Der Sommer ist vorbei, der Herbst ist da und die Tage werden kürzer. Viele Menschen kennen das Gefühl, dass ein leichtes Unwohlsein aufkommt, und man muss aufpassen, dass das Gehirn nicht wieder in eine Negativspirale gerät. Doch es gibt Möglichkeiten, das Gehirn auszutricksen und positive Veränderungen zu bewirken. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Methoden, um Glück, Konzentration und Kreativität zu steigern, indem man die Funktionsweise des Gehirns versteht und gezielt beeinflusst.
Die Amygdala-Falle: Warum wir uns auf Negatives konzentrieren
Oftmals denken wir nach einer erfolgreichen Präsentation, einem gewonnenen Tennismatch oder dem Abschluss eines Projekts zuerst an das, was nicht so gut gelaufen ist oder was wir hätten besser machen können. Diese Neigung, spontan jene Dinge wahrzunehmen, die nicht richtig sind, anstatt sich auf das Positive zu konzentrieren, ist weit verbreitet. Wir leben in einer Gesellschaft, die eher auf Defizite ausgerichtet ist und sich hauptsächlich auf Probleme konzentriert, anstatt auf Lösungen.
Evolutionsbedingt reagieren wir stärker auf negative als auf positive Reize. Die Tendenz, Probleme und Gefahren zu erwarten, wird in der Psychologie als "katastrophisches Gehirn" bezeichnet. In der Urzeit sicherte diese Instinkt das Überleben, da es entscheidend war, gefährliche Situationen abzuspeichern und den Umgang damit zu internalisieren. Die Alarmzentrale unseres Gehirns, die Amygdala, ist daher viel sensibler auf Gefahren eingestellt als auf positive Erfahrungen. Dieser Mechanismus, mit dem wir uns tendenziell eher am Negativen als am Positiven orientieren, wird auch als "Amygdala-Falle" bezeichnet.
Heutzutage lauern keine Säbelzahntiger mehr im Gebüsch, aber unser Gehirn funktioniert noch wie zu Urzeiten. Um dieser Falle zu entgehen, müssen wir unser Gehirn austricksen.
Neuroplastizität: Die Formbarkeit unseres Gehirns
Lange Zeit herrschte die Meinung vor, dass die neuronalen Verbindungen in unserem Gehirn ab dem Erwachsenenalter unveränderlich seien. Doch Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich das Gehirn bis ins hohe Alter verändern lässt. Dieser Prozess der Formbarkeit wird als Neuroplastizität beschrieben.
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Dem Lernen kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Unsere Nervenzellen werden durch das wiederholte Vollziehen einer bestimmten Tätigkeit oder durch einen immer wiederkehrenden Gedanken angeregt. Dadurch entstehen neue Nervenverbindungen im Gehirn, die eine höhere Leitungsgeschwindigkeit gewährleisten. Durch ständige Wiederholung bilden sich neue synaptische Verschaltungen, die einem Straßensystem gleichen. Aus Trampelpfaden werden Straßen und irgendwann sogar Autobahnen. Werden diese Verbindungen jedoch nicht genutzt, schrumpfen sie wieder und lösen sich irgendwann auf.
Interessanterweise verändert sich unser Gehirn bereits durch die bloße Vorstellung. Studien haben gezeigt, dass das mentale Üben eines Klavierstücks die gleichen messbaren Auswirkungen auf das Gehirn hat wie die körperlich durchgeführte Übung. Es verändern sich die gleichen Hirnareale und die gleichen synaptischen Verbindungen werden verstärkt. Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf die Umwandlung hinderlicher in förderliche Gewohnheiten anwenden. Der Psychologe Jeffrey Schwartz von der University of California spricht dabei von einer "selbstgesteuerten Neuroplastizität".
Methoden, um das Gehirn auszutricksen
Es gibt verschiedene Methoden, um die Neuroplastizität zu nutzen und das Gehirn in eine positive Richtung zu lenken.
1. Aufmerksamkeit lenken und den "richtigen Wolf" füttern
Eine alte Geschichte erzählt von einem Mönch, der zwei Wolfsjunge aufnahm. Das eine war gütig und sanft, das andere bösartig. Auf die Frage, welcher der beiden überleben würde, antwortete der Mönch: "Derjenige, den ich füttere." Diese Geschichte verdeutlicht, dass wir die Dinge im Leben, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten, verstärken. Konzentrieren wir uns auf das, was da ist, oder auf das, was fehlt? Auf das, was gut gelaufen ist, oder auf das, was weniger gut gelaufen ist? Auf Chancen oder auf Risiken?
Es geht nicht darum, krampfhaft positiv zu denken und negative Aspekte auszublenden. Vielmehr sollten wir konstruktiv denken und beide Seiten des Lebens betrachten: Chancen und Risiken sehen, Probleme erkennen und Lösungen finden. Wichtig ist, welcher Aspekt den größeren Raum in unserem Bewusstsein einnimmt.
