Das Risiko, an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz zu erkranken, steigt seit Jahren kontinuierlich. Dies hat dazu geführt, dass die Wissenschaft sich neben der Erforschung wirksamer Therapien auch intensiver mit der Prävention beschäftigt. Bessere Kenntnisse über die Aspekte eines gesünderen und achtsameren Lebensstils sollen dazu beitragen, dass die Menschen auch selbst aktiv etwas tun können, um Alzheimer und Demenz vorzubeugen. Eine Möglichkeit der Prävention findet sich in unserer Nahrung, insbesondere in Omega-3-Fettsäuren.
Was sind Omega-3-Fettsäuren?
Omega-3-Fettsäuren sind langkettige, mehrfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe, die an einem Ende eine Carboxylgruppe (-COOH) und am anderen eine Methylgruppe (-CH₃) aufweisen. Der Begriff „Omega-3“ verweist darauf, dass die erste Doppelbindung vom Methylende beginnend an der dritten Kohlenstoff-Position zu finden ist. Vereinfacht gesagt, ist Omega-3 eine gesunde Art von Fett, die unser Organismus zu seiner optimalen Funktion in ausreichender Menge benötigt. Omega-3-Fettsäuren sind essenziell für viele Körperfunktionen, darunter die Zellmembranbildung, Signalmolekülproduktion und Entzündungskontrolle. Da der menschliche Körper sie nicht selbst produzieren kann, müssen sie über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden.
Die drei Haupttypen der Omega-3-Fettsäuren, die in der menschlichen Ernährung am wichtigsten sind, sind Docosahexaensäure (DHA), Eicosapentaensäure (EPA) und Alpha-Linolensäure (ALA).
Die Bedeutung von Omega-3-Fettsäuren für das Gehirn
Das Gehirn benötigt besonders viel Omega-3, da es bis zu 60 Prozent der Wände unserer Nervenzellen bildet. Bei Alzheimer-Patienten ist die Konzentration von Omega-3 in Blut und Gehirn deutlich niedriger als bei gesunden Menschen. Vor allem die Docosahexaensäure (DHA) ist für den Schutz vor Alzheimer und Demenz verantwortlich: Sie macht bis zu 97 Prozent der Omega-3-Fettsäuren in unserem Gehirn aus. Daher spielt DHA eine zentrale Rolle für kognitive Funktionen, Lernfähigkeit, Reaktionsgeschwindigkeit und viele andere neurologische Prozesse, die unsere geistige Leistungsfähigkeit prägen.
Aber auch die Eicosapentaensäure (EPA) ist von Relevanz, denn jüngste Forschungsergebnisse unterstreichen besonders die Rolle von EPA bei der Unterstützung positiver Gefühle. Da auch die Zahl depressiver Erkrankungen massiv ansteigt und Menschen mit Depressionen ein höheres Risiko haben, an Alzheimer und Demenz zu erkranken, sollte man EPA eine gleichermaßen hohe Bedeutung zusprechen.
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Die Alpha-Linolensäure (ALA) schließlich ist unter den Haupt-Omega-3-Fettsäuren diejenige, aus der der Körper EPA und DHA synthetisieren kann. ALA kann unter anderem den Gesamtcholesterin- und LDL-Cholesterinspiegel senken und fördert die Lebergesundheit, indem sie bei der Entgiftung hilft. Zusätzlich schützt sie die Leber vor oxidativem Stress und verhindert die Verfettung, die oft als Folge von Diabetes auftritt.
Aktuelle Studienlage zum Zusammenhang von Omega-3 und Alzheimer
Eine aktuelle Fachpublikation befasste sich mit einer möglichen Schutzwirkung einer hohen Omega-3-Aufnahme gegen geistigen Abbau und Demenzentwicklung. Es zeigte sich ein starker positiver Einfluss auf die Gehirngesundheit: Omega-3-Fettsäuren verringerten in einer Dosierung ab einem Gramm täglich den geistigen Abbau und das Auftreten von Demenz um rund 20 %. Der präventive Effekt war eindeutig: Die langfristige Supplementierung von Omega-3 war mit einem deutlich reduzierten Alzheimerrisiko verbunden.
