Embolisation im Gehirn: Eine umfassende Betrachtung

Die Embolisation im Gehirn ist ein minimal-invasives Verfahren, das zur Behandlung verschiedener Gefäßerkrankungen eingesetzt wird. Dabei werden Blutgefäße gezielt verschlossen, um den Blutfluss zu reduzieren oder zu unterbrechen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Embolisation im Gehirn, von den Anwendungsgebieten über die Durchführung bis hin zu den Risiken und Vorteilen.

Was ist eine Embolisation?

Bei einer Embolisation werden Blutgefäße durch das Einbringen von Substanzen verschlossen. Die Zellen werden nicht mehr mit Blut versorgt und sterben ab.

Anwendungsgebiete der Embolisation im Gehirn

Die Embolisation im Gehirn findet Anwendung bei einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter:

  • Arteriovenöse Malformationen (AVM): Angeborene Gefäßmissbildungen, bei denen eine Kurzschlussverbindung zwischen Arterien und Venen besteht.
  • Aneurysmen: Aussackungen an den Wänden von Hirnarterien, die platzen und zu lebensbedrohlichen Blutungen führen können.
  • Durale arteriovenöse Fisteln (AVF): Fehlverbindungen zwischen Arterien und Venen auf Ebene der Hirnhäute.
  • Chronische Subduralhämatome (cSDH): Einblutungen in den Raum zwischen harter Hirnhaut (Dura) und Gehirn.
  • Tumoren: Zur Reduktion der Blutversorgung von Tumoren vor einer Operation oder Strahlentherapie.
  • Akute Blutungen: Im Gesicht und Nasen-Rachenraum, bei schwereren Unfällen, nach operativen Eingriffen oder bei unstillbarem Nasenbluten ohne erkennbare Ursache.

Arteriovenöse Malformationen (AVM) im Detail

Arteriovenöse Malformationen (AVM) sind abnorme Gefäßfehlbildungen, die meist angeboren sind und in allen Regionen des Gehirns vorkommen können. Sie bestehen aus einem Nidus (lat. = Nest) - quasi einem Gefäßknäuel - von zuführenden Gefäßen (Arterien) und abführenden Gefäßen (Venen). Aus diesem Grund ist u. a. der Blutfluss erhöht, woraus wiederum ein hohes kumulatives Risiko für Hirnblutungen resultiert. Die Häufigkeit dieser Erkrankung liegt bei 10 bis 18 Fällen pro 100.000 Einwohner. Symptome zeigen sich meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr.

Symptome von AVM

Prinzipiell unterscheidet man zwischen symptomatischen und asymptomatischen arteriovenösen Malformationen. Es gibt also Krankheitsformen, die Symptome wie Kopfschmerzen verursachen, Anfallsleiden, neurologische Defizite, oder die bereits eine Hirnblutung ausgelöst haben. Häufig sind Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Lähmungen. Je nach Lokalisation der arteriovenöse Malformationen können auch Sprach- oder Gedächtnisleistungsstörungen vorhanden sein. Das mit über 50% am häufigsten auftretende Symptom ist eine Hirnblutung, intrazerebrale Blutung genannt. Das Risiko dafür wird in größeren Studien mit einer Blutungswahrscheinlichkeit von etwa 1 bis 2% pro Jahr angegeben.

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Ursachen und Risikofaktoren von AVM

Arteriovenöse Malformationen gelten grundsätzlich als angeborene Erkrankung. Durch eine bildgebende Diagnostik lässt sich die arteriovenöse Malformation aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und Hämodynamik - damit ist die Dynamik des Blutflusses in Ihren Gefäßen gemeint - näher klassifizieren (Spetzler-Martin-Klassifikation). Durch diese medizinische Klassifikation wird das Ausmaß der Gefäßfehlbildungen in insgesamt 5 Schweregraden beschrieben. Nach dem individuellen Schweregrad richten sich auch die konkrete Therapieplanung bzw.

Diagnostik von AVM

Oft ist eine Computertomographie mit CT-Angiographie (CTA) für die Primärdiagnose ausreichend. Die Magnetresonanztomographie (MRT) dient der präzisen Lokalisationsdiagnostik des krankhaften Gefäßknäuels - hier geht es vor allem auch um den Bezug zu funktionell besonders relevanten Hirnregionen. Die digitale Subtraktions-Angiographie (DSA) stellt die Gefäße präzise dar und zeigt, dass bei einer AV-Malformation zwischen Arterien und Venen kein Netz kleinster Kapillargefäße zwischengeschaltet ist.

