Demenz ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das ihrer Familienangehörigen grundlegend verändert. In Deutschland leisten Familien einen unersetzlichen Beitrag zur Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz. Mehr als die Hälfte der pflegebedürftigen Menschen mit Demenz leben zu Hause, wo sie oft jahrelang von ihren Familienangehörigen aufopferungsvoll betreut werden. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Auswirkungen von Demenz auf Betroffene und Angehörige und bietet einen umfassenden Überblick über Unterstützungsmöglichkeiten und Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen.
Die Bedeutung eines vertrauten Umfelds für Menschen mit Demenz
Für Menschen mit Demenz ist ein vertrautes Umfeld von großer Bedeutung, da es ein hohes Maß an Sicherheit und Stabilität vermittelt. Angehörigen ist es oft ein inneres Anliegen, den Menschen mit Demenz möglichst lange zu Hause zu begleiten. Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfordert jedoch viel Zeit und Kraft von Betreuenden, so dass Freizeitaktivitäten und persönliche Auszeiten oft vernachlässigt werden und das Gefühl von Erschöpfung und Überlastung zunehmend größer wird.
Herausforderungen im Alltag mit Demenz
Die Erkrankung Demenz stellt Angehörige vor große Herausforderungen, die oft mit Angst und Überforderung verbunden sind. Vielen fällt es schwer, den Alltag zu meistern, Betroffene zu integrieren und zu pflegen - und dabei gleichzeitig zuzusehen, wie eine geliebte Person Stück für Stück verloren geht. Es gibt häufig Missverständnisse im Umgang mit Menschen mit Demenz, die darauf zurückzuführen sind, dass Angehörige zu wenig Kenntnis über die Erkrankung und ihre Folgen haben. So lassen sich bereits viele Konflikte und Schwierigkeiten im Alltag vermeiden.
Kommunikation und Interaktion
Mit dem Fortschreiten der Demenz verändert sich die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen stark. Worte verlieren an Bedeutung, während Gesten, Körpersprache und Mimik wichtiger werden. Es ist wichtig, auf die Besonderheiten der Kommunikation einzugehen und sich in die Situation des Demenzkranken hineinzuversetzen. Oftmals ist wiederholtes Fragen ein Zeichen von Angst oder Unsicherheit.
Verhaltensänderungen
Zu den Symptomen der Demenz gehören verschiedene typische Verhaltensweisen und Handlungsmuster der Betroffenen, mit denen sich die meisten Angehörigen zu einem bestimmten Zeitpunkt auseinandersetzen müssen. Viele Menschen mit Demenz stellen immer wieder dieselbe Frage oder wiederholen die gleichen Sätze oder Handlungen. Im mittleren Stadium der Demenz zeigen viele betroffene Menschen einen ausgeprägten Bewegungsdrang, gepaart mit starker Unruhe. Die eingeschränkte Fähigkeit der Betroffenen, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, führt häufig zu Erklärungsversuchen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
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Routinen und Gewohnheiten
Nicht generell sind Routinen und Gewohnheiten gut. Das können sie sein, wie etwa Tagesstrukturen oder vertraute Abläufe, die der Mensch mit Demenz zuordnen kann. Aber die Person verändert sich durch die Demenz auch. Man muss abwägen, ob die Routinen noch gut für den Betroffenen sind, ob er vielleicht mehr Ruhepausen, mehr Bewegung oder Beschäftigung braucht.
Wahrnehmungsveränderungen
Eine Demenz geht weit über den Verlust der geistigen Fähigkeiten hinaus. Sie beeinträchtigt die Wahrnehmungen, das Verhalten und Erleben der Betroffenen - das gesamte Sein des Menschen. In der Welt, in der sie leben, besitzen die Dinge und Ereignisse oft eine völlig andere Bedeutung als in der Welt der Gesunden. Es ist wichtig, die betroffene Person so anzunehmen, wie sie ist, und das zu akzeptieren, was sie tatsächlich leisten kann.
Unterstützungsmöglichkeiten für Angehörige
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz kann zur Überforderung führen. Es ist daher wichtig, dass sich Angehörige frühzeitig nach Hilfen umsehen - im familiären, aber auch im ehrenamtlichen oder professionellen Umfeld. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote, die den Alltag für Erkrankte und ihre Angehörigen erleichtern können.
