Myasthenia Gravis: Pflegegrad und umfassende Versorgung

Wenn bei Myasthenia Gravis (MG) das Thema Pflege aufkommt, stellen sich sowohl für Betroffene als auch für Angehörige viele Fragen. Es ist wichtig zu wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt und wie man den Alltag bestmöglich gestalten kann. Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick über den Pflegegrad bei Myasthenia Gravis und die damit verbundenen Aspekte geben.

Einleitung

Myasthenia Gravis ist eine neurologische Autoimmunerkrankung, die zu Muskelschwäche und schneller Ermüdung führt. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein und im Laufe des Tages variieren. Viele Betroffene und ihre Familien stehen vor der Herausforderung, den Alltag mit der Erkrankung zu bewältigen und die bestmögliche Versorgung sicherzustellen.

Pflegebedürftigkeit bei Myasthenia Gravis

Gesetzliche Grundlagen

Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes (Sozialgesetzbuch, elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung, SGB XI) sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Ihr Ansprechpartner und wichtigster Kostenträger bei Pflegebedürftigkeit ist Ihre Pflegekasse. Sie ist an Ihre Krankenkasse angegliedert.

Antragstellung und Begutachtung

Um Leistungen der Pflegeversicherung zu erhalten, muss ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden. Der Antrag kann zunächst formlos telefonisch, schriftlich oder persönlich gestellt werden. Antragsteller ist immer die pflegebedürftige Person selbst. Wenn Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde dies übernehmen, muss eine Vollmacht vorliegen. Erst später müssen Sie genauer angeben, welche Leistungen Sie nutzen wollen. Sämtliche Leistungen werden erst ab dem Monat der Antragstellung bezahlt. Stellen Sie den Antrag also so früh wie möglich. Legen Sie, falls vorhanden, ärztliche Bescheinigungen bei. Diese sollten nicht älter als ein Jahr sein und die vorliegende Erkrankung und den daraus entstehenden Pflegebedarf darstellen. Informieren Sie in jedem Fall Ihren behandelnden Arzt über den Antrag.

Binnen 20 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags muss die Pflegekasse einen Termin für eine Begutachtung bei Ihnen zu Hause ermöglichen, bei dem die Pflegebedürftigkeit geprüft wird. Dieser Termin wird schriftlich angekündigt. Der Gutachter muss Sie fragen, ob Sie sein Gutachten zugeschickt bekommen wollen. Nehmen Sie dies auf jeden Fall in Anspruch, damit Sie nachvollziehen können, wie die Einstufung oder ggf. Auf Grundlage des Gutachtens entscheidet die Pflegekasse (nicht der Gutachter!), ob und welcher Pflegegrad Ihnen zusteht. Lassen Sie sich beraten und legen Sie Widerspruch ein, wenn Sie mit dem Bescheid der Pflegekasse nicht einverstanden sind.

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Pflegegrade und Leistungen

Die Höhe der Leistungen hängt von dem jeweils bewilligten Pflegegrad ab. Pflegegeld erhalten Sie, wenn Angehörige oder ehrenamtlich tätige Pflegepersonen die Pflege übernehmen. Voraussetzung ist, dass die „körperbezogenen Maßnahmen“ (wie Waschen, Anziehen, Toilettengang) und die „pflegerischen Betreuungsmaßnahmen“ (wie Spazierengehen, Aufrechterhalten von sozialen Kontakten, Vorlesen) sowie die „Hilfen zur Haushaltsführung“ (dazu gehören Einkaufen, Kochen, Wäschewechsel) sichergestellt sind. Die Pflegekasse zahlt das Pflegegeld monatlich im Voraus direkt an die pflegebedürftige Person.

Pflege durch Angehörige

Als Pflegeperson im Sinne der Pflegeversicherung gilt, wer mindestens 10 Stunden, verteilt auf mindestens zwei Tage pro Woche in häuslicher Umgebung pflegt. Die Leistungen für Pflegepersonen sollen dazu beitragen, die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld zu sichern und aufrecht zu erhalten. Pflegepersonen sollen auf den Pflegealltag vorbereitet, im Pflegealltag entlastet und im Falle der Verhinderung (z. B. durch Krankheit oder Urlaub) vertreten werden. Auch eine vorübergehende stationäre Unterbringung der pflegebedürftigen Person kann finanziert werden. Voraussetzung ist, dass die versicherte Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist und seit mindestens 6 Monaten in häuslicher Umgebung von einer privaten Pflegeperson gepflegt wird. Die Verhinderungspflege kann stunden- oder tageweise in Anspruch genommen werden. Die Pflegeversicherung gewährt Leistungen der Verhinderungspflege bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr. Wenn Sie die Verhinderungspflege beispielweise in Anspruch nehmen, um in den Urlaub zu fahren, wird das Pflegegeld für die Dauer der Maßnahme zur Hälfte weiter bezahlt. Die Hälfte des Anspruches von Leistungen auf Kurzzeitpflege kann zusätzlich auf die Verhinderungspflege übertragen werden. Falls es um eine vorhersehbare Verhinderung geht, ist es sinnvoll, dies im Vorfeld mit der Pflegekasse abzusprechen.

