Polyneuropathie der Füße: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze

Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Polyneuropathie, oft ohne es zu wissen. Diese Erkrankung, die durch eine Schädigung der peripheren Nerven verursacht wird, kann verschiedene Ursachen haben und sich durch vielfältige Symptome äußern, insbesondere in den Füßen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze der Polyneuropathie, um Betroffenen und Interessierten ein umfassendes Verständnis zu ermöglichen.

Was ist Polyneuropathie?

Der Begriff „Polyneuropathie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Erkrankung mehrerer Nerven“. Polyneuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, zu dem alle außerhalb des Zentralnervensystems liegenden Anteile der motorischen, sensiblen und autonomen Nerven mit den sie versorgenden Blut- und Lymphgefäßen gehören. Bei einer Polyneuropathie sind mehrere Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark geschädigt. Die Schädigung betrifft häufig lange, sensible Nervenfasern, die bis in die Füße reichen. Sind diese Nerven geschädigt, werden Signale nicht mehr richtig weitergeleitet. Die Reizweiterleitung der Nerven ist gestört, sodass Reize nicht, zu stark oder abgeschwächt an das Gehirn geleitet werden. Ebenso werden Kommandos vom Gehirn nicht mehr zuverlässig an die Muskeln und die inneren Organe weitergeleitet.

Nerven arbeiten wie elektrische Leitungen. Vergleicht man den Nerv mit einem Kupferkabel, so können Störungen entweder durch eine Unterbrechung der Kupferleitung in der Mitte oder der umhüllenden Isolierung entstehen. Je länger ein Nerv ist, desto eher erkrankt er an Polyneuropathie, weshalb die Erkrankung häufig an den Zehen und Füßen beginnt.

Die Nerven steuern die Muskeltätigkeit, tragen das Körpergefühl und die Wahrnehmung auf der Haut und beeinflussen die Funktion der inneren Organe. Bei einer Polyneuropathie ist die Reizweiterleitung der Nerven gestört. Reize werden nicht, zu stark oder abgeschwächt an das Gehirn geleitet. Kommandos vom Gehirn werden nicht mehr zuverlässig an die Muskeln und die inneren Organe weitergeleitet. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Schädigung:

  • Bei der demyelinisierenden Polyneuropathie zerfällt die Isolation um die Nervenfasern herum, sodass die elektrischen Impulse in der Nervenfaser nicht mehr richtig weitergeleitet werden.
  • Bei der axonalen Polyneuropathie geht die Nervenfaser selbst kaputt.

Beide Formen können auch in Kombination auftreten.

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Die Polyneuropathie ist eine häufige neurologische Erkrankung, die Männer und Frauen in gleichem Maße betrifft und im Alter an Häufigkeit zunimmt.

Ursachen der Polyneuropathie

Es gibt über 300 bekannte Ursachen von Polyneuropathie. Die häufigsten Ursachen sind Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch. Etwa jeder dritte Diabetiker ist von Polyneuropathie betroffen. Rund 20 Prozent der Fälle bleiben ungeklärt. Die Ursache von etwa einem Viertel aller Polyneuropathien bleibt auch nach ausführlicher Abklärung ungeklärt.

Häufige Ursachen sind:

  • Diabetes mellitus (Zuckererkrankung): Rund jeder zweite Diabetes-Patient entwickelt eine Polyneuropathie. Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die Nerven.
  • Alkoholmissbrauch: Toxine wie Alkohol können eine Polyneuropathie auslösen.
  • Medikamente: Insbesondere Arzneimittel, die nach Krebserkrankungen in der Chemotherapie eingesetzt werden (z.B. Platin-Verbindungen, Taxane oder Vinca-Alkaloide), können Nerven schädigen.
  • Vitaminmangel: Mangel an Vitamin B1, B2, B6, B12 oder E.
  • Schwermetallvergiftung: Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber oder Gold können Polyneuropathie verursachen.
  • Entzündliche Erkrankungen: Borreliose, Gefäßentzündungen (Vaskulitis) oder HIV/AIDS.
  • Genetische Ursachen: Es sind mehrere genetisch bedingte Polyneuropathien bekannt.
  • Andere Erkrankungen: Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, Nierenversagen, Lebererkrankungen, Krebserkrankungen, Bluteiweißerkrankungen, HIV/AIDS, Porphyrie oder Amyloidose.

