Das retikuläre Aktivierungssystem (RAS), auch aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem (ARAS) genannt, ist ein essenzielles Netzwerk im Gehirn, das eine entscheidende Rolle bei der Filterung von Sinneseindrücken und Informationen spielt. Es ermöglicht uns, inmitten der Flut von bis zu 11 Millionen Sinneseindrücken pro Sekunde, die auf uns einprasseln, zwischen wichtigen und unwichtigen Wahrnehmungen zu unterscheiden. Ohne dieses System wäre es unmöglich, sich zu fokussieren und die Welt adäquat wahrzunehmen.
Die Filterfunktion des RAS
Das RAS fungiert als Filter zwischen unserem Bewusstsein und der Umgebung. Alle Eindrücke durchlaufen dieses System und werden einer strengen Auswahl unterzogen. Nur ein Bruchteil dieser Millionen von Wahrnehmungen schafft es ins Bewusstsein. Diese Filterfunktion ist notwendig, um uns vor einer Reizüberflutung zu schützen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Selektive Wahrnehmung und ihre Auswirkungen
Das RAS filtert Sinneseindrücke jedoch nicht objektiv oder ausschließlich nach logischen Vorgaben. Welche Informationen in unser Bewusstsein gelangen, hängt stark von unserer Einstellung, unseren Denkweisen und Glaubenssätzen ab. Ein Pessimist wird eher Probleme, schlechte Nachrichten und Gründe zur Schwarzmalerei wahrnehmen, während ein Optimist sich auf positive Aspekte konzentriert.
Diese selektive Wahrnehmung kann zu Trugschlüssen und Selbstmanipulation führen. Wir neigen dazu, Nachrichten und Informationen auszuwählen, die unsere Meinungen und Überzeugungen bestätigen. Wer sich selbst beispielsweise als langweilig und unattraktiv einstuft, wird unbewusst Botschaften von außen so filtern, dass vor allem Informationen ins Bewusstsein dringen, die diese Einstellung bestätigen. Dies kann sogar die Karriere beeinträchtigen, wenn man überzeugt ist, im Job nicht gut genug zu sein und niemals aufsteigen zu können.
Umgekehrt gilt: Je positiver das Selbstbild, desto leichter gelangen Informationen durch den Filter, die zu diesem positiven Selbstbild passen.
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Das RAS im Alltag: Ein Beispiel
Ein alltägliches Beispiel für die Funktionsweise des RAS ist der Kauf eines neuen Autos. Hat man sich beispielsweise für ein bestimmtes Modell entschieden, nimmt man plötzlich vermehrt dieses Auto im Straßenverkehr wahr. Oder wenn man schwanger ist oder von einer Schwangerschaft im Freundeskreis erfährt, sieht man plötzlich überall schwangere Frauen und Babys im Kinderwagen. Das RAS richtet die Aufmerksamkeit auf die Dinge, die für uns gerade relevant sind.
Das RAS Override
Der Reticular Activation System Override (RAS Override) ist ein Bestandteil des ASIST-Interface. Das RAS unterdrückt sensorische Eindrücke des physischen Körpers und wird auch als Bewegungsunterdrücker bezeichnet. Die Formatio reticularis (engl. reticular activation system, RAS) ist ein Nervencluster zwischen Stammhirn und Rückenmark, der als Interface zwischen dem Gehirn und dem Körper fungiert.
Bei SimSinn-Abspielgeräten sowie Direct-Input-Chips, die direkt in die Chipbuchse gestöpselt werden, unterdrückt das RAS Override die motorischen Funktionen des Users, damit dieser unter Einfluss von VR oder SimSinn nicht orientierungslos wie ein Zombie in der Gegend herumstolpert, und sich oder andere gefährdet.[2] Auch die Sinneseindrücke der Umgebung werden gedämpft, so dass sie nicht die Wahrnehmung von VR oder SimSinn stören.[1] Der Körper wird stattdessen, solange das RAS Override aktiv ist, in einen bewegungslosen Zustand versetzt, der dem Tiefschlaf ähnelt,[2] und Muskelimpulse werden größtenteils blockiert, so dass der Körper nicht Signale des Gehirns an das [[VR]-Interface oder Impulse eines SimSinns als Bewegungssignale auffasst und der Nutzer sich so ungewollt verletzt.[3] Kleine Bewegungen werden allerdings gestattet, so dass Muskelkrämpfe vermieden werden, ebenso wie Wundliegen.
Der Zweck eines RAS Override ist, einem Nutzer von ASIST zu ermöglichen, sich voll auf dieses Interface zu konzentrieren, ohne ablenkende Doppelwahnehmungen. Diese Kontrolle ist nicht total - das würde den Nutzer selbst schädigen, und ist daher ebenso unerwünscht. Umgekehrt gibt es Programme (üblicherweise auf Chip für eine Chipbuchse, aber auch reine Software, oder Varianten als eigenes Implantat sind bekannt[3]), deren einzige Funktion es ist, einen RAS Override zu erzwingen, wenn sie in eine Buchse eingeführt oder per Sim-Modul eingespielt werden.
