Das Herz-Gehirn: Eine wissenschaftliche Perspektive auf die enge Verbindung zwischen Herz und Gehirn

Die Interaktion zwischen Herz und Gehirn spielt eine immer wichtigere Rolle für unser Verständnis von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Verbindung ist nicht nur physiologisch, sondern wird auch stark von psychosozialen Faktoren beeinflusst, die das Risiko für Herz-Kreislauf- und neurologische Erkrankungen deutlich erhöhen können.

Historischer Kontext: Die Wahrnehmung der Herz-Gehirn-Verbindung im Wandel der Zeit

"Jede Gemütsbewegung, die mit Schmerz oder Freude, Hoffnung oder Furcht einhergeht, ist die Ursache einer Erregung, deren Einfluss sich bis zum Herzen erstreckt." Diese Beobachtung von William Harvey, dem Entdecker des Blutkreislaufs, über die enge Verbindung zwischen neuronalen Prozessen und dem Herzen wurde vor fast 400 Jahren formuliert und fand zunächst vor allem in Anekdoten und Fabeln Beachtung. In den letzten Jahren hat sich das Verständnis dafür, wie emotionaler und psychischer Stress das Herz beeinflussen kann, enorm erweitert.

Die bidirektionale Kommunikation zwischen Herz und Gehirn

Das Herz und das Gehirn stehen in einem dynamischen, bidirektionalen Austausch, der über das autonome Nervensystem (ANS), neurohormonelle Signale und immunologische Prozesse vermittelt wird. Das ANS spielt eine zentrale Rolle, da es über Sympathikus und Parasympathikus sowohl die Herzfrequenz als auch die Reaktivität auf Stress reguliert. Chronischer psychosozialer Stress kann das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Systemen stören, was zu einer Überaktivierung des Sympathikus und einer verminderten vagalen Kontrolle führt.

Die Rolle der Amygdala

Besonders die Aktivität der Amygdala, einer Region im Gehirn, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist, steht im Fokus der Forschung. Die Amygdala spielt eine zentrale Rolle bei der emotionalen Bewertung und Verarbeitung von Stress. Studien zeigen, dass eine erhöhte stressbedingte neuronale Aktivität bzw. die Aktivität der Amygdala mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mit der Mortalität korreliert.

Eine wegweisende Studie belegte, dass Teilnehmer mit einer höheren Aktivität der Amygdala - gemessen mittels 18F-Fluorodeoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomografie (18F-FDG-PET) - ein signifikant erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall hatten. Diese Korrelation blieb auch nach der Anpassung von traditionellen Risikofaktoren bestehen.

Lesen Sie auch: Wissenschaftliche Studien zur Herz-Gehirn-Verbindung

Eine weitere, kürzlich publizierte Studie wies bei Patient:innen unmittelbar nach einem akuten Myokardinfarkt verglichen mit Kontrollpersonen ebenfalls eine erhöhte Amygdala- und Knochenmarksaktivität nach. Sechs Monate nach dem Myokardinfarkt waren die Amygdala- und die Knochenmarksaktivität wieder auf dem gleichen Niveau wie bei Kontrollpersonen.

Schließlich konnte in einer kürzlich publizierten Studie mittels 18F-FDG-PET und einer Computertomografie der Koronarien (Koronar-CT) der Zusammenhang dargestellt werden, wie die erhöhte Amygdalaaktivität über die verstärkte Knochenmarksaktivität zu einem erhöhten inflammatorischen Prozess im Bereich der Koronararterien (gemessen mit einem neuen CT-basierten Index, dem sogenannten «fat attenuation index» [FAI] der Koronararterien) und zu vermehrten Hochrisikoplaques in den Koronararterien führt. Diese Faktoren waren assoziiert mit einem erhöhten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse.

Stress und Entzündung

Psychosozialer Stress bewirkt eine Aktivierung des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems (HPA-Achse) und fördert so entzündliche Prozesse. Die Amygdala sendet bei Stress Signale an verschiedene Körperteile, einschließlich des Herz-Kreislauf-Systems. Dies führt zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.

