Die Neurologie am Universitätsspital Basel (USB) ist ein Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems. Die Klinik bietet ein breites Spektrum an Leistungen an, von der Behandlung akuter neurologischer Notfälle bis hin zur Betreuung chronisch neurologisch erkrankter Patienten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Forschung, um neue und innovative Therapien zu entwickeln.
Klinische Ethik in der Psychiatrie: Das Basler Modell
Auch in der Psychiatrie spielen ethische Fragen eine zunehmend wichtige Rolle. Um Fachpersonen in ihrem Berufsalltag zu unterstützen, etablieren sich Strukturen der klinischen Ethikberatung. Das Universitätsspital Basel (USB) und die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) haben gemeinsam das Basler Modell der prinzipienorientierten klinischen Ethikkonsultation 2.0 entwickelt, das seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt wird.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Psychiatrische Fachpersonen sehen sich mit vielfältigen ethischen Herausforderungen konfrontiert. Diese können sich auf der Ebene einzelner Patientinnen stellen, etwa bei der Frage, ob und unter welchen Umständen Interventionen gegen den Willen oder Widerstand von Patientinnen mittels Zwang gerechtfertigt sind. Auch die Behandlung von Personen mit schweren psychisch-somatischen Komorbiditäten wirft ethische Fragen auf.
Eine weitere Ebene betrifft Situationen, in denen Drittpersonen betroffen sind. Hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob vertrauliche Informationen zum Schutz Dritter weitergegeben werden dürfen oder wie Mitpatientinnen vor aggressivem Verhalten der Patientin geschützt werden sollen.
Schließlich gibt es auch ethische Fragen auf einer systemischen Ebene, etwa nach welchen Kriterien psychiatrische Leistungen verteilt bzw. behandlungsbedürftige Patientinnen triagiert werden sollen. Auch die Frage, wie in der forensischen Psychiatrie die therapeutischen Interessen von Patientinnen mit den Maßnahmen des Strafvollzugs in Einklang gebracht werden können oder ob Personen mit schweren, chronischen psychischen Erkrankungen ärztlich assistierten Suizid in Anspruch nehmen dürfen, ist von ethischer Relevanz.
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Das Basler Modell der Ethikkonsultation 2.0
Das Basler Modell der prinzipienorientierten klinischen Ethikkonsultation 2.0 versteht Ethikkonsultation als ein durch Ethikberaterinnen moderiertes Gespräch zur Unterstützung von Behandelnden, Patientinnen oder Angehörigen bei ethischen Problemen in der Patientenversorgung. Alle Mitarbeitenden, Patient*innen oder Angehörige können eine Ethikkonsultation anfragen.
An einer Ethikkonsultation nehmen in der Regel zwei Ethikberaterinnen (Moderation und Protokoll), die behandelnden Ärztinnen, Psychologinnen und Pflegefachpersonen sowie teilweise auch Patientinnen, Angehörige, gesetzliche Betreuerinnen, Vertreterinnen des Rechtsdienstes der Klinik, Therapeutinnen und Sozialarbeiterinnen teil.
Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Identifikation, Analyse und gemeinsame Bewertung von moralischen Konflikten und Handlungsoptionen mit dem Ziel, ein ethisch gut begründetes und konsensfähiges Vorgehen zu entwickeln. Die Ethikberaterinnen sind dabei für die Qualität der ethischen Reflexion verantwortlich, sowohl hinsichtlich des Prozesses der Ethikkonsultation als auch hinsichtlich des Ergebnisses im Sinne der Begründungsqualität der Entscheidung. Die Verantwortung für die Entscheidung und deren konkrete Umsetzung verbleibt jedoch bei den Behandelnden bzw. den Patientinnen.
Jede Ethikkonsultation wird von den Ethikberater*innen in einem strukturierten Protokoll dokumentiert, das anschließend in der elektronischen Patientenakte abgelegt wird.
Ablauf einer Ethikkonsultation
Nach der Begrüßung der Teilnehmenden rekapituliert derdie moderierende Ethikberaterin den Anlass der Ethikkonsultation. Dazu gehört eine Beschreibung der allgemeinen Ziele einer Ethikkonsultation und der Aufgaben der Ethikberater*innen hinsichtlich Moderation und Protokoll. Anschließend wird der zeitliche Rahmen geklärt und der Ablauf der prinzipienorientierten Ethikkonsultation nach dem Basler Modell 2.0 in acht Schritten skizziert. Damit die Teilnehmenden während der Ethikkonsultation den Überblick über die Schritte behalten, wird der Ablauf zusätzlich auf einem Handout verteilt. Anschließend folgt eine Vorstellungsrunde.
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Die anfragende Person wird eingangs gebeten, den Anlass und ihr Anliegen an die Ethikkonsultation darzulegen. Dabei geht es noch nicht um eine detaillierte Situationsbeschreibung, sondern um eine Darstellung des moralischen Problems aus Sicht und in den Worten der anfragenden Person sowie ihre Erwartungen an die Ethikkonsultation.
