Die Demenz ist ein Syndrom, das durch einen deutlichen Verlust neuropsychologischer Leistungen gekennzeichnet ist, der so schwerwiegend ist, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Im Gegensatz zu angeborenen oder früh erworbenen Minderbegabungen stellt die Demenz einen Verlust des vorher vorhandenen Leistungsvermögens dar. In Deutschland leiden etwa 9 % aller Menschen über 65 Jahre unter einer Demenz. Fast alle dementen Patienten über 65 weisen im Gehirn Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen auf; die meisten zeigen zusätzlich vaskuläre Hirnveränderungen. Die Alzheimer-Pathologie ist damit die häufigste Demenzursache gefolgt von Mikro- und Makroangiopathie. Die gemischte Demenz ist im höheren Lebensalter die häufigste Demenzform, wenngleich bei vielen Patienten entweder die neurodegenerativen Alzheimer- oder die vaskulären Hirnveränderungen im Vordergrund stehen können. Bei jüngeren Patienten finden sich einzelne neurodegenerative und vaskuläre Erkrankungen häufiger in Reinform. Die Wahrscheinlichkeit, zeitlebens eine Demenz zu entwickeln, ist indessen wesentlich höher. Bei der augenblicklichen Lebenserwartung stirbt etwa ein Drittel der älteren Menschen im Zustand einer Demenz.
Die Pathogenese der Demenz ist komplex und multifaktoriell, wobei die genauen Mechanismen bis heute nicht vollständig geklärt sind. In den meisten Fällen geht der Demenz eine leichte kognitive Störung ("mild cognitive impairment", MCI) voraus. Bei dieser handelt es sich um eine frühe Phase, die vor allem Gedächtnisfunktionen betrifft und als Vorstufe zur Alzheimer-Demenz gilt. Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter stark ansteigt. Ebenso spielen kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie (hoher Cholesterinspiegel im Blut) eine zentrale Rolle. Auch genetische Faktoren tragen zur Entstehung von Demenzen bei. Besonders der APOE-ε4-Genotyp ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Demenz verbunden. Die Pathogenese der Demenz ist nicht vollständig verstanden, wird aber durch ein Zusammenspiel von Alter, kardiovaskulären Risikofaktoren und genetischen Prädispositionen bestimmt.
Chronische Nierenerkrankungen stellen weltweit angesichts einer wachsenden Bevölkerung und regional unterschiedlichen Lebenserwartung ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Sie sind häufig assoziiert mit sogenannten „Wohlstandskrankheiten“ wie Diabetes mellitus, Adipositas oder kardiovaskulären Erkrankungen wie Hypertonie und Herzinsuffizienz, die oft eine chronische Niereninsuffizienz zur Folge haben. Insgesamt leiden in Deutschland nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie etwa 11 % der Bevölkerung unter einer chronischen Nierenerkrankung, mit höherem Alter nimmt das Erkrankungsrisiko jedoch drastisch zu. Etwa die Hälfte der Personen über 75 Jahren haben ein chronisches Nierenleiden. Neben zahlreichen Auswirkungen auf physiologische Parameter, etwa das Herz-Kreislauf-System sowie das zentrale Nervensystem, beeinträchtigen chronische Nierenerkrankungen in hohem Maße die allgemeine Lebensqualität und im Besonderen die psychische Gesundheit der Betroffenen.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Dialyse und Demenz, der im Folgenden näher beleuchtet wird. Dabei werden die Ursachen, Risikofaktoren und mögliche präventive Maßnahmen diskutiert.
Ursachen und Risikofaktoren der Demenz
Die Alzheimer-Demenz wurde bis vor einigen Jahren durch den Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Bestätigt oder widerlegt wurde die klinische Verdachtsdiagnose erst durch den Autopsiebefund. Aus heutiger Sicht müssen die Hirnveränderungen (= Alzheimer-Krankheit, „Alzheimer’s Disease“) klar von den klinischen Folgen („leichte kognitive Beeinträchtigung durch die Alzheimer-Krankheit“ und „Demenz durch die Alzheimer-Krankheit“) differenziert werden McKhann et al. 2011). Das erste Stadium der Alzheimer-Krankheit ist durch die zerebrale Amyloidpathologie gekennzeichnet, und diese kann entweder durch das Amyloid-Imaging oder durch eine Liquoruntersuchung (verminderte Amyloidk-Konzentration) nachgewiesen werden. Danach folgt das Stadium der Neurodegeneration (Nachweis durch Tau-Anstieg im Liquor).
