Medikamente zur Behandlung von Neuropathie

Neuropathie, insbesondere Polyneuropathie, ist eine Erkrankung, bei der Nerven geschädigt sind, was zu einer Vielzahl von Symptomen wie Schmerzen, Taubheit, Kribbeln und Muskelschwäche führt. Die Behandlung von Nervenschmerzen unterscheidet sich von anderen Schmerzarten, die infolge einer Gewebeschädigung entstehen. Nervenschmerzen entstehen im Unterschied hierzu als direkte Folge einer Schädigung von Gefühlsnerven. Es können Gefühlsstörungen wie Taubheit oder eine Überempfindlichkeit auftreten. Die medikamentöse Behandlung spielt eine zentrale Rolle bei der Linderung dieser Beschwerden und der Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Medikamente, die zur Behandlung von Neuropathie eingesetzt werden, einschließlich ihrer Wirkmechanismen, Anwendungshinweise und potenziellen Nebenwirkungen.

Arten von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen werden häufig als elektrisierend, einschießend oder brennend beschrieben. Zu den Nervenschmerzen zählt z.B. die Trigeminusneuralgie mit einschießenden, teils elektrisierenden Gesichtsschmerzen oder die diabetische Polyneuropathie, eine durch die Zuckerkrankheit bedingte Schädigung vieler kleiner Nerven zumeist an Füßen und Unterschenkeln.

Grundlagen der medikamentösen Therapie

Zur Behandlung von Nervenschmerzen werden andere Medikamente eingesetzt als beim Gewebeschmerz, da Nervenschmerzen auf NSAR und Coxibe nicht gut ansprechen. Es hat sich gezeigt, dass Medikamente, die eigentlich zur Behandlung anderer Erkrankungen entwickelt worden sind, bei Nervenschmerzen sehr wirksam sein können. Hierzu zählen beispielsweise Medikamente gegen epileptische Anfälle (sog. Antikonvulsiva) oder Medikamente gegen Depressionen (sog. Antidepressiva). Diese Medikamente werden in der Regel in Tablettenform eingenommen und greifen beruhigend in die Funktion der Nervenzellen ein. Sie beeinflussen die Aktivität der Nervenzellen und der schmerzleitenden Nervenbahnen. Sie normalisieren die für neuropathische Schmerzen typischen Veränderungen und Störungen der Nervenfunktion.

Antikonvulsiva

Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin und Pregabalin), sowie Antidepressiva (z.B. Amitriptylin oder Duloxetin) werden daher bei neuropathischen Schmerzerkrankungen nicht gegen Depression und Anfälle, sondern gezielt zur Schmerzlinderung eingesetzt. Die Wirkung entsteht durch eine Hemmung der Schmerzweiterleitung im Rückenmark. Die Wirkstoffe Gabapentin und Pregabalin wurden eigentlich zur Behandlung von Krampfanfällen entwickelt. Antikonvulsiva sind Medikamente, die zur Behandlung der Epilepsie entwickelt wurden. Unter ihnen werden vor allem das Gabapentin und das Pregabalin zur Behandlung der Polyneuropathie eingesetzt. Sie werden bei Polyneuropathie oft als erstes Medikament angewandt. Antikonvulsiva senken die Erregbarkeit von Nervenzellen im Gehirn. Da Krampfanfälle von Erregungen dieser Nervenzellen ausgehen, werden sie dadurch unterdrückt. Schwindel, Benommenheit und Bewusstseinsstörungen sind wichtige Nebenwirkungen der Antikonvulsiva. Sie treten vor allem dann auf, wenn die Dosis zu schnell gesteigert wird. Sobald deutliche Nebenwirkungen eintreten, ist Ihre individuelle Höchstdosis erreicht.

Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin und Topiramat blockieren Natriumkanäle peripherer Nozizeptorafferenzen [8]. Aufgrund der geringen Evidenz und häufiger Nebenwirkungen werden Carbamazepin und Oxcarbazepin laut Leitlinie nicht zur Behandlung von schmerzhaften Polyneuropathien empfohlen [25]. Bei Versagen von Gabapentin und Pregabalin kann im Einzelfall ein Off-label-Versuch erfolgen, vor allem bei einschießenden Schmerzattacken. Das Nebenwirkungsprofil von Carbamazepin und Oxcarbazepin ist ungünstig und umfasst kognitive Störungen, Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Ataxie und gastrointestinale Störungen, aber auch Hyponatriämie, Blutbildveränderungen, Leberschädigung oder allergische Hautreaktionen. Topiramat und Lamotrigin sollten im Allgemeinen nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Lamotrigin kann im Einzelfall (bei Human-immunodeficiency-virus[HIV]-Neuropathie) erwogen werden, sollte jedoch wegen Nebenwirkungen (allergische Hautreaktionen) vorsichtig aufdosiert werden. Lacosamid wirkt ebenfalls über Blockade von Natriumkanälen. In der aktuellen Leitlinie wird der generelle Einsatz bei unzureichender Datenlage nicht empfohlen [25].

Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen

Antidepressiva

Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) Diese Medikamente wurden ursprünglich zur Therapie von Depressionen entwickelt, sie haben aber auch Bedeutung in der Schmerzbehandlung. Antidepressiva beseitigen den Schmerz nicht, machen ihn aber für die Betroffenen erträglicher. Die Wirkstoffe dieser Gruppe unterdrücken u.a. die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark. Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, werden die Medikamente einschleichend dosiert, d.h. langsam die Dosis gesteigert bis die gewünschte Wirkung eintritt. Falls doch Nebenwirkungen auftreten wie z.B. Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen und Probleme beim Wasserlassen muss die Dosis gesenkt oder das Medikament abgesetzt werden. Um die Rate der Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, kann die Blutkonzentration des verordneten Antidepressivums überprüft werden. Antidepressiva sind Medikamente, die vor allem zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Sie helfen aber auch bei Polyneuropathie, indem sie Schmerzen lindern. SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, z. B. Duloxetin) und Trizyklische Antidepressiva wirken ähnlich. Zur Behandlung der Polyneuropathie werden SSRIs und trizyklische Antidepressiva angewandt, um Schmerzen zu mindern. Sie sind Mittel erster Wahl. Die Antidepressiva verändern die Konzentration von Botenstoffen im Körper, die vor allem die Stimmung regulieren. Nehmen Sie Antidepressiva immer gemäß ärztlicher Anordnung ein und berichten Sie Ihrem Behandlungsteam von neu auftretenden Beschwerden.

Die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin und Venlafaxin führen über eine Inhibition der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin zu einer Verstärkung der endogenen deszendierenden Schmerzhemmung. Laut Leitlinie sollten TCA als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden [25]. Insbesondere bei begleitenden Schlafstörungen kann sich Amitriptylin aufgrund seines sedierenden Effekts günstig auswirken. Bei der DPN ist Amitriptylin einem Placebo deutlich überlegen (NNT 5,1; [5, 18]). Aufgrund der nichtselektiven Bindung sind Nebenwirkungen häufig. auf. Bei möglichen kardialen Komplikationen wird vor Therapiebeginn die Ableitung eines Elektrokardiogramms ab dem 65. Lebensjahr empfohlen. Duloxetin ist in Deutschland als Mittel der ersten Wahl für die Behandlung der schmerzhaften DPN zugelassen [25]. Die NNT für eine mindestens 50 %ige Schmerzreduktion liegt bei 5,8 für 60 mg/Tag bzw. 5,7 für 120 mg [27]. Für eine Dosis unter 60 mg/Tag konnte kein wirksamer Effekt gezeigt werden [15]. Venlafaxin hat in Deutschland keine Zulassung für die Behandlung neuropathischer Schmerzen, es kann jedoch in Einzelfällen „off label“ eingesetzt werden [25]. In einem Review mit 13 Studien, darunter 8 zur Polyneuropathie, konnte eine signifikante Schmerzreduktion ab einer Dosis von 150 mg gezeigt werden [2]. Zu Therapiebeginn treten häufig Übelkeit und Erbrechen auf, diese sind jedoch im Verlauf oft reversibel. Aufgrund potenzieller Blutdrucksteigerung werden regelmäßige Kontrollen empfohlen [5].

