Antikonvulsiva bei Nervenschmerzen: Anwendung und Wirksamkeit

Einführung

Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, entstehen durch Schädigungen oder Erkrankungen des somatosensorischen Nervensystems. Diese Schmerzen unterscheiden sich von nozizeptiven Schmerzen, die durch die Stimulation von Nozizeptoren verursacht werden. Die Unterscheidung ist wichtig, da sich die Therapieansätze unterscheiden. Antikonvulsiva, ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt, haben sich als wirksam bei der Linderung neuropathischer Schmerzen erwiesen. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Antikonvulsiva bei Nervenschmerzen, ihre Wirkmechanismen, Dosierungen, Nebenwirkungen und die aktuellen Therapieempfehlungen.

Was sind neuropathische Schmerzen?

Neuropathische Schmerzen entstehen als direkte Folge einer Erkrankung oder Läsion des zentralen und/oder peripheren somatosensorischen Nervensystems. Beispiele für neuropathische Schmerzsyndrome sind:

  • Postzosterische Neuralgie
  • Schmerzhafte Polyneuropathie
  • Schmerzen nach traumatischen Nervenläsionen
  • Schmerzen infolge von Rückenmarks- oder Hirnschädigungen

Patienten mit neuropathischen Schmerzen klagen häufig über brennende Spontanschmerzen, schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit und Schmerzattacken. Die Prävalenz chronischer neuropathischer Schmerzen liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 6,9-10 %. Bei Patienten mit Diabetes mellitus leiden sogar bis zu 34 % unter einer schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie.

Unterscheidung von nozizeptiven Schmerzen

Die Unterscheidung neuropathischer von nozizeptiven Schmerzen ist essentiell, da sich diese beiden Schmerzformen in den zugrundeliegenden Mechanismen und somit in der anzuwendenden Therapie grundsätzlich unterscheiden. Nozizeptive Schmerzen entstehen als Folge einer "physiologischen" Stimulation von Nozizeptoren, wobei das afferente somatosensorische System intakt ist. Der auslösende pathologische Prozess liegt im Gewebe. Nozizeptive Schmerzen stehen zum Beispiel bei Arthrose und rheumatoider Arthritis im Vordergrund. Zusätzlich von den genannten Schmerzformen abzugrenzen sind Schmerzen als Symptom psychiatrischer oder psychosomatischer Erkrankungen.

Wirkmechanismen von Antikonvulsiva bei Nervenschmerzen

Nach einer Nervenläsion kommt es zu Veränderungen der neurophysiologischen Eigenschaften des afferenten Neurons. Nachgewiesen werden konnten eine spontane ektope Aktivität sowie eine Re- und Degeneration in geschädigten Axonen und eine Sensibilisierung gegenüber afferenten Stimuli. Klinisch führt dies zu Spontanschmerzen, thermischer Hyperalgesie und Schmerzattacken. Ausgelöst und aufrechterhalten wird die ektope Aktivität unter anderem durch neuronale spannungsgesteuerte Natrium- und TRP-(„transient receptor potential“)-Kanäle. Diese Kanäle können schmerztherapeutisch durch Carbamazepin, Lidocain und Capsaicin moduliert werden.

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Unter dem Begriff der zentralen Sensibilisierung wird eine neuronale Hyperexitabilität vor allem im Rückenmark verstanden. Klinisch führt diese zu verstärktem Spontanschmerz, mechanischer Allodynie und Hyperalgesie. Schmerztherapeutisch können diese Prozesse durch Gabe von Gabapentin, Pregabalin oder Opioiden moduliert werden.

Die Schmerzsignalfortleitung im Rückenmark wird physiologischerweise durch ein endogenes absteigendes System moduliert. Die Hemmung der Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt dieser Überträger mittels Antidepressiva führt hauptsächlich zu einer Verstärkung der analgetischen Wirkung.

Das "Mixed Pain"-Konzept

Das Vorliegen einer neuropathischen Schmerzkomponente schließt eine zusätzliche nozizeptive Schmerzkomponente nicht aus (zum Beispiel Diabetes mellitus mit nozizeptivem Ulkusschmerz am Fuß und zusätzlich schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie oder Tumorschmerz). Die Prävalenzrate wird mit 16-25 % bei Patienten mit Rückenschmerzen (mit und ohne Beinschmerzen) angegeben. Dieses zeitgleiche Auftreten beider Schmerzformen bezeichnet man als „mixed pain“, wobei die Gültigkeit dieses Konzeptes sich nicht durch eine „Goldstandard“-Methode am Patienten beweisen lässt. Daher ist eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung auf Anzeichen einer Neuropathie obligat, weil sich die analgetische Therapie nach der jeweiligen Schmerzkomponente richtet (nozizeptiv: Nicht-Opioid- und Opioid-Analgetika; neuropathisch: siehe Therapieempfehlungen) beziehungsweise bei einem gemischten Schmerzsyndrom eine kombinierte Therapie notwendig sein kann.

