Ätherische Öle erfreuen sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit, nicht nur wegen ihres angenehmen Duftes, sondern auch wegen ihrer potenziellen positiven Auswirkungen auf unser Nervensystem und unser allgemeines Wohlbefinden. Obwohl einige ätherische Öle als rein esoterisch oder "Wellness-Hokuspokus" abgetan werden, deuten wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass diese Öle spezifische biochemische Prozesse im Körper auslösen können. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Wirkungen ätherischer Öle auf das Nervensystem, von der Stimmungsaufhellung bis zur Schmerzlinderung.
Wie ätherische Öle wirken: Ein schneller Weg zum Gehirn
Ätherische Öle entfalten ihre Wirkung überraschend schnell. Bereits 22 Sekunden nach dem Einatmen erreichen die Moleküle das Gehirn und beginnen, die Gehirnzellen zu beeinflussen. Schon nach zwei Minuten können die Wirkstoffe im Blutkreislauf nachgewiesen werden, und nach 20 Minuten haben die ätherischen Öle eine Wirkung auf die Körperzellen und beeinflussen so Prozesse im gesamten Organismus.
Die biochemischen Effekte ätherischer Öle
Ätherische Öle bestehen aus kleinen, fettlöslichen Molekülen, die Zellmembranen leicht durchdringen und verschiedene biologische Effekte im Körper hervorrufen können. Zu den bekanntesten Wirkungen gehören:
- Antioxidative Wirkung: Viele ätherische Öle, wie Zitrone und Rosmarin, enthalten Antioxidantien, die Zellen vor freien Radikalen schützen.
- Entzündungshemmende Wirkung: Ätherische Öle wie Teebaum oder Weihrauch können die Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen reduzieren.
- Antimikrobielle Wirkung: Einige Öle, darunter Zitronengras und Oregano, haben antimikrobielle Eigenschaften und können Bakterien, Viren und Pilze abtöten.
- Beruhigende Wirkung auf das Nervensystem: Ätherische Öle wie Lavendel und Zedernholz wirken auf das zentrale Nervensystem, indem sie beruhigende Neurotransmitter wie GABA (Gamma-Aminobuttersäure) beeinflussen.
- Beeinflussung der Zellrezeptoren: Die Moleküle der ätherischen Öle binden an spezifische Zellrezeptoren und beeinflussen so bestimmte Signalwege im Körper.
Ätherische Öle und ihre spezifischen Wirkungen auf das Nervensystem
Rosmarin für Konzentration und Gedächtnis
Rosmarinöl enthält aktive Verbindungen wie 1,8-Cineol und Alpha-Pinen, die auf zellulärer Ebene wirken. Es hemmt das Enzym Acetylcholinesterase, wodurch mehr Acetylcholin verfügbar bleibt, was zu einer verbesserten Signalübertragung im Gehirn führt. Rosmarinöl fördert die Durchblutung und den Sauerstofftransport zum Gehirn, stimuliert das limbische System und den Hypothalamus. Das fördert kognitive Funktionen, indem es die Aufmerksamkeit erhöht und das Erinnerungsvermögen verbessert. Der Duft von Rosmarin wird eine besonders konzentrationsfördernde Wirkung nachgesagt, die auch Antriebslosigkeit entgegen wirkt.
Lavendel für Entspannung und Stressabbau
Lavendelöl ist bekannt für seine beruhigende Wirkung, die größtenteils auf seine Fähigkeit zurückzuführen ist, das GABA-System im Gehirn zu aktivieren. Die Inhaltsstoffe Linalool und Linalylacetat in Lavendelöl fördern die Freisetzung von GABA, was zu einer Reduktion von Angst, Anspannung und Erregung führt. Lavendelöl hat eine beruhigende Wirkung, die einer Unausgeglichenheit entgegen wirkt und Spannungen abbaut.
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Wild Orange für gute Laune und Antrieb
Wild Orange enthält den Hauptinhaltsstoff Limonen, der durch die olfaktorische Stimulation des limbischen Systems wirkt. Limonen kann die Serotonin- und Dopaminspiegel beeinflussen, was für eine Anhebung der Stimmung und eine Steigerung der Motivation sorgt. Wild Orange reduziert zudem den Cortisolspiegel (Stresshormon) im Körper, was für zusätzliche Entspannung sorgt.
Fichtennadel für Erdung und Ausgeglichenheit
Fichtennadelöl bringt einen erdenden, beruhigenden Effekt mit sich, der auf seine Wirkstoffe Bornylacetat und Alpha-Pinen zurückzuführen ist. Diese Stoffe haben eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem und helfen, Stresshormone zu senken, wodurch ein Gefühl von Stabilität und Ausgeglichenheit entsteht. Fichtennadelöl wirkt indirekt auf das parasympathische Nervensystem und unterstützt so die Entspannung und Erdung.
Pfefferminzöl für geistige Frische
Pfefferminzöl ist ein sehr schnell wirksames ätherisches Öl. Bei geistiger Erschöpfung, Überarbeitung oder Gedächtnisschwäche wirkt es anregend und zudem konzentrationsfördernd.