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Die Alzheimer-Demenz (AD) ist gekennzeichnet durch den schleichenden Beginn und die langsame Zunahme verschiedener neuropsychologischer Defizite, insbesondere von Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen. Die Unterteilung der AD in eine präsenile Form (Beginn vor dem 65. Lebensjahr) und eine senile Form (Beginn nach dem 65. Lebensjahr) stellt eine klinische Konvention dar. Weit weniger als 1 % aller Patienten mit AD leiden unter einer autosomal-dominanten Erkrankung. Risikofaktoren der sporadischen Alzheimer und gemischten Demenzen sind z. B. Alter, weibliches Geschlecht (höhere Lebenserwartung), der Apolipoprotein-E4-Polymorphismus, depressive Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht und insgesamt eine höhere somatische Morbidität. Neben der AD und den vaskulären Demenzformen werden in diesem Kapitel Frontallappendegenerationen (Morbus Pick), Demenzen bei vorwiegend subkortikalen Degenerationen (Demenz bei idiopathischem Parkinson-Syndrom, Huntington-Chorea, progressive supranukleäre Paralyse, Demenz bei Multisystematrophien) und sekundäre Demenzen z. B.
Bei etwa 20 % der Demenzformen liegt eine vaskulär bedingte kognitive Beeinträchtigung vor. Diese vaskulären Demenzen resultieren aus Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Schädigung von Nervenzellen und kognitiven Einschränkungen führen. Bei etwa 20 % der Demenzformen handelt es sich um vaskuläre Demenzen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn bedingt sind. Die pathologischen Veränderungen umfassen Infarkte, Amyloidangiopathien und Atherosklerose.
Genetische Faktoren
Eine positive Familienanamnese ist nach dem Alter der wichtigste Risikofaktor für die AD. Genetische Untersuchungen haben dabei wesentlich zum heutigen Verständnis der Pathogenese beigetragen. Die AD ist jedoch genetisch komplex und heterogen und folgt einer altersabhängigen Dichotomie mit einer seltenen familiären Form mit frühem Beginn und einer häufigen sporadischen Form mit spätem Beginn. Die familiäre Form der AD betrifft unter 1 % der Patienten, folgt einem autosominal-dominanten Vererbungsmuster und zeigt einen Symptombeginn meist vor dem 65. Lebensjahr. Bisher wurden mehr als 160 Mutationen in drei Genen beschrieben, die zu der familiären Form der AD führen. Obwohl diese Mutationen drei verschiedene Gene auf drei unterschiedlichen Chromosomen betreffen, führen sie alle zu einer Überproduktion von Amyloid-β (Aβ) -dabei v. a. zu pathologisch erhöhten Spiegeln der 42 Aminosäuren langen Spezies (Aβ42) - und damit zu Nervenzelluntergang und Demenz.
Das am häufigsten von Mutationen betroffene Gen Presenilin 1 (PSEN1) auf Chromosom 14 (Sherrington et al. 1995) ist für die Mehrzahl der Erkrankungen vor dem 50. Lebensjahr verantwortlich. Weiterhin sind Mutationen auf den Genen des Aβ-Vorläuferproteins (Amyloid precursor protein, APP) auf Chromosom 21 (Goate et al. 1991) und Presenilin 2 (PSEN2) auf Chromosom 1 (Levy-Lahad et al. 1995) für die frühe familiäre Form verantwortlich. APP ist das Substrat der Aβ-Produktion, wobei PSEN1 und PSEN2 eine wichtige Rolle bei der Aβ-Freisetzung durch den γ-Sekretase-Komplex spielen (Tab. 2).
Im Gegensatz zur frühen familiären Form ist die späte sporadische Form der AD durch einen Symptombeginn nach dem 65. Lebensjahr gekennzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Risikogene identifiziert, von denen eines hervorzuheben ist aufgrund des deutlichen stärkeren Effektes auf das individuelle Demenzrisiko. Das ɛ4-Allel des Apolipoprotein-E(APOE)-Gens auf Chromosom 19 wurde konsistent mit Odds-Ratios von ungefähr 3 für heterozygote und über 10 für homozygote Allelträger in Verbindung gebracht (Corder et al. 1993). Im Kontrast zu den drei bekannten autosomal-dominant vererbten Risikogenen ist das APOEɛ4-Allel jedoch weder notwendig noch ausreichend, um zu einer AD zu führen. Es ist vielmehr abhängig von der Gendosis mit einem früheren Erkrankungsalter assoziiert. Trotz seiner seit Langem bekannten, starken genetischen Assoziation ist der Wirkmechanismus von APOEɛ4 im Rahmen der AD noch nicht umfassend geklärt.