Autonome Dysfunktion

Eine reduzierte Herzratenvariabilität (HRV), ein Marker für die vagale Kontrolle des Herzens, ist häufig bei depressiven oder ängstlichen Personen nachweisbar.

Ungesunde Verhaltensweisen

Psychosoziale Belastungen fördern ungesunde Lebensstile wie Rauchen, übermässigen Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel.

Lesen Sie auch: Gehirn und Herz-Lungen-Unterstützung

Psychosoziale Risikofaktoren und ihre Auswirkungen auf das Herz

Psychosoziale Risikofaktoren wie chronischer Stress, Depressionen, Angstzustände sowie ein niedriger sozioökonomischer Status und Einsamkeit stehen in Verbindung mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und einem ungünstigen Verlauf kardialer Erkrankungen. In der jüngsten Vergangenheit konnten etliche Studien die Wichtigkeit der Psyche und des akuten und chronischen Stresses sowohl bei der Entstehung als auch im weiteren Verlauf von kardiovaskulären Erkrankungen belegen.

Unter anderem hat eine Studie während der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gezeigt, dass sich die Rate von akuten kardiovaskulären Ereignissen in und um München an den Tagen, an welchen die deutsche Nationalmannschaft spielte, vervielfachte. Die Autoren schlossen daraus, dass der intensiv empfundene, akute emotionale Stress im Rahmen eines wichtigen Fussballspiels kardiovaskuläre Ereignisse triggern kann - ein ähnliches Phänomen, wie es bei Naturereignissen (z.B. Erdbeben) oder Kriegen beobachtet wurde. Schliesslich haben etliche Studien und Metaanalysen die Relevanz der engen Wechselbeziehung von psychischen Komorbiditäten (u.a. Depression, Angststörung, posttraumatische Belastungsstörung) und kardiovaskulären Erkrankungen gezeigt. Nach einem Herzinfarkt lassen sich beispielsweise neben Anpassungsstörungen und Angst bei circa 25% der Betroffenen eine Depression bzw. depressive Symptome nachweisen.

Prävention und Interventionen

Um das Risiko von herzbezogenen Erkrankungen zu minimieren, ist ein effektives Stressmanagement entscheidend. Techniken wie regelmässige körperliche Aktivität, Achtsamkeitstraining und Meditation haben sich als wirksam erwiesen, um die Aktivität der Amygdala zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.

In einer kürzlich publizierten Studie wurden die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die stressbezogene neuronale Aktivität und deren Verbindung mit kardiovaskulären Erkrankungen untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die körperliche Betätigung die Aktivität der Amygdala reduziert: Höhere körperliche Aktivität war sowohl mit einer niedrigeren Amygdalaaktivität als auch mit einer niedrigeren Rate an kardiovaskulären Ereignissen verbunden. Zudem konnte gezeigt werden, dass der Nutzen körperlicher Aktivität für das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen bei Personen mit vorbestehender Depression grösser war als bei Personen ohne vorbestehende Depression.

Um die negativen Auswirkungen psychosozialer Risikofaktoren auf die Herz-Hirn-Achse zu minimieren, ist ein multidisziplinärer Ansatz notwendig. Dies wird auch in den neusten Europäischen Richtlinien so festgehalten. Mit relativ einfachen Mitteln können psychosoziale Risikofaktoren erhoben und entsprechende Massnahmen in die Wege geleitet werden.

Lesen Sie auch: Herz und Gehirn Tattoo: Was es wirklich bedeutet

Das "Herzgehirn": Mehr als nur eine Pumpe

Lange Zeit wurde das Herz ganz mechanistisch betrachtet: als reine Pumpe, die den Körper über das beförderte Blut mit Sauerstoff versorgt und den lebenswichtigen Blutkreislauf aufrecht erhält. Doch tatsächlich scheint das Herz mehr als nur eine Pumpe zu sein: Es verfügt über ein Netz aus Nervenzellen und übernimmt wichtige Aufgaben der Steuerung selbst.