Opioide

Lassen sich Nervenschmerzen durch die zuvor genannten Medikamente nicht ausreichend behandeln, können mittelstark oder stark wirksame Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide zum Einsatz kommen. Diese Medikamente sind mit Morphin verwandt, einem Medikament, das sich vom Schlafmohn herleitet. An den Opioiden ist besonders, dass sie sowohl bei Gewebeschmerzen wie auch bei Nervenschmerzen wirken. Die unregelmäßige häufige Einnahme eines Schmerzmittels, z. B. Nehmen Sie diese immer entsprechend der ärztlichen Anordnung ein, um schwere Nebenwirkungen zu vermeiden. Opioide sind wirksame Schmerzmittel, die vom Morphin abstammen. Sie wirken auf das Gehirn und im Rückenmark und hemmen somit die Schmerzempfindung. Nicht opioide-Schmerzmittel (Analgetika) verursachen meist geringere Nebenwirkungen als Opioide, wirken aber auch schwächer. Die Nebenwirkungen treten dosisabhängig auf. Opioide müssen regelmäßig eingenommen werden. Bei unsachgemäßem Absetzen können Entzugserscheinungen auftreten.

Opioide wirken als Agonisten an µ‑Opioidrezeptoren im zentralen Nervensystem. Einige Opioide wirken zusätzlich auf die endogene Schmerzmodulation. Je nach Wirksamkeit werden niederpotente und hochpotente Opioide unterschieden, wobei jeweils die Morphinäquivalenzdosis angegeben wird. Neben zentralnervösen Nebenwirkungen (Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen) und Obstipation, kann es im Verlauf auch zu einer Toleranzentwicklung kommen. Der Einsatz von Opioiden mit dualem Wirkmechanismus liefert einen zusätzlichen analgetischen Nutzen. Das niederpotente Tramadol hemmt neben seiner Wirkung am µ‑Rezeptor die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme. Tapentadol wirkt zusätzlich über eine Noradrenalinwiederaufnahmehemmung. In einer Analyse zweier placebokontrollierter Studien zur Behandlung der DPN konnte durch den Einsatz von Tapentadol eine signifikante Schmerzlinderung erzielt werden. In der NeuPSIG-Leitlinie werden niederpotente Opioide als zweite Wahl und hochpotente Opioide als dritte Wahl empfohlen [10].

Topische Behandlung

Es gibt auch die Möglichkeit, einige Formen von Nervenschmerzen mit örtlicher und oberflächlicher Behandlung am Schmerzort zu therapieren. Die Medikamente werden dann in Form eines Pflasters oder als Creme auf die Haut aufgebracht, um bestimmte Bestandteile der Nervenzelloberfläche zu beeinflussen und die Schmerzentstehung oder -weiterleitung zu verhindern.

Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt

Ein Vorteil der Topika ist die geringe systemische Nebenwirkungsrate und somit gute Verträglichkeit, sodass der Einsatz vor allem für ältere Patienten empfohlen wird. Nach Nervenschädigung kommt es unter anderem zu einer Transient-receptor-potential-vanilloid-1(TRPV1)-Überexpression auf intakten Nervenfasern. Vom Capsaicinpflaster wird Capsaicin in die Haut freigesetzt und bindet selektiv TRPV1-Rezeptoren auf nozizeptiven Endigungen. Dies resultiert initial in einer Übererregbarkeit der Nervenfasern mit Brennen, Hyperalgesie, Allodynie und Rötung durch Freisetzung vasoaktiver Substanzen. Allgemein werden Capsaicinpflaster hinsichtlich ihres schmerzlindernden Effekts in verschiedenen Übersichtsarbeiten als vergleichbar zu anderen Therapieansätzen bewertet [20]. Die S2-Leitlinie empfiehlt das Hochdosispflaster als zweite Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen, bei lokalisierten Schmerzen auch als Primärtherapie [25]. Generell sollte die Therapie so früh wie möglich im Krankheitsverlauf begonnen werden [17]. Unter der Therapie können lokale Hautreaktionen wie Rötung, Brennen und Juckreiz, auftreten [16]. Lidocainpflaster wirken als Lokalanästhetika über Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle auf Nozizeptorafferenzen. Zudem bildet das Pflaster eine mechanische Barriere gegenüber äußeren Reizen mit Schutz vor Allodynie und Hyperalgesie [22]. Laut Leitlinie können Lidocainpflaster in der Therapie lokalisierter neuropathischer Schmerzen als zweite Wahl eingesetzt werden (bei postherpetischer Neuralgie gegebenenfalls als erste Wahl), bei allen anderen Neuropathien „off label“ [25]. In mehreren offenen klinischen Studien konnte eine positive Wirkung von Lidocainpflastern bei DPN gezeigt werden, sodass der Einsatz grundsätzlich empfohlen wird. Da nur etwa 3 % des Lidocains systemisch absorbiert werden, sind systemische Nebenwirkungen selten. Der schmerzlindernde Effekt intrakutaner Botulinumtoxin(BTX)-Injektionen entsteht durch verminderte Freisetzung proinflammatorischer Substanzen, Deaktivierung von Natriumkanälen und verminderten axonalen Transport mit Verhinderung einer peripheren und zentralen Sensibilisierung [21]. In einer Metaanalyse zweier Studien zur Behandlung der DPN wurde eine signifikante Schmerzreduktion gezeigt [14]. In einer placebokontrollierten Studie wurden 66 Patienten mit peripherem neuropathischem Schmerz untersucht (14 mit schmerzhafter Polyneuropathie). Es fand sich eine signifikante Schmerzlinderung über 24 Wochen (NNT 2,5; [3]). Insgesamt wurde aufgrund der unzureichenden Datenlage eine Level-B-Empfehlung für BTX bei DPN ausgesprochen [24].