Forschende der Universität Qingdao in China untersuchten die langfristigen Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und dem Erkrankungsrisiko an Alzheimer, Demenz und anderen kognitiven Störungen. Dazu analysierten die Wissenschaftler:innen Längsschnittdaten von 1.135 Teilnehmer:innen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren, die nicht an Demenz litten. Zusätzlich wurde eine Metaanalyse bestehender Kohortenstudien durchgeführt, um die langfristigen Zusammenhänge zwischen der Nahrungsaufnahme von Omega-3 und den peripheren Markern in Bezug auf Demenz und kognitiven Verfall zu untersuchen.
Eine aktuelle Studie aus den USA belegt, dass die regelmäßige Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren bei einer Dosierung von über 1 Gramm pro Tag das Risiko für Alzheimer um 65 Prozent reduziert. Eine weitere Meta-Analyse von 48 Langzeitstudien zeigt zudem, dass Omega-3-Fettsäuren auch das Risiko für Demenz und kognitiven Abfall um bis zu 20 Prozent verringert.
Details einer randomisierten, placebokontrollierten Studie
Eine randomisierte, vierfach verblindete, placebokontrollierte Studie untersuchte, ob eine Omega-3-Supplementierung das Fortschreiten von weißen Hirnsubstanzläsionen (WMLs), einem Risikofaktor für vaskuläre Demenz und Alzheimer-Krankheit, bei älteren Erwachsenen ohne Demenz, aber mit bestehender WML-Belastung und niedrigem Omega-3-Spiegel, verlangsamen kann.
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102 Teilnehmer (75 Jahre und älter) erhielten über drei Jahre entweder Omega-3-Fettsäuren (1,65 g täglich, mit 975 mg EPA und 650 mg DHA) oder ein Placebo aus Sojaöl. Die jährliche Zunahme der WMLs war in der Omega-3-Gruppe geringer als in der Placebo-Gruppe, jedoch waren diese Ergebnisse statistisch nicht eindeutig. Bei Trägern des APOE*E4-Allels, einem genetischen Alzheimer-Risikofaktor, zeigte die Omega-3-Gruppe jedoch einen statistisch eindeutig geringeren DTI-FA-Abfall, was auf eine bessere Erhaltung der neuronalen Integrität in dieser Untergruppe hinweist.
Die Omega-3-Supplementierung konnte über drei Jahre das Fortschreiten von WMLs und den Abbau der neuronalen Integrität in der Gesamtgruppe nicht statistisch eindeutig verlangsamen. Ergebnisse weisen jedoch auf neuroprotektive Effekte bei APOE*E4-Trägern hin. Weitere, größere Studien sind nötig, um das Potenzial von Omega-3 in der Prävention vaskulärer Hirnschäden bei älteren Menschen genauer zu untersuchen.
Omega-3-Quellen in der Ernährung
Fetter Seefisch wie Makrele, Hering und Lachs ist reich an Omega-3-Fettsäuren. Geringere Mengen an Omega-3 enthalten die weniger fetthaltigen Seefische Kabeljau, Seehecht, Scholle und Rotbarsch sowie Süßwasserfische wie Forelle und Karpfen. Daher sollte man ein bis zwei Mal pro Woche solchen Fisch essen.
Für die essenzielle Omega-3-Fettsäure ALA sind pflanzliche Lebensmittel besonders wertvoll. Vor allem Lein-, Walnuss- und Rapsöl sind reich an dieser entzündungshemmenden Fettsäure. Beachten muss man allerdings, dass die Art von Omega-3, die in pflanzlichen Quellen vorkommt (hauptsächlich ALA), vom Körper erst in die aktiveren Formen EPA und DHA umgewandelt werden muss, die direkt in Fischölen vorkommen. Der Umwandlungsprozess ist nicht besonders effizient.
