Wie Nervenzellen miteinander kommunizieren: Eine einfache Erklärung

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen besteht, die miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation ermöglicht es uns zu denken, zu fühlen, uns zu bewegen und die Welt um uns herum wahrzunehmen. Aber wie genau kommunizieren diese Nervenzellen miteinander? Dieser Artikel erklärt die Grundlagen der neuronalen Kommunikation auf einfache und verständliche Weise.

Die Grundlagen der Nervenzellen (Neuronen)

Nervenzellen, auch Neuronen genannt, sind die grundlegenden Bausteine des Nervensystems. Sie sind spezialisierte Zellen, die elektrische und chemische Signale empfangen, verarbeiten und weiterleiten können. Ein Neuron besteht typischerweise aus drei Hauptteilen:

  • Zellkörper (Soma): Enthält den Zellkern und andere Organellen.
  • Dendriten: Verzweigte Fortsätze, die Signale von anderen Neuronen empfangen. Sie bilden die Antennenregion des Neurons.
  • Axon: Ein langer, dünner Fortsatz, der Signale an andere Neuronen oder Zellen weiterleitet. Es ist wie ein "Kabel", das elektrische Impulse weiterleitet.

Elektrische Signale innerhalb einer Nervenzelle

Innerhalb einer Nervenzelle werden Signale in Form von elektrischen Impulsen weitergeleitet, die als Aktionspotentiale bezeichnet werden. Ein Aktionspotential ist eine kurzzeitige Veränderung des elektrischen Potentials über die Zellmembran des Axons.

Ruhepotential

Solange ein Neuron nicht „feuert“, befindet es sich im Ruhezustand. In dieser Phase herrscht an der Außenhaut der Zelle, der Membran, eine bestimmte Spannung, das Ruhepotenzial vor. Im Ruhezustand sind mehr Kalium-Ionen im Inneren des Axons, während sich außerhalb mehr Natrium-Ionen befinden. Da Kalium-Ionen im Ruhezustand besser durch die Membran nach außen wandern können als Natrium-Ionen in die umgekehrte Richtung, herrscht an der Außenseite der Membran ein positiv geladenes Milieu, im Inneren der Zelle ein negatives. Dadurch entsteht eine Spannung über der Membran, die bei etwa -70 Millivolt liegt.

Aktionspotential

Wenn ein Neuron durch einen Reiz ausreichend erregt wird, öffnen sich Ionenkanäle in der Zellmembran. Natrium-Ionen strömen in die Zelle, wodurch sich das Membranpotential ändert. Nur wenn diese stark genug ist, sie also einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, tritt das Aktionspotenzial als eine Art explosionsartige Umpolarisierung der Membran auf („Alles-oder-Nichts-Prinzip“). Das Innere der Zelle wird kurzzeitig positiv geladen. Diese Depolarisation wandert dann das Axon entlang.

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Während das Aktionspotenzial wie eine Welle das Axon entlangschießt, beginnt am Axonhügel nahe dem Zellkörper bereits die Repolarisation: Kalium-Ionen treten über sich jetzt öffnende eigene Kanäle nach außen, während sich die Natrium-Kanäle wieder schließen. Das Ungleichgewicht der Ladungen verringert sich, bis der Ruhezustand wieder erreicht ist. Im Folgenden sorgen dann aktive Natrium-Kalium-Pumpen dafür, dass die eingeströmten Natrium-Ionen wieder nach außen und die Kalium-Ionen nach innen transportiert werden.

Geschwindigkeit der Erregungsleitung

Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Aktionspotential entlang des Axons ausbreitet, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Durchmesser des Axons und das Vorhandensein einer Myelinscheide.

  • Marklose Nervenfasern: Bei marklosen Nervenfasern, die typisch für Bereiche sind, in denen Geschwindigkeit nicht entscheidend ist, erfolgt die Erregungsleitung kontinuierlich entlang des Axons.
  • Markhaltige Nervenfasern: Markhaltige Nervenfasern besitzen eine Myelinscheide, eine isolierende Schicht, die von Gliazellen gebildet wird. Die Myelinscheide ist in regelmäßigen Abständen durch Ranviersche Schnürringe unterbrochen. An diesen Schnürringen kann das Aktionspotential "springen", was die Geschwindigkeit der Erregungsleitung deutlich erhöht (saltatorische Erregungsleitung).