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2. Gewohnheiten ändern und neue Routinen etablieren
Gewohnheiten prägen unseren Alltag und beeinflussen Entscheidungen, oft unbewusst. Forschungen des Trinity College Dublin zeigen, dass sich diese Muster gezielt ändern lassen. Gewohnheiten entstehen durch ein Zusammenspiel von automatischen Reaktionen und bewussten Entscheidungen. Wiederholung und Belohnung sind entscheidend für das Verankern neuer Routinen. Indem wir ungewünschte Muster durch positive Alternativen ersetzen, können wir konkurrierende Automatismen schaffen, die das alte Verhalten verdrängen.
Die bewusste Gestaltung der Umgebung kann dabei helfen. Wer gesunde Snacks in Reichweite platziert und ungesunde Snacks versteckt, erleichtert sich die gesündere Wahl. Der von den Forschern entwickelte Ansatz kombiniert bewährte Methoden wie Wenn-dann-Pläne (z.B. "Wenn ich Stress empfinde, mache ich eine Atemübung, statt zur Schokolade zu greifen"), Therapieformen und personalisierte Ansätze.
3. Dankbarkeit praktizieren
Viele Dinge im Leben nehmen wir als selbstverständlich hin, wie Gesundheit, Sicherheit oder ein Dach über dem Kopf. Oft wird uns der Wert dieser Dinge erst bewusst, wenn sie nicht mehr da sind. Um die Kraft der Dankbarkeit zu nutzen, können wir eine Dankbarkeitsliste erstellen. Auf dieser Liste führen wir alles auf, was uns einfällt, auch die Selbstverständlichkeiten.
4. In schöne Erinnerungen eintauchen
Das lebhafte Eintauchen in schöne Erinnerungen löst die dazugehörigen Gefühle in uns aus. Das kann der letzte Urlaub, ein nettes Abendessen mit einer Freundin oder eine lustige Begebenheit in der Kindheit sein. Wir können uns mental in die Situation hineinversetzen, als wäre es jetzt: Wann, wo war es? Was sehen, hören, riechen wir? Was haben wir getan? Wie hat es sich angefühlt?
5. Konzentration verbessern
Manchmal reichen der beste Wille und die klassischen Tipps für mehr Konzentration nicht aus, um den Ablenkungen um uns herum zu widerstehen. Es gibt jedoch unkonventionelle und kreative Möglichkeiten, um Störenfriede auszutricksen. Eine Möglichkeit ist die "Fokuskiste", in die alle Gegenstände und Verhaltensmuster gepackt werden, die während des Lernens ablenken. Gegenstände, die nicht in die Kiste passen, können mit einer Decke abgedeckt werden. Auch das Ändern der Lernumgebung kann helfen, z.B. der Wechsel in eine andere Bibliothek, wenn man in der üblichen Bibliothek ständig auf Freunde trifft.
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6. Cognitive Shuffling: Gedanken zum Einschlafen nutzen
Wer nachts unter ständigem Kopfkino leidet, kann die Einschlaftechnik "Cognitive Shuffling" ausprobieren. Diese Technik trickst das rastlose Gehirn aus, indem es spielerisch mit kognitiven Bildern beschäftigt wird. Dabei denkt man zu jedem Buchstaben eines Wortes an möglichst viele neue Worte. Je langweiliger und neutraler die Wörter, desto besser. Dadurch beginnt der Geist zwischen Assoziationen und Erinnerungen hin und her zu hüpfen, ähnlich dem Zustand, wenn man träumt.
7. Operative Intelligenz: Probleme in Chancen verwandeln
Operative Intelligenz ist ein Hack, der Probleme in Chancen verwandelt, die Perspektive in eine positivere umwandelt und hilft, gute Gewohnheiten beizubehalten. Anstatt beispielsweise unzufrieden mit dem eigenen Körper zu sein und zu denken, dass man nur durch Sport und Abnehmen glücklich wird, kann man sich sagen: "Ich mag meinen Körper und möchte ihn bewegen, weil es sich gut anfühlt. Ich gehe bewusst dazu über, meinen Körper so zu lieben, wie er ist. Ich beschließe, in meinem Körper glücklich zu sein."
8. Dopamin gezielt beeinflussen
Dopamin ist ein Neurotransmitter, der eine zentrale Rolle bei Motivation und Belohnung spielt. Wer die Mechanismen von Dopamin versteht, kann sein zukünftiges Verhalten bewusst positiv beeinflussen. Dopamin wirkt wie ein inneres Navigationssystem und steuert nicht nur das Gefühl der Freude, wenn wir ein Ziel erreichen, sondern vor allem die Erwartung, dass sich eine Handlung lohnen wird.
Bewegung selbst gehört zu den stärksten natürlichen Auslösern für Dopamin. Es kommt jedoch auf die richtige Dosis an. Zu viele Impulse hintereinander stumpfen das Belohnungssystem ab. Experten empfehlen, die Impulse gleichmäßig zu verteilen und nicht jede Handlung mit einer großen Belohnung zu verknüpfen.
Kreativität fördern
Kreativität ist kein Talent, das einem in die Wiege gelegt wurde, sondern schlichtes Handwerk, das man fördern oder brachliegen lassen kann. Eine bekannte Methode zur Förderung der Kreativität ist das Brainstorming, bei dem in freier Assoziation Begriffe rund um ein Thema gesammelt werden. Auch das Erklären eines Problems an eine andere Person, Zeichenübungen oder der Wechsel in eine Fremdsprache können die Kreativität anregen.
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