Der Begriff „epileptischer Anfall“ umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder, wobei nicht jeder einzelne Anfall automatisch eine Epilepsie bedeutet. Etwa 10 % der Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen Krampfanfall, ohne jemals an Epilepsie zu erkranken. Dieser Artikel soll helfen, die Zusammenhänge zwischen Ursachen, Erscheinungsbild, Verlauf und Behandlung eines akuten Krampfanfalls besser zu verstehen und von einer Epilepsie zu unterscheiden. Darüber hinaus wird erläutert, was im Falle eines Anfalls zu tun ist. Es ist wichtig zu beachten, dass ein ausführliches Gespräch mit Kinder- und Jugendärzten der beste Weg ist, um gezielte Informationen zu erhalten.
Was ist ein Krampfanfall?
Ein Krampfanfall ist ein plötzliches, unwillkürliches Ereignis mit krampfartigen oder zuckenden Bewegungen. Je nach Art des Anfalls kann der Betroffene das Bewusstsein verlieren. Ein Krampfanfall kann alle drei Merkmale aufweisen, aber nicht immer.
Etwa 5 % der Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen Krampfanfall. Typischerweise wird ein Krampfanfall durch eine Funktionsstörung von Nervenzellen (Neuronen) in der Hirnrinde verursacht. Die normale Aufgabe einer Nervenzelle ist es, elektrische Signale zu erzeugen, zu empfangen und weiterzuleiten. Dies geschieht in jeder Sekunde millionenfach im Gehirn, jedoch in geordneter Weise.
Bei einem zerebralen Krampfanfall geht jedoch jede Ordnung verloren, sodass sich plötzlich bestimmte Gruppen von Nervenzellen gleichzeitig entladen und synchron ihre unkoordinierten Signale weiterleiten. Sie stecken nachgeschaltete Nervenzellen damit sozusagen an. Bildlich gesprochen lässt sich ein Krampfanfall auch als „Gewitter im Gehirn“ bezeichnen.
Gelegenheitsanfälle (Akut symptomatische Anfälle)
Epileptische Anfälle können im Rahmen akuter Erkrankungen des Gehirns (z. B. bei einer begrenzten Entzündung des Gehirns mit Eiterbildung, einem sogenannten Hirnabszess) auftreten. Auch schwere Kopfverletzungen, Sauerstoffmangel im Gehirn oder eine Medikamentenüberdosis können solche Anfälle begünstigen. In diesen Fällen handelt es sich jedoch nicht um eine Epilepsie, sondern um Krampfanfälle, die aufgrund der akuten Erkrankung bzw. Schädigung des Gehirns auftreten. Solche Krampfanfälle werden als Gelegenheitsanfälle (oder akut symptomatische Anfälle) bezeichnet. Es gibt also einen direkt identifizierbaren Auslöser für den Anfall, wie z. B. Alkohol, Drogen, bestimmte Medikamente, Schlafmangel oder Fieber.
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Epilepsie: Anfallsleiden ohne erkennbaren Auslöser
Von einer Epilepsie oder einem Anfallsleiden spricht man, wenn die Anfälle spontan, d. h. ohne erkennbaren Auslöser, und in bestimmten Abständen bzw. Häufigkeit auftreten. Die genaue Definition einer Epilepsie wird später erläutert. Im Gegensatz zu Gelegenheitsanfällen, die aufhören, wenn die Auslöser behandelt oder vermieden werden, liegen Epilepsien unbekannte oder chronische Ursachen zugrunde. Daher ist meist die Einnahme von Anfallssuppressiva erforderlich, um eine Anfallskontrolle oder Anfallsfreiheit zu erreichen.
Fieberkrampf als Beispiel für einen Gelegenheitsanfall
Ein bekanntes Beispiel für einen Gelegenheitsanfall ist der Fieberkrampf, der durch einen fieberhaften Infekt ausgelöst wird. Etwa 2-5 % aller Kinder erleiden mindestens einmal einen Fieberkrampf. Nur selten liegt dem Fieberkrampf eine lebensbedrohliche Erkrankung wie eine Gehirn- (Enzephalitis) oder Hirnhautentzündung (Meningitis) zugrunde. Daher sollte beim Auftreten eines ersten Fieberkrampfes immer ein Arzt konsultiert werden.