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In neueren genomweiten Assoziationsstudien wurden neben APOE mittlerweile über 30 weitere Gene identifiziert, die einen signifikanten Zusammenhang mit der AD aufweisen. Etliche dieser Gene, wie z. B. CLU, PICALM und CR1 (Harold et al. 2009; Lambert et al. 2009) kodieren wahrscheinlich jeweils Proteine, die für die Aβ-Clearance aus dem Gehirn wichtig sind. Eine veränderte Proteinstruktur führt damit zu einer erhöhten zerebralen Aβ-Konzentration, die wiederum zu neuronaler Schädigung und Demenz führt. Es gibt jedoch auch Zusammenhänge mit anderen Mechanismen, wie der Apoptose und dem Immunsystem.
Neuropathologische Aspekte
Neuropathologisch ist die Alzheimer-Krankheit vornehmlich durch die extrazelluläre Ablagerung von Aβ und die intrazelluläre Anhäufung von Tau-Protein gekennzeichnet. Gemäß der sog. Amyloidkaskade wird Aβ aus einem längeren Transmembranvorläuferprotein abgespalten, das sowohl in neuronalen als auch nichtneuronalen Zellen vorkommt. Bei dieser Spaltung entstehen unterschiedlich lange Proteinfragmente, unter denen die 42 Nukleinsäuren lange Spezies am stärksten oligomerisiert und längere unlösliche längere Fibrillen bildet (Haass und Selkoe 1993). Aβ-Fibrillen sind Hauptbestandteil der typischen Alzheimer-Plaques. Diese Plaques finden sich bevorzugt in der grauen Substanz und weniger stark ausgeprägt auch in der angrenzenden weißen Substanz. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer fortschreitenden Anreicherung von Aβ, die einem bestimmten Muster folgt. Die Ablagerung von Aβ in Plaques beginnt im Neokortex und breitet sich von dort aus in andere Hirngebiete aus, wobei einige Strukturen wie beispielsweise das Cerebellum weitestgehend ausgespart bleiben (Thal et al. 2006).
Mittlerweile häufen sich aber auch Studien, die darauf hindeuten, dass weniger die Aβ-Plaques als vielmehr die löslichen Aβ-Oligomere verantwortlich für die Neurodegeneration im Rahmen der Alzheimer-Krankheit sind. Lösliche Aβ-Oligomere finden sich in erhöhten Konzentrationen sowohl in den Gehirnen als auch im Liquor von Patienten mit AD. Sie binden dabei direkt an synaptische Endigungen, führen sowohl zu morphologischen als auch funktionellen synaptischen Einschränkungen und sind auch in Abwesenheit von Aβ-Plaques mit Gedächtnisdefiziten assoziiert (Haass und Selkoe 2007). Außerdem scheint ein direkter Zusammenhang zwischen löslichem Aβ und dem zweiten neuropathologischen Charakteristikum der Alzheimer-Krankheit, nämlichen den Tau-Protein-Fibrillen zu bestehen.
Tau ist ein mikrotubuliassoziiertes Protein und damit ein integraler Bestandteil des Zytoskeletts. Unter anderem führen die löslichen Aβ-Oligomere zu einer Hyperphospholyrierung von Tau und damit einer Destabilisierung von mikrotubuliassoziierten neuronalen Transportvorgängen. Da zellulärer Transport zu den Synapsen entscheidend für die Funktion der Synapsen ist, führt Tau-Pathologie zu synaptischer Dysfunktion und Zelltod. Im Gegensatz zur Aβ-Plaquepathologie findet sich pathologisch verändertes Tau-Protein zu Beginn der Alzheimer-Krankheit v. a. im entorhinalen Kortex, von wo es sich über das limbische System bis in den Neokortex ausbreitet (Braak und Braak 1997).
