Die Implantation einer Hüft-Totalendoprothese (Hüft-TEP) ist eine der häufigsten und erfolgreichsten orthopädischen Operationen in Deutschland, mit jährlich etwa 250.000 Eingriffen laut Statistischem Bundesamt. Sie zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern und die Mobilität bei Patienten mit fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrosen (Koxarthrose) zu verbessern. Trotz der hohen Erfolgsrate leiden bis zu zehn Prozent der Patienten nach einem solchen Eingriff weiterhin unter Schmerzen. Diese können unmittelbar nach der Operation oder erst Jahre später auftreten und in manchen Fällen einen weiteren Eingriff erforderlich machen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Schmerzen nach einer Hüft-TEP nicht immer ein Zeichen für Komplikationen sind, sondern auch Teil des normalen Heilungsprozesses sein können.
Ursachen für Schmerzen nach Hüft-TEP
Die Ursachen für Schmerzen nach einer Hüft-TEP sind vielfältig und können in intrinsische (operationsbedingt oder vom Gewebe um das Gelenk ausgehend) und extrinsische (von anderen Körperregionen oder Strukturen in der Nähe der Hüfte stammend) unterteilt werden. Eine genaue Diagnose ist entscheidend, um die Schmerzursache zu identifizieren und gezielt zu behandeln.
Intrinsische Ursachen
Operationsbedingte Ursachen:
- Chirurgisches Trauma: Das Durchtrennen von Gewebe und Muskeln während der Operation verursacht Schmerzen, die im Rahmen der Heilung abklingen.
- Entzündungsreaktion: Eine natürliche Reaktion des Körpers auf die Operation, die zu Schwellungen und Schmerzen führen kann.
- Kleine versteckte Frakturen: Knochenbrüche, die auf Röntgenaufnahmen möglicherweise nicht sichtbar sind.
- Knochen-Stress-Ödem: Eine Vorstufe zu einer Fraktur, die durch lokalisierte Überlastung des Knochens entsteht.
Probleme im Bereich des Hüftgelenks:
- Sehnenansatzentzündung am Trochanter: Durch veränderte Statik und Beckenposition entstehen ungewohnte Zugkräfte an den Sehnenansätzen. Dies betrifft häufig die äußere Seite der Hüfte und verursacht Schmerzen beim Liegen auf der Seite, Gehen und Treppensteigen.
- Entzündungen der Hüftbeugersehne (M. iliopsoas): Eine veränderte Beckenposition oder eine unzureichend geschonte Hüftkapsel während der Operation können zu Irritationen der Sehne führen.
- Knochen-Prothesen-Mismatch: Eine fehlende Anpassung des Schaftimplantats an den Knochen, insbesondere bei großen Implantaten oder verzögerter Einheilung bei Osteoporose, kann zu Oberschenkelschmerzen führen.
- Aseptische Prothesenlockerung: Eine Lockerung der Prothese ohne Beteiligung einer Infektion, oft erst nach vielen Jahren, aber einer der häufigeren Gründe für einen vorzeitigen Prothesenwechsel.
- Infektion: Eine gefürchtete Komplikation, bei der Keime in die Wunde gelangen und die Prothese besiedeln.
Extrinsische Ursachen
- Erkrankungen im Bereich der Leistengefäße.
- Erkrankungen der Wirbelsäule: Ausstrahlung von Schmerzen in den Hüftbereich, insbesondere von den Nerven L1 und L2.
- Nervenverletzung peripherer Nerven / periphere Neuropathie.
- Metabolische Knochenveränderungen.
- Leisten-/Schenkelhernie.
- Gutartige oder bösartige Gewebeneubildung.
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS).
Neuropathische Schmerzen
Neuropathische Schmerzen, die durch eine Schädigung oder Funktionsstörung von Nerven verursacht werden, können ebenfalls nach einer Hüft-TEP auftreten. Vikki Wylde von der Universität Bristol berichtete, dass etwa 20 Prozent der chronischen Schmerzen nach dem Einsetzen eines künstlichen Gelenkersatzes neuropathischer Natur sind. Eine Publikation der Mayo Clinic Proceedings beschreibt eine mögliche Ursache als Entzündung-bedingte Neuropathie des Nervs nach der Operation.
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Diagnostik
Eine umfassende Diagnostik ist unerlässlich, um die genaue Ursache der Schmerzen zu ermitteln und eine gezielte Therapie einzuleiten.
Anamnese und körperliche Untersuchung
- Ausführliche Schmerzanamnese: Erhebung der Schmerzgeschichte, einschließlich Zeitpunkt des Auftretens, Lokalisation, Art der Schmerzen, Auslöser und schmerzlindernde Faktoren.
- Körperliche Untersuchung: Beurteilung des Gangbildes, der Beweglichkeit des Gelenks, der Beinlängen und der Haut im Bereich der Prothese. Provokationstests gegen Widerstand können zur Diagnostik einer Schaftlockerung eingesetzt werden. Neurologische Tests werden durchgeführt, um neurologische Ursachen auszuschließen.