Wie man den Filter des RAS anpasst
Da das RAS unsere Wahrnehmung maßgeblich beeinflusst, ist es wichtig zu verstehen, wie man diesen Filter anpassen kann, um positive Veränderungen zu bewirken.
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Perspektivenwechsel
Der erste Schritt zur Veränderung besteht darin, die eigene Perspektive zu hinterfragen. Viele Menschen sehen nur, was schlecht läuft, und glauben nicht an eine mögliche Veränderung. Statt sich auf die aktuelle Unzufriedenheit zu konzentrieren, sollte man sich auf bisherige Erfolge besinnen. Was wurde bereits erreicht? Was läuft gut? Dies können ein Schulabschluss, ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch, eine glückliche Beziehung, gute Freunde, eine schöne Wohnung oder die eigene Gesundheit sein.
Glaubenssätze aufbrechen
Oftmals sind es alte, negative Glaubenssätze, die uns im Weg stehen. „Ich bin zu dumm, unsportlich, dick, dünn, ungeschickt, hässlich, schlecht, um etwas Besseres für mich zu erreichen.“ Solche Überzeugungen sind schädlich, da sie das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und das RAS dazu veranlassen, gegenteilige Beweise herauszufiltern. Es entsteht eine selbsterfüllende Prophezeiung. Um die Filterfunktion neu einzustellen, müssen alte Denkweisen aufgebrochen und durch neue, positive ersetzt werden. Man sollte sich bewusst machen, dass man gut ist und viele Stärken hat.
Zielsetzung nach der SMART-Methode
Eine klare Zielsetzung hilft dem Gehirn, Informationen zu filtern, die bei der Umsetzung dieser Ziele helfen. Vage Formulierungen wie „Ich will erfolgreicher sein…“ sind wenig zielführend. Stattdessen sollten Ziele nach der SMART-Methode formuliert werden: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert.
Das RAS bewusst programmieren
Um das RAS bewusst zu programmieren und die Aufmerksamkeit gezielt auf Erfolg, Glück und neue Chancen auszurichten, können verschiedene Techniken angewendet werden:
Affirmationen
Tägliche, bestärkende Sätze (Affirmationen) können das RAS beeinflussen und das Selbstbewusstsein stärken. Beispiele hierfür sind: "Ich bin kompetent und erfolgreich in meinem Beruf" oder "Ich verdiene es, glücklich und erfüllt zu sein".
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Visualisierungstechniken
Visualisierung kann helfen, das RAS zu aktivieren und Ziele zu erreichen. Ein Visionboard, auf dem Bilder und Symbole der eigenen Wünsche und Ziele dargestellt sind, sorgt für Fokus, Motivation, Entschlossenheit und Kraft. Es aktiviert die Vorstellungskraft und klärt über die Bildsprache direkt, was der Herzenswunsch ist. Beim Betrachten der Bilder erlebt man sich wie in der bereits erreichten Situation, wodurch man die Realität sozusagen vorwegnimmt.
Positive Selbstgespräche
Positive Selbstgespräche können das RAS beeinflussen und das Selbstbewusstsein stärken.
Aufmerksamkeit, Lernen und Neuroplastizität
Aufmerksamkeit, Lernen und Neuroplastizität hängen eng zusammen. Unser Gehirn entwickelt sich lernend plastisch weiter, wenn es optimale Bedingungen findet: Wir sind aufmerksam für etwas, weil es uns wichtig ist und wir annehmen, die Aufgabe bewältigen können.
Neuroplastizität
Unser Gehirn passt sich ein Leben lang an unsere gemachten Erfahrungen an. Es reagiert damit auf Herausforderungen und bereitet uns auf ähnliche, folgende Herausforderungen vor. Diese Anpassungen werden in der Gehirnforschung „Neuroplastizität“ genannt. In der frühen Kindheit ist diese Plastizität am höchsten, sie hält aber bis zum letzten Atemzug an. Die genetische Veranlagung bildet zwar die Ausgangsbasis, doch wie stark und umfangreich die Gene aktiviert werden, hängt von weiteren Faktoren ab, wie insbesondere den Erfahrungen und dem Leben in einem langweiligen, reizarmen, oder, - viel besser fürs Gehirn - spannenden Umfeld mit neuen Impulsen.