ApoE wird in der Leber und im Gehirn gebildet und spielt für die Bereitstellung von Lipiden für Gewebsreparaturprozesse eine wichtige Rolle. ApoE wird auf Chromosom 19 kodiert und weist einen genetischen Polymorphismus auf. Bekannt sind 3 Varianten: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Ein ApoE4-Allel findet sich bei 20-30 % der Bevölkerung, jedoch bei mehr als 50 % aller Patienten mit AD. Damit scheint ApoE4 ein genetischer Risikofaktor für eine AD zu sein, wobei das Vorhandensein eines ɛ4-Allels jedoch weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Auftreten einer AD ist. Das relative Risiko, an AD zu erkranken, ist für ɛ4-Heterozygote um das 2- bis 3-Fache und für ɛ4-Homozygote um mehr als das 10-Fache erhöht. ApoE4 ist jedoch auch ein Risikofaktor für eine Arteriosklerose, für die koronare Herzerkrankung und für vaskuläre Demenzen. Eine ApoE-Typisierung ist für eine prädiktive AD-Diagnostik ungeeignet.
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Weitere Risikofaktoren
Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten einer AD ist eine demenzielle oder neurodegenerative Erkrankung bei Angehörigen. Des Weiteren tragen schwerere Schädel-Hirn-Traumen zu einer Erhöhung des AD-Risikos auf ca. Neben genetischen Einflüssen und direkten traumatischen Hirnschädigungen können auch psychosoziale Variablen zu einer Risikoerhöhung führen. Eine geringe Schulbildung erhöht das Risiko, an einer AD zu erkranken. Die Prävalenz liegt bei Personen mit einer Schulbildung unter 4 Jahren gegenüber Personen mit einer Schulbildung von mehr als 10 Jahren bis zum 4-Fachen höher. Neben einer größeren kognitiven Reservekapazität der besser Gebildeten, die womöglich eine verzögerte Manifestation der Demenzsymptomatik bewirkt, können auch bildungsbezogene Unterschiede in der Lebensführung (Ernährung, Medikamentengebrauch usw.) für diese Risikodifferenzen verantwortlich sein.
In den letzten Jahren haben sich die Hinweise auf Zusammenhänge zwischen vaskulären Risikofaktoren und AD verdichtet. Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes, Adipositas und Rauchen im mittleren Lebensalter verdoppeln jeweils das Risiko einer späteren Demenz. Im höheren Lebensalter sind die Zusammenhänge zwischen diesen Risikofaktoren und AD hingegen weniger eng.
Dialyse und kognitive Beeinträchtigung
Chronische Niereninsuffizienz betrifft etwa 11 % der bundesdeutschen Bevölkerung, wobei das Erkrankungsrisiko mit höherem Alter drastisch steigt. Nierenerkrankungen und Dialysepflicht können erhebliche Auswirkungen auf das psychische Befinden haben, wobei vor allem Depressionen und Angststörungen die individuelle Lebensqualität beeinträchtigen. Sofern aufgrund der Schwere der psychischen Symptomatik eine Psychopharmakotherapie als indiziert angesehen wird, ist bei Verordnung von Substanzen, die überwiegend renal eliminiert werden eine Dosisanpassung erforderlich. Andererseits sollten auch unerwünschte Nebenwirkungen einzelner Psychopharmaka auf die Nierenfunktion bekannt sein, um hier Schädigungen vorzubeugen. Der Begriff „Psychonephrologie“ wurde von dem amerikanischen Psychiater Norman B. Levy Ende der 70er-Jahre eingeführt, um die vielfältigen psychologischen und psychiatrischen Problemfelder, die mit einer Niereninsuffizienz (NI) assoziiert sind, zu betonen [53].
Menschen mit chronischen Nierenerkrankungen und konsekutiver Dialysepflichtigkeit weisen mit einer geschätzten Prävalenz einer majoren Depression von 5 bis 22 % überproportional häufig depressive Störungen auf. Die Punktprävalenz für Angsterkrankungen wird zwischen 30 % und 45 % (zum Vergleich: in der Normalbevölkerung bei 18 %) geschätzt. Das medizinische Setting der Dialyse, die Wahrnehmung, von einer Maschine abhängig zu sein, sowie die Belastung durch somatische Komplikationen (z. B. Blutverlust, Elektrolytschwankungen, kardiologische Komplikationen) sind nur einige der dafür verantwortlichen Faktoren und wirken sich negativ auf die Behandlungsadhärenz aus.
