirnwasserabflussstörungen.

Im Bereich der Neuroradiologie eignet sich die MRT für zahlreiche Fragestellungen: So kann sie mit hoher Sensitivität Durchblutungsstörungen im Gehirn aufzeigen und ist dadurch zu einem wichtigen Werkzeug in der Schlaganfall-Diagnostik geworden.

Spezielle MRT-Untersuchungen:

  • MRT-Spektroskopie zur Messung von molekularen Bestandteilen von Hirntumoren. Aus dem Spektrum bestimmter Moleküle im Tumor ergeben sich Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Tumorart
  • Funktionelle MRT: Über die indirekte Darstellung einer Mehrdurchblutung bei Sprache oder bestimmten Bewegungen im Gehirn können funktionell aktivierte Hirnareale dargestellt werden. Diese Darstellung von funktionellen Cortexgebieten, wie zum Beispiel der Handregion oder des motorischen Sprachzentrums, kann einen wesentlichen Einfluss auf die Indikationsstellung oder die Planung von Operationen haben.
  • 4D-Angio-MRT: Mit dieser Untersuchung können im zeitlichen Verlauf und dreidimensional sowohl die Hirnarterien als auch die Hirnvenen eigens dargestellt werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Planung und Durchführung komplexer Operationen am Gefäßsystem des zentralen Nervensystems.
  • Perfusions-/Diffusions-MRT: Hiermit können Durchblutungsstörungen mit drohenden Infarkten frühzeitig diagnostiziert werden. Darüber hinaus können durch die Diffusioneigenschaften auch Richtungen und damit Verläufe von wichtigen Faserbahnen dargestellt werden, z. B. mittels Diffusions-Tensorbildgebung (DTI). Diese Auswertungstechnik bieten wir bei speziellen Fragen an, teils in Kombination mit funktioneller Bildgebung (Funktionelle MRT, nTMS).

Anwendungsgebiete der MRT:

  • Tumoren, Blutungen, Infektion und Fehlbildungen des ZNS (Zentrales Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark)
  • Degenerative oder verletzungsbedingten Wirbelsäulenerkrankungen unter besonderer Berücksichtigung des Rückenmarks und der Nervenwurzeln.

Angiographie

Als Angiographie bezeichnet man die bildgebende Darstellung von Blutgefäßen mithilfe eines Kontrastmittels. In der Neuroradiologie setzt man diese Technik ein, um Blutgefäße im Gehirn und Rückenmark sowie die versorgenden Kopf- und Halsarterien zu untersuchen. Vor allem Gefäßverengungen (Stenosen), Aussackungen (Aneurysmen) oder Gefäßmissbildungen können mittels Angiographie sicher nachgewiesen werden.

Es gibt verschiedene Varianten der Angiographie. Mithilfe der Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) führen wir in den Evidia Praxen schonende nicht-invasive Angiographie-Untersuchungen durch. Dabei muss lediglich ein venöser Zugang für die Kontrastmittel-Gabe gelegt werden. Bei der Angiografie wird ein feiner, flexibler Katheter in örtlicher Betäubung in die Leistenarterie eingeführt und dann bis in die das Gehirn versorgenden Arterien vorgeschoben. Über eine Kontrastmittelinjektion wird dann eine genaue, dreidimensionale Darstellung der Hirngefäße und ihrer Erkrankungen erreicht. Die Untersuchung liefert wichtige anatomische Details zur Planung einer operativen Therapie von Hirngefäßen.

Sonographie

Die Sonographie ist eine schonende, schmerzlose und strahlenfreie Methode, die in der Neuroradiologie u.a. zur Untersuchung arteriosklerotischer Veränderungen gehirnversorgender Gefäße eingesetzt wird. Insbesondere Ablagerungen in den Halsschlagadern sind hier relevant, da Teile davon abreißen und Blutgefäße im Gehirn verstopfen können. Dann kommt es zum Schlaganfall.

