Der Geruchssinn ist mehr als nur eine Möglichkeit, angenehme Düfte wie frisch gebackenen Apfelkuchen oder Blumen zu genießen. Er spielt eine wichtige Rolle für die Lebensqualität, die persönliche Hygiene und das Erkennen von Gefahren, wie z. B. Bränden. Viele Menschen erkennen die Bedeutung des Riechens erst, wenn sie es verloren haben. HNO-Ärztin Antje Hähner erklärt, dass der Verlust des Geruchssinns oft dazu führt, dass Speisen nicht mehr schmecken, da nur noch süße, saure, salzige und bittere Geschmacksrichtungen wahrgenommen werden können, während die Aromen verschwinden.
Ursachen von Riechstörungen
Riechstörungen können verschiedene Ursachen haben, die in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: sinunasale und nicht-sinunasale Störungen.
Sinunasale Riechstörungen
Bei sinunasalen Riechstörungen wird die eingeatmete Luft auf ihrem Weg zur Riechschleimhaut behindert. Dies kann durch Entzündungen im Bereich der Nase oder der Nasennebenhöhlen geschehen. Die Entzündungen können infektiös oder nicht-infektiös bedingt sein. Nicht-infektiöse Ursachen lassen sich in anatomische und nicht-anatomische Ursachen unterteilen. Zu den anatomischen Ursachen gehören Nasenpolypen oder Verkrümmungen der Nasenscheidewand, die die Nasenatmung behindern.
Nicht-sinunasale Riechstörungen
Bei nicht-sinunasalen Riechstörungen liegt die Ursache in einer Schädigung des Riechapparates selbst. Häufige Auslöser sind Schädelverletzungen durch Schläge auf den Kopf oder Stürze, die zu einem teilweisen oder vollständigen Abriss der Riechnerven führen können. Auch Quetschungen und Blutungen in den für die Geruchswahrnehmung und -verarbeitung verantwortlichen Hirnbereichen können auftreten. Eine akute oder chronische toxische Schädigung der Riechschleimhaut, beispielsweise durch Formaldehyd, Tabakrauch, Pestizide, Kohlenmonoxid oder Kokain, kann ebenfalls eine Riechstörung verursachen. Auch eine Strahlentherapie im Rahmen einer Krebstherapie kann zu Riechstörungen führen. Virusbedingte Infektionen der oberen Atemwege, wie z. B. Corona-Infektionen mit SARS-CoV-2, können ebenfalls Riechstörungen verursachen, da die Infektion die Riechnerven schädigen oder zerstören kann. Riechstörungen nach Virusinfektionen gehen meist mit einer veränderten Geruchswahrnehmung (Parosmie) einher.
Neben viralen Infekten können auch andere Krankheiten das Riechvermögen schädigen oder zerstören. Dazu gehören neuronale Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz, Morbus Parkinson und Multiple Sklerose, die zum Absterben von Nervenzellen in verschiedenen Hirnbereichen führen. Betreffen diese Areale, die für das Riechen wichtig sind, kann das Riechvermögen gestört werden. Auch Typ-2-Diabetes, Schilddrüsenunterfunktionen oder Epilepsie können mit Riechstörungen einhergehen.
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Auch bestimmte Arzneimittel können Riechstörungen verursachen, darunter Antibiotika wie Amikacin, Chemotherapeutika wie Methotrexat, Antihypertonika wie Nifedipin und Schmerzmittel wie Morphin. Mit fortschreitendem Alter nimmt das Riechvermögen physiologisch bedingt ab. Bei einigen Patienten sind die Riechstörungen angeboren, oft aufgrund einer Unterentwicklung oder eines vollständigen Fehlens des Riechkolbens (Bulbus olfactorius), wie z. B. beim Kallmann-Syndrom.
Der Zusammenhang zwischen Geruchssinn und neurodegenerativen Erkrankungen
Der Geruchssinn ist bei neurodegenerativen Erkrankungen oft schon recht früh betroffen. Eine Studie der Mayo-Klinik in Rochester untersuchte, ob sich dies in einer größeren Kohorte älterer Menschen bestätigen lässt und ob ein schlechter Geruchssinn spezifisch den Verlust des Gedächtnisses vorhersagen kann. Die Teilnehmer waren zu Beginn der Studie etwa 80 Jahre alt und kognitiv gesund. Die Studie ergab, dass die MCI-Rate (Milde Kognitive Beeinträchtigung) im Quartil mit den schlechtesten Testwerten mehr als doppelt so hoch war wie im Quartil mit den besten Werten. Bei MCI-Patienten war die Alzheimer-Rate bei den Teilnehmern mit den schlechtesten Werten beim Riechtest 5,2-fach höher als bei den MCI-Patienten mit den besten Werten.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein nachlassender Geruchssinn ein frühes Warnsignal für Demenz, insbesondere Alzheimer, sein kann. Wissenschaftler haben festgestellt, dass bei betroffenen Personen eine Verschlechterung des Geruchssinns mit einem geringeren Volumen der grauen Substanz in den Gehirnarealen einhergeht, die für Gedächtnis und Geruchssinn zuständig sind. Die im MRT sichtbaren Neurodegenerationen waren bei Patienten mit Riechverlust identisch mit denen von Alzheimer-Patienten.
