Kann Gehirn durch die Nase austreten? Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Ein Austritt von Gehirnsubstanz durch die Nase ist ein äußerst seltener, aber potenziell schwerwiegender medizinischer Zustand. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten dieses Phänomens.

Ursachen für den Austritt von Hirnwasser aus der Nase

Der Austritt von Hirnwasser (Liquor) aus der Nase, auch als Rhinoliquorrhoe bezeichnet, kann verschiedene Ursachen haben:

  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Durch Stürze, Unfälle oder direkte Gewalteinwirkung kann es zu Knochenbrüchen im Bereich der Schädelbasis kommen. Ist die Hirnhaut (Dura mater) verletzt, kann Liquor austreten. Auch bei leichteren SHT kann ein Schädelbruch vorliegen.
  • Operationen im Bereich der vorderen Schädelbasis: Eingriffe in diesem Bereich, beispielsweise an den Nasennebenhöhlen, können unbeabsichtigt zu einer Verletzung der Hirnhaut führen.
  • Defekte der Schädelbasis: Nach Traumen, durch chronisch erhöhten Hirndruck, angeboren oder nach Operationen können sich Defekte der Schädelbasis finden. Das kann nur ein Knochendefekt sein, es kann sich aber auch Hirnhaut mit Hirngewebe nach unten in die Nebenhöhlen durchgedrückt haben.
  • Spontaner Liquorverlust: In seltenen Fällen kann es ohne erkennbare Ursache zu einem Liquorleck kommen, beispielsweise durch einen Knochensporn, der ein Loch in die Hirnhäute reißt, oder durch Zysten an den Nervenaustrittsstellen. Auch Bagatelltraumen, abrupte Bewegungen oder heftige Husten- und Niesattacken können einen Einriss der Hirnhäute verursachen.
  • Tumoren: Gut- oder bösartige Geschwülste im Bereich der Schädelbasis können die Hirnhaut schädigen oder den Hirndruck erhöhen, was zu einem Liquoraustritt führen kann.
  • Eitrige Entzündungen der Nebenhöhlen: Diese können zu Komplikationen wie Hirnhautentzündung oder Hirnabszess führen, weswegen bei einer Hirnhautentzündung nach so einer Schwachstelle bzw. Keimeintrittsstelle gefahndet werden und diese operativ abgedichtet werden muss.

Symptome eines Liquoraustritts

Die Symptome können vielfältig sein, wobei nicht alle Symptome gleichzeitig auftreten müssen. Einige der häufigsten Anzeichen sind:

  • Einseitiger, klarer Flüssigkeitsaustritt aus der Nase (Rhinorrhoe): Dieser tritt typischerweise beim Vorbeugen auf und ist meist einseitig.
  • Kopfschmerzen: Diese können lageabhängig sein und sich im Stehen verschlimmern und im Liegen bessern (orthostatische Kopfschmerzen).
  • Schwindel: Ein Gefühl von Benommenheit oder Drehschwindel kann auftreten.
  • Übelkeit und Erbrechen: Diese Symptome können begleitend auftreten.
  • Nackensteifigkeit: Ein steifer Nacken kann ein Zeichen für eine beginnende Hirnhautentzündung sein.
  • Sehstörungen: Doppelbilder oder verschwommenes Sehen können auftreten, wenn Nerven im Bereich der Schädelbasis betroffen sind.
  • Hörstörungen oder Ohrgeräusche (Tinnitus): Diese Symptome können auftreten, wenn die seitliche Schädelbasis betroffen ist.
  • Riechstörungen: Eine Beeinträchtigung des Geruchssinns kann auftreten.
  • Konzentrationsstörungen und Wahrnehmungsstörungen
  • Druckgefühl im Ohr
  • Erhöhter Puls
  • Gestörte Bewegungsabläufe

Es ist wichtig zu beachten, dass eine ständig laufende Nase nicht immer ein Zeichen für einen Liquoraustritt ist. Häufig wird zunächst an eine Erkältung, Allergie oder einen Fließschnupfen (vasomotorische Rhinitis) gedacht. Im Gegensatz zum Liquoraustritt ist der Fließschnupfen nicht ansteckend, nicht tageszeitlich oder jahreszeitlich begrenzt und geht nicht mit den oben genannten neurologischen Symptomen einher.