Als weitere häufige Folgen einer langfristigen Dialysebehandlung lassen sich kognitive Störungen von leichten kognitiven Beeinträchtigungen bis zu ausgeprägter Demenz feststellen, als deren Ursache unter anderem Blutdruckschwankungen und daraus resultierende ischämische Hirnläsionen diskutiert werden.
Patientinnen mit einer Schädigung der Nieren sollen ein bis zu 162 Prozent höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Die Ergebnisse der Studie des Karolinska Institute in Stockholmes sind auch für Menschen mit vermeintlich gesunden Nieren interessant. Denn bis zu 90 Prozent der Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit sind sich derer nicht bewusst, vermuten die Forschenden. Daten aus den USA deuten darauf hin, dass rund 15 Prozent der Erwachsenen US-Amerikanerinnen an einer chronischen Nierenkrankheit leiden. Das Risiko steige mit dem Alter, ist der Pressemitteilung zur aktuellen Studie zu entnehmen. Da sich die Erkrankung häufig erst in späten Stadien durch Symptome zeige, wüssten rund 90 Prozent der Betroffenen nicht, dass sie erkrankt sind.
Mechanismen der kognitiven Beeinträchtigung bei Nierenerkrankungen
Es gibt mehrere Mechanismen, die erklären können, wie Nierenerkrankungen zu kognitiven Beeinträchtigungen und Demenz führen können:
- Vaskuläre Schäden: Die Autoregulation des Gefäßbettes bei Niere und Gehirn ist relativ ähnlich, weil beide unabhängig vom Blutdruck eine kontinuierliche Durchblutung brauchen. Deswegen haben beide Organe Mechanismen, um den Blutfluss zu kontrollieren - eine Ähnlichkeit, die bei Bluthochdruck bei beiden zu Schäden führen kann. Das ist schon lange bekannt. Und natürlich spielt die vaskuläre Demenz als sehr häufige Demenzform auch bei Patientinnen und Patienten mit CKD eine große Rolle.
- Glymphatisches System: Ein wichtiges, relativ neues Feld ist das glymphatische System, gewissermaßen der Abflussmechanismus oder die „Müllabfuhr“ des Gehirns. Es scheint hier einen Unterschied in der Funktion des glymphatischen Systems zwischen Patienten mit und ohne CKD zu geben. Gibt es neurotoxische Substanzen, die eigentlich über die Niere ausgeschieden werden sollten, aber bei CKD im Gehirn im glymphatischen System akkumulieren, weil sie nicht mehr abtransportiert werden können? Und führen diese dann zu einer Demenz? Schaut man sich diese Liste der Urämietoxine an, sind 10 % etwa neurotoxisch. Alle Nephrologen kennen das, die urämische Enzephalopathie ist ganz offensichtlich eine Dysfunktion des Gehirns, die jedoch reversibel ist. Die Mechanismen bei der CKD-assoziierten MCI und Demenz scheinen aber andere zu sein, weil diese, im Moment zumindest, nicht reversibel ist.
- FGF23 und α‑Klotho: Es gibt erste Evidenz dafür, dass eine deutliche Erhöhung von FGF23 und Erniedrigung von α-Klotho zumindest assoziiert ist mit Demenzerkrankungen bei CKD.
Bildgebung und spezifische Gehirnbereiche
Die Bildgebung hat in den letzten Jahren zu einem besseren Verständnis geführt, wie sich MCI/Demenz bei Patienten mit CKD von anderen Demenzformen wie z. B. der Demenz vom Alzheimer-Typ unterscheiden könnte. Man sieht bei Patientinnen und Patienten mit CKD-assoziierter MCI/Demenz vor allem im präfrontalen Cortex und im Nukleus basalis Meynert, der auch in der Gedächtnisleistung eine Rolle spielt, zum einen eine Ausdünnung im präfrontalen Cortex und eine verringerte Aktivität in den Nuklei.
Patienten selbst berichten häufig über Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen. Verlangsamung und Desorganisiertheit im Alltag berichten meistens die Angehörigen. Eine Demenz liegt in Abgrenzung zur MCI dann vor, wenn die Alltagsfunktion eingeschränkt ist. Die kognitiven Domänen sind die gleichen: Beeinträchtigt sind vor allem Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen und Sprache.
