Das Gehirn: Eine medizinische Definition und umfassende Betrachtung

Das menschliche Gehirn ist zweifellos das komplexeste Organ, das die Natur hervorgebracht hat. Mit seinen etwa 100 Milliarden Nervenzellen und einer noch größeren Anzahl von Kontaktpunkten ermöglicht es Fähigkeiten, die selbst modernste Supercomputer bisher nicht erreichen. Eine seiner herausragendsten Eigenschaften ist die Lernfähigkeit, die lange Zeit unterschätzt wurde.

Die Definition des Gehirns

Das Gehirn, auch Encephalon genannt, ist der Teil des zentralen Nervensystems, der sich innerhalb des Schädels befindet und diesen ausfüllt. Es besteht aus einer immensen Anzahl von Nervenzellen, die über Nervenbahnen mit dem gesamten Organismus verbunden sind und diesen steuern. Das Gehirnvolumen beträgt beim Menschen etwa 20 bis 22 Gramm pro Kilogramm Körpermasse, und sein Gewicht macht mit 1,5 bis 2 Kilogramm etwa drei Prozent des Körpergewichts aus. Diese Masse beherbergt etwa 100 Milliarden Gehirnzellen, die miteinander durch geschätzte 100 Billionen Verknüpfungen verbunden sind.

Die Plastizität des Gehirns: Ein Leben lang lernen

Früher gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich das Gehirn eines Erwachsenen nicht mehr verändert. Heute wissen wir, dass es bis ins hohe Alter laufend umgebaut wird. Einige Neurobiologen vergleichen es sogar mit einem Muskel, der trainiert werden kann. Diese lebenslange Lernfähigkeit ermöglicht es uns, uns an vielfältige Herausforderungen anzupassen, sei es das Erlernen einer Fremdsprache, das Merken neuer Gesichter oder das Finden des Wegs zu einer neuen Pizzeria.

Lernen findet an den Synapsen statt, den Kontaktstellen, an denen elektrische Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden. Neurowissenschaftler haben entdeckt, dass Synapsen die Effektivität der Übertragung variieren können, ein Phänomen, das als synaptische Plastizität bekannt ist. Durch Langzeitpotenzierung (LTP) können Synapsen verstärkt werden, indem sie mehr Botenstoffe ausschütten oder mehr Rezeptoren bilden. Umgekehrt können Signalübertragungen auch abgeschwächt oder sogar komplett gekappt werden. Im erwachsenen Gehirn können Synapsen neu gebildet oder abgebaut werden, und an wenigen Stellen, wie im Riechsystem, können sogar neue Nervenzellen entstehen.

Die Stärke der Signalübertragung zwischen Nervenzellen wird also laufend angepasst. Vereinfacht gesagt, wird die Signalübertragung verstärkt, wenn das Gehirn etwas speichert, und abgeschwächt, wenn es etwas vergisst. Ohne diese Plastizität wäre das Gehirn nicht lernfähig. Wie beim Sport gilt: Je mehr eine Fähigkeit gefordert wird, desto effektiver wird sie erledigt.

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Gehirnjogging und seine Grenzen

Obwohl die Lernfähigkeit des Gehirns unbestritten ist, bezweifeln viele Wissenschaftler, dass Gehirnjogging-Übungen die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Sie gehen davon aus, dass sich der Trainingseffekt nur auf die unmittelbar trainierte Aufgabe auswirkt.

Die Kartierung des Gehirns: Ein soziales Netzwerk

Um die komplexen Funktionen des Gehirns zu verstehen, arbeiten Wissenschaftler daran, die Verbindungen zwischen den Nervenzellen zu kartieren. Moritz Helmstaedter beispielsweise kartografiert das "soziale Netzwerk" im Gehirn, das unser Denken, Fühlen und Handeln steuert. Ziel ist es, zu verstehen, welche Nervenzellen miteinander kommunizieren und warum.

Alterung und Krankheiten: Der Einfluss auf das Gehirn

Auch die Alterungsprozesse im Gehirn und der Einfluss von Infektionskrankheiten wie Corona sind wichtige Forschungsgebiete. Anne Schäfer vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns untersucht, wie sich diese Faktoren auf das Gehirn auswirken.

Die Untersuchung des Gehirns: Methoden und Technologien

Wissenschaftler nutzen verschiedene Methoden, um die Gehirnaktivität zu untersuchen. Mittels EEG-Signalen können sie die Gehirnaktivität eines Menschen mitlesen. Bernhard Schölkopf und sein Team arbeiten daran, diesen Code zu entschlüsseln und leistungsfähige Gehirn-Computer-Schnittstellen zu entwickeln.

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglicht es, Faserstränge von Nervenzellen sichtbar zu machen, die verschiedene Bereiche der Großhirnrinde miteinander verbinden. Mit einer Variante dieser Technik, der funktionellen Magnetresonanztomografie, können Wissenschaftler zwischen aktiven und nicht aktiven Gehirnregionen unterscheiden.

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Einen exakten Schaltplan des Gehirns lässt sich jedoch mit der MRT-Technik nicht erstellen, da die Genauigkeit der Methode nicht hoch genug ist. Deshalb entwickeln Wissenschaftler neue Methoden, mit denen sie das Konnektom entschlüsseln können.

Modellorganismen: Das Gehirn im Kleinen verstehen

Um die Prinzipien der Informationsverarbeitung im Gehirn aufzuklären, konzentrieren sich Wissenschaftler auf einfacher aufgebaute Gehirne, die weniger Nervenzellen und -fasern besitzen als das Gehirn des Menschen. Mäuse sind ein solcher Modellfall, da sie als Säugetiere ein ähnlich aufgebautes und funktionierendes Gehirn wie der Mensch besitzen. Noch einfacher aufgebaut und leichter zu untersuchen ist das Gehirn von Zebrafischen und ihrer Larven. Auch Wirbellose können ein Modell für Neurowissenschaftler sein.