Symptome der Polyneuropathie

Typische Symptome einer Polyneuropathie sind sensible Reizerscheinungen wie Kribbeln, Ameisenlaufen, Stechen, Elektrisieren und sensible Ausfallerscheinungen wie Pelzigkeitsgefühl, Taubheitsgefühl, Gefühl des Eingeschnürtseins, Schwellungsgefühle sowie das Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Oft bestehen eine Gangunsicherheit, insbesondere im Dunkeln, und ein fehlendes Temperaturempfinden mit schmerzlosen Wunden.

Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, später an den Händen, und steigen dann langsam auf, Richtung Körpermitte. Bei den meisten Menschen beginnt die Polyneuropathie mit Reizerscheinungen im Sinne von Kribbelgefühlen, brennenden Missempfindungen bis hin zu heftigen Schmerzen und Taubheitsgefühlen an den Füßen. Häufig beschrieben wird ein Schwellungsgefühl, unangenehmer Druck, Gefühl wie auf Watte zu gehen, ein Elektrisieren oder Stechen. Meistens sind zunächst nur die Zehen und der Fußballen beidseitig betroffen. Im Verlauf von mehreren Monaten bis Jahren kommt es zur Ausweitung der Symptome auf die Füße und Unterschenkel mit sockenförmiger oder Kniestrumpf-förmiger Begrenzung. Die Oberschenkel können im Verlauf einer weiteren Verschlechterung oder bei einigen Patienten auch primär betroffen sein. Auch das Temperaturempfinden leidet, so dass beispielsweise die Badewassertemperatur in der Badewanne an den Füßen nicht mehr richtig eingeschätzt werden kann. Zumeist erst im Verlauf der Erkrankung können zusätzlich die Fingerspitzen und Hände mit Handschuh-förmiger Begrenzung der Taubheitsgefühle betroffen sein. Parallel dazu kann es zunehmend zu Lähmungen, beispielsweise der Fußheber oder Zehenheber oder Fußsenker kommen, so dass Muskelschwund und Gangstörungen entstehen. Alle Symptome entstehen zumeist symmetrisch und nur seltener asymmetrisch mit Betonung auf einer Seite. Krämpfe, insbesondere nachts oder bei Belastungen, sind nicht selten. Viele Patienten klagen über kalte Füße. Auch das Lageempfinden wird zunehmend gestört, so dass die akkurate Aufrechterhaltung des Standes leidet. Dies führt zu Schwanken, Schwindel und Gangstörungen. Das Schmerzempfinden wird allmählich herabgesetzt, so dass Verletzungen am Fuß nicht oder nur zu spät wahrgenommen werden. Dies kann, z.B. beim Diabetes mellitus, zur Entstehung von Druckgeschwüren führen. Letztlich können auch die inneren Organe im Sinne einer autonomen Polyneuropathie betroffen sein. Dies führt beispielsweise zur Blasenlähmung, Darmträgheit oder zur mangelnden Regulation des Herzschlages bei Anstrengung.

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Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen:

  • Motorische Symptome: Muskelzucken, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Muskelschwund.
  • Autonome Symptome: Herzrhythmusstörungen, Blähgefühl und Appetitlosigkeit, Aufstoßen, Durchfall und Verstopfung im Wechsel, Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz, Impotenz, gestörtes Schwitzen, schlechte Kreislaufregulation mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen (Orthostase), Schwellung von Füßen und Händen (Wassereinlagerungen).
  • Sensible Symptome: Kribbeln, Stechen, Taubheitsgefühle, Schwellungsgefühle, Druckgefühle, Gangunsicherheit, fehlerhaftes Temperaturempfinden.