Die Rolle von Geruchstests bei der Früherkennung von Demenz
Geruchstests können ein kostengünstiges und einfach zu verwendendes Instrument sein, um Menschen mit einem erhöhten Demenzrisiko frühzeitig zu identifizieren. Ein Geruchstest besteht aus einer Reihe von Stäbchen, die mit bestimmten Düften angereichert sind, die der Einzelne aus einer Reihe von vier Auswahlmöglichkeiten identifizieren muss.
Prof. Dr. Ronald Petersen erklärt, dass standardisierte Geruchstests in Zukunft vor kostspieligeren Tests angeordnet werden könnten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein perfekter Geruchssinn nicht bedeutet, dass man vor Demenz geschützt ist. Schlechte Ergebnisse im Geruchstest sollten von niedrigen Gedächtnis-Testergebnissen oder auffälligen Hirnscans unterstützt werden, bevor Bedenken vor einer Demenzerkrankung ausgesprochen werden. Ein verringerter Geruchssinn ist nicht spezifisch für Demenzerkrankungen, sondern tritt lediglich vermehrt bei Demenzpatienten im Vergleich zu gesunden Probanden auf. Da der Riechkolben zudem in mehreren neurodegenerativen Erkrankungen degeneriert, kann ein Geruchstest darüber hinaus nicht zwischen verschiedenen spezifischen Erkrankungen, wie z.B. Alzheimer oder Parkinson, differenzieren.
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Genetische Faktoren und der Geruchssinn
Eine große genetische Studie zum menschlichen Geruchssinn unter der Leitung der Universität Leipzig hat gezeigt, dass es keinen einzelnen "Riech-Genort" gibt, der für alle Gerüche zuständig ist. Stattdessen beeinflussen bestimmte Genvarianten jeweils einzelne Düfte, wie z. B. die Fähigkeit, Zimt oder Knoblauch zu erkennen. Interessanterweise wurde ein Zusammenhang zwischen einem genetisch erhöhten Risiko für Alzheimer und schlechteren Ergebnissen bei Geruchstests festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass die fehlende Fähigkeit, Düfte zu erkennen, ein sehr früher Hinweis auf die Erkrankung sein könnte, lange bevor das Gedächtnis nachlässt.
Psychologische Aspekte von Riechstörungen
Riechstörungen können nicht nur ein Warnsignal für neurologische Erkrankungen sein, sondern auch psychologische Auswirkungen haben. Sie können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zu Depressionen, Angstzuständen und sozialer Unsicherheit führen. Der Verlust des Geruchssinns kann dazu führen, dass Betroffene Speisen, Getränke und Düfte nicht mehr wie gewohnt genießen können, Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich haben und möglicherweise einen Berufswunsch oder eine Karriere aufgeben müssen.
Psychotherapeutische Hilfe kann dazu beitragen, den Leidensdruck der Betroffenen zu verringern und ihre Anpassung an das Handicap zu erleichtern. Psychotherapeuten können Patienten darauf aufmerksam machen, dass sie künftig in einigen Bereichen auf die Hilfe anderer angewiesen sein werden und ihr soziales Umfeld entsprechend instruieren müssen. Auch sollten Patienten sich ihrer Gefährdung in einigen Bereichen bewusster werden und für entsprechende Maßnahmen wie Rauchmelder, Atemluftfilter, Vorsichtsmaßnahmen beim Verzehr von Lebensmitteln und Hygiene sorgen.
Wenn die Chancen auf Genesung sehr gering sind, sollten die Patienten dabei begleitet werden, dies zu akzeptieren und in ihr Leben zu integrieren. Dafür können verschiedene Methoden eingesetzt werden, wie z. B. Abschiedsrituale, resilienz- und wohlbefindensfördernde Verfahren und Coping-Strategien. Eine Strategie kann darin bestehen, sich auf Ressourcen statt auf Defizite zu konzentrieren und das Beste aus seiner Situation zu machen. So können fehlende Geschmacks- und Geruchseindrücke beispielsweise zum Teil dadurch kompensiert werden, dass alle anderen vorhandenen Sinne eingesetzt und geschärft werden.
Behandlung von Riechstörungen
Die Behandlung von Riechstörungen hängt von der Ursache ab. Sinunasale Riechstörungen verschwinden meist wieder, wenn die Ursache oder Erkrankung operativ oder medikamentös beseitigt wurde. Bei nicht-sinunasalen Riechstörungen hängt die Chance auf Genesung von der Ursache ab. Angeborene und altersbedingte Riechstörungen gelten als nicht behandelbar. Auch nach Traumata ist die Behandlung schwierig und oft wenig erfolgreich. Etwas bessere Aussichten bestehen nach viralen Infekten: Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten können nach ein bis zwei Jahren spontan wieder riechen, bei einem Drittel bleibt die Riechwahrnehmung hingegen dauerhaft gestört. Relativ erfolgreich behandeln lassen sich hingegen Riechstörungen aufgrund von Medikamenten oder Schadstoffen. Allgemein gilt, dass jüngere Patienten bessere Heilungschancen haben als ältere.
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