Therapie und Prävention
Verschiedene Wirkstoffgruppen wurden in Beobachtungsstudien mit einer Reduktion des AD-Risikos in Verbindung gebracht. Metaanalysen der gegenwärtig verfügbaren empirischen Daten bieten jedoch nur wenige Anhaltspunkte für einen protektiven Effekt. Von einzelnen Studien mit positiven Resultaten abgesehen, ergaben sich in der Gesamtbewertung keine klaren Belege für die präventive Wirksamkeit einer Hypertoniebehandlung, der Gabe von Statinen, einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, der Einnahme von Folsäure, Vitamin B6 und B12 oder einer Substitution von Antioxidanzien.
Kontrollierte Studien unter Verwendung von Antidementiva konnten ebenfalls keinen deutlichen präventiven Effekt nachweisen. Vielversprechend hingegen sind die Resultate zur Wirksamkeit von Aktivität und gesunder Ernährung. Geistige Aktivitäten wie das Lösen von Kreuzworträtseln, Schachspielen oder Lesen scheinen die kognitive Reserve zu erhöhen und damit das Auftreten von Demenzen verzögern zu können. Körperliche Aktivität scheint imstande zu sein, das AD-Risiko fast um die Hälfte zu verringern. Zugrunde liegende Mechanismen könnten in einer erhöhten Sauerstoffaufnahme und Glukoseutilisation sowie in der gesteigerten Expression von neutrophen Faktoren bestehen.
Bedeutung der Dialysequalität
Alle Studien, die es dazu gibt, sind eher ernüchternd. Es gibt einige, die zeigen, dass bei der PD möglicherweise das Risiko etwas geringer ist. Allerdings konnte eine große Studie mit mehr als 52.000 Patienten diesen Effekt nicht zeigen, wenn man für andere Risikofaktoren kontrollierte. Es gab verschiedene Hypothesen, warum bei PD das Risiko geringer sein könnte - z. B. die bessere Clearance proteingebundener Toxine. Es gibt insgesamt keine gute Evidenz dazu, wie man die Dialyse modifizieren könnte, um die Progression kognitiver Einschränkungen aufzuhalten.
Das heißt aber nicht, dass es nicht auf die Dialysequalität ankommt. Eine schlechte Dialyse kann durchaus Einfluss auf den Abbau kognitiver Funktionen haben. Es sind insbesondere dialysatunabhängige Faktoren, wie z. B. die Blutdruckkontrolle während der Dialyse oder die EPO-Therapie, mit denen man den Abbau kognitiver Funktionen beeinflussen kann.
Praktische Implikationen
Für die Praxis ist das Wichtigste, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass MCI und Demenz bei CKD-Patienten häufig auftritt und dass man das auch als Nephrologe ernst nimmt. Bei Patienten, die berichten, dass sie sich nicht mehr konzentrieren können oder öfter verlaufen, sollte man hellhörig werden und diese ggf. zum Neurologen oder zu einer neuropsychologischen Testung überweisen, um zu objektivieren, ob eine MCI/Demenz vorliegt.
Die Empfehlungen für CKD-Patienten mit einer MCI oder Demenz sind dann letztlich ähnlich wie bei Menschen ohne Nierenerkrankung. Man kann ja etwas tun. Man kann z. B. im Umfeld viel machen, vor allem die Patienten aktiv halten. Wichtig ist der soziale Austausch. Der fehlende soziale Austausch ist ein wichtiger Faktor für das Fortschreiten einer Demenz und insbesondere den Verlust der Alltagsfähigkeit, den man beeinflussen kann. Und auch wenn die medikamentöse Demenzbehandlung noch ganz am Anfang steht, es gibt keinen Grund zu resignieren. Ein anderer wichtiger beeinflussbarer Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist Schwerhörigkeit. Die kann man testen und beheben.
Zusammenfassung
Die Dialyse kann in einigen Fällen mit Demenz in Verbindung stehen. Die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt Hinweise darauf, dass vaskuläre Schäden, das glymphatische System und spezifische Biomarker wie FGF23 und α‑Klotho eine Rolle spielen könnten. Es ist wichtig, die Dialysequalität zu optimieren und auf dialyseunabhängige Faktoren wie Blutdruckkontrolle und EPO-Therapie zu achten.
Für die Praxis ist es entscheidend, die Aufmerksamkeit auf das häufige Auftreten von MCI und Demenz bei CKD-Patienten zu lenken und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören die Überweisung zu neurologischen oder neuropsychologischen Untersuchungen, die Förderung von sozialem Austausch und Aktivität sowie die Behandlung von beeinflussbaren Risikofaktoren wie Schwerhörigkeit.