Wo genau liegt das Geheimnis des Genies? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler und Laien seit langem, besonders im Zusammenhang mit Albert Einstein, dem wohl berühmtesten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Tod im Jahr 1955 wurde Einsteins Gehirn zum Objekt intensiver Forschung, in der Hoffnung, die biologischen Grundlagen seiner außergewöhnlichen Intelligenz zu entschlüsseln.
Der "Diebstahl" des Gehirns
Am 18. April 1955 starb Albert Einstein in einem Krankenhaus in Princeton, New Jersey. Entgegen seinem Wunsch, eingeäschert zu werden, entnahm der Pathologe Thomas Stoltz Harvey während der Autopsie Einsteins Gehirn ohne Genehmigung. Harvey argumentierte, er wolle das Gehirn untersuchen, um der Intelligenz des Nobelpreisträgers auf den Grund zu gehen. Diese Tat, die man wohl als "Diebstahl" bezeichnen kann, sollte Harvey für den Rest seines Lebens begleiten. Auch Einsteins Augen wurden entnommen und seinem Augenarzt, Henry Abrams, übergeben, wo sie bis heute in einem Safe in New York City aufbewahrt werden.
Harveys Besessenheit und die Zerteilung des Gehirns
Harvey verlor seinen Job als Pathologe, nachdem der "Diebstahl" aufgeflogen war, rang aber Einsteins Sohn Hans Albert die Erlaubnis ab, das Gehirn für wissenschaftliche Zwecke zu untersuchen. In der Hoffnung, die Besonderheiten des einsteinschen Denkapparates zu ergründen, zerteilte Harvey das Gehirn in etwa 240 Würfel von je einem Kubikzentimeter Größe. Einen Teil davon, etwa ein Sechstel, schenkte er Einsteins Hausarzt, Harry Zimmerman. Die restlichen Gehirnstücke konservierte er in Formalin und lagerte sie in zwei Einmachgläsern in seinem Keller.
Eine Odyssee der Forschung und Kontroverse
Über Jahrzehnte versuchte Harvey, Hirnforscher für Einsteins Gehirn zu interessieren, jedoch mit wenig Erfolg. Er stand hauptsächlich mit Reportern in Kontakt und wiederholte immer wieder, dass er in ein bis zwei Jahren seine Untersuchungsergebnisse veröffentlichen werde. Erst 1985 fand Harvey mit Marian Diamond von der University of California in Berkeley eine Forscherin, die das Gehirn untersuchte. Diamonds Ergebnisse wurden jedoch als wenig spektakulär und methodisch fragwürdig kritisiert.
1996 übergab Harvey 50 Gewebewürfel an die kanadische Neuroforscherin Sandra Witelson, die ebenfalls wenig stichhaltige Theorien über die Anatomie des Gehirns veröffentlichte.
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Eine Reise mit dem Gehirn im Kofferraum
1997, im Alter von 84 Jahren, reiste Harvey mit dem Journalisten Michael Paterniti im Auto quer durch die USA, um Einsteins Enkelin Evelyn zu besuchen. Im Kofferraum befanden sich die Gehirnstückchen in einer Tupperschüssel. Evelyn lehnte es jedoch ab, das Gehirn zu übernehmen, da es sie an Hühnersuppe erinnerte.
Nach 42 Jahren kehrte das Gehirn schließlich in die Pathologie in Princeton zurück, zu Harveys Nachfolger. Thomas Harvey starb 2007. Im Jahr 2010 übergaben seine Erben die Überreste von Einsteins Gehirn dem National Museum of Health and Medicine in Chicago.
Was die Forschung bisher ergab
Trotz der intensiven Bemühungen konnte die Forschung bisher keine eindeutigen Beweise für eine außergewöhnliche Anatomie von Einsteins Gehirn finden, die seine Genialität erklären könnte. Einige Studien deuten auf Unterschiede in bestimmten Regionen des Gehirns hin, wie z.B. eine größere Parietallappenregion, die für räumliches Denken und mathematische Fähigkeiten wichtig ist. Andere Studien fanden eine erhöhte Anzahl von Gliazellen, die Neuronen unterstützen, in bestimmten Bereichen des Gehirns.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Ergebnisse umstritten sind und weitere Forschung erforderlich ist, um sie zu bestätigen. Darüber hinaus ist es unwahrscheinlich, dass Einsteins Genialität allein auf anatomischen Unterschieden in seinem Gehirn beruht. Auch andere Faktoren wie seine Persönlichkeit, seine Ausbildung und seine Umgebung dürften eine wichtige Rolle gespielt haben.
Die Suche nach Genialität geht weiter
Die Geschichte von Albert Einsteins Gehirn ist ein faszinierendes Beispiel für die menschliche Neugier und den Wunsch, die Geheimnisse des Geistes zu ergründen. Obwohl die Forschung bisher keine endgültigen Antworten liefern konnte, hat sie unser Verständnis des Gehirns und seiner Funktionen erweitert. Die Suche nach den Ursachen von Genialität ist eine spannende Expedition, die wahrscheinlich nie abgeschlossen sein wird. Wie der Pianist Keith Jarrett sagte: "Ich will lieber gar nicht wissen, woher meine Musik kommt. Wenn mir jemand eine Antwort anböte, würde ich sagen: Bloß nicht." Vielleicht ist die Suche nach dem Ursprung der Genialität schon erhellend genug.
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Einsteins Gehirn heute
Einige Teile von Einsteins Gehirn sind heute in Museen ausgestellt, darunter das Mütter Museum in Philadelphia und das National Museum of Health and Medicine in Chicago. Darüber hinaus sind Bilder von Einsteins Gehirn online verfügbar, so dass Hobbyforscher die Möglichkeit haben, es selbst zu untersuchen. Eine App des National Museum of Health and Medicine, Chicago, erlaubt es Hobbyforschern, Teile von Einsteins Hirn wie bei einem Blick durchs Mikroskop zu untersuchen.
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