Ätherische Öle zur Stressbewältigung
Deutschland ist gestresst, besonders Frauen. In einer Leistungsgesellschaft gilt Stress oft als Statussymbol. Ein gesundes Maß an Stress ist essenziell für Produktivität und Anerkennung. Chronischer Stress kann jedoch zu einem dauerhaft erhöhten Erregungsniveau führen, was krankmachend sein kann. Ätherische Öle können hier unterstützend wirken, indem sie die Wirkung von Botenstoffen verstärken und so helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Inhaltsstoffe wie Geraniol, Citronellol oder Linalool zeigen zudem Wirkung auf die Produktion der Gamma-Aminobuttersäure (GABA), der wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitterverbindung im zentralen Nervensystem.
Ätherische Öle und das Immunsystem
Ätherische Öle wirken nicht nur auf das Nervensystem, sondern auch auf das Immunsystem. Sie können die Selbstheilungskräfte beeinflussen und auf Körper, Psyche und Abwehrsystem gleichermaßen stärkend wirken. Im Rahmen der Aromatherapie wirken ätherische Öle u.a. über psychische Faktoren auf das Immunsystem. So zeigt z.B. der sog. Wohlfühl-Faktor von ätherischen Ölen bereits eine nachhaltige Wirkung auf das menschliche Immunsystem. Über eine verbesserte Stimmung, aber auch über gesteigerte Gehirnaktivitäten und andere biologische Regelsysteme können ätherische Öle die Abwehrkräfte positiv beeinflussen. Viele ätherische Öle besitzen auch antivirale Eigenschaften, die bereits in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt wurden.
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Ätherische Öle bei Nervenstörungen
Die Naturheilkunde kann bei verschiedenen Nervenstörungen hilfreich sein, wobei die Aromatherapie eine ergänzende Rolle spielen kann. Ätherische Öle können durch verschiedene Inhaltsstoffe und Wirkmechanismen Beschwerden lindern, zum Beispiel durch das schmerzlindernde Methylsalicylat, das in Wintergrünöl enthalten ist.
Aromatherapie bei neuropathischen Schmerzen
Neuropathische Schmerzen sind häufige Begleiter von Patienten mit Diabetes mellitus und eine fast unvermeidliche Begleiterscheinung bei der Therapie vieler Krebsarten. Hochwertiges Johanniskrautöl kann oft etwas lindern. Lavendelöl kann die Wirkung verstärken. Eine iranische Studie zeigte, dass eine sanfte Fußeinreibung mit Lavendelöl bei diabetischen Neuropathiepatienten signifikante Verbesserungen brachte. Auch das blumig duftende und entspannend wirksame Ylang-Ylang-Öl kann neuropathische Schmerzen lindern.
Hilfe bei Hand-Fuß-Syndrom
Beim Hand-Fuß-Syndrom, einer häufigen Nebenwirkung einiger Chemotherapien, können rückfettende und antioxidative Maßnahmen vorbeugen und lindern. Eine präventive Förderung der Durchblutung mithilfe eines pflegenden Peelings kann das Auftreten der Schmerzen verlangsamen.
Unruhige Beine beruhigen (Restless-Legs-Syndrom)
Beim Restless-Legs-Syndrom (RLS) kann Vanille dazu beitragen, den Dopaminhaushalt wieder in Balance zu bringen. Abendlich anzuwendende Ölmischungen können immer mit etwas Vanille ergänzt werden. Auch Eugenol, das in einigen ätherischen Ölen enthalten ist, kann bei RLS-Patienten leichte bis enorme Linderung bewirken.
Ätherische Öle gegen Angst und Stress
Mindestens einer von drei Erwachsenen leidet unter Angst, Stress oder Depressionen. Ätherische Öle können Entspannung und Sicherheit vermitteln. Vor allem die naturreinen Düfte von Lavendel, Orange und Neroli haben sich bewährt, wenn es darum geht, dem menschlichen Nervensystem über die Nase Signale zur „Entwarnung“ zu geben. Aromatherapie mit unverfälschten naturreinen ätherischen Ölen kann das Gehirn beeinflussen und die Freisetzung von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin fördern.
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Anwendung ätherischer Öle
Ätherische Öle können auf verschiedene Weise angewendet werden:
- Aromatherapie: Die Inhalation ätherischer Öle ist eine beliebte Anwendung.
- Topische Anwendung: Ätherische Öle können als Massageöl oder Badezusatz verwendet werden.
- Inhalation: Ätherische Öle können inhaliert werden, um die Atemwege zu unterstützen.
Wichtig ist jedoch, dass die Düfte möglichst natürlichen Ursprungs sind und nicht zu aufdringlich und intensiv sind, da sie sonst eher ablenkend und irritierend wirken können. Nicht jedes Öl ist gleich, daher ist es wichtig, hochwertige Öle zu verwenden und sich vor der Anwendung über die spezifischen Eigenschaften und Risiken zu informieren. Überdosierungen mit Wintergrünöl können beispielsweise zu Vergiftungserscheinungen bis hin zum Tod führen.
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