Gesetzliche Ansprüche und Beratungsangebote
Um Überlastung zu vermeiden, sollte der gesetzliche Anspruch auf Beratungen und Schulungen, der den Angehörigen zusteht, genutzt werden. In den kostenfreien Beratungs- und Schulungsangeboten wird erläutert, wie pflegende Angehörige Hilfe und Unterstützung für den Alltag anfordern können, damit sie entlastet werden. Auf Grundlage der „Nationalen Demenzstrategie“ wurden zwei Kurzfilme von Demenz Support Stuttgart erstellt, welche die alltäglichen Herausforderungen von Betreuenden von Menschen mit Demenz darstellen und darüber hinaus die kostenfreien Beratungs- und Schulungsangebote erläutern.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Der rechtliche Rahmen für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ergibt sich aus dem Pflegezeitgesetz, dem Familienpflegezeitgesetz und Sozialgesetzbuch (SGB XI). Bei einem akut aufgetretenen Pflegefall haben Beschäftigte die Möglichkeit, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um für nahe Angehörige die Pflege in häuslicher Umgebung sicherzustellen oder zu organisieren. Für diesen Zeitraum kann ein Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit, das heißt eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für die häusliche Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen; dies gilt auch für die auch außerhäusliche Betreuung von minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Für die Begleitung in der letzten Lebensphase besteht ein Anspruch auf eine vollständige oder teilweise Freistellung von bis zu drei Monaten. Nach dem Familienpflegezeitgesetz besteht ein Anspruch auf eine bis zu 24-monatige teilweise Freistellung bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden für die häusliche Pflege pflegebedürftiger naher Angehöriger beziehungsweise die auch außerhäusliche Betreuung minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger. Die Gesamtdauer aller Freistellungen liegt bei 24 Monaten. Für die Dauer der Freistellungen können Beschäftigte ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Anspruch nehmen.
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Psychologische Unterstützung
Das Bundesfamilienministerium fördert eine kostenlose psychologische Online-Beratung für pflegende Angehörige (pflegen-und-leben.de). Auch Selbsthilfegruppen für Angehörige können eine große Hilfe sein, um sich auszutauschen und auch zu merken: Es ist okay, wie ich mich fühle, anderen geht es ähnlich. Wenn ich selbst als Angehöriger Wege finde, wie ich die Situation gut oder besser bewältigen kann, wirkt sich das unmittelbar auch auf den Betroffenen aus. Die meisten Angehörigen profitieren sehr von psychologischer Unterstützung. Dabei wird gezielt an ihren persönlichen Problemen gearbeitet, wie Schuldgefühlen, Überforderung, Reizbarkeit und auch dem fortschreitenden Verlust einer geliebten Person. Oft reichen schon wenige Stunden an psychotherapeutischer Unterstützung aus, um große Veränderungen zu bewirken.
Entlastungsangebote
Auch pflegende Angehörige benötigen Zeit für sich, einen Besuch beim Arzt, wollen Sport treiben oder Freunde treffen. Betreuungsgruppen, die Menschen mit Demenz einmal oder mehrmals pro Woche für ein paar Stunden betreuen, stellen diesbezüglich eine gute Lösung dar. Auch die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe kann für die Betreuung genutzt werden und das soziale Wohlbefinden des Menschen mit Demenz fördern. Hierzu können die anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote in Anspruch genommen werden. Dafür stehen den Pflegebedürftigen monatlich 125 Euro an Entlastungsleistungen zur Verfügung. Besuchen die Betroffenen eine Tagespflegestelle, können sie dafür das Sachleistungs-Budget des bestehenden Pflegegrades nutzen. Wenn pflegende Angehörige in den Urlaub fahren oder im Krankenhaus sind, können Betroffene für einige Tage oder Wochen vorübergehend in ein Heim ziehen. Für die Verhinderungspflege können pro Jahr bis zu 1.612 Euro zusätzlich beantragt werden. Die zeitweise Unterbringung in einer Kurzzeitpflege-Einrichtung bezuschussen die Pflegekassen mit bis zu 1.774 Euro pro Jahr.
Ambulante Pflegedienste
Statt Pflegegeld können Betroffene sogenannte Sachleistungen in Form von ambulanter Pflege in Anspruch nehmen. Ambulante Pflegedienste erbringen dabei eine Vielzahl von zu vereinbarenden Leistungen, die sowohl die Körperpflege als auch die Mobilisierung, die Einnahme der Medikamente und viele weitere Tätigkeiten umfassen.