Diagnose

Die Diagnose eines Liquoraustritts erfordert eine sorgfältige Anamnese, körperliche Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests:

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  • Laborchemische Untersuchung des Nasensekrets: Die Flüssigkeit aus der Nase wird aufgefangen und auf spezifische Proteine untersucht, die im Hirnwasser vorkommen. Parallel wird Blut entnommen und untersucht.
  • Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT): Diese bildgebenden Verfahren dienen dazu, den Defekt in der Schädelbasis zu lokalisieren und andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen. Die Ausdehnungsbestimmung erfolgt mit Schnittbildverfahren wie der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT). Die Darstellung von Gefäßen (Angiographie) ist ein wichtiger diagnostischer Baustein bei dem Verdacht auf einen Glomustumor.
  • Liquorszintigraphie: In seltenen Fällen kann eine Liquorszintigraphie durchgeführt werden, um die Hirnwasserverteilung zu beurteilen und den Austrittsort zu lokalisieren.
  • Spinale Darstellung des Rückens mit Kontrastmittel: Zur Lokalisation des Lecks wird eine spinale Darstellung des Rückens mit Kontrastmittel angefertigt.
  • Fluoreszenz-Test: Wenn die Lokalisation des Lecks schwierig ist, kann vor einer Operation eine fluoreszierende Flüssigkeit in den Hirnwasserraum eingespritzt werden, um den Austrittsort während des Eingriffs besser sichtbar zu machen.
  • Funktionstests: Neben der HNO-ärztlichen Untersuchung werden zielgerichtete Funktionstests vorgenommen. Das können Hör-, Gleichgewichts-, aber auch Riech-Testungen sein. Zudem besteht die Möglichkeit, elektromyographische Verfahren bei Nervenläsionen, d.h. Verletzung von Nervengewebe im Rahmen der Diagnostik durchzuführen.

Behandlung

Die Behandlung eines Liquoraustritts zielt darauf ab, den Defekt in der Schädelbasis zu verschließen und das Risiko einer Hirnhautentzündung zu minimieren. Die Behandlungsoptionen hängen von der Ursache, der Größe und der Lokalisation des Defekts ab:

  • Konservative Therapie: In einigen Fällen, insbesondere nach einer Liquorpunktion, kann eine konservative Therapie mit Bettruhe und Koffeinpräparaten ausreichend sein, um den Defekt von selbst zu verschließen.
  • Blutpatch: Bei einem spontanen Liquorleck kann versucht werden, das Loch mit einem Blutpatch zu verschließen, indem Eigenblut in den Spinalraum injiziert wird. Dies führt zu einer Druckerhöhung und kann das Leck abdichten.
  • Operativer Verschluss: Wenn konservative Maßnahmen nicht erfolgreich sind oder ein größerer Defekt vorliegt, ist ein operativer Verschluss erforderlich. Je nach Lokalisation des Defekts kann der Eingriff mikrochirurgisch am Ohr oder endoskopisch über die Nase (endonasal) erfolgen. Der operative Eingriff wird als Duraplastik bezeichnet. Bei vielen Erkrankungen der Schädelbasis ist nach Diagnosestellung eine Operation zu empfehlen. Als Verfahren für die Schädelbasischirurgie stehen die endoskopische und die mikroskopische Chirurgie zur Verfügung. Der Einsatz von Navigationssystemen (Computer-aided-surgery/ CAS) und Nervenmonitoring kommt routinemäßig zum Tragen.

Komplikationen

Ein unbehandelter Liquoraustritt kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen:

  • Hirnhautentzündung (Meningitis): Durch den Defekt in der Hirnhaut können Bakterien in den Liquorraum eindringen und eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung verursachen.
  • Hirnabszess: In seltenen Fällen kann sich eine abgekapselte Eiteransammlung im Gehirn bilden.
  • Pneumatocephalus: Luft kann in den Schädel eindringen und zu Kopfschmerzen und anderen neurologischen Symptomen führen.
  • Niederdruck-Kopfschmerzsyndrom: Durch den kontinuierlichen Liquoraustritt kann es zu einem Unterdruck im Schädel kommen, der chronische Kopfschmerzen verursacht.

Vorbeugung

Einige Ursachen für einen Liquoraustritt lassen sich nicht verhindern, beispielsweise traumatische Ereignisse. Es gibt jedoch Maßnahmen, die das Risiko minimieren können:

  • Sorgfältige Durchführung von Operationen im Bereich der Schädelbasis: Chirurgen sollten bei Eingriffen in diesem Bereich äußerst präzise arbeiten, um Verletzungen der Hirnhaut zu vermeiden.
  • Vermeidung von Kopfverletzungen: Das Tragen von Schutzhelmen bei riskanten Aktivitäten kann das Risiko eines Schädel-Hirn-Traumas reduzieren.
  • Behandlung von chronischem Husten und Niesen: Durch die Behandlung von Erkrankungen, die zu chronischem Husten oder Niesen führen, kann der Druck auf die Hirnhäute reduziert werden.

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