Synapsen: Die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen

Nervenzellen sind nicht direkt miteinander verbunden. Stattdessen kommunizieren sie über spezielle Kontaktstellen, die als Synapsen bezeichnet werden. Eine Synapse ist der Verbindungsbereich zwischen zwei Zellen, in dem chemisch oder elektrisch ein Signal weitergeleitet wird.

Aufbau einer Synapse

Eine Synapse besteht aus drei Hauptbereichen:

  • Präsynaptische Zelle: Das ist die sendende Nervenzelle. Ihr Axon endet in der Nähe der postsynaptischen Zelle. Die präsynaptischen Nervenenden enthalten die als Neurotransmitter bezeichneten Signalmoleküle, die in kleinen membranumschlossenen Vesikeln gespeichert sind. Jedes Nervenende im zentralen Nervensystem enthält durchschnittlich mehrere 100 synaptische Vesikel. Dennoch gibt es hier große Unterschiede: So gibt es beispielsweise Spezialisten unter den Synapsen, die mehr als 100.000 Vesikel enthalten. Dazu zählen die Synapsen, die unsere Muskeln steuern.
  • Synaptischer Spalt: Das ist der winzige Raum zwischen der präsynaptischen und der postsynaptischen Zelle.
  • Postsynaptische Zelle: Das ist die empfangende Nervenzelle. Ihre Membran enthält Rezeptoren, die an Neurotransmitter binden können.

Arten von Synapsen

Es gibt zwei Haupttypen von Synapsen:

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  • Chemische Synapsen: Bei chemischen Synapsen wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt. Wenn ein Aktionspotential das Ende der präsynaptischen Zelle erreicht, werden Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freigesetzt. Diese Neurotransmitter binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Zelle und lösen dort ein neues elektrisches Signal aus. Die meisten Synapsen im Nervensystem sind chemische Synapsen.
  • Elektrische Synapsen: Bei elektrischen Synapsen werden die Signale direkt in elektrischer Form zur benachbarten Zelle weitergeleitet. Elektrische Synapsen verbinden zwei Nervenzellen direkt miteinander, sodass das elektrische Signal ohne Umweg von einer Zelle zur nächsten fließen kann. Diese Synapsenart ist seltener und ermöglicht eine sehr schnelle Signalübertragung.

Die chemische Signalübertragung an Synapsen im Detail

Die chemische Signalübertragung an Synapsen ist ein komplexer Prozess, der mehrere Schritte umfasst:

  1. Aktionspotential erreicht das Axonende: Wenn ein Aktionspotential das Ende des Axons der präsynaptischen Zelle erreicht, öffnen sich spannungsgesteuerte Calciumkanäle.

  2. Calcium-Einstrom: Calcium-Ionen strömen in die präsynaptische Zelle ein.

  3. Neurotransmitter-Freisetzung: Der Anstieg der Calciumionenkonzentration löst die Verschmelzung der Vesikel (Bläschen) mit der Membran aus. Die Neurotransmitter werden in den synaptischen Spalt freigesetzt (Exozytose).

  4. Bindung an Rezeptoren: Die Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an spezifische Rezeptoren auf der Membran der postsynaptischen Zelle. Die Kanäle sind also nicht spannungsgesteuert, sondern ligandengesteuert. Das bedeutet: Die Ionenkanäle öffnen sich, sobald ein Transmitter (= Ligand) an den entsprechenden Rezeptor gebunden hat.

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  5. Ionenkanalöffnung und postsynaptisches Potential: Die Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren führt zur Öffnung von Ionenkanälen in der postsynaptischen Membran. Dies führt zu einem Ein- und Ausstrom von Ionen, was eine positive oder negative Veränderung der Spannung zur Folge hat (= postsynaptisches Potential).

  6. Beendigung des Signals: Die Erregung / Hemmung findet solange statt, wie die Neurotransmitter an den Rezeptoren gebunden sind. Um das Signal zu beenden, werden die Neurotransmitter entweder:

    • Von der präsynaptischen Zelle wieder aufgenommen (Reuptake) und erneut verwendet.
    • Im synaptischen Spalt abgebaut (z. B. durch Enzyme).
    • Wegdiffundieren aus dem synaptischen Spalt.

Neurotransmitter: Die Botenstoffe des Nervensystems

Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die von Nervenzellen verwendet werden, um miteinander zu kommunizieren. Es gibt viele verschiedene Arten von Neurotransmittern, die jeweils unterschiedliche Wirkungen auf die postsynaptische Zelle haben können. Einige Neurotransmitter wirken erregend, d.h. sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die postsynaptische Zelle ein Aktionspotential auslöst. Andere Neurotransmitter wirken hemmend, d.h. sie verringern die Wahrscheinlichkeit, dass die postsynaptische Zelle ein Aktionspotential auslöst.