Ein Fieberkrampf ähnelt im Allgemeinen einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall, auch Grand-mal-Anfall genannt. Manchmal beginnt der Fieberkrampf mit einem Armzucken oder einer Kopfwendung zu einer Seite, was als fokaler Beginn des Anfalls bezeichnet wird. Bei etwa 20 % der Fieberkrämpfe dauert der Anfall zwischen 5 und 15 Minuten, und nur bei 10 % länger als 15 Minuten. Diese Anfälle müssen medikamentös beendet werden und werden als komplizierte Fieberkrämpfe bezeichnet. Während eines Infekts können sich Fieberkrämpfe auch mehrfach wiederholen. Auch wenn sich das Kind nach dem Anfall nicht schnell erholt oder in kurzer Folge (innerhalb von 24 Stunden) weitere Anfälle auftreten, spricht man von einem komplizierten Fieberkrampf.
In den meisten Fällen handelt es sich um einen sogenannten einfachen Fieberkrampf. Zu Beginn des Anfalls werden oft verdrehte Augen beobachtet. Im Verlauf kommt es dann zum Bewusstseinsverlust und zur Anspannung des gesamten Körpers, die in ein Zucken der Arme und Beine übergehen kann. Das Gesicht ist meistens blass, manchmal kommt es auch zu einer Blaufärbung im Bereich der Lippen (Zyanose). Mitunter tritt anstelle der Körperverspannung ein gänzlicher Verlust der Körperspannung auf. So bedrohlich dieses Ereignis auch aussieht, das Kind erholt sich davon anschließend normalerweise rasch und komplett.
Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem ersten Fieberkrampf erneut Krämpfe auftreten, liegt bei ca. 30-40 %. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Anfall in einer fiebrigen Phase harmlos ist; in seltenen Fällen kann ein Krampfanfall bei Fieber auch ein Zeichen einer beginnenden Hirnhautentzündung oder einer anderen ernsten Erkrankung sein.
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Ursachen von Krampfanfällen
Die Ursachen für Krampfanfälle sind vielfältig und können je nach Altersgruppe variieren. Neben akuten Hirnerkrankungen und Anlageanomalien können auch Substanzmissbrauch und -entzug zu akut symptomatischen Anfällen führen. Bei etwa der Hälfte aller betroffenen Patienten ist die Ursache jedoch unbekannt.
Einige mögliche Ursachen und Auslöser sind:
- Fieberhafte Infekte (z. B. Fieberkrampf)
- Akute Erkrankungen des Gehirns (z. B. Hirnabszess, Hirnhautentzündung)
- Schwere Kopfverletzungen
- Sauerstoffmangel im Gehirn
- Medikamentenüberdosierung
- Alkohol- oder Drogenkonsum
- Schlafmangel
- Stoffwechselstörungen (z. B. Unterzuckerung, Natriummangel)
- Schlaganfall
- Tumore
Diagnose von Krampfanfällen und Epilepsie
Ein erster epileptischer Anfall sollte ärztlich abgeklärt werden, um eine genaue Beurteilung des Verlaufs und der Anfallsart sicherzustellen. Der Arzt wird prüfen, ob eine Ursache vorliegt, die eine akute Behandlung erforderlich macht und ob der Anfall durch bestimmte Umstände (z. B. Schlafentzug) ausgelöst wurde.
Die Diagnose von Epilepsie erfordert in der Regel das Auftreten von mindestens zwei unprovozierten Anfällen (d. h. Anfälle ohne erkennbare Auslöser) oder ein hohes Rückfallrisiko nach einem ersten unprovozierten Anfall. Die Diagnose kann auch gestellt werden, wenn ein spezifisches Epilepsie-Syndrom diagnostiziert wird, unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde, des EEGs, der Symptomatik des Krampfanfalls und weiterer Aspekte.
Epilepsie-Syndrome
Bestimmte Abläufe, Häufigkeiten und Symptome werden zu sogenannten Epilepsie-Syndromen zusammengefasst, wie z. B. der juvenilen Absence-Epilepsie, dem Dravet-Syndrom oder der Rolando-Epilepsie. Die Syndrome unterscheiden sich anhand der Epidemiologie (Verbreitung), der Klinik (Ablauf/Symptome des Anfalls) und weiterer Befunde in der Diagnose. Es gibt sowohl fokale Epilepsiesyndrome (z. B. Rolando-Epilepsie) als auch generalisierte Epilepsiesyndrome (z. B. juvenile Absence-Epilepsie).
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Klassifikation epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle werden anhand verschiedener Kriterien klassifiziert, darunter:
- Wo im Gehirn beginnt der Anfall?
- Ist das Bewusstsein oder die Reaktionsfähigkeit während des Anfalls beeinträchtigt?
- Beinhaltet der Anfall unkontrollierte Bewegungen?
Je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns und in welchem Umfang die Nervenzellen betroffen sind, werden die Anfälle als fokal oder generalisiert bezeichnet.
Fokale Anfälle
Fokale Anfälle (auch partielle oder lokalisationsbezogene Anfälle genannt) gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient den epileptischen Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform.