Diagnosestellung und Klassifizierung

Die Neuropathic Pain Special Interest Group (NeuPSIG) der International Association for the Study of Pain (IASP) hat 2008 auf dem Boden der revidierten Definition neuropathischer Schmerzen klare Diagnosekriterien erstellt. „Sichere“ neuropathische Schmerzen sind demnach Schmerzen, die:

  1. eine plausible neuroanatomische Verteilung zeigen (entsprechend dem peripheren/zentralen Innervations-/Repräsentationsterritorium) und
  2. bei denen anamnestisch Hinweise auf eine Läsion oder zugrunde liegende Erkrankung bestehen, die das somatosensorische System schädigen kann, und
  3. bei denen ein klinischer beziehungsweise apparativer Nachweis von 1) und 2) erfolgt ist.

Dabei sind zum Nachweis elektrophysiologische (Neurographie, evozierte Potenziale) und bildgebende Verfahren (Computertomographie, Magnetresonanztomographie) zulässig. Klinisch wird der neuropathische Schmerz im Vergleich zum nozizeptiven Schmerz durch Symptome der Hyperalgesie (verstärkte Schmerzintensität) und Allodynie (Schmerzempfindung auf nicht schmerzhafte Reize) für mechanische und/oder thermische Stimuli charakterisiert. Diese als Positivsymptome beschriebenen klinischen Zeichen sind häufig mit Negativsymptomen als Zeichen der Läsion des somatosensorischen Systems kombiniert, zum Beispiel einer Hypästhesie.

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Anamnestisch, klinisch und gegebenenfalls apparativ sind periphere (zum Beispiel Polyneuropathie) von zentralen neuropathischen Schmerzen (zum Beispiel nach Schlaganfall oder bei Multipler Sklerose) zu unterscheiden. Es können auch bei einem Patienten periphere und zentrale Schmerzen zeitgleich auftreten. Die systemische medikamentöse analgetische Therapie peripherer und zentraler neuropathischer Schmerzen unterscheidet sich jedoch nicht.

Metaanalyse bisheriger Medikamentenstudien und Publikations-Bias

Die Anfang des Jahres 2015 in der Zeitschrift Lancet Neurology publizierte Metaanalyse ist die umfassendste und aktuellste Analyse von 229 randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Pharmakotherapie-studien zu chronischen neuropathischen Schmerzen. Diese Metaanalyse kam zu folgenden Ergebnissen:

  • Unterschiede in den Methoden, in deren Qualität und in den Patientenzahlen erschweren den Vergleich zwischen alten und neuen Substanzen.
  • Die „number needed to treat“ (NNT), die Anzahl von Patienten, bei denen mit einem „first-line“-Medikament eine Schmerzreduktion von ≥ 50 % erreicht wird, liegt zwischen 3,5-7,7, ohne dass daraus eine Empfehlung zur präferenziellen Anwendung eines Medikaments erfolgen kann.
  • Die Therapieempfehlungen erfolgen unabhängig von der Ätiologie.

Kritisch ist jedoch anzumerken, dass die Wirksamkeitsannahme „syndromübergreifend“ zum Teil im Analogieschluss erfolgte. Der Methodenansatz kann einzelne Medikamente in der Beurteilung benachteiligen. Zum Beispiel wurde über Cannabinoide eine Übersichtsarbeit publiziert, die zu einer positiveren Bewertung für die Cannabinoide kommt als in einer Metaanalyse nachgewiesen. Allerdings wird in dieser Übersichtsarbeit auf die Notwendigkeit hingewiesen, weitere Studien durchzuführen. Für die Anwendung anderer Medikamente, wie Carbamazepin, ergibt sich übereinstimmend keine klare generelle Empfehlungsevidenz.

Unter statistischer Berücksichtigung des sogenannten Publikationsbias (nicht publizierte negative Studienergebnisse) wurde eine Überschätzung des Therapieeffekts um 10 % berechnet. Bei Miteinrechnung dieses Effekts kam man weiterhin zur gleichen Therapieempfehlung wie in der Metaanalyse, mit und ohne Bias-Berücksichtigung.