Kommunikation zwischen Herz und Gehirn

Herz und Gehirn kommunizieren auf verschiedene Weise miteinander. Am bekanntesten ist die Kommunikation über das Nervensystem und minimale elektrische Impulse, die von den Nervenzellen ausgehen. Die Kommunikation erfolgt hier über sympathische und parasympathische Nervenfasern. Die sympathischen Nervenfasern haben ihren Ursprung in den Halsganglien und werden auch als Herznerven (Nervi cardiaci) bezeichnet. Sie sind für die Beschleunigung der Herzfrequenz zuständig. Die parasympathischen Fasern, die für die Entspannung und eine Verlangsamung des Herzschlags sorgen, entspringen dem Nervus vagus, dem zehnten Hirnnerven. Diese Nervenfasern enden in einem Nervengeflecht, dem sogenannten Plexus cardiacus, an der Herzbasis.

Weil das Herz mit allen Lebensfunktionen in Verbindung steht, gilt es in vielen Traditionen als Sitz der Emotionen. Im Herz gibt es Sensoren, beispielsweise die sogenannten Barorezeptoren, die die Dehnung des Herzvorhofs messen und dann über eine Hirndrüse Signale an die Niere leiten, mehr Wasser auszuscheiden. Die Sinneskörperchen im Herz merken also, dass der „Füllstand“ im Körper hoch ist, und regen die Ausscheidung der überschüssigen Flüssigkeit über die Niere an.

Forscher haben außerdem entdeckt, dass im Herz ein eigenständiges neuronales System mit etwa 40.000 Nervenzellen existiert. Dieses Nervensystem steht mit dem Gehirn in Verbindung und wird „Herzgehirn“ genannt. Überdies konnten im Gehirn 2012 neue Nervenzellen entdeckt werden, die einen Einfluss auf die Regulation von Herzrhythmus und Blutdruck haben.

Dr. J. Andrew Armour hat bereits 1991 den Begriff Herzgehirn eingeführt. Dieses „Herzgehirn“ besitzt, wie auch das eigentliche Gehirn, ein komplexes Netzwerk von Neuronen, Neurotransmittern, Proteinen und Helferzellen. Die erste Aufnahme zeigt die enge Verbindungen zwischen den intrinsischen Ganglien im menschlichen Herz. DIe hellblauen feinen Strukturen im linken Bild sind multiple Axone, die die einzelnen Ganglien miteinander verbinden. Das rechte Bild ist eine vergrößerte Aufnahme eines Ganglions. Dieses Bild eines stark vergrößerten intrinsischen Herzganglions wurde mit einem Konfokalmikroskop aufgenommen, das in der Lage ist, eine Schicht nach der anderen zu fotografieren und daraus eine 3D-Aufnahme zu erstellen. Ganglien bestehen aus Gruppen von Nervenzellen (Soma) und befinden sich außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks. Hier sehen Sie einen Querschnitt durch ein intrinsisches Herzganglion. Im Zentrum befinden sich massenhaft Dendriten ( Zellfortsätze von Nervenzellen), die die einzelnen Neuronen miteinander Verbinden. Die intrinsischen Herzganglien sind über das Herz verteilt. Afferente Neuronen senden Informationen zu anderen Neuronen. Diese sensorischen afferenten Neuronen erkennen lokale mechanische oder biochemische Veränderungen im Gewebe des Herzens.

Körper-Hirn-Zustände: Ein neues Konzept zur Erklärung der Herz-Hirn-Verbindung

Ein neues Konzept eines Forschungsteams am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften geht von integrierten Körper-Hirn-Zuständen aus. Dabei geht jeder körperliche Vorgang, wie zum Beispiel Herzschlag, Blutdruckveränderung und jede Änderung des Metabolismus automatisch mit einem mentalen oder geistigen Prozess einher. Das bedeutet, dass beide untrennbar verbunden sind.