Kurzzeitpflege

Während die Verhinderungspflege in der Regel ambulant durchgeführt wird, deckt die Kurzzeitpflege die Kosten für eine stationäre Unterbringung ab. Sie kann beantragt werden, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht oder noch nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt werden kann. Der Anspruch besteht, wenn die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt werden kann.

Entlastungsbetrag

Versicherte der Pflegegrade 1 - 5, die zu Hause gepflegt werden, haben Anspruch auf einen monatlichen zweckgebundenen Entlastungsbetrag. Der Anspruch besteht zusätzlich und unabhängig vom Pflegegrad. Eingesetzt werden kann der Betrag für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen, zum Beispiel für eine Haushaltshilfe. Die Leistungserbringer benötigen eine Anerkennung der zuständigen Behörde, damit der Betrag abgerechnet werden kann. Die Leistungen müssen beantragt und belegt werden.

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf können Angehörige Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, dass Beschäftigte sich für die Pflege eines nahen Angehörigen bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen können. Angehörige, die Zeit für die Organisation einer akut aufgetretenen Pflegesituation benötigen, können bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit fernbleiben.

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Pflegekurse und Beratung

Pflegekurse für Angehörige

Die Pflegeversicherung bietet pflegenden Angehörigen und ehrenamtlichen Pflegepersonen die Möglichkeit kostenlos an Pflegekursen teilzunehmen. Diese werden überwiegend von ambulanten Pflegediensten angeboten und können auch im häuslichen Umfeld stattfinden. Bei Interesse informieren Sie sich bitte direkt bei der Pflegekasse der ALS-erkrankten Person. Die Kurse umfassen theoretische und praktische Einheiten nach dem aktuellen Pflegestandard. Hierzu gehören das Erlernen wichtiger Handgriffe und Tipps zur Organisation der Pflege zu Hause, das Einüben von Mobilisierungs- und Lagerungstechniken sowie eine Einführung in Körperhygiene und Wundprophylaxe.

Pflegestützpunkte

In vielen Bundesländern haben Pflegekassen und Kommunen sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Diese unabhängigen Beratungsstellen haben den gesetzlichen Auftrag, Sie umfassend zu allen Möglichkeiten der ambulanten und stationären Versorgung zu beraten. Die Beratung ist kostenlos. Sie können Pflegeberatung bereits im Vorfeld der Beantragung von Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Adressen erhalten Sie bei Ihrer Pflegekasse oder bei Ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung. Manchmal sind Pflegestützpunkte an Seniorenbüros angesiedelt.

Pflegeberatung durch die Pflegekasse

Sobald Sie einen Antrag stellen, sind die Pflegekassen verpflichtet Ihnen eine Pflegeberatung anzubieten. Dieser Anspruch gilt für pflegende Angehörige genauso wie für ehrenamtliche Pflegepersonen. Die Pflegekasse wird Ihnen einen direkten Kontakt zu einem Pflegeberater für ein Beratungsgespräch vermitteln. Dieser Kontakt muss innerhalb von 14 Tagen zustande kommen. Die Beratung kann bei Ihnen zu Hause stattfinden. Für Privatversicherte gibt es die private Pflegeberatung „compass“.

Weitere Ansprechpartner

Weitere wichtige Ansprechpartner sind der Haus- bzw. Facharzt oder die behandelnde Klinik. Die Beratung soll vor allem den individuellen Beratungs- und Hilfebedarf systematisch erfassen. Dann wird - auf der Grundlage des MDK-Gutachtens - ein Versorgungsplan erstellt. Dieser berücksichtigt alle Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, die in Anspruch genommen werden können. Die Beratung informiert ebenfalls über Leistungen, die pflegende Angehörige entlasten.