Besonders bei Diabetikern zeigen sich die Symptome zuerst und vor allem im Fuß. Es beginnt meistens mit einem Kribbeln oder Brennen im Fuß. Im späteren Verlauf treten wegen fehlendem Gefühl im Fuß schmerzlose und schlecht heilende Wunden auf, die zu einer Nekrose (schwarzer Verfärbung und Absterben von Zehen, Fuß usw.) führen können (Diabetischer Fuß).

Diagnose der Polyneuropathie

Diagnostik und Therapie der Polyneuropathie fallen in das Fachgebiet des Neurologen. Am Anfang stehen eine genaue Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) und eine fachärztliche, klinisch-neurologische Untersuchung. Auch eine psychiatrische Untersuchung ist zur Abgrenzung notwendig.

Zur Diagnose einer Polyneuropathie werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich der Symptome, des zeitlichen Verlaufs, Vorerkrankungen und möglicher Risikofaktoren (z.B. Diabetes, Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme).
  • Klinisch-neurologische Untersuchung: Prüfung der Muskelkraft, Sensibilität, Reflexe, Koordination und des Gangbildes.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen:
    • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und der Reizantwortstärke der betroffenen Nerven. Hierbei werden mit Stromimpulsen periphere Nerven stimuliert und Antworten von Muskeln oder sensiblen Fasern abgeleitet. Damit lässt sich die Art der Nervenschädigung feststellen.
    • Elektromyographie (EMG): Elektrische Untersuchung der betroffenen Muskeln mit einer Nadel, um deren Aktivität zu messen. Die Elektromyographie (EMG) untersucht Muskeln mit Nadeln und stellt so das Ausmaß der Schädigung fest.
  • Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen zur Abklärung möglicher Ursachen wie Diabetes, Vitaminmangel, Entzündungen, Nierenerkrankungen oder Schilddrüsenerkrankungen. Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung sollte das Nervenwasser (Liquor) untersucht werden.
  • Bildgebende Verfahren: Kernspintomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule, wenn gleichzeitig dort eine zusätzliche Erkrankung z.B. ein enger Spinalkanal vermutet wird.
  • Genetische Untersuchungen: Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Polyneuropathie. Diese Untersuchungen sind jedoch teuer und werden von daher nicht routinemäßig durchgeführt.
  • Nervenbiopsie: Untersuchung einer Gewebeprobe eines betroffenen Nervs, um die Ursache der Polyneuropathie zu finden. Dazu wird eine sogenannte Nerv-Muskel-Biopsie aus dem Schienbein entnommen und feingeweblich untersucht. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei bestimmten Ursachen finden sich zum Beispiel Entzündungszellen oder Amyloid-Ablagerungen.

Behandlung der Polyneuropathie

Die häufig auch von Ärzten verbreitete Aussage: "Bei Polyneuropathie kann man nichts machen", ist falsch. Es gibt viele therapeutische Ansätze. Verbesserungen sind fast regelmäßig möglich. Auch eine Ausheilung ist nicht selten erzielbar.

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Das primäre Ziel der Behandlung ist die Ausschaltung der Ursache der Polyneuropathie. Die bedeutet z.B. einen Diabetes mellitus optimal mit Medikamenten einzustellen. Medikamente, die eine Polyneuropathie verursachen, müssen abgesetzt oder ausgetauscht werden, insofern sie nicht aus anderem Grund unabdingbar notwendig sind. Eine toxische Exposition, beispielsweise durch Schwermetalle oder Umweltgifte, muss beendet werden. Ist Alkohol die Ursache der Polyneuropathie, so muss vollständige, lebenslange Abstinenz eingehalten werden. Auch kleinere Mengen Alkohol können eine Verschlechterung herbeiführen oder eine Ausheilung verhindern, da das Nervensystem bereits vorgeschädigt ist. Alkoholabstinenz ist immer eine Voraussetzung für eine Verbesserung oder Ausheilung der Symptomatik.