Unterschiedliche Dauer der Körper-Hirn-Zustände

Die Körper-Hirn-Zustände spielen sich auf verschiedenen zeitlichen Skalen ab, die als dynamisches System beschrieben werden: Kurz andauernde Körper-Hirn-Zustände („Microstates“) entsprechen zum Beispiel Emotionen wie Ärger oder Freude. Ein Beispiel für länger andauernde Körper-Hirn-Zustände („Mesostates“) ist akuter oder chronischer Stress. Psychische und kardiovaskuläre Erkrankungen reflektieren sich in langdauernden Körper-Hirn-Zuständen („Macrostates“). „Dabei haben psychische Erkrankungen immer auch eine kardiovaskuläre Komponente, die aber noch ohne klinische Symptome sein kann und ebenso umgekehrt. Die hohe Koinzidenz von psychischen und kardiovaskulären Erkrankungen könnte man daher mit der Spitze des Eisbergs vergleichen“, sagt Arno Villringer, Direktor der Abteilung Neurologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.

Diese Überlegungen bedeuten den Forschenden zufolge, dass schon in der Prävention, aber auch in der Therapie kardiovaskulärer und psychischen Erkrankungen immer beide Aspekte berücksichtigt werden müssen, auch wenn anfänglich nur einer der Aspekte im Vordergrund steht.

Die Auswirkungen des Herzschlags auf Wahrnehmung und Kognition

Der Einfluss des Herzens und des Kreislaufsystems spielt sich innerhalb von Millisekunden ab, so dass schon jeder einzelne Herzschlag eine Rolle spielt. Die Rolle des Herzens für Psyche und Kognition zeigt sich in einer hohen Koinzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Bluthochdruck und Herzinfarkt, sowie psychischen Erkrankungen, wie bei Depression und Angsterkrankungen.

Es gibt eine Reihe von Erklärungsansätzen für diese hohe Koinzidenz, von denen bisher aber keiner definitiv belegt werden konnte. So werden zum Beispiel negative psychische Reaktionen bei Diagnose einer kardiovaskulären Erkrankung als Grund für die Entstehung psychischer Erkrankungen angeführt. Andererseits wird eine ungesunde Lebensweise bei Vorliegen psychischer Erkrankungen als Risikofaktor für die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen angesehen.

Hirn und Herz beeinflussen einander massiv. Mit dem Herzschlag ändert sich unsere Wahrnehmung und sogar unsere Neigung zu Vorurteilen. Herz und Gehirn kommunizieren über das autonome Nervensystem und über Botenstoffe miteinander. Im Gehirn existiert ein Abbild des Herzens: Der Herzschlag ist dort über das Herzschlag-evozierte Potential (HEP) repräsentiert. Der Herzschlag beeinflusst die Wahrnehmung von Berührungsreizen und die Neigung zu Vorurteilen.

So beeinflusst der Herzschlag die Durchblutung des Gehirns und damit die Verarbeitung aller Wahrnehmungen. Die Nervenzellen haben den höchsten Nähr- und Sauerstoffverbrauch im Körper und sind in besonderer Weise auf die Versorgung durch das Herz angewiesen. Menschen mit Herzschwäche leiden daher immer auch kognitiv. Sie können sich schlechter konzentrieren und ermüden rascher.

