Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist, die von kurzen Abwesenheiten bis hin zu schweren motorischen Krämpfen reichen können. Die Anfälle entstehen durch plötzliche, anfallsartige Entladungen von Nervenzellen im Gehirn, die zu unkontrollierten Verhaltensänderungen führen können. Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und in einigen Fällen unklar. Angesichts der potenziellen Einschränkungen, die Epilepsie mit sich bringt, suchen Betroffene und Mediziner nach vielfältigen Behandlungsoptionen, darunter auch alternative und komplementäre Methoden wie die Akupunktur.
Akupunktur bei Epilepsie: Der aktuelle Stand der Forschung
Im deutschsprachigen Raum existieren bisher nur wenige wissenschaftliche Ergebnisse zur Wirksamkeit der Akupunktur bei Epilepsie. Dies betrifft insbesondere die Anwendung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bei europäischen Patienten. Das Zentrum Epilepsie Erlangen (ZEE) führt derzeit eine Studie zur Akupunktur bei Absence-Epilepsien durch, um diese Forschungslücke zu schließen und eine erste Bewertung der therapeutischen Effekte zu ermöglichen.
Die Studie am Zentrum Epilepsie Erlangen (ZEE)
Die Studie am ZEE untersucht die Auswirkungen der Akupunktur auf Absence-Epilepsien. Die Behandlung wird von einem erfahrenen Akupunkturarzt durchgeführt. Die Studie umfasst Vor- und Nachuntersuchungen und dauert etwa 14 Tage. Sie wird ambulant durchgeführt. Ziel ist es, die therapeutischen Effekte der Akupunktur bei europäischen Patienten zu bewerten.
Minimalinvasive Neurostimulation: Ein alternativer Ansatz
Neben der traditionellen Akupunktur gibt es auch innovative Ansätze wie die minimalinvasive Neurostimulation über das äußere Ohr. Bei dieser Methode werden kleine Titan-Implantate gezielt an Nervenäste der Ohrmuschel gesetzt, um das Nervensystem zu regulieren und anfallsartige Entladungen zu minimieren.
Implantat-Akupunktur: Wie funktioniert das?
Die Implantat-Akupunktur zielt darauf ab, das Nervensystem zu regulieren und die Häufigkeit und Intensität von Anfällen zu reduzieren. In einem persönlichen Gespräch kann geklärt werden, ob diese Methode die richtige Lösung für den jeweiligen Patienten ist.
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Akupunktur bei psychischen Beeinträchtigungen: Die ABE-Methode
Die Akupunktur wird auch bei psychischen Beeinträchtigungen eingesetzt. Die ABE-Methode (AkupunkturBasierte Exposition) ist ein neues Behandlungskonzept zur Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Sie verbindet die leitliniengerechte Trauma-Exposition/Konfrontation mit palpationsbasierter Akupunktur.
Die ABE-Studie: Ziele und Methodik
Die ABE-Studie untersucht die (hirn-)physiologischen Mechanismen dieses neuen Behandlungskonzepts. Es soll festgestellt werden, ob sich im Rahmen einer einmaligen Behandlung ein vegetativer Entspannungszustand am behandelten Körper einstellt, der durch objektive EEG- sowie EKG-Messungen messbar wäre. Zudem wird der subjektiv erlebte Stresszustand erfasst.
Methodik der ABE-Studie:
- Teilnehmer: 80 Teilnehmer werden in eine Interventionsgruppe (ABE) und eine Kontrollgruppe (NADA) randomisiert.
- Behandlung: Alle Teilnehmer erhalten eine einzige Behandlungssitzung.
- Messungen: Der vegetative Zustand wird vor, während und nach der Behandlung anhand von EEG, HRV und SUDs gemessen.
- Ziel: Es soll eine signifikant stärkere Abnahme der EEG-Aktivität der Amygdala bei Patienten mit PTBS in der Interventionsgruppe (ABE) im Vergleich zur Kontrollgruppe (NADA) festgestellt werden.
Die NADA-Kontrollgruppe
In der Kontrollgruppe wird das NADA-Ohrprotokoll durchgeführt. Es gibt verschiedene Artikel und Studien, die auf eine positive Wirkung bei Probanden mit PTBS hinweisen. Die Nadeln werden durch die Haut gestochen mit einer Einstichtiefe von ca. 1-2 mm und dem Ziel, die Nadelspitze an die Grenze des Ohrknorpels zu positionieren. Es wird keine spezifische Reaktion anvisiert (z.B. "Deqi") und keine zusätzliche spezifische Nadelstimulation verwendet. Ziel ist die beidseitige OA-Behandlung mit 5 Nadeln pro Ohr und einer beabsichtigten Nadelverweildauer von 45 Minuten.