Grundregeln der Therapie

Eine Schmerztherapie sollte bei einem für den Patienten alltagsrelevanten Schmerz sofort begonnen werden. Die Therapiemöglichkeiten müssen mit den Patienten klar besprochen werden, um zu hohe Erwartungen und mögliche Enttäuschungen zu vermeiden. Mit einer medikamentösen Therapie ist eine Schmerzreduktion um 30-50 % möglich. Eine Schmerzfreiheit kann häufig nicht erreicht werden. Bei allen medikamentösen Therapieoptionen sprechen etwa 20-40 % der Patienten nur unzureichend auf die Therapie an (< 30 % Schmerzreduktion, sogenannte „non-responder“) oder erleiden nichttolerable Nebenwirkungen. Die pharmakologische Therapie richtet sich nicht nach der Ätiologie des neuropathischen Schmerzes, obwohl einige Substanzen nicht in mehreren Ätiologien getestet wurden und/oder nicht zugelassen sind.

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Zur Verbesserung der Compliance sollte der Patient vor Therapiebeginn insbesondere auch informiert werden über:

  • die als Analgetika oder Co-Analgetika verwendeten Substanzgruppen
  • die potenziellen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, wodurch Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt sein könnten
  • den zeitlichen Ablauf der Ein- und Aufdosierung und den zu erwartenden, häufig verzögerten Wirkbeginn (zum Beispiel Tage bis wenige Wochen unter Einsatz von Antidepressiva und Antikonvulsiva).

Bei der Therapieplanung ist stets zu beachten, dass der Zulassungsstatus der einzelnen Wirksubstanzen je nach Hersteller variiert. Zu jedem Zeitpunkt kann und - wenn indiziert - soll die Pharmakotherapie mit nichtpharmakologischen Behandlungsverfahren, wie zum Beispiel Physiotherapie, Psychotherapie und transkutaner elektrischer Nervenstimulation, kombiniert werden.

Substanzklassen und Wirkstoffe

Im Folgenden werden die Substanzklassen und Wirkstoffe vorgestellt, deren Anwendung nach der aktuellen Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Neurologie und der Metaanalyse der Neuropathic Pain Special Interest Group (NeuPSIG) der International Association for the Study of Pain (IASP) empfohlen wird. Hierbei ergeben sich zum Teil abweichende Empfehlungen zwischen der Expertenempfehlung (S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie) und der Metaanalyse (Abweichungen sind unter „Empfehlungen“ zu den Substanzgruppen benannt). Eine Auflistung der Evidenz nach Schmerzsyndromen erfolgt nicht, da eine Implikation für eine syndromstratifizierte Therapie anhand der Studienlage nicht sinnvoll ist. Zusätzlich werden Ergebnisse aus neuen Studien der selbst durchgeführten ergänzenden Literaturrecherche dargestellt. Alle Empfehlungen basieren auf Ergebnissen aus kontrollierten randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studien. Die Empfehlungen zur Dosierung können von der Fachinformation abweichen und spiegeln die persönliche Erfahrung der Autoren wider. Auf herstellerspezifische Zulassungen wird nicht eingegangen. Diese müssen vor Verordnung geprüft werden.

Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Calciumkanäle

Gabapentin

  • Wirkungsweise: Eine Wirkung auf die α2-δ-Untereinheit und Reduktion des aktivierenden Calciumeinstroms zentraler Neurone in Nervenzellen wird angenommen.
  • Dosierung: Die Startdosis beginnt bei 3 × 100 mg. Eine Steigerung jeden dritten Tag um 3 × 100 mg bis auf 1 200-2 400 mg in drei Einzeldosen ist möglich. Die Maximaldosis beträgt 3 600 mg pro Tag. Eine Dosisanpassung an die Nierenfunktion ist notwendig.
  • Empfehlung: Gabapentin wird übereinstimmend als „first line“-Medikament zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen empfohlen.

Pregabalin

  • Wirkungsweise: Pregabalin ist ein Ligand an der α2-δ-Untereinheit der spannungsabhängigen Calciumkanäle auf peripheren und zentralen nozizeptiven Neuronen und reduziert dadurch den aktivierenden Calciumeinstrom.
  • Dosierung: Die Startdosis liegt bei 1 × 25-50-75 mg - 2 × 25-50-75 mg. Eine Steigerung bis zur Enddosis um 50-75 mg alle drei bis vier Tage ist möglich. Die Maximaldosis beträgt 600 mg pro Tag. Diese verteilt sich auf zwei Einzeldosen. Eine Dosisanpassung an die Nierenfunktion ist notwendig.
  • Empfehlung: Pregabalin wird übereinstimmend als „first-line“-Medikament zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen empfohlen.