Behandlung von AVM

Eine innovative und effektive Behandlungsmöglichkeit stellt die robotergeführte, nicht invasive Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie dar. Diese hochmoderne Methode kommt insbesondere bei schwer zugänglichen Gefäßfehlbildungen in Betracht. Aber auch eine Kombination mit einer Embolisation ist denkbar, vor allem wenn die vorhandene arteriovenöse Malformation nicht für eine Operation oder alleinige Embolisation infrage kommt bzw. Bei der robotergeführten Hochpräzisionsbehandlung einer CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie bündeln sich Photonen hochfokussiert im Zentrum der Gefäßmalformation und bewirken somit langfristig einen Verschluss der krankhaften Gefäße.

Aneurysmen im Detail

Gefäßaussackungen (Aneurysmen) der hirnversorgenden Arterien sind mit einer Häufigkeit von ca. 3% der Normalbevölkerung eine häufige Erkrankung. Sie stellen eine Schwachstelle der Gefäßwand dar und können spontan oder unter ungünstigen Umständen platzen. Die Folge ist eine lebensbedrohliche Hirnblutung, eine sog. Subarachnoidalblutung mit hoher Morbidität und Mortalität. Durch den Einsatz nichtinvasiver diagnostischer Verfahren zur Gefäßdarstellung, allen voran der MRT, werden zunehmend häufiger auch asymptomatische Aneurysmen als Zufallsbefunde entdeckt. Damit ist häufig eine Behandlung möglich, bevor es zu einer Aneurysmaruptur kommt.

Behandlung von Aneurysmen

Neben der offenen Operation (Clipping) hat sich die endovaskuläre Katheterbehandlung schon langjährig als primäre Behandlungsoption etabliert. In der Regel wird dabei das Aneurysma minimal-invasiv von der Leiste aus mit kleinen Platinspiralen ausgefüllt (Coilembolisation). Bei Aneurysmen mit breiter Basis (Aneurysmaeingang) ist es manchmal erforderlich, zusätzlich eine kleine Gefäßstütze (Stent) oder vorübergehend einen Ballon zu verwenden, um die Spiralen sicher an Ort und Stelle einzubringen. Ausgewählte Aneurysmen können auch allein mit speziellen Implantaten, sog. Flussmodulierenden Stents (Flow-Diverter) oder speziellen weichen „Aneurysma-Körbchen“, behandelt werden, ohne dass dabei ein Einsatz von Coils erforderlich ist. Die Entscheidung welche Therapie bei individuellen Patientinnen bzw. Patienten Aneurysma die beste Behandlungsstrategie darstellt, wird idealerweise basierend auf hochaufgelösten 3D-Aufnahmen getroffen. Üblicherweise erfolgt dies im Vorfeld als diagnostische Katheterangiographie.

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Chronische Subduralhämatome (cSDH) im Detail

Chronische subdurale Hämatome (cSDH) sind Einblutungen in einen Raum zwischen harter Hirnhaut (Dura) und Gehirn direkt unter dem Schädelknochen. Das Krankheitsbild betrifft vornehmlich ältere Menschen und stellt mit einer Inzidenz von ca. 15 Patientinnen bzw. Patienten auf 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohner pro Jahr eine der am häufigsten neurochirurgisch behandelten Erkrankungen dar. Dabei wird über ein kleines Bohrloch die Blutung entlastet. Allerdings ist das Rezidivrisiko für ein erneutes Subduralhämatom mit ca. 40% sehr hoch, so dass nicht selten eine erneute Operation erforderlich wird.

Behandlung von cSDH

Mit der Embolisationsbehandlung steht hier eine sehr wirkungsvolle und gleichzeitig technisch einfache und schonende Behandlungsmethode zur Verfügung. Dabei wird von der Leiste aus die mittlere Hirnhautarterie sondiert und mit kleinen Partikeln, Spiralen oder einem flüssigen Embolisat verschlossen (verödet), so dass das subdurale Hämatom quasi „ausgetrocknet“ wird. Das Rezidivrisiko chronischer Subduralhämatome lässt sich damit deutlich reduzieren. Die Dauer dieser minimal-invasiven Behandlungsform beträgt ca. 30 Minuten und ist vielfach ohne Narkose möglich.

Wie funktioniert die Embolisation im Gehirn?

Die Embolisation ist ein minimal-invasives Verfahren, das in der Regel unter Vollnarkose durchgeführt wird. Ein Neuroradiologe führt einen dünnen Katheter über die Leistenarterie oder -vene bis zu dem betroffenen Gefäß im Gehirn. Unter Röntgenkontrolle wird der Katheter präzise positioniert. Anschließend werden Embolisationsmaterialien durch den Katheter injiziert, um das Gefäß zu verschließen.