Ergebnisse der ersten Fallserie zur ABE-Methode
Die ABE-Methode, die von Allgemeinmediziner Dr. Jürgen Schottdorf in Friedberg entwickelt wurde, wurde bereits in einer ersten Fallserie näher untersucht: An 24 PatientInnen mit traumaassoziierter Symptomatik zeigte sich nach durchschnittlich bereits 3,95 Sitzungen ein Rückgang der traumaspezifischen Symptomatik gemessen mittels impact of events scale-revised (IES-R) von 55,6 +- 23,0 auf 16,2 +- 21,1 (Wilcoxon-Test: p < 0,002) sowie ein Rückgang der depressiven Symptomatik gemessen mittels Beck-Depressions-Inventar von 38,3 +- 8,0 auf 25,6 +- 8,0 (Wilcoxon-Test: p < 0,001) (Schottdorf, 2018). Die Methodik wurde zudem in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur (Schottdorf & Musil, 2017) und dem Journal of Acupuncture and Meridian Studies (Schottdorf & Musil, 2018) publiziert.
Details zur ABE-Intervention
- Stil der Akupunktur: Adaption der japanischen Akupunktur, insbesondere auf der Grundlage der japanischen Palpationsdiagnostik der Bauchdecke.
- Begründung für die durchgeführte Behandlung: Erste Fallstudie (Schottdorf, 2018) und positive klinische Erfahrungen.
- Ausmaß, in dem die Behandlung variiert wird: Die Behandlung wird je nach den ertasteten Defiziten an der Bauchdecke, den ausgedrückten Emotionen oder den berichteten körperlichen Missempfindungen individuell variiert.
- Anzahl der Nadeleinstiche pro Proband und Sitzung: Mittelwert 30 Nadeln, Bereich 20-40 Nadeln.
- Namen der verwendeten Punkte (uni-/bilateral): Sehr individuell, je nach Defiziten, Emotionen und Empfindungen werden verschiedene Meridiane behandelt, uni- und bilaterale Nadelung.
- Einstichtiefe: Durchstechen von Haut, Faszien; die Nadel kommt optimal im Muskelbauch oder im Weichteilgewebe direkt unter der Faszie zum Liegen.
- Verweildauer der Nadel: 45 min.
- Häufigkeit und Dauer der Behandlungssitzungen: Einmalige Behandlung, Dauer 45 min (in beiden Gruppen).
- Angaben zu anderen Interventionen: Exposition der traumatischen inneren Szene, gezielte, aber sanfte Konfrontation mit der traumatischen Szene während der Behandlung gemäß der deutschen Leitlinie zur Behandlung von PTBS (Schaefer et al, 2019).
Fazit
Die Akupunktur stellt einen potenziellen Therapieansatz bei Epilepsie dar, insbesondere im Hinblick auf die Reduktion von Anfallshäufigkeit und -intensität. Die aktuelle Forschungslage im deutschsprachigen Raum ist jedoch noch begrenzt, weshalb weitere Studien, wie die am Zentrum Epilepsie Erlangen (ZEE), von großer Bedeutung sind. Innovative Methoden wie die minimalinvasive Neurostimulation bieten zusätzliche Optionen für Patienten, die nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten suchen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Akupunktur insgesamt ein sehr nebenwirkungsarmes Verfahren ist, was in großen wissenschaftlichen Studien belegt werden konnte. Auch bei psychischen Beeinträchtigungen konnte in den letzten Jahren wiederholt eine Wirksamkeit wissenschaftlich bestätigt werden. Die ABE-Methode zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung und könnte zukünftig eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Therapieangeboten darstellen.
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Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine professionelle medizinische Beratung. Patienten sollten sich bei Fragen oder Bedenken bezüglich ihrer Epilepsie oder anderer Erkrankungen stets an einen qualifizierten Arzt wenden.
Weitere Forschungsansätze und Perspektiven
Die Erforschung der Akupunktur bei Epilepsie und anderen neurologischen Erkrankungen steht noch am Anfang. Zukünftige Studien sollten sich auf folgende Aspekte konzentrieren:
- Standardisierung der Akupunkturbehandlung: Um die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen zu gewährleisten, ist eine Standardisierung der Akupunkturbehandlung erforderlich. Dies betrifft die Auswahl der Akupunkturpunkte, die Einstichtiefe, die Nadelstimulation und die Verweildauer der Nadeln.
- Untersuchung der Wirkmechanismen: Es ist wichtig, die genauen Wirkmechanismen der Akupunktur auf das Nervensystem und das Gehirn zu untersuchen. Dies könnte durch bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) oder die Elektroenzephalographie (EEG) erfolgen.
- Langzeitstudien: Um die langfristige Wirksamkeit der Akupunktur bei Epilepsie zu beurteilen, sind Langzeitstudien erforderlich. Diese Studien sollten die Anfallshäufigkeit, die Lebensqualität und die Verträglichkeit der Behandlung über einen längeren Zeitraum untersuchen.
- Vergleich mit anderen Behandlungsmethoden: Zukünftige Studien sollten die Akupunktur mit anderen Behandlungsmethoden für Epilepsie vergleichen, wie z.B. medikamentöser Therapie, chirurgischen Eingriffen oder anderen alternativen Therapien.
- Individuelle Anpassung der Behandlung: Die Akupunkturbehandlung sollte individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden. Dies erfordert eine sorgfältige Diagnose und eine individuelle Behandlungsplanung.
Durch weitere Forschung und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Behandlungsmethoden kann die Akupunktur in Zukunft möglicherweise eine noch größere Rolle bei der Behandlung von Epilepsie und anderen neurologischen Erkrankungen spielen.
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