Antidepressiva

Trizyklische Antidepressiva (TCA) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wirken antidepressiv und auch analgetisch. Die zur Schmerztherapie verwendeten Dosierungen bei den TCA liegen jedoch unterhalb der antidepressiv wirksamen Dosis. Dieses gilt nicht für die SSNRI. Die analgetische Wirkung wird durch Verstärkung der deszendierenden schmerzhemmenden Bahnsysteme unter präsynaptischer Wiederaufnahmehemmung der monoaminergen Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin erreicht. TCA blockieren weiterhin spannungsabhängige Natriumkanäle und haben sympathikolytische Eigenschaften.

Trizyklische Antidepressiva (TCA)

  • Dosierungen: Bei den Antidepressiva ist eine individuelle Titration in Abhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen erforderlich. Die Startdosis liegt bei 10/12,5 mg oder 25 mg retardiert zur Nacht bei sedierenden TCA beziehungsweise morgens bei aktivierenden Wirkstoffen.
  • Steigerung: Dosissteigerung alle drei bis fünf Tage um 10-25 mg. Die empfohlene Höchstdosierung in der Schmerztherapie ist 75 mg am Tag. Je nach Wirkstoff erfolgt die Gabe retardiert einmalig oder verteilt auf zwei bis drei Tagesdosen.
  • Empfehlung: TCA werden übereinstimmend als „first-line“-Medikamente zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen empfohlen.

Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), Beispiel Duloxetin

  • Dosierungen: Die Startdosis liegt bei 30 mg morgens. Die Dosissteigerung sollte nach 7-14 Tagen abgeschlossen sein. Die Zieldosis, die zunächst angestrebt werden sollte, beträgt 60 mg, die maximale Höchstdosis liegt bei 120 mg als Einmaldosis morgens).
  • Empfehlung: Duloxetin wird übereinstimmend als „first-line“-Medikament zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen empfohlen.

Weitere Therapieoptionen

Neben den genannten Antikonvulsiva und Antidepressiva gibt es weitere Therapieoptionen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen:

  • Topische Therapie: Capsaicin- und Lidocain-Pflaster können bei lokalisierten Schmerzen eingesetzt werden.
  • Opioide: Niederpotente Opioide wie Tramadol oder Tapentadol können als zweite Wahl in Betracht gezogen werden. Hochpotente Opioide sollten aufgrund des Risikos von Nebenwirkungen und Toleranzentwicklung nur als dritte Wahl eingesetzt werden.
  • Cannabinoide: Können in bestimmten Fällen in Betracht gezogen werden, jedoch ist die Evidenzlage noch nicht ausreichend.
  • Botulinumtoxin: Intrakutane Injektionen können bei peripheren neuropathischen Schmerzen eine Option sein.

Antikonvulsiva bei Polyneuropathie

Etwa 50 % aller Polyneuropathien gehen mit Schmerzen einher. Diese neuropathischen Schmerzen entstehen als direkte Folge einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems. Die aktuelle S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt die Antikonvulsiva Gabapentin und Pregabalin sowie trizyklische Antidepressiva (TCA) und Duloxetin als Mittel der ersten Wahl zur Therapie neuropathischer Schmerzen bei Polyneuropathie.

Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin und Topiramat blockieren Natriumkanäle peripherer Nozizeptorafferenzen. Aufgrund der geringen Evidenz und häufiger Nebenwirkungen werden Carbamazepin und Oxcarbazepin laut Leitlinie nicht zur Behandlung von schmerzhaften Polyneuropathien empfohlen. Bei Versagen von Gabapentin und Pregabalin kann im Einzelfall ein Off-label-Versuch erfolgen, vor allem bei einschießenden Schmerzattacken. Das Nebenwirkungsprofil von Carbamazepin und Oxcarbazepin ist ungünstig und umfasst kognitive Störungen, Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Ataxie und gastrointestinale Störungen, aber auch Hyponatriämie, Blutbildveränderungen, Leberschädigung oder allergische Hautreaktionen. Topiramat und Lamotrigin sollten im Allgemeinen nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Lamotrigin kann im Einzelfall (bei Human-immunodeficiency-virus[HIV]-Neuropathie) erwogen werden, sollte jedoch wegen Nebenwirkungen (allergische Hautreaktionen) vorsichtig aufdosiert werden. Lacosamid wirkt ebenfalls über Blockade von Natriumkanälen. In der aktuellen Leitlinie wird der generelle Einsatz bei unzureichender Datenlage nicht empfohlen.