Das Herzschlag-evozierte Potential (HEP)

Villringer interessiert sich für feinstimmige Kommunikation zwischen Gehirn und Herz. Dafür analysieren Forscher seiner Arbeitsgruppe das Elektrokardiogramm und die Hirnströme gleichzeitig. Sie gleichen das Muster elektrischer Erregung in beiden Organen im Detail miteinander ab. Es fällt auf, dass bestimmte Regionen des Gehirns synchron mit dem Herzen aktiviert werden. Es kommt zu einem gewissen Gleichklang in beiden Organen. Messbar wird das im so genannte Herzschlag-evozierten Potential (Heartbeat-evoked Potential, kurz: HEP). Infolge der elektrischen Erregungsausbreitung im Herzgewebe, die zur Kontraktion des Herzmuskels führt, entsteht eine elektrische Spannung. Diese lässt sich im Gehirn als Erregung messen. Vor allem in der Inselregion des Gehirns konnte Villringer diese rhythmische Korrelation mit dem Herzen feststellen. Es handelt sich quasi um ein Abbild des pumpenden Herzens im Hirn.

Der Neurologe geht davon aus, dass das HEP aber weit mehr besagt. Es ist nämlich bei verschiedenen Menschen unterschiedlich hoch. „Wir vermuten, dass das Gehirn zwei unterschiedliche Modi hat. Wenn das HEP hoch ist, konzentriert man sich auf den eigenen Körper, die Innenwelt. Im zweiten Modus ist das HEP niedrig: Man wendet sich der Außenwelt zu, im evolutiven Kontext waren das etwa Nahrungssuche und Angriff“, sagt Villringer. Zu dieser Deutung passt ein weiterer Befund: Wenn das HEP groß ist, nehmen Probanden einen äußeren elektrischen Reiz am Finger schwächer wahr. Umgekehrt nehmen sie diesen intensiver wahr, wenn das HEP kleiner ist.

Noch ist unklar, ob die Höhe des HEP und damit die Größe des Abbilds des Herzens im Hirn nur von der Situation abhängt oder auch eine Persönlichkeitseigenschaft ist. Fest steht nur, dass der Einfluss des Herzens auf das Gehirn so ausgeprägt ist, dass sich sogar der Herzschlag auf die Wahrnehmung und das Denken auswirkt.

Der Herzschlag und Vorurteile

Ein Experiment von Psychologen um Ruben Azevedo von der Universität in London ist laut Villringer das wohl beunruhigendste Ergebnis zum Einfluss des Herzschlags. Azevedo zeigte 30 Probanden in schneller Folge Fotos von Gesichtern - entweder schwarzer oder weißer Männer gefolgt von einer Waffe oder einem Werkzeug. Möglichst rasch sollten die Testpersonen zuordnen, ob einem hellhäutigen oder dunkelhäutigen Mann ein Werkzeug oder eine Waffe folgt. Dabei erfassten die Experimentatoren auch den Herzschlag. Wenn das Herz sich zusammenzog und Blut in die Gefäße strömte, folgten die Teilnehmer signifikant häufiger ihrem Vorurteil: Sie wiesen einem schwarzen Mann eine Waffe zu.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologische Auswirkungen

Herz und Hirn stehen in einer innigen Verbindung. Aus dieser Perspektive verwundert es nicht, dass sich viele neurologische Erkrankungen auf das Herz auswirken können. Wer an einer Depression leidet, hat beispielsweise ein doppelt so hohes Risiko einen Herzinfarkt oder einen plötzlichen Herztod zu erleiden. Bei knapp 62 Prozent der Schlaganfallpatienten sitzen in den Herzgefäßen Plaques. Und ein Herzinfarkt nach dem Hirnschlag ist eine gefürchtete Komplikation auf den Intensivstationen.

Auch auf Stress hin können kerngesunde Menschen eine Herzmuskelschwäche entwickeln. Dieses Krankheitsbild beschrieb ein japanischer Arzt in den neunziger Jahren und benannte es als „Takotsubo-Syndrom“. „Die Betroffenen kommen in die Notaufnahmen verängstigt, mit Brustschmerzen und Atemnot“, erzählen Victor Schweiger und Julien Mereier aus der Arbeitsgruppe des Kardiologen Christian Templin vom Universitätsspital Zürich. „Manchmal erzählen sie, dass am Tag vorher der Mann gestorben ist. In der Katheteruntersuchung sind dann alle Gefäße offen.“ Die linke Herzkammer pumpt allerdings weniger effizient als gewöhnlich. Die Herzspitze ist ballonartig erweitert, die Hauptschlagader dagegen verengt.