Es folgt eine möglichst genaue Sammlung aller Informationen, die für eine ethische Analyse der Situation relevant sind. Dazu gehören insbesondere der Gesundheitszustand, die Prognose und die aktuelle Versorgungssituation, der aktuelle, mutmaßliche oder vorausverfügte Wille des Patienten oder der Patientin, die bisherigen Lebensumstände, die Lebensziele und das soziale Umfeld des Patienten oder der Patientin sowie die strukturellen, medizinethischen und rechtlichen Voraussetzungen der Behandlung. Die Ethikberater*innen achten dabei darauf, dass die Perspektiven aller Stakeholder - auch derjenigen, die nicht an der Ethikkonsultation teilnehmen - eingeholt und allfällige Wissenslücken identifiziert werden.
Nach Abschluss der Informationssammlung werden die bestehenden moralischen Grundkonflikte benannt und der sogenannte Ethikfokus festgelegt. Die moralischen Grundkonflikte zu identifizieren und zu artikulieren ist eine Aufgabe, die normalerweise derdie Moderatorin übernimmt. Nach dem Basler Modell werden moralische Grundkonflikte, wenn möglich, als Konflikte zwischen zwei oder mehr Prinzipien des Vier-Prinzipien-Ansatzes dargestellt. Dabei kann es hilfreich sein, die vier Prinzipien kurz zu charakterisieren. Da in einer Situation mehrere moralische Konflikte auftreten können, wird anschließend in Absprache mit den Beteiligten der Ethikfokus bestimmt, d. h. der moralische Hauptkonflikt, der einem Fortschritt in der Situation unmittelbar entgegensteht und der in der Ethikkonsultation weiter behandelt werden soll. Dieser Ethikfokus kann sich formal und inhaltlich von der ursprünglichen Fragestellung unterscheiden.
Nach der Bestimmung des Ethikfokus werden die Handlungsoptionen benannt, die in der aktuellen Situation zur Verfügung stehen. Diese können medizinische, aber auch soziale, rechtliche oder administrative Interventionen (z. B. Einbezug einer Vertrauensperson, Information von Behörden oder Verlegung desder Patientin) umfassen. Unkonventionelle Handlungsoptionen können ebenfalls in Betracht gezogen werden, jedoch muss die Aussicht bestehen, dass diese Handlungsoptionen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln realisiert werden können. Dabei hat sich die (grafische) Darstellung auf einem Spektrum von Handlungsoptionen bewährt, d. h. von Optionen, die eindeutig einen Pol des moralischen Grundkonflikts favorisieren, über Optionen, die einen Ausgleich zwischen den Polen suchen, bis hin zu Optionen, die eindeutig den anderen Pol des moralischen Grundkonflikts favorisieren.
Die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen werden hinsichtlich ihrer kurz-, mittel- und langfristigen Folgen sowie ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit möglichst genau beschrieben, wobei Prognoseunsicherheiten explizit zu berücksichtigen sind.
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Die ethische Analyse erfolgt für jede Handlungsoption einzeln, indem moralische Argumente für oder gegen die Handlungsoptionen gesammelt werden. Mit moralischen Argumenten sind hier normative Aussagen gemeint, die eines der vier ethischen Prinzipien oder auch andere Normen, Tugenden oder Pflichten zum Ausdruck bringen und aus denen sich zusammen mit deskriptiven Aussagen praktische Handlungsempfehlungen ableiten lassen (z. B. „Einwilligungsfähige Patientinnen sollten psychiatrische Interventionen ablehnen dürfen“ oder „Behandelnde sollten eine tragfähige therapeutische Beziehung wahren“). Auch hier kann es hilfreich sein, wenn derdie Ethikberaterin die Handlungsoptionen vor dem Hintergrund der vier ethischen Prinzipien betrachtet und entsprechend prinzipienbasierte Argumente ergänzt. Es kann auch erforderlich sein, dass derdie Ethikberater*in eine begriffliche Klärung oder eine medizinethische Einschätzung vornimmt.
Wenn die prinzipienbasierten Argumente für alle Handlungsoptionen zusammengetragen wurden und sich aus ethischer Sicht keine eindeutig zu favorisierende Handlungsoption abzeichnet, empfiehlt es sich, gemeinsam mit den Teilnehmenden eine explizite Gewichtung der Argumente vorzunehmen. In diesem Schritt werden die Handlungsoptionen mit den jeweiligen prinzipienbasierten Argumenten und deren Gewichtung durch dendie Moderatorin zusammengefasst. Anschließend stellt er*sie die Priorisierung der Handlungsoptionen entsprechend der gemeinsamen Gewichtung vor und fragt die Teilnehmenden, ob sie mit dieser Priorisierung einverstanden sind. Der Konsens bzw. Dissens wird explizit festgehalten. Ein vernünftiger Dissens zwischen ethisch vergleichbar gut begründeten Positionen ist in der prinzipienorientierten Ethikkonsultation nach dem Basler Modell 2.0 durchaus möglich.
Im Anschluss werden offen gebliebene Fragen durch dendie Moderatorin festgehalten und die Umsetzung der Handlungsoption durch konkrete Vereinbarungen zwischen den Teilnehmenden geplant. Im Fall eines Dissenses wird festgehalten, auf welche Schritte man sich einigen kann und ob bzw. welche weiteren Schritte zur Klärung unternommen werden sollen. Ebenso ist zu klären, wer das Ergebnis der klinischen Ethikkonsultation mit demder Patientin bespricht.