Gabapentin und Pregabalin im Detail

Erste Wahl bei neuropathischen Schmerzen sind Gabapentin und Pregabalin. Gabapentin hat eine schlechte orale Bioverfügbarkeit, weshalb deutlich höhere Dosierungen erforderlich sind. Zudem führt seine Pharmakokinetik aufgrund von sättigbaren Transportern bei der Absorption und an der Blut-Hirn-Schranke dazu, dass Wirkung (und Nebenwirkung) nicht linear verlaufen. Die Einstellung muss daher in kleineren Schritten erfolgen und dauert länger. Pregabalin wird über nicht sättigbare Transporter aufgenommen, sodass eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht. Hinsichtlich des Missbrauchspotenzials der Gabapentinoide konnte gezeigt werden, dass dies nur bei Menschen mit Abhängigkeit von Opioiden bedeutsam ist . Andere Studien beschreiben jedoch auch einen möglichen Zusammenhang bei Menschen mit Benzodiazepin- und Alkoholabhängigkeit Eine Abhängigkeit bei Menschen ohne Suchterkrankung in der Vorgeschichte ist extrem unwahrscheinlich. Beide Wirkstoffe werden nicht metabolisiert, sondern nur renal eliminiert, sodass sie ein günstiges Interaktionspotenzial haben.

Allgemeine Informationen zu Antikonvulsiva

Antikonvulsiva, auch als Antiepileptika bekannt, finden Anwendung in der Therapie von Krampfanfällen. Sie sind entweder notwendig, um einen akuten Krampfanfall zu unterbrechen oder werden für die dauerhafte Therapie verschrieben.

Wie wirken Antikonvulsiva?

Antikonvulsiva wirken rein symptomatisch, das heißt sie heben die Krampfschwelle an und unterdrücken somit zu einem gewissen Anteil Krampfanfälle. Das genaue Wirkprinzip der einzelnen Wirkstoffe ist unterschiedlich und für manche Stoffe noch nicht klar. Antikonvulsiva wirken auf die Konzentrationen von Botenstoffen (Neurotransmittern) im Gehirn wie beispielsweise die Gamma-Amino-Buttersäure. Diese hemmt die Erregbarkeit und die Fähigkeit der Nerven, Reize weiterzuleiten. Das Wirkprinzip von Antikonvulsiva besteht in der Verstärkung der neuronalen Inhibitoren durch die Aktivierung von GABA-A-Rezeptoren oder der Hemmung der neuronalen Erregung (Aktivität im Gehirn) durch Hemmung der erregenden Rezeptoren (z.B. für Glutamat) oder erregenden Ionenkanälen (wie für Natrium).

Anwendung von Antikonvulsiva

Antikonvulsiva eignen sich zur Therapie einer Epilepsie. Um die Diagnose Epilepsie zu erhalten, liegen in der Regel einige Diagnosekriterien vor. Zuallererst steht die Erfassung des Anfall-Erlebens der Betroffenen. Hierzu gehören besonders das Gefühl oder bestimmte Wahrnehmungen, die einem Anfall vorausgehen. Auch die Beschreibung des Ablaufes eines Anfalls ist wichtig. Wichtige Diagnosemöglichkeit sind dann noch die medizinischen Untersuchungen, wie zum Beispiel eine Aufnahme der Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG). Nicht jeder epileptische Anfall oder Epilepsie-Art muss medikamentös behandelt werden. In manchen Fällen reicht es aus, die Auslöser des Anfalls zu beseitigen. Ein Beispiel können schnelle Videospiele mit extremen Lichteffekten sein. Wird ein Anfall durch ein solches Spiel ausgelöst, sollte es nicht mehr gespielt werden.