Beratungsbesuche

Nach der Einstufung in die Pflegeversicherung können Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 1 halbjährlich einen Beratungsbesuch in Anspruch nehmen, bei Pflegegrad 2 und 3 ist dies verpflichtend. Bei Pflegegrad 4 und 5 muss vierteljährlich eine Beratung erfolgen. Diese Beratungsbesuche werden von zugelassenen Pflegediensten, Pflegeberatern der Pflegekassen oder unabhängigen Beratungsstellen durchgeführt.

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Alltag mit Myasthenia Gravis bewältigen

Energiemanagement

Ein kluges Energiemanagement bildet das Fundament des Alltags. Sportliche Aktivitäten und Hausarbeiten gelingen am besten während der stärksten Medikamentenwirkung. Regelmäßige Ruhepausen schützen vor zunehmender Muskelschwäche. Temperaturempfindliche Menschen profitieren von klimatisierten Räumen und kurzen, angenehmen Duschen statt heißer Bäder.

Hilfsmittel

Je nach Bedarf können verschiedene Hilfsmittel den Alltag erleichtern. Dazu gehören beispielsweise Gehhilfen, Rollstühle oder spezielle Essbestecke.

Berufliche Situation

Medikamentös gut eingestellte Menschen mit Myasthenia gravis können ihren beruflichen Alltag daher oft ohne große Einschränkungen weiter verfolgen. Wenn du keine Doppelbilder siehst, darfst du auch Auto fahren. Allerdings kann es sinnvoll sein, während des Arbeitstages vermehrt Pausen einzulegen. Zudem solltest du Stress vermeiden. Wenn die Beschwerden einen Arbeitstag unmöglich machen, sprich mit deinem Arzt, ob eine Krankschreibung sinnvoll ist. Im Falle einer Krankschreibung bezahlt in den ersten sechs Wochen dein Arbeitgeber das vollständige Gehalt weiter. Wenn deine Krankschreibung länger als sechs Wochen dauern sollte, erhältst du 70 Prozent deines Bruttogehalts von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt (ggf. allerdings mit weiteren Einschränkungen).

Fühlst du dich dauerhaft stark eingeschränkt, sprich mit deinem Arzt über die Anerkennung einer Schwerbehinderung. Wenn sie anerkannt wird, kann sie dir beispielsweise einen behindertengerechten Arbeitsplatz, einen besonderen Kündigungsschutz und zusätzliche Urlaubstage pro Jahr ermöglichen. Wenn du aufgrund deiner Beschwerden das Gefühl hast, nicht mehr arbeitsfähig zu sein, kannst du eine Erwerbsminderungsrente beantragen, die dein Einkommen ersetzen kann. Lässt es dein Gesundheitszustand zu, noch einige Stunden täglich zu arbeiten, kann die Erwerbsminderungsrente das Einkommen, das du noch erzielst, ergänzen.

Gleichstellung

Für Menschen mit myasthenen Syndromen (Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom, kongenitale myasthene Syndrome), die einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 30, jedoch weniger als 50 zugeteilt bekommen haben, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Gleichstellung zu stellen. Der Antrag auf Gleichstellung ermöglicht es Menschen mit einer Behinderung, den rechtlichen Status schwerbehinderter Menschen zu erlangen, auch wenn ihr GdB unter 50 liegt.

Urlaub

Patient*innen mit myasthenen Syndromen möchten und können, trotz ihrer Erkrankung, in den Urlaub fahren. Im Vorfeld bedarf es einiger Organisation und eventuell auch, je nach Schweregrad und Behandlung, eine individuelle Abstimmung mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt.

Spezialisierte Therapie bei Beschwerden der Rachen- und Atemmuskulatur

Die MEDICLIN Klinik Reichshof ist auf die Therapie von Beschwerden der Rachen- und Atemmuskulatur durch eine Myasthenie spezialisiert. Unsere neurologischen Fachärzte haben dafür mit Experten unserer Fachklinik für Pneumologie ein fachübergreifendes medizinisches Konzept erarbeitet. Dieses umfasst:

  • intensives Atemtraining durch Sport- und Ergotherapeuten
  • Sprach- und Schlucktherapie: Dabei wird beispielsweise die Ernährung angepasst
  • ergotherapeutische Beratung über eine mögliche Versorgung mit Hilfsmitteln
  • psychologische Unterstützung zum Umgang mit der Erkrankung

Bei Bedarf nehmen Sie an weiteren Therapien sowie an Schulungen zur Gesundheitsvorsorge teil.

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