Fokale epileptische Anfälle, vor allem solche mit Bewusstseinsstörung, können in einen sogenannten sekundär generalisierten Anfall (auch bilateral tonisch-klonischer Anfall) übergehen, der dann beide Gehirnhälften betrifft. Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben.
Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B. Nesteln an der Kleidung oder Schmatzen.
Generalisierte Anfälle
Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen. Zu den generalisierten Anfällen gehören:
- Absencen: Es kommt zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient seine momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen.
- Myoklonische Anfälle: Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.
- Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht (siehe oben). Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.
- Atonische Anfälle: Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.
Symptome von Krampfanfällen
Die Symptome eines Krampfanfalls können vielfältig sein und hängen von der Art des Anfalls ab. Einige häufige Symptome sind:
- Unwillkürliche, krampfende oder zuckende Bewegungen
- Kribbeln oder Taubheitsgefühle
- Bewusstlosigkeit
- Verdrehen der Augen
- Verlust oder Zunahme der Körperspannung
- Schaum vor dem Mund
- Blaufärbung der Lippen (Zyanose)
- Sprachstörungen
- Halluzinationen
- Angst oder Wut
- Störungen der Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Tasten)
- Automatismen (z. B. Nesteln an der Kleidung, Schmatzen)
Erste Hilfe bei Krampfanfällen
Unabhängig davon, ob es sich um einen akut symptomatischen Krampfanfall oder einen epileptischen Anfall handelt, gibt es einige wichtige Regeln bezüglich der ersten Hilfe zu berücksichtigen:
- Ruhe bewahren: Es ist wichtig, ruhig zu bleiben und Panik zu vermeiden.
- Gefährliche Gegenstände entfernen: Entfernen Sie alle gefährlichen Gegenstände aus der Nähe der krampfenden Person, um Verletzungen zu vermeiden.
- Kopf schützen: Schützen Sie den Kopf der Person, indem Sie z. B. eine Jacke oder ein Kissen darunter legen.
- Stabile Seitenlage: Bringen Sie die Person sanft in die stabile Seitenlage, um die Atemwege freizuhalten.
- Nicht festhalten: Halten Sie die Person niemals fest, da dies zu Verletzungen führen kann.
- Nichts in den Mund stecken: Stecken Sie niemals einen Gegenstand als Beißkeil in den Mund, da dies zu Verletzungen und Erstickungsgefahr führen kann.
- Notruf wählen: Rufen Sie den Notarzt (112), wenn es sich um den ersten Krampfanfall handelt oder wenn die Person nicht bereits als Epilepsiepatient diagnostiziert wurde. Bei bereits diagnostizierten Epilepsiepatienten ist dies meist nicht notwendig, es sei denn, der Anfall dauert länger als 5 Minuten oder es treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf.
- Anfall beobachten: Achten Sie auf bestimmte Merkmale und die Dauer des Anfalls. Notieren Sie prägnante Symptome wie krampfende Gliedmaßen, Schaum vor dem Mund oder ob die Augen offen oder geschlossen sind. Wenn Sie die Person kennen, ist die Aufnahme des Anfalls mit dem Smartphone empfehlenswert.
- Notfallausweis suchen: Wenn Sie eine fremde Person mit einem Krampfanfall erleben, suchen Sie in den Taschen der Person nach einem Notfallausweis, den Menschen mit Epilepsie häufig bei sich tragen. Darin steht, wer zu kontaktieren ist (Notfallkontakt).
Was tun nach einem Krampfanfall?
Nach einem Krampfanfall ist es wichtig, bei der betroffenen Person zu bleiben, bis sie wieder vollständig orientiert ist. Dies kann durch einfache Fragen wie "Wie heißt du? Wo bist du?" überprüft werden. Dokumentieren Sie den Anfall, indem Sie notieren, wann er passiert ist, wie lange er gedauert hat, wie er abgelaufen ist und ob die Augen offen, geschlossen, starr oder verdreht waren.
Behandlung von Epilepsie
Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.
Da es oft bei einem einzigen Anfall bleibt, kann man mit einer Behandlung meist erst einmal abwarten. Die Therapie beginnt in der Regel erst nach einem zweiten Anfall. Besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für erneute Anfälle, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann bereits nach dem ersten Krampfanfall eine Behandlung sinnvoll sein. Wichtig ist, die persönliche Situation ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.
Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente.
Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig.
Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative:
- Operation: Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
- Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.
Die Behandlung wird von einer Neurologin oder einem Neurologen begleitet. Kinder und Jugendliche werden von Kinder- und Jugendneurologinnen und -neurologen betreut. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Manche ambulanten Einrichtungen und Kliniken haben sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert: Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen. Diese eignen sich besonders bei speziellen Problemen, einer unklaren Diagnose oder wenn es trotz Behandlung weiter zu Anfällen kommt.
Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Hilfsmittel und Unterstützung für Menschen mit Epilepsie
Es gibt verschiedene Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Epilepsie, darunter:
- Epilepsie-Überwachungsgeräte: Diese Geräte erkennen Anfälle und lösen einen Alarm aus, z. B. bei den Eltern, beim Partner, anderen Angehörigen oder in einer Notrufzentrale. Der Anfall wird zudem aufgezeichnet und mit Dauer und Stärke dokumentiert.
- Sturzmelder: Sturzmelder können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen.
- Epilepsie-Hunde: Warnhunde haben die Fähigkeit, einen kommenden Anfall zu spüren und warnen dann den Betroffenen, sodass dieser Zeit hat, sich z.B. vor Verletzungen zu schützen. Anzeigehunde lernen, einen tatsächlichen Anfall zu erkennen und dann in vorher geübter Art und Weise zu helfen, z.B. Hilfe zu holen.
- Anfallskalender: Ein Anfallskalender kann helfen, ggf. vorhandene Anfallsauslöser zu erkennen und die Behandlung zu verbessern.
Risiken und Vorbeugung
Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Außerdem besteht ein gewisses Risiko, bei einem Status epilepticus oder durch SUDEP (siehe unten) zu versterben oder Langzeitschäden davon zu tragen.
Einige Maßnahmen zur Risikoreduktion und Vorbeugung sind:
- Beste Behandlung der Epilepsie: Eine bestmögliche Behandlung der Epilepsie (z.B. mit Medikamenten, Operation oder Vagusnerv-Stimulation) kann das Risiko von Anfällen und damit verbundenen Komplikationen verringern.
- Vermeidung von Anfallsauslösern: Identifizieren und vermeiden Sie mögliche Anfallsauslöser wie Schlafmangel, Stress, Alkohol oder bestimmte Medikamente.
- Sicherheitsvorkehrungen: Treffen Sie Sicherheitsvorkehrungen in potenziell gefährlichen Situationen, wie z. B. beim Baden, Schwimmen, Autofahren oder bei der Arbeit mit gefährlichen Maschinen.
- Aufklärung und Information: Informieren Sie sich umfassend über Epilepsie, ihre Risiken und Behandlungsmöglichkeiten, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
- Offene Gespräche: Sprechen Sie offen mit Angehörigen, Freunden und Kollegen über Ihre Epilepsie, um Unterstützung und Verständnis zu erhalten.
SUDEP (Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie)
SUDEP ist die Abkürzung für "sudden unexpected death in epilepsy". Übersetzt heißt das "plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie". Wie auch beim sog. plötzlichen Kindstod können Menschen mit Epilepsie plötzlich und unerwartet versterben. Meistens werden Betroffene morgens tot im Bett gefunden. Die Todesursache lässt sich oft nicht klären. Das passiert zwar nur sehr selten, aber bei Menschen mit Epilepsie häufiger als bei Menschen ohne Epilepsie. Bei tonisch-klonischen Anfällen (Grand-mal-Anfällen) ist das Risiko besonders hoch, besonders wenn diese im Schlaf kommen.
Wahrscheinlich lässt sich SUDEP oft verhindern, wenn Betroffene nach einem tonisch-klonischen Anfall nicht allein bleiben. Anwesende können den Menschen nach dem Anfall ansprechen, berühren, rütteln, umdrehen und in die stabile Seitenlage bringen. Bei Atemaussetzern und Herzstillstand können sie einen Notruf absetzen und Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen.
Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA)
Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA) sind Anfälle, die epileptischen Anfällen ähneln, aber psychische Ursachen haben. Sie werden oft mit epileptischen Anfällen verwechselt und können auch zusätzlich zu einer Epilepsie vorkommen. Psychosomatische Anfälle sind weder vorgetäuscht noch eingebildet. Mögliche Ursachen sind z.B. traumatische Erlebnisse oder belastende Lebensumstände, aber sie können auch ohne solche Umstände auftreten. Gegen PNEA helfen Psychoedukation (= Aufklärung über PNEA) und, wenn das nicht reicht, Psychotherapie, Antiepileptika sind hier wirkungslos. Die Abgrenzung ist wichtig für die Therapie und Verwechslungen können gefährlich sein. Bei häufigen Anfällen kann ein Langzeit-EEG die Hirnströme während des Anfalls messen und so bei der Abgrenzung helfen. Anfall-Videos und Berichte von Angehörigen können wertvolle Hinweise über die Anfallsart liefern.
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