Hierzu zählt das Medikament Lidocain, ein örtliches Betäubungsmittel - wie es auch der Zahnarzt in einer Spritze zur Betäubung verwendet. Ein andersartiges Pflaster enthält den Wirkstoff Capsaicin. Der Wirkstoff Capsaicin wird aus der Chilischote gewonnen und ist für die Schärfe mancher Speisen verantwortlich. Capsaicin kann nach Pflasterbehandlung auf der Haut dazu führen, dass sich geschädigte Nervenfasern aus der betroffenen Haut zurückziehen und damit die Nervenschmerzen in diesem Bereich für 2-3 Monate verschwinden. Danach wachsen die Nervenfasern wieder nach. Bei Wiederauftreten der Schmerzen kann dann erneut ein Capsaicin-Pflaster geklebt werden. Diese Form der Behandlung ist besonders dann sinnvoll, wenn es einen kleinen oberflächlichen Schmerzbereich gibt, etwa bei einem Nervenschmerz nach einer Gürtelrose, der auch als postherpetische Neuralgie bezeichnet wird.

Thioctsäure bzw. Alphaliponsäure

Durch die anfänglich hochdosierte Gabe von Thioctsäure können sich die Schmerzen und das Wahrnehmungsvermögen bessern, die Wirkung ist aber unsicher und die Behandlung wird von den Krankenkassen nicht bezahlt.

Wichtige Aspekte der Polyneuropathie-Therapie

Die Therapie der Polyneuropathie umfasst kausale Ansätze zur Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung und symptomatische Ansätze zur Therapie von im Rahmen der Polyneuropathie auftretenden Beschwerden. Zu Beginn der Behandlung sollten stets alle kausalen Therapieoptionen ausgeschöpft werden, um einen weiteren Progress zu verhindern. Im klinischen Alltag kommen vor allem symptomatische Ansätze zur Behandlung der verschiedenen sensiblen, motorischen und autonomen Symptome zum Einsatz. Etwa 50 % aller Polyneuropathien gehen mit Schmerzen einher [26]. Diese neuropathischen Schmerzen entstehen als direkte Folge einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems. Nach Nervenschädigung kommt es zu Veränderungen der primär betroffenen und umgebenden Nervenzellen mit daraus resultierender gesteigerter Erregbarkeit primärer Afferenzen (periphere Sensibilisierung) und verstärkter Erregbarkeit multirezeptiver Neurone im Rückenmark (zentrale Sensibilisierung; Abb. 1; [4]). Zur Linderung neuropathischer Schmerzen stehen verschiedene medikamentöse Ansätze zur Verfügung, die auf die zugrunde liegenden Pathomechanismen abzielen.Abb.

Behandlung der Grunderkrankung

Am wichtigsten ist eine konsequente Behandlung der Grunderkrankung, in diesem Fall des Diabetes. Ein langfristig gut eingestellter Blutzucker verhindert, dass die Nervenschäden sich überhaupt entwickeln bzw. fortschreiten können. Darüber hinaus muss die Polyneuropathie auf verschiedenen Ebenen behandelt werden, um bereits bestehende Beschwerden zu lindern und gefährliche Folgen der gestörten Schmerzwahrnehmung (wie z.B. Eine effektive Einstellung des Blutzuckers wird durch die Kombination diätetischer Maßnahmen, körperlicher Aktivität und optimierter Medikamenten- bzw. Insulingabe erreicht.