Bildgebende Verfahren
- Röntgen: Beurteilung der Prothesenposition und des Knochengewebes.
- Computertomographie (CT): Detailliertere Analyse von Knochenstrukturen, insbesondere bei Verdacht auf Frakturen, Impingement oder zur Abklärung einer Luxation. Bei der Verwendung der CT zur Impingementdiagnostik ist zu berücksichtigen, dass die CT-Untersuchung im Liegen erfolgt.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Analyse von Weichteilschäden, Muskelverletzungen, Bursitis, Weichteilalterationen (z. B. Pseudotumoren) und Lockerungen. Metall-Artefakt-reduzierte Sequenzen (MARS) können implantatassoziierte Beschwerden darstellen.
- Szintigraphie: Kann zur Lokalisierung von Infektionen oder Entzündungen eingesetzt werden, hat aber in den letzten Jahren an Bedeutung verloren.
Laboruntersuchungen
- Blutuntersuchung: Beurteilung der Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten) zum Ausschluss einer Infektion.
- Gelenkpunktion: Entnahme von Gelenkflüssigkeit zur Untersuchung auf Keime bei Verdacht auf eine septische Prothesenlockerung.
Behandlung
Die Behandlung von Nervenschmerzen nach einer Hüft-TEP richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Ziel ist es, die Schmerzen zu lindern, die Funktion des Gelenks zu verbessern und die Lebensqualität des Patienten zu erhöhen.
Konservative Therapie
Viele Ursachen für Schmerzen nach einer Hüft-OP können mit einer gezielten konservativen Therapie sehr gut behandelt werden.
Schmerzmanagement:
- Analgetika: Einsatz von Schmerzmitteln wie Paracetamol, COX-2-Hemmern, NSAR (z. B. Diclofenac, Ibuprofen) oder bei Bedarf Opioiden, abgestimmt auf die Schmerzstärke.
- Lokale Kühlung: Anwendung von Eispackungen zur Reduktion von Schwellungen und Schmerzen.
- Injektionen von Kortikosteroiden: Zur Schmerzreduktion bei Nervenreizungen oder Entzündungen.
Physiotherapie:
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- Frühe Mobilisierung: Unter physiotherapeutischer Anleitung zur Vermeidung von Steifheit und Förderung der Heilung.
- Muskelaufbau: Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur rund um das Hüftgelenk, insbesondere der Hüftbeuger-, Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur.
- Gangschulung: Korrektur von Fehlbelastungen und Verbesserung des Gangbildes.
- Koordinationsübungen: Verbesserung der Koordination und Balance.
Weitere Maßnahmen:
- Gehhilfen: Entlastung des betroffenen Beins.
- Kompressionsstrümpfe: Reduktion von Ödemen.
- Orthopädische Einlagen: Ausgleich von Beinlängendifferenzen.
- Wassertherapie: Schmerzlindernde und mobilisierende Wirkung.
- Elektrotherapie: Muskelstimulation.
Operative Therapie
Eine operative Therapie ist in manchen Fällen erforderlich, insbesondere bei schwerwiegenden Komplikationen wie einer Prothesenlockerung, Infektion oder Nervenschädigung.
Prothesenwechsel (Revision):
- Indikation: Persistierende Schmerzen trotz konservativer Therapie, mechanische Instabilität oder Entzündung.
- Aseptischer Wechsel: Ausbau der alten Prothese und Ersatz durch ein neues Modell in einem Eingriff.
- Septischer Wechsel: Zweizeitiges Vorgehen mit zunächst Entfernung der Prothese, Antibiotikatherapie und später Einsetzen einer neuen Prothese nach Abklingen der Infektion.
Arthroskopisches Release: Bei einem Iliopsoas-Impingement kann eine arthroskopische Ausdünnung der Psoassehne erfolgen, um mehr Platz zu schaffen und Reizungen zu reduzieren.
Nervenrekonstruktion: Bei einer direkten Nervenverletzung kann eine operative Rekonstruktion des Nervs in Erwägung gezogen werden.
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Multimodale Therapiekonzepte
Henrik Kehlet von der Universität Kopenhagen empfiehlt ein multimodales Therapiekonzept gegen Schmerzen nach Hüft-TEP. Dieses kann eine Kombination aus Analgetika, Physiotherapie, psychologischer Betreuung und anderen schmerzlindernden Maßnahmen umfassen.
Prävention
Einige Maßnahmen können dazu beitragen, das Risiko von Schmerzen nach einer Hüft-TEP zu verringern.
- Präoperative Physiotherapie: Stärkung der Muskulatur vor dem Eingriff.
- Realistische Erwartungen: Aufklärung über realistische Heilungsverläufe.
- Frühe Mobilisierung: Bewegung unter fachlicher Anleitung nach der Operation.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Durch den behandelnden Orthopäden, um Probleme frühzeitig zu erkennen.
- Gute muskuläre Stabilisierung: Des Hüftgelenks durch regelmäßiges körperliches Training.
- Schnellstmögliche Behandlung von Infektionen: Um eine Ausbreitung der Bakterien zu verhindern.
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