Innerhalb der ersten Minuten, wird meistens noch kein Medikament gegeben, da sehr viele epileptische Anfälle innerhalb weniger Minuten, spontan (von allein) beendet werden. Wird dieser nach 5 Minuten nicht beendet, ist zum einen wichtig, dass ein Notarzt gerufen wird. Die Therapie mit Antikonvulsiva ist meist langfristig. In der Regel erfolgt die Einnahme als Tablette. Einige Wirkstoffe lassen sich in Notfallsituationen aber auch direkt in die Vene verabreichen. Diese dürfen natürlich nur von einem Arzt gespritzt werden. Diese Therapie kommt in Frage, wenn mehr als 2 Krampfanfälle in 6 Monaten stattfinden. Krampfanfälle, die das ganze Gehirn betreffen, werden beispielsweise mit Valproat oder Lamotrigin behandelt. Primär generalisierte Anfälle, zu denen Absencen (Anfall mit Aufmerksamkeitsverlust), juvenile (jugendliche) myoklonische (Zuckungen) Anfälle und Aufwach-Grand mal-Anfälle zählen, werden hauptsächlich mit Valproat, Lamotrigin oder Topiramat behandelt. Sogenannte fokale und generalisierte Anfälle werden vorrangig mit z.B. Antikonvulsiva stellen die Standardtherapie einer Epilepsie dar. Die Therapiedauer ist individuell unterschiedlich. Behandelnde Ärzte ziehen es erst in Betracht, das Antikonvulsivum abzusetzen, wenn über einen langen Zeitraum von etwa 2-5 Jahren kein Krampfanfall stattgefunden hat. Abgesetzt werden diese dann ausschleichend. Die Therapie mit Carbamazepin erfordert regelmäßige Plasmaspiegel-Kontrollen. Dies empfiehlt sich besonders, wenn mehrere Antiepileptika verabreicht werden.

Nicht eingenommen werden sollten Antikonvulsiva während einer Schwangerschaft. Einige Wirkstoffe verändern die Verfügbarkeit von Folsäure, welche für die Entwicklung des Kindes zwingend notwendig ist. Zudem ist ein möglicher Krampfanfall nach Absetzen Antikonvulsivums gefährlich für das ungeborene Kind. Treten Unverträglichkeiten auf, empfiehlt der Arzt das Präparat zu wechseln.

Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Antikonvulsiva sind mit zahlreichen Nebenwirkungen assoziiert. Viele Antikonvulsiva haben mit anderen Medikamenten Wechselwirkungen. Durch die gleichzeitige Behandlung mit beispielsweise Steroiden, ist ein beschleunigter Abbau durch die Wechselwirkung mit Antikonvulsiva problematisch. Eine weitere Folge kann der Wirkungsverlust von hormonellen Verhütungsmitteln sein. Hier sind zusätzliche mechanische Verhütungsmethoden (Kondome, Diaphragma) sinnvoll, um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden. Neben den Wechselwirkungen von Antikonvulsiva mit anderen Medikamenten ist auch die eingeschränkte Fahrerlaubnis unter einer Epilepsie zu berücksichtigen.

Gabapentin im Detail

Gabapentin ist ein Antiepileptikum (Antikonvulsivum) und wird zur Behandlung von Anfallsleiden wie der Epilepsie sowie bei Nervenschmerzen (Neuropathien) angewendet. Gabapentin ist strukturell mit dem Neurotransmitter GABA (Gammaaminobuttersäure) verwandt und verhindert die unkontrollierte Erregung der Nervenzellen im Gehirn und erhöht so die Krampfschwelle. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht vollständig geklärt.

Dosierung von Gabapentin

  • Erwachsene und Jugendliche (ab 12 Jahren): Start mit 300 mg am ersten Tag, steigerbar in 300-mg-Schritten alle 2 bis 3 Tage bis maximal 3.600 mg/Tag.
  • Kinder (6 bis 12 Jahre): Beginn mit 10 bis 15 mg/kg/Tag, Aufdosierung über 3 Tage bis zu einer wirksamen Dosis von 25 bis 35 mg/kg/Tag.

Wechselwirkungen und besondere Hinweise zu Gabapentin

  • Magnesium- oder Aluminiumhaltigen Antazida: Bioverfügbarkeit von Gabapentin reduziert.
  • Es liegen keine hinreichenden Daten für die Verwendung von Gabapentin bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Gabapentin wird in die Muttermilch ausgeschieden.
  • Bei der semiquantitativen Bestimmung von Gesamteiweiß im Urin mittels Teststreifenverfahren kann es zu falsch-positiven Ergebnissen kommen. Es wird deshalb empfohlen, ein mit diesem Verfahren erhaltenes positives Testergebnis durch Methoden, die auf anderen Analyseverfahren, wie z. B.

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