Lesen Sie auch: Medikamentenfreie Schmerzlinderung bei Nervenschmerzen

Fußpflege

Die richtige Fußhygiene soll v.a. verhindern, dass sich kleine, unbemerkte Verletzungen entzünden. Deshalb müssen die Patienten darauf achten, täglich ihre Füße nach Blasen, Rötungen, Schwielen etc. zu untersuchen. Bei nicht einsehbaren Bereichen, z.B. an der Fußsohle oder zwischen den Zehen, kann ein Spiegel zur Hilfe genommen werden. Die Füße sollten täglich mit warmem, aber nicht heißem Wasser und einer milden Seife gereinigt werden. Die Haut sollte dabei nicht einweichen. Das regelmäßige Schneiden der Fußnägel versteht sich von selbst, damit sie nicht „einwachsen“ oder von innen gegen die Schuhe drücken. Vielfach ist eine regelmäßige professionelle medizinische Fußpflege, z.B. bei einer Kosmetikerin, sinnvoll. Zusätzlich sollten natürlich immer gut passende Schuhe getragen werden, in denen die Zehen genügend Bewegungsfreiheit haben und keine Druckstellen entstehen können. Neue Schuhe sollten langsam eingelaufen werden, zuerst nur wenige Stunden am Tag.

Schmerzmittel

Polyneuropathisch bedingte Schmerzen sind durch Schmerzmittel (Analgetika) oft nur schwer in den Griff zu bekommen. Gelegentlich auftretende Beschwerden sprechen häufig auf eine Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) oder verwandten Medikamenten an. Allerdings soll vor Einnahme dieser Substanz eine Beratung durch den Arzt erfolgen. Lassen die Schmerzen trotz ASS nicht nach oder ist die Einnahme von ASS nicht möglich, stehen eine Vielzahl anderer Schmerzmittel zur Verfügung, deren Wirksamkeit systematisch erprobt werden muss.

Weitere Behandlungsmethoden

Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Gegen die Nervenschmerzen helfen manchmal auch Nervenstimulationen. Dabei trägt der Patient ein kleines elektrisches Gerät, das über eine Elektrode mit der schmerzhaften Hautregion verbunden ist. Bei Bedarf werden elektrische Impulse abgegeben, welche die Hautnerven reizen. (Nach einer Theorie werden bevorzugt die schnell-leitenden Fasern der Hautnerven gereizt. Die Impulse treffen dann vor den Schmerz-Impulsen im Rückenmark ein. Dort sollen sie die Weiterleitung der Schmerz-Impulse behindern. Nach einer anderen Theorie werden durch die Impulse so genannte „schmerzlindernde“ körpereigene Botenstoffe, die Endorphine, freigesetzt. Einige Ärzte berichten über gute Erfolge mit der TENS-Methode. Es gibt aber keine kontrollierten Studien, welche die Wirksamkeit bei Nervenschmerzen belegen.)

Physikalische Therapie

Die physikalische Therapie hilft bei der Schmerzbekämpfung, vor allem gegen die sensiblen und motorischen Störungen einer Polyneuropathie. Mit Hilfe verschiedener Anwendungen soll die Durchblutung verbessert, die geschwächten Muskeln gestärkt und die Mobilität längstmöglich aufrechterhalten werden. Dabei kommen z.B.

Umgang mit Begleiterscheinungen

Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen lassen sich durch häufige kleinere Mahlzeiten vermeiden. Die zusätzliche Einnahme von Metoclopramid oder Domperidon wirkt gegen Übelkeit, da sie die Magen-Darm-Bewegung anregen. Gegen Verstopfungen helfen reichlich Flüssigkeit und eine ballaststoffreiche Ernährung, die mit körperlicher Bewegung ergänzt werden sollte. Bei akuten Durchfallproblemen kann der Arzt z.B. Das Schlafen mit erhobenem Oberkörper und das Tragen von Stützstrümpfen helfen in einigen Fällen, das Schwindelgefühl beim Aufstehen zu vermindern. Ebenso hilfreich ist, das langsame Aufstehen sowie ein regelmäßiges Muskeltraining. Patienten mit bekannter Blasenschwäche sollten in regelmäßigen Abständen (z.B. alle drei Stunden) zur Toilette gehen. Hiermit sollte der Betroffene den unkontrollierten Harndrang eindämmen. Die in der Harnblase verbleibende Restharnmenge wird hierdurch gering gehalten, so dass die Gefahr für eine Blaseninfektion reduziert wird. Eine Potenzschwäche (erektile Dysfunktion) kann neben dem Diabetes mellitus auch die Folge von Medikamenten - zum Beispiel von Antidepressiva - sein. Wenn diese Medikamente nicht abgesetzt werden können oder die Beschwerden trotz Absetzens weiter bestehen, helfen unter Umständen Erektionshilfesysteme (Vakuumpumpe) oder Wirkstoffe wie Sildenafil. Gegen eine Trockenheit der Scheide gibt es spezielle Gleitmittel und Gele.