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Myelographie

Eine Myelographie ist eine Röntgen-Untersuchung des Rückenmarkkanals mithilfe eines Kontrastmittels. Sie dient dazu, Verengungen oder Kompressionen des Rückenmarkkanals nachzuweisen, wie sie beispielsweise durch Bandscheibenvorfälle, Knochensporne oder Tumore entstehen können. Die Untersuchung kann sinnvoll sein, wenn vorangegangene MRT- oder CT-Untersuchungen keine schlüssige Erklärung für bestehende Beschwerden erbracht haben. Eine besondere Stärke der Myelographie liegt im Nachweis belastungsabhängiger Beschwerden. Bei der Myelografie wird Kontrastmittel über eine feine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule in den Wirbelkanal gespritzt wird und anschließend eine Röntgenuntersuchung und eine CT-Untersuchung (siehe oben) durchgeführt.

Spezielle Fälle und Krankheitsbilder

Die bildgebende Diagnostik spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose und Behandlung verschiedener neurologischer und neurochirurgischer Krankheitsbilder. Im Folgenden werden einige Beispiele genannt:

Schlaganfall

Die bildgebende Diagnostik ist entscheidend, um zwischen ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall zu unterscheiden und die Ausdehnung des betroffenen Hirnareals zu bestimmen. Die CT wird häufig als erste Untersuchung eingesetzt, um eine Blutung auszuschließen. Die MRT ist sensitiver für die Darstellung von ischämischen Veränderungen, insbesondere in den frühen Stadien.

Demenz

Bei der Abklärung von Demenzerkrankungen kann die bildgebende Diagnostik helfen, andere Ursachen für die kognitiven Beeinträchtigungen auszuschließen und spezifische Muster von Hirnveränderungen zu identifizieren, die auf bestimmte Demenzformen hinweisen (z.B. Morbus Alzheimer, frontotemporale Demenz).

Epilepsie

Die MRT ist ein wichtiges Instrument bei der Abklärung von Epilepsie, um strukturelle Ursachen wie Hippokampussklerose, kortikale Dysplasien oder Tumoren zu identifizieren.

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Gangstörung

Die bildgebende Diagnostik kann bei der Abklärung von Gangstörungen helfen, Ursachen wie Normaldruckhydrozephalus, Morbus Parkinson oder zerebelläre Atrophie zu identifizieren.

Kopfschmerzen

Bei der Abklärung von Kopfschmerzen kann die bildgebende Diagnostik helfen, gefährliche Ursachen wie Aneurysmen oder Tumoren auszuschließen.

Interventionelle Neuroradiologie

Die interventionelle Neuroradiologie hat sich aufgrund technologischer und medizinischer Fortschritte in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Im Unterschied zur rein diagnostischen Neuroradiologie werden Veränderungen von Gefäßen nicht nur sichtbar gemacht, sondern mithilfe von Kathetertechniken unter bildgebender Kontrolle zugleich behandelt. Dafür stehen verschiedene Instrumente wie Ballons, Stents, Platinspiralen oder spezielle Gewebekleber zur Verfügung.

Neuroradiologische Behandlungen erfolgen in schonender minimal-invasiver Technik über einen Zugang in einer Arm- oder Leistenarterie. Von dort wird der Katheter vorsichtig bis zu dem erkrankten Gefäß vorgeschoben. Da jeder Schritt unter bildgebender Kontrolle stattfindet, lassen sich selbst kleinste Gefäße sehr präzise und punktgenau behandeln. Auf diese Weise kann die interventionelle Neuroradiologie vielen Patient:innen einen offenen chirurgischen Eingriff ersparen.