Wohnraumanpassung
Unter Wohnraumanpassung versteht man Maßnahmen zur räumlichen Veränderung im häuslichen Umfeld. Hierzu zählen u.a. die Beseitigung von "Stolperfallen" und sonstigen Hindernissen z.B. Darüber hinaus kann der Einsatz bestimmter technischer Hilfen zur Sicherung von Eingangstüren, Wasserhähnen, Herd etc. für Erkrankte und ihre Angehörigen eine große Entlastung bedeuten.
Alternative Wohnformen
Manchmal ist die Pflege zu Hause nur eine bestimmte Zeit lang oder gar nicht möglich. Nach Jahren der häuslichen Pflege sind Angehörige oft am Ende ihrer Kraft und können die Pflege nicht mehr leisten. Dann ist es besonders wichtig, ein Heim zu finden, in dem sich Pflegebedürftige und besuchende Angehörige gleichermaßen wohlfühlen. Unabhängige Beratungsstellen und Checklisten helfen dabei, die richtige Entscheidung zu treffen. Ein Pflegeheim bedeutet nicht, sich nicht mehr um seinen Angehörigen zu kümmern. Viele vergessen, dass ein Pflegeheim auch bedeuten kann, mehr Zeit für den Erkrankten zu haben. Mehr qualitative Zeit mit ihm zu verbringen, ohne sich um Pflege und Versorgung sorgen zu müssen.
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Tipps für den Alltag mit Menschen mit Demenz
- Information und Verständnis: Informieren Sie sich umfassend über die Erkrankung und ihre Folgen. Entwickeln Sie ein Verständnis dafür, wie sich Menschen mit Demenz fühlen.
- Selbstständigkeit und Autonomie: Achten Sie darauf, den Betroffenen so viel Selbstständigkeit und Autonomie wie möglich zu überlassen. Beteiligen Sie sie an Gesprächen, an der Familie, im Haushalt.
- Gefahren im Alltag: Achten Sie auf Gefahrenquellen im Alltag, wie rutschende Teppiche oder Gegenstände, die im Weg stehen könnten.
- Vermeiden Sie Hektik: Vermeiden Sie Situationen, die hektisch werden können. Sorgen Sie für Ruhe und Struktur im Alltag.
- Gedächtnistraining: Vermeiden Sie vermeintliches „Gehirntraining“ durch regelmäßiges Abfragen. Halten Sie biografische Erinnerungen des Menschen mit Demenz lebendig.
- Kommunikation: Sprechen Sie langsam und deutlich, verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe. Achten Sie auf Gesten, Körpersprache und Mimik.
- Umgang mit schwierigen Situationen: Versuchen Sie, gelassen zu bleiben und die betroffene Person zu beruhigen. Finden Sie die Anlässe für aggressives Verhalten heraus und beseitigen Sie diese, wenn möglich. Ablenkung kann eine sinnvolle Strategie sein.
- Musik: Nutzen Sie die Lieblingsmusik der Betroffenen, um Erinnerungen zu wecken und Gespräche anzuregen.
- Annehmen und Akzeptieren: Nehmen Sie die betroffene Person so an, wie sie ist, und akzeptieren Sie, was sie tatsächlich leisten kann.
Selbstfürsorge für Angehörige
Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz ist eine enorm beanspruchende Aufgabe - und oft überfordernd, wenn noch andere Pflichten bestehen, man einen Job oder eigene Kinder hat. Deswegen ist es sehr wichtig, als Angehöriger auch auf sich selbst zu achten und selbstfürsorglich dafür zu sorgen, nicht in so eine Überbeanspruchung zu geraten. Ansonsten kann die Pflege langfristig nicht geleistet werden, weil die eigene Gesundheit darunter leidet. Das bedeutet: Holen Sie sich Hilfe, allein können Sie das nicht schaffen. Bauen Sie genügend Pausen und Erholungsphasen ein, entpflichten Sie sich von bestimmten Aufgaben. Planen Sie systematisch: Wer kann wo unterstützen - familiär sowie professionell?
Alarmzeichen einer Überforderung
Typische Indikatoren für Überforderung sind Schlafstörungen und anhaltende Erschöpfung. Es ist wichtig, wieder auf sich selbst zu schauen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und ernst zu nehmen. Die Devise lautet: So viel Unterstützung wie nötig, so früh wie möglich.
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