Auf die leichte Schulter darf man die stressbedingte Herzschwäche nicht nehmen, warnen die beiden angehenden Kardiologen. Die Betroffenen brauchen eine Reha, um sich zu erholen. Ihr Risiko zu sterben, ist erhöht. „Es ist nicht nur etwas Psychisches, wie viele glauben, sondern eine körperliche Erkrankung“, betont Schweiger.

Wie das Gehirn bei einem emotionalen Ereignis das Herz stresst, ist gleichwohl nicht genau verstanden. Eine Schlüsselrolle kommt wohl dem Stresshormon Adrenalin zu. Künstlich gegebenes Adrenalin kann in Tieren eine Herzmuskelschwäche auslösen. In den Patienten sind die Spiegel bestimmter Katecholamine, zu denen die Botenstoffe Adrenalin, Dopamin und Noradrenalin gehören, ein bis drei Tage nach dem Auftreten des Takotsubo-Syndroms deutlich höher als in Gesunden. Bekanntermaßen schadet ein Übermaß an Katecholaminen auf Dauer dem Herzen. Auch nach einem Schlaganfall sind die Pegel der Katecholamine erhöht.

An diesem Punkt schließt sich der Kreis: Ein schwächelndes Herz kann nicht nur eine Reaktion auf heftigen Liebeskummer oder einen Todesfall sein. Auch neurologische Ereignisse gehen gar nicht selten, nämlich in 7,6 Prozent der Fälle, einem Takotsubo-Syndrom voraus. Das konnte Templins Team in den Daten des weltweit größten Registers mit mittlerweile mehr als 4.000 Patienten erkennen. „Meist liegen nur ein bis zwei, maximal zehn Tage zwischen dem Erstereignis im Hirn und der stressbedingten Herzmuskelschwäche“, sagt Schweiger.

Wie neurologische Erkrankungen und seelisches Leid dem Herzen zusetzen, versucht die junge Disziplin der Psychokardiologie zu ergründen. „Es ist schon verblüffend“, sagt Schweiger. „Trauer, Ärger und Freude können organische Veränderungen an einem so wichtigen Organ hervorrufen.“

Die Bedeutung eines gesunden Lebensstils für die Herz-Hirn-Achse

Die Bedeutung der Wechselbeziehung von Herz und Hirn für Gesundheit und Krankheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Die Gehirn-Herz-Achse ist ein komplexes, mehrdimensionales Netzwerk, das bis heute noch nicht bis ins Detail verstanden ist. Wir kennen aber die Risikofaktoren und können beide Organsysteme durch die gleichen Maßnahmen schützen. Grundlegend ist ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und gesunder Ernährung, der auf die Vermeidung von Übergewicht und Erkrankungen wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Diabetes abzielt. Was gut für das Herz ist, ist auch gut für das Hirn“, erklärt Prof. Dr.

Aktuelle Forschungsprojekte und Initiativen

Göttingen - Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein neues integratives Graduiertenkolleg an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Das Kolleg namens „Herz und Gehirn: Integrative Forschung über Organgrenzen hinweg“ erforscht gemeinsame physiologische und pathologische Prozesse sowie die wechsel­seitige Abhängigkeit von Herz- und Gehirnkrank­heiten. Die Forscher sollen neue Mechanismen entdecken, die zu Erkrankungen führen, bei denen Fehlfunktionen von Herz und Gehirn zugrunde liegen sowie neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schnell in klinisch anwendbares Wissen übersetzen.

Das Kolleg umfasst zehn Forschungsprojekte, sechs angegliederte klinische Studien und eine Kohorte pluri­potenter Stammzellen.

tags: #hat #das #herz #ein #gehirn #wissenschaft