Zu den wichtigsten interventionellen neuroradiologischen Eingriffen zählen:

  • Gefäßeröffnende Maßnahmen: Bei Verengungen der Halsschlagader (Carotis) wird heute häufig in minimal-invasiver Technik eine Gefäßprothese (Carotis-Stent) eingesetzt, um möglichen Schlaganfällen vorzubeugen. Auch Verengungen von hirnversorgenden Arterien im Schädelinneren können in bestimmten Fällen minimal-invasiv mithilfe eines Ballons erweitert oder mit einer Stent-Prothese versorgt werden.
  • Gefäßverschließende Maßnahmen (Embolisationen): Typische Anwendungsbereiche sind krankhafte Gefäßaussackungen (Aneurysmen), Gefäßmissbildungen oder gefäßreiche Tumore. Krankhaft veränderte Gefäße oder gefäßreiche Tumore werden mithilfe spezieller Gewebekleber dauerhaft verschlossen. Bei Aneurysmen von Hirngefäßen ist das neuroradiologische Coiling in vielen Fällen eine Alternative zur chirurgischen Versorgung. Beim Coiling wird das krankhaft erweiterte Gefäß mit Platinspiralen aufgefüllt, um einen weiteren Bluteinstrom zu verhindern.
  • Schmerztherapie: Bei bestimmten Krankheitsbildern sind neuroradiologische Interventionen zur gezielten lokalen Schmerzbehandlung möglich. Unter bildgebender Kontrolle wird eine dünne Nadel bis zu der schmerzauslösenden Stelle (z.B. einer Nervenwurzel) vorgeschoben, um diese lokal mit einem Medikament zu behandeln.

Neurophysiologisches Labor und Funktionsdiagnostik

Als neurochirurgische Universitätsklinik wird das gesamte Spektrum der elektrophysiologischen Funktionsdiagnostik angeboten. Jährlich werden etwa 2.700 neurophysiologische Untersuchungen durchgeführt und zusätzlich 650 EKGs abgeleitet.

Das Leistungsspektrum des Labors umfasst im Einzelnen:

  • Die Ableitung evozierter Potentiale (EP) mittels VEP, FAEP, SSEP und MEP
  • Die elektrische Untersuchung der Hirnstammreflexe
  • Die Ableitung von Elektroenzephalogrammen ( EEG)
  • Die elektrische Messung von Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG)
  • Die Durchführung von Elektromyogrammen (EMG)
  • Die präoperative nicht-invasive navigierte Hirnstimulation (transkranielle Magnetstimulation; kurz: nTMS)
  • Präoperative Elektrokardiografien (EKG)
  • Intraoperative direkte Stimulation von Cortex und Faserbahnen (DCS)

Mit Hilfe dieser Untersuchungen führen wir vor und während der Operation eine zielgerichtete Diagnostik durch. Notwendige Verlaufsuntersuchungen bieten wir auch über den stationären Aufenthalt hinaus an. Die Leistungen des Labors werden nicht nur für die Vielzahl von stationären und ambulanten Patienten erbracht, sondern auch auf der Neurochirurgischen Intensivstation, wo regelmäßig vor allem bewusstlose oder in Narkose befindliche Patienten untersucht werden.

Neurochirurgische Verfahren und intraoperative Bildgebung

Eine optimale Diagnostik auf dem Stand der Forschung stellt die Grundlage für eine gute operative Versorgung dar. Die genaue Lokalisation wichtiger Hirnfunktionen wie Bewegungen und Sprache ist nicht bei jedem Menschen identisch. In bestimmten Fällen, beispielsweise zur exakten Planung einer möglichst risikoarmen Hirntumoroperation, ist es für den Operateur sehr hilfreich, die Lage dieser Funktionen im Gehirn des Patienten genau zu kennen.

Dies ist uns durch eine neuere Technologie, die navigierte, transkranielle Magnetstimulation (nTMS) nicht-invasiv bereits im Vorfeld der Operation möglich und für die Abbildung der wichtigsten Bewegungsareale inzwischen gut etabliert. Ähnliche Ergebnisse liefert das funktionelle MRT (fMRT), welche wir je nach Fragestellung bzw. Funktionsareal zusätzlich durchführen. Während der Operation werden diese wichtigen Funktionen nochmals mittels direkter Cortexstimulation (DCS) lokalisiert und überwacht. Die genannten Techniken werden in der klinischen Routine und Forschung eingesetzt.

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