Behandlung spezifischer Polyneuropathie-Formen

Die Therapie der verschiedenen Polyneuropathie-Formen richtet sich nach der jeweiligen Ursache. So lassen sich bakterielle Polyneuropathien durch eine entsprechende Antibiotika-Gabe gut therapieren. Eine medikamentöse Schmerztherapie ist bei allen Polyneuropathie-Formen unterstützend. Antidepressiva und Antikonvulsiva sind ebenso wirksam wie die ganze Bandbreite der physikalischen Therapie.

Therapieempfehlungen

Mittel der ersten Wahl zur Therapie von Schmerzen bei Polyneuropathie sind die an Kalziumkanälen ansetzenden Antikonvulsiva Gabapentin und Pregabalin sowie die Antidepressiva Amitriptylin und Duloxetin. Alternativ können bei lokalisierten Beschwerden topische Therapeutika eingesetzt werden. In Einzelfällen kann der Einsatz von Opioiden sowie anderen Antidepressiva und Antikonvulsiva erwogen werden. Generell sollte die Therapie multimodal erfolgen und die Behandlung weiterer Beschwerden umfassen. Bei der Auswahl der Schmerzmedikation sollten Komorbiditäten, Patientenalter und Nebenwirkungen berücksichtigt werden.

Laut aktueller S2-Leitlinie der DGN sollen Gabapentin und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden, unabhängig von der Ätiologie [25]. Auch in einer Metaanalyse der Neuropathic Pain Special Interest Group (NeuPSIG; [10]) wird eine starke Empfehlung für den Einsatz von Gabapentin und Pregabalin ausgesprochen - bei einer „number needed to treat“ (NNT) von 6,3-8,3 für Gabapentin und 7,7 für Pregabalin. Nebenwirkungen unter der Therapie sind häufig und umfassen vor allem zentralnervöse Effekte wie Schwindel, Schläfrigkeit, Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen, die nicht selten zum Therapieabbruch führen.

Neue Therapieansätze

Aufgrund der unzureichenden Schmerzlinderung und häufiger Nebenwirkungen unter den derzeit verfügbaren Medikamenten werden in aktuellen Studien neue Therapeutika zur Behandlung neuropathischer Schmerzen untersucht. Cannabinoide wirken als Agonisten am Cannabinoidrezeptor Typ 1 (CB1). Die Hauptkomponenten sind Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. In einem aktuellen Cochrane-Review zeigte sich eine deutlichere Schmerzreduktion unter Cannabinoiden im Vergleich zu Placebo, allerdings auch häufiger zentrale Nebenwirkungen [19]. Insgesamt waren die einzelnen Studien klein, von kurzer Dauer und aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen und des unterschiedlichen Studiendesigns nicht vergleichbar. Ein neuer vielversprechender Ansatz zur Therapie ist das „gene silencing“ mutierter Gene. Kürzlich wurden mit Inotersen und Patisiran zwei Medikamente zur Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie zugelassen, die über ein genetisches Knock-down des betroffenen Proteins Transthyretin wirken [1, 7].

Bedeutung der Physiotherapie

Da Polyneuropathien häufig mit einer sensiblen Ataxie und motorischen Ausfällen einhergehen, sollte die medikamentöse Therapie um physiotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden. Ziele sind unter anderem die Verbesserung von Stand, Gang und Gleichgewicht sowie ein gezieltes Training der Muskelkraft [26]. Zur Verbesserung der Feinmotorik können ergotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden. Neben sensiblen und motorischen Symptomen können auch autonome Funktionsstörungen, wie eine orthostatische Hypotonie oder gastrointestinale Störungen, auftreten, die eine gezielte Therapie erfordern [26].

tags: #Medikamente #Neuropathie #Behandlung