Omega-3-reiche Lebensmittel im Überblick
- Fetter Seefisch: Lachs, Hering, Makrele, Sardellen
- Pflanzliche Öle: Leinöl, Walnussöl, Rapsöl
- Nüsse und Samen: Walnüsse, Leinsamen, Hanfsamen
- Algenöle: Gewonnen aus Mikroalgen, reich an EPA und DHA
Orthomolekulare Medizin und Demenzprävention
Ein vielversprechender Weg liegt in der orthomolekularen Medizin. Durch gezielten Einsatz von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Mikronährstoffen lässt sich die Gehirngesundheit aktiv unterstützen - und das Risiko für Demenz nachweislich senken. Studien zeigen: Bestimmte Nährstoffe und Lebensstilfaktoren können nicht nur das Fortschreiten einer beginnenden Demenz verlangsamen, sondern auch präventiv wirken - vor allem, wenn sie frühzeitig und individuell abgestimmt eingesetzt werden. Die orthomolekulare Medizin zielt darauf ab, biochemische Ungleichgewichte und Nährstoffmängel durch gezielte Nahrungsergänzung zu korrigieren und so eine optimale physiologische Umgebung im Körper zu schaffen.
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Wichtige Mikronährstoffe für die Demenzprävention
- B-Vitamine (B₆, B₁₂, Folsäure): Schützen Nervenzellen, senken Homocystein und beugen Hirnatrophie vor.
- Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA): Entzündungshemmende „Brain Food“-Fette, essentiell für Hirnmembranen und Synapsen.
- Vitamin D: Hormonähnliches „Sonnenvitamin“, wichtig für Immunfunktion und Schutzmechanismen im Gehirn.
- Antioxidantien (Vitamin C, E, Selen): Neutralisieren freie Radikale im energiehungrigen Gehirn.
- Magnesium: Wichtig für die Signalübertragung zwischen Gehirnzellen und Gedächtnisbildung.
- Zink & Selen: Spurenelemente, essentiell für Wachstum und Reparatur von Nervenzellen.
- Coenzym Q10 & L-Carnitin: Unterstützen die Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle).
- Lithium (Spurenelement): In sehr kleinen Mengen essentiell fürs Gehirn.
Homocystein und sein Zusammenhang mit Demenz
Die Einschränkung kognitiver Fähigkeiten im Alter bis hin zur Demenz einschließlich Alzheimer Demenz (AD) ist nach zahlreichen Studien mit einer Homocystein-Erhöhung assoziiert. Homocystein ist eine nicht-proteinogene, schwefelhaltige Aminosäure, die als Intermediärprodukt im Methioninstoffwechsel entsteht. Zur Senkung erhöhter Homocystein-Konzentrationen hat sich die Gabe von B-Vitaminen (B6, B12, Folsäure) bewährt. Eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten durch B-Vitamine ist abhängig von der Versorgungslage mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren.
Hohe Homocysteinspiegel im Blut korrelieren mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko und verstärktem Gehirnabbau. Homocystein schädigt Gefäße und fördert Neurodegeneration, hemmt sogar die Bildung neuer Nervenzellen (Neurogenese) im Hippocampus. Ursache erhöhter Homocysteinwerte ist meist ein Mangel an B-Vitaminen (B₆, B₁₂ und Folsäure), die Homocystein abbauen.
Empfehlungen zur Einnahme von Omega-3-Fettsäuren
Um auf die zur Prävention notwendige Menge von täglich über einem Gramm Omega-3-Fettsäuren zu kommen, empfiehlt das ÖAIE die Langzeitaufnahme von Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln, die aus Fischöl wie auch aus pflanzlichen Ölen hergestellt angeboten werden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfahl 2009 in einer Stellungnahme für gesunde Verbraucher eine Höchstmenge von durchschnittlich 1,5 Gramm EPA/DHA pro Tag. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA sah dagegen in einer Stellungnahme von 2012 die Aufnahme von bis zu 5 Gramm EPA und DHA (in Kombination) für Erwachsene als unbedenklich an.
Wer Omega-3 in erhöhten Dosen als Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, kann eine erhöhte Blutungsneigung bekommen, die sich zum Beispiel durch Nasenbluten zeigt. Das gilt umso mehr für Menschen, die bereits Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung einnehmen.