Die Behandlung einer Polyneuropathie zielt darauf ab, die Ursache zu behandeln, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Therapie ist abhängig von der zugrunde liegenden Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung.

  • Behandlung der Ursache:
    • Diabetes mellitus: Optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels. Eine zu rasche Senkung der Blutzuckerwerte kann jedoch zu weiteren Nervenschäden führen. Als optimal gilt eine sanfte Senkung des HbA1c-Wertes um weniger als zwei Prozentpunkte über einen Zeitraum von drei Monaten.
    • Alkoholmissbrauch: Vollständige Alkoholabstinenz.
    • Medikamente: Absetzen oder Wechsel der Medikamente, die die Polyneuropathie verursachen.
    • Vitaminmangel: Ausgleich des Vitaminmangels durch Ernährungsumstellung oder Nahrungsergänzungsmittel.
    • Entzündungen: Behandlung der Entzündung mit Medikamenten wie Kortison oder Immunsuppressiva. Bei autoimmunvermittelten, entzündlichen Polyneuropathien gibt es verschiedene gegen die Entzündung wirkende Medikamente (Immunglobuline, Kortikoide, Immunsuppressiva). Bei schweren Verläufen kann auch eine Blutwäsche durchgeführt werden.
  • Symptomatische Behandlung:
    • Schmerztherapie: Medikamente zur Schmerzlinderung, wie Antidepressiva, Antikonvulsiva (Medikamente gegen Epilepsie) oder Opioide (bei starken Schmerzen). Capsaicin-Pflaster können ebenfalls helfen, Schmerzen zu lindern und die Durchblutung zu fördern.
    • Physikalische Therapie: Bäder, Elektrotherapie, Wärmeanwendungen, Krankengymnastik, Sporttherapie und medizinische Trainingstherapie zur Linderung von sensiblen und motorischen Symptomen.
    • Hilfsmittel: Gehhilfen, Rollstühle oder Orthesen zur Unterstützung der Mobilität und zur Vermeidung von Verletzungen.
    • Neural-Akupunktur: Missempfindungen und Schmerzen können überdies mit einer Neural-Akupunktur behandelt werden.
  • Weitere Maßnahmen:
    • Regelmäßige Fußpflege: Besonders wichtig für Diabetiker, um Verletzungen und Druckstellen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
    • Bewegung und Training: Regelmäßige Bewegung und gezieltes Training können die Symptome einer Polyneuropathie verringern und die Koordination verbessern. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg bietet ein spezielles Trainingsprogramm an, das bei Patienten gezielt Gleichgewicht, Kraft und Nervenwahrnehmung fördert.
    • Psychologische Unterstützung: Bei Bedarf, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern.

Leben mit Polyneuropathie: Tipps für mehr Lebensqualität

Eine Polyneuropathie kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Folgende Tipps können helfen, das Wohlbefinden zu steigern und Risiken zu minimieren:

  • Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
  • Füße kontrollieren: Regelmäßige Kontrolle der Füße auf Wunden, Druckstellen oder andere Veränderungen.
  • Bequemes Schuhwerk tragen: Schuhe sollten bequem sein und ausreichend Platz bieten, um Druckstellen zu vermeiden.
  • Regelmäßige Bewegung: Bewegung und Sport können helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Reduzierung des Alkoholkonsums, Vermeidung von giftigen Substanzen und Einnahme von Medikamenten nur nach Rücksprache mit dem Arzt.
  • Professionelle Fußpflege: Regelmäßige podologische Behandlungen können helfen, Verletzungen zu verhindern und den Fuß zu entlasten.

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