Die Anatomie des Gehirns: Eine detaillierte Betrachtung

Das menschliche Gehirn lässt sich nach verschiedenen Kriterien untergliedern. Entwicklungsgeschichtlich besteht es wie das aller Wirbeltiere aus dem End-, Zwischen-, Mittel-, Hinter- und Markhirn, auch als Tel-, Di-, Mes-, Met- und Myelencephalon bezeichnet. Besonders auffällig ist die zum Endhirn gehörende Großhirnrinde, der Kortex. Sie ist im Laufe der Evolution so stark gewachsen, dass sie fast das gesamte Gehirn umgibt und Sitz vieler höherer geistiger Fähigkeiten ist.

Die Großhirnrinde (Kortex)

Die Großhirnrinde ist etwa 1 1/2 mm dick und besteht aus sechs Zellschichten. Sie lässt 200 Rindenfelder erkennen, denen man bestimmte Funktionen zuordnen kann. Die Oberfläche der grauen Großhirnrinde wird durch zahlreiche Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) erheblich vergrößert. Sie ist der Sitz von Bewusstsein, Denken, Willen, Gedächtnis, bewussten und unbewussten Handlungen sowie von Sinneseindrücken. Jede Großhirnhälfte ist für eine Körperhälfte zuständig, wobei sich die Nervenbahnen kreuzen, sodass die linke Großhirnhälfte die rechte Körperseite steuert und umgekehrt.

Das Zwischenhirn (Diencephalon)

Das Zwischenhirn liegt um den dritten Hirnventrikel herum und wird von den beiden Großhirnhälften umschlossen. Es besteht aus vier übereinander gelagerten Etagen. Zu den wichtigsten Strukturen des Zwischenhirns gehören der Thalamus und der Hypothalamus.

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Der Hirnstamm

Der Hirnstamm verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark und besteht aus Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark. Er ist für grundlegende Lebensfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck verantwortlich.

Das Kleinhirn (Cerebellum)

Das Kleinhirn liegt oberhalb des Hirnstamms und unterhalb der beiden Großhirnhemisphären. Es koordiniert Bewegungen und das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungsabläufe.

Das Limbische System

Das limbische System ist ein Randgebiet zwischen Großhirn und Hirnstamm, das der Selbsterhaltung (Ernährung, Verteidigung, Angriff) und der Arterhaltung (Sexualität) dient. Von hier aus gehen Gemütsbetonung und gemütsbedingte Antriebe aus, und vegetative sowie hormonale Regulationen werden beeinflusst.

Die Funktionellen Bereiche des Gehirns

Die verschiedenen Bereiche des Gehirns übernehmen unterschiedliche Funktionen. Der Hirnstamm steuert die grundlegenden Lebensfunktionen, während das Zwischenhirn Sinneseindrücke verarbeitet und den Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger, Durst, Schmerzempfinden und den Sexualtrieb steuert. Das Kleinhirn koordiniert Bewegungen und das Gleichgewicht, und im Großhirn sind Sprache, Logik, Kreativität und Orientierungssinn verankert.

In der Hirnrinde laufen die Informationen aus den Sinnesorganen zusammen, werden verarbeitet und im Gedächtnis gespeichert. Das limbische System reguliert das Affekt- und Triebverhalten und dessen Verknüpfungen mit vegetativen Organfunktionen.

Die Bedeutung von Neurotransmittern

Neurotransmitter wie Acetylcholin spielen eine entscheidende Rolle bei der Funktion des Gehirns. Acetylcholin ist an Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis beteiligt und überträgt im peripheren Nervensystem die Erregung von Nerven auf Muskeln.

Die Blutversorgung des Gehirns

Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt über die rechte und linke innere Halsschlagader und über die Arteria vertebralis. Diese Arterien sind zu einem Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri) geschlossen, der sicherstellt, dass der Blutbedarf des Gehirns auch bei Schwankungen in der Blutzufuhr immer ausreichend ist.

Die Blut-Hirn-Schranke

Das empfindliche Gewebe im Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke gegen schädigende Substanzen im Blut abgeschirmt.

Der Energieverbrauch des Gehirns

Der Energieverbrauch des Gehirns ist enorm hoch. Fast ein Viertel des Gesamtenergiebedarfs des Körpers entfällt auf das Gehirn, und bis zu zwei Drittel der täglich aufgenommenen Glukose werden vom Gehirn beansprucht.

Die Hemisphären des Gehirns

Das menschliche Gehirn besteht aus zwei Hälften, den Hemisphären, die durch den Balken miteinander verbunden sind. Jede Hemisphäre besteht aus verschiedenen anatomischen Strukturen und Regionen, die für unterschiedliche kognitive Funktionen verantwortlich sind. Die linke Hemisphäre ist in der Regel für Sprache und Logik zuständig, während die rechte Hemisphäre für räumliche Wahrnehmung, Kreativität und Emotionen zuständig ist.

Hirntod und seine Auswirkungen

Ist der Hirntod eingetreten, sind die Rezeptoren im Gehirn funktionslos, und eine Wahrnehmung, wie zum Beispiel eine Schmerzwahrnehmung, ist nicht mehr möglich. Einige Reflexe, sogenannte Rückenmarksreflexe, gehen von den Nerven im Rückenmark aus und können auch nach dem Hirntod noch auftreten.

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