Embolisationsmaterialien

Es gibt verschiedene Arten von Embolisationsmaterialien, die je nach Art und Größe des zu verschließenden Gefäßes eingesetzt werden:

  • Flüssigembolisate: Klebstoffartige Substanzen, die das Gefäß dauerhaft verschließen.
  • Coils: Kleine Metallspiralen, die in das Gefäß eingebracht werden und eine Blutgerinnung auslösen.
  • Partikel: Kleine Kunststoff- oder Metallpartikel, die das Gefäß verstopfen.
  • Ballons: Aufblasbare Ballons, die das Gefäß vorübergehend verschließen.
  • Flussmodulierende Stents (Flow-Diverter): Spezielle Implantate, die den Blutfluss umleiten und so das Aneurysma verschließen.

Der Fall von Jonas D.

Jonas D. ahnte lange nicht, welche Gefahr in seinem Gehirn lauerte. Er hatte ein Angiom (AVM), eine Gefäßmissbildung, die jederzeit lebensbedrohliche Blutungen auslösen konnte. Nach einem dramatischen Morgen mit plötzlichen Sehstörungen und Blutungen im Gesicht wurde im Krankenhaus Schwäbisch Hall ein "großer Bollen" in seinem Kopf entdeckt. Die Diagnose: ein Angiom (AVM).

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Die Ärzte überwiesen Jonas D. an Prof. Dr. Dr. Hans Henkes im Klinikum Stuttgart. Dort wurde das AVM mittels Angiographie genau lokalisiert. Es handelte sich um eine 6,5 Zentimeter große Arteriovenöse Malformation im linken Schläfenlappen. Prof. Dr. Dr. Henkes führte zwei Embolisationen durch, um das Angiom zu verkleinern.

Trotzdem entschied sich Jonas D. zunächst für eine Bestrahlung in Frankfurt/Oder, um das AVM weiter zu verkleinern. Im Mai 2020 erlitt er jedoch beim Sport stechende Kopfschmerzen und eine kleine Gehirnblutung. Nach erneuter Embolisation wurde Jonas D. von Dr. Peter Kurucz operiert. Der Eingriff erfolgte in drei Sitzungen, wobei Prof. Dr. Dr. Henkes das Angiom zwischen den Operationen weiter verkleinerte. Nach der dritten Operation konnte Dr. Kurucz verkünden, dass das Angiom vollständig entfernt wurde.

Die Geschichte von Jonas D. zeigt die Komplexität der Behandlung von AVM und die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Risiken und Komplikationen der Embolisation im Gehirn

Wie bei jedem medizinischen Eingriff birgt auch die Embolisation im Gehirn Risiken und mögliche Komplikationen:

  • Blutungen: Während oder nach dem Eingriff kann es zu Blutungen im Gehirn kommen.
  • Schlaganfall: Durch die Embolisation können Blutgefäße verschlossen werden, die gesundes Hirngewebe versorgen, was zu einem Schlaganfall führen kann.
  • Neurologische Ausfälle: Je nach Lokalisation des Eingriffs können neurologische Ausfälle wie Sprachstörungen, Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen auftreten.
  • Infektionen: In seltenen Fällen kann es zu Infektionen an der Einstichstelle oder im Gehirn kommen.
  • Allergische Reaktionen: Auf Kontrastmittel oder Embolisationsmaterialien können allergische Reaktionen auftreten.
  • Rezidiv: In einigen Fällen kann sich das behandelte Gefäß wieder öffnen oder es können sich neue Gefäßmissbildungen bilden.

Vorteile der Embolisation im Gehirn

Trotz der Risiken bietet die Embolisation im Gehirn auch eine Reihe von Vorteilen:

  • Minimal-invasiv: Im Vergleich zu offenen Operationen ist die Embolisation weniger belastend für den Patienten.
  • Geringere Komplikationsrate: Die Komplikationsrate ist in der Regel geringer als bei offenen Operationen.
  • Kürzere Erholungszeit: Die Erholungszeit nach einer Embolisation ist in der Regel kürzer als nach einer offenen Operation.
  • Gezielte Behandlung: Die Embolisation ermöglicht eine gezielte Behandlung der betroffenen Gefäße.
  • Möglichkeit der Kombination mit anderen Therapien: Die Embolisation kann mit anderen Therapien wie Operation oder Strahlentherapie kombiniert werden.

Die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Die Behandlung von Gefäßerkrankungen im Gehirn erfordert eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, darunter Neuroradiologie, Neurochirurgie, Neurologie und Strahlentherapie. In sogenannten AVM-Konferenzen werden individuelle Therapiekonzepte für jeden Patienten erstellt, um ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen.

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