Die Neurowissenschaften unterscheiden zwei Formen der Neuroplastizität: die funktionell und die strukturelle Plastizität. Die funktionelle Plastizität ändert die Effizienz der synaptischen Übertragung zwischen den Neuronen durch den Umbau oder Aufbau von Rezeptoren. Die Schnelligkeit der synaptischen Übertragung von Informationen wird demnach modifiziert. Die strukturelle Plastizität hingegen verändert das Gehirn anatomisch, also wirklich in seiner Struktur - die Dichte und oder das Volumen ganzer Gehirnareale verändert sich, z. B. der grauen und weißen Substanz, die Dicke der Hirnrinde oder die Form der Windungen. Das Lernen initiiert solche plastischen Prozesse ein Leben lang.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit wird im Gegensatz zu einem allgemeinen Erregungszustand oft als selektive Aufmerksamkeit bezeichnet. Selektive Aufmerksamkeit ist die „Fähigkeit, sich auf einen bestimmten Aspekt des sensorischen Inputs zu konzentrieren“. Durch die selektive Aufmerksamkeit können wir einen Teil der auf uns einströmenden Informationen bevorzugt verarbeiten und den Rest ignorieren. Je nachdem, wohin wir den Fokus richten, nehmen wir wahr. Und je zentrierter der Fokus, desto tiefer die Wahrnehmung.
Im Ruhezustand sind im Gehirn Areale aktiv, die als „Default-Mode-Netzwerk“ (Ruhezustandsnetzwerk) bezeichnet werden. Wechselt der Aufmerksamkeitsmodus vom Ruhezustand in den Aufmerksamkeitszustand, vermindert sich die Aktivität im Default-Mode-Netzwerk und erhöht sich in denjenigen Netzwerken, die für die spezifische Aktivität gebraucht werden.
Zwei Formen der Aufmerksamkeit werden unterschieden: die exogene und die endogene Aufmerksamkeit. Exogene Aufmerksamkeit ist die durch äußere Reize erregte Aufmerksamkeit, die z. B. durch auffällige Färbung, Lichtreflexe oder Bewegungen unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Endogene Aufmerksamkeit lenkt die Aufmerksamkeit vom Gehirn „bewusst auf ein Objekt oder einen Ort“, um gezielt „einem Verhalten zu dienen“. Und diese können wir bewusst steuern, indem wir uns fokussiert einlassen auf jemanden oder etwas.
Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und Neuroplastizität
Durch erhöhte Aufmerksamkeit werden andere Wahrnehmungen beschränkt, wodurch die Geschwindigkeit und Präzision der Verarbeitung zunehmen. Aufmerksamkeit erhöht das Arousal und stärkt die Merkfähigkeit, wodurch sie ein wichtiger Schlüssel zur Neuroplastizität ist. Aufmerksamkeit ist eine Grundbedingung des Lernens. Es ist wichtig, das Interesse der Zuhörenden, Studierenden oder Schüler/innen zu wecken, damit der Torwächter des Retikulären Aktivierungssystems (RAS) - ein Nervenstrang vom Hirnstamm bis zum Mittelhirn, der wie ein Filtersystem für das Gehirn ist - geöffnet bleibt und Lernen über das Limbische System im präfrontalen Cortex reflektiert werden kann.
Der Neurotransmitter Acetylcholin spielt bei diesem Prozess eine zentrale Rolle. „Acetylcholin wird freigesetzt, wenn man ein bestimmtes Verhalten ausführt (Aufmerksamkeit) oder wenn das Gehirn einen neuen Reiz erhält“. Mit der Freisetzung von Acetylcholin ist „der Filter offen“, und zwar bis zu mehreren Minuten lang. Das Gehirn wird somit aktiviert und die plastischen Prozesse für die nächsten Minuten ermöglicht. Darüber hinaus aktivieren neuartige Reize die Produktion von Noradrenalin, was das positive Erregungsniveau erhöht.
Wie man Aufmerksamkeit und Interesse weckt
Um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken, sollten die Lerninhalte Aufmerksamkeit erregen und die Aufmerksamkeit im Lernprozess erhalten bleiben, indem die Relevanz des Inhalts hoch ist und die Aufgabe nicht zu leicht zu bewältigen ist. Die Aufmerksamkeit kann durch äußere Impulse erregt werden (exogene Aufmerksamkeit), oder durch bewusste innere Fixierung auf eine Aufgabe (endogene Aufmerksamkeit).
Bezüglich der exogenen Aufmerksamkeit gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit im Unterricht zu gewinnen und aufrecht zu erhalten, so z. B. durch Videoclips, Musik, Bewegungen, Änderungen im Tonfall und Lautstärke, Nutzung von Spannungspausen, unübliche Kleidung, unübliche Fakten zu Beginn der Stunde, persönliche Geschichten und vieles mehr. Das RAS kann durch „Neuheit, Neugier, Überraschung, Unerwartetes und Veränderung” beeinflusst werden.
Spannung erzeugt Aufmerksamkeit und bedeutet, Fragen aufzuwerfen, die die Gesprächspartner/innen, Seminarteilnehmer/innen, die Studierenden oder Schülerinnen und Schüler beantwortet haben wollen. Darüber hinaus können wir die endogene Aufmerksamkeit der Lernenden unterstützen, indem wir ihnen beibringen, alle störenden Außenreize auszuschalten (Mobile, Soc Media usw), sich auf eine Sache zunächst über kurze Zeiträume und dann über immer längere Phasen ganz einzulassen und sich somit aufmerksam zu fokussieren.