Beispiele für Neurotransmitter:

  • Acetylcholin: Spielt eine Rolle bei Muskelkontraktion und Gedächtnis.
  • Glutamat: Der wichtigste erregende Neurotransmitter im Gehirn.
  • GABA (Gamma-Aminobuttersäure): Der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn.
  • Dopamin: Spielt eine Rolle bei Bewegung, Motivation und Belohnung.
  • Serotonin: Spielt eine Rolle bei Stimmung, Schlaf und Appetit.

Beeinflussung der synaptischen Übertragung

Die synaptische Übertragung kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter:

  • Medikamente: Viele Medikamente wirken, die die Reizweiterleitung an chemischen Synapsen stören oder verhindern können. Sie hemmen dann die Informationsübertragung an Synapsen an unterschiedlichen Stellen. Atropin hemmt Acetylcholin-Rezeptoren, indem es die Bindung von Acetylcholin verhindert.
  • Drogen: Drogen können die Freisetzung, Aufnahme oder den Abbau von Neurotransmittern beeinflussen.
  • Krankheiten: Einige Krankheiten können die Funktion von Synapsen beeinträchtigen.

Neuroplastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns

Das Gehirn ist nicht statisch, sondern verändert sich ständig. Diese Fähigkeit des Gehirns, sich im Laufe der Zeit zu verändern und anzupassen, wird als Neuroplastizität bezeichnet. Neuroplastizität spielt eine wichtige Rolle beim Lernen, Gedächtnis und der Erholung nach Hirnschäden.

Lernen und Gedächtnis

Beim Lernen werden neue Verbindungen zwischen Nervenzellen gebildet und bestehende Verbindungen verstärkt oder geschwächt. Diese Veränderungen der synaptischen Verbindungen ermöglichen es uns, neue Informationen zu speichern und uns an vergangene Ereignisse zu erinnern.

Neurogenese

Wenn Nervenzellen sich neu bilden, dann sprechen Forscher von einer Neurogenese. Diese Neubildung der Nervenzellen findet hauptsächlich im Hippocampus statt. Dieser Bereich im Gehirn ist für das Gedächtnis und Lernen zuständig. Ein Hirnareal, das aber auch zur räumlichen Orientierung notwendig ist. Bis ins hohe Alter können sich im Hippocampus Nervenzellen erneuern. Das ist für Menschen von Bedeutung, die aufgrund eines Schlaganfalls viele Dinge neu lernen müssen.

Routinen

"Sind wir einmal an eine Verhaltensweise gewöhnt, schalten wir gewissermaßen auf Autopilot", sagt Lars Schwabe, Professor für Psychologie an der Universität Hamburg. Das menschliche Gehirn spare damit Arbeit. Das zeigt sich auch bei der Ernährung: Essen wir Lebensmittel mit sehr viel Zucker und Fett, gewöhnt sich unser Gehirn daran und verlangt nach mehr. Wissenschaftler fanden heraus, dass Bereiche im Gehirn an Signale des Magens gekoppelt sind, die vermutlich das menschliche Hunger- und Sättigungsgefühl beeinflussen. Die Effekte von Zucker und Fett auf das Gehirn sind sogar auf MRT-Bildern zu sehen. Zu der Frage, wie lange es dauert, neue, gesunde Gewohnheiten aufzunehmen, gibt es unterschiedliche Positionen: Die Dauer variiert je nach Studie und Routine zwischen 18 und 245 Tagen.

Forschung zu neuronaler Kommunikation

Die Erforschung der neuronalen Kommunikation ist ein aktives Gebiet der neurowissenschaftlichen Forschung. Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten daran, die komplexen Prozesse der neuronalen Kommunikation besser zu verstehen.

Aktuelle Forschungsschwerpunkte

Einige aktuelle Forschungsschwerpunkte sind:

  • Die Identifizierung neuer Neurotransmitter und Rezeptoren.
  • Die Aufklärung der molekularen Mechanismen der synaptischen Übertragung.
  • Das Verständnis der Rolle der Neuroplastizität beim Lernen und Gedächtnis.
  • Die Entwicklung neuer Behandlungen für neurologische und psychiatrische Erkrankungen.

Bedeutung der Forschung

Ein besseres Verständnis der neuronalen Kommunikation könnte zu neuen Behandlungsmethoden für neurologische und psychiatrische Erkrankungen wie Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Krankheit, Depressionen und Schizophrenie führen.

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