Die Rolle der klinischen Ethik an den UPK
Die klinischen Ethikkonsultationen an den UPK beziehen sich zu etwa einem Drittel auf die ethische Frage, ob Interventionen gegen den Willen von Patientinnen aufgrund einer Selbst- oder Fremdgefährdung gerechtfertigt sind. Es folgen Fragen zur Nutzen-Schaden-Abwägung von Behandlungen, zur Kindeswohlgefährdung und zum Umgang mit herausforderndem Patientenverhalten (z. B. Aggression, Verwahrlosung, Nichteinhalten der Abteilungsregeln). Weitere Themen der klinischen Ethikkonsultation an den UPK sind unter anderem Fragen im Umgang mit dem Wunsch nach ärztlich assistiertem Suizid, die Begrenzung lebenserhaltender Maßnahmen, der Umgang mit medizinisch nicht indizierten Patientenwünschen, die Versorgungsplanung nach Austritt oder Fragen zur Einwilligungsfähigkeit von Patientinnen.
Musiktherapie mit dem Monochord zur Linderung von Angstsymptomen bei Multipler Sklerose
Am MS Zentrum des Universitätsspitals Basel wird eine Studie durchgeführt, die untersucht, ob Musiktherapie mit dem Instrument "Monochord" Angstsymptome bei Personen mit Multipler Sklerose (MS) lindern kann.
Das Behandlungsmonochord
Das Behandlungsmonochord ist ein großes Saiteninstrument aus Holz, welches aus einem Klangkörper mit großer Liegefläche besteht. Unter dem Instrument sind Saiten aufgespannt. Während eine Patientin/ein Patient auf dem Behandlungsmonochord liegt, spielt die Musiktherapeutin die Saiten auf streichende Art und Weise, ähnlich einer Harfe. Die Schwingungen übertragen sich auf den ganzen Körper und können zu tiefer Entspannung und dem Empfinden großer Weite führen. In der Studie dauert die Liegezeit auf dem Behandlungsmonochord etwa 15 Minuten. Davor und danach findet jeweils ein kurzes Gespräch von 5 - 10 Minuten mit der Musiktherapeutin statt.
Studiendesign
Die Studienteilnehmenden werden zu Beginn nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt. Die Interventionsgruppe macht das oben beschriebene Programm mit. Die Vergleichsgruppe liegt ebenfalls zur Entspannung für 10-15 Minuten auf dem Behandlungsmonochord, ohne dass die Musiktherapeutin die Saiten bespielt, so dass keine Musik ertönt.
Des Weiteren findet zu Studienbeginn und Studienende je eine Studienvisite von ca. 2 Std. Dauer statt. Dabei werden Fragebögen zu Angst und Depression, zu Fatigue, Stresserleben und Lebensqualität erhoben. Es findet ein kurzer Test zur geistigen Leistungsfähigkeit statt. gemessen.
An der Studie teilnehmen können Personen mit schubförmiger und progredienter multipler Sklerose, die am MS Zentrum des Universitätsspitals Basel in Behandlung sind. Die Studie findet nur dort statt. Sie beginnt im März 2021, endet etwa ein Jahr später und dauert für jede(n) TeilnehmerIn 16 Wochen.
Vorläufige Ergebnisse
An der Studie nahmen 57 Patienten des MS-Zentrums in Basel teil (Alter: 50,1 ± 12,4 Jahre, Geschlecht: 47 Frauen, Krankheitsverlauf: 46 schubförmig-remittierend, median Expanded Disability Status Scale (EDSS) 3,0 (1,0 - 6,5), krankheitsmodifizierende Behandlung: 53). Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 in zwei Gruppen randomisiert: 30 in die MT-Gruppe (MTG) und 27 in die Kontrollgruppe (CG). Die Patienten in der MTG erhielten sechs wöchentliche MT-Sitzungen, bei denen sie auf dem "Monochord"-Instrument entspannten und dessen von der Therapeutin gespielte Musik wahrnahmen, während die Patienten in der CG die gleiche Anzahl von Sitzungen (auf dem "Monochord" liegend) ohne Musik erhielten. Ein verblindeter Gutachter beurteilte die Endpunkte mit standardisierten Fragebögen (Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS; Modified Fatigue impact scale, MFIS; Short Form 36, SF36) und quantitativ-sensorischen Tests (QST) zur Untersuchung von Schmerzschwellen (thermischer, mechanischer und Druckschmerz). Die Beurteilungen erfolgten zu Studienbeginn und nach der letzten Sitzung. Außerdem wurden die Auswirkungen auf die Körperwahrnehmung mit einem nicht validierten Fragebogen vor und nach jeder Sitzung erfasst (Fragebogen A und B, Q A&B). Die Daten wurden mit linearen gemischten Modellen analysiert. Die endgültigen Ergebnisse stehen noch aus. Die Analyse läuft derzeit und die Ergebnisse werden für die Veröffentlichung vorbereitet.
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