Die Auswirkungen des Lesens auf das Gehirn: Eine umfassende Analyse

Lesen ist eine fundamentale Fähigkeit, die uns von frühester Kindheit an vermittelt wird. Es ist der Schlüssel zur Welt, der uns Wissen, Empathie und eine verbesserte Lebensqualität eröffnet. Doch was genau bewirkt das Lesen in unserem Gehirn? Und warum ist es so wichtig, diese Fähigkeit ein Leben lang zu pflegen? Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Auswirkungen des Lesens auf unser Gehirn und unsere Gesundheit.

Die Bedeutung des Lesens: Mehr als nur eine schulische Fähigkeit

Lesen ist weit mehr als nur eine Fähigkeit, die in der Schule erlernt wird. Es ist ein Werkzeug, das uns hilft, Wissen zu erwerben, unsere Vorstellungskraft anzuregen und unsere emotionale Intelligenz zu entwickeln. Wer liest, hat einen klaren Vorteil, nicht nur in der Schule, sondern auch im späteren Leben.

Lesen als Schlüssel zur Bildung und zum Wissen

„Je schneller man einen Text erfassen kann, desto schneller kann ich mir Wissen aneignen“, so die Entwicklungspsychologin Prof. Claudia Friedrich von der Universität Tübingen. Gute Lesende haben ein besseres verbales Kurzzeitgedächtnis, nehmen Kategorien schneller wahr, benennen Bilder, Farben und Symbole schnell und können besser vorhersagen, wie ein gesprochener Satz weitergehen könnte.

Der "Million Word Gap": Ein entscheidender Vorteil

Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, verfügen später über einen deutlich größeren Wortschatz als Kinder, bei denen dies nicht der Fall ist. Dieser sogenannte „Million Word Gap“ ist ein signifikanter Unterschied, der so schnell nicht wieder aufgeholt werden kann.

Lesen als Training für das Gehirn

„Es ist zwar nicht so, dass unser Gehirn evolutionär auf das Lesen programmiert ist, dafür ist diese Fähigkeit noch viel zu neu. Aber natürlich ist das wie das Trainieren eines Muskels, wenn man viel liest“, erklärt Prof. Friedrich. Wer liest, trainiert sein Sprachenzentrum und verbessert seine Fähigkeit, Texte schnell zu erfassen.

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Was passiert im Gehirn beim Lesen?

Beim Lesen werden verschiedene Bereiche des Gehirns aktiviert und miteinander vernetzt. Es gibt kein eigenes Areal für das Lesen, aber es spielt sich alles rund um unser Sprachenzentrum ab. Wer liest, trainiert dieses Zentrum. Das Lesen läuft fast auf einer Metaebene ab, wir brauchen häufig nur den ersten und den letzten Buchstaben, um ein Wort zu erfassen. Außerdem schauen unsere Augen immer schon voraus, was als nächstes kommt. Das sind hochkomplexe Prozesse, die bewusst trainiert werden können: Wer viel liest, liest schneller. Und je früher man es erlernt, desto besser.

Neuronale Verbindungen und die Großhirnrinde

Das Max-Planck-Institut hat herausgefunden, dass Lesen die neuronalen Verbindungen im Gehirn verstärkt, vor allem in Bereichen wie der Großhirnrinde und der Verbindung zwischen Sehrinde und Thalamus. Durch regelmäßiges Lesen wird das Gehirn effektiv trainiert, was die Merkfähigkeit und Abrufgeschwindigkeit von Informationen steigert.

Tiefe Lesen und Empathie

Die Lektüre von Büchern mit mehreren Kapiteln fördert das „tiefe Lesen“. Im Gegensatz zum Überfliegen einer Zeitungsseite mit Schlagzeilen muss das Gehirn beim Lesen eines Buches kritisch denken und Bezüge von einem Kapitel zum nächsten sowie zur realen Welt herstellen. Dabei werden neue Verbindungen zwischen Regionen in allen vier Hirnlappen und beiden Hirnhälften angelegt. Das Lesen von Büchern, insbesondere von Belletristik, steigert Empathie und emotionale Intelligenz.

Die Vorteile des Lesens für das Gehirn

Lesen hat zahlreiche positive Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Gesundheit. Es verbessert unsere kognitiven Fähigkeiten, reduziert Stress und kann sogar unsere Lebenserwartung erhöhen.

Steigerung der kognitiven Fähigkeiten

Lesen verbessert den Wortschatz, die Rechtschreibung, die Ausdrucksfähigkeit und das Allgemeinwissen. Leseratten haben eine größere verbale Intelligenz. Die einzelnen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig und erhöhen so insgesamt die kognitiven Fähigkeiten. Lesen sorgt also tatsächlich dafür, dass das Gehirn besser arbeitet.

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Stressabbau und Entspannung

Einer Studie an der University of Sussex zufolge kann das Lesen von Büchern den aktuellen Stresspegel um bis zu 68 Prozent senken. Beim Lesen entspannen sich die Muskeln und die Atmung verlangsamt sich. Außerdem gönnt man seinen Augen eine Pause vom grellen Licht digitaler Geräte, wenn man ein traditionelles Buch aus Papier liest.

Demenz-Prävention

Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmäßiges Bücherlesen wahrscheinlich dazu beitragen kann, das Risiko für eine Demenz zu senken. Forschende stellten fest, dass die Erkrankungsrate bei intellektuell aktiven Menschen geringer war. Normalerweise nimmt die Leistung des Gehirns im Alter ab. Es kann Informationen schlechter aufnehmen, der aktive Wortschatz sinkt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben jedoch nachgewiesen, dass es möglich ist, durch häufiges Lesen von Zeitschriften und Büchern zumindest einen Teil dieser Alterserscheinungen bei den verbalen Fähigkeiten zu kompensieren.

Erhöhung der Lebenserwartung

Eine US-amerikanische Studie mit 3.635 Teilnehmenden über 12 Jahre hinweg hat ermittelt, dass eifrige Leser und Leserinnen von Büchern im Durchschnitt 23 Monate länger leben als Personen, die keine Bücher lesen.

Lesen vs. andere Medien: Warum Bücher besser sind

Informationen und spannende Geschichten kann auch das Fernsehen vermitteln. Warum ist es trotzdem besser, mehr zu lesen? Während regelmäßiges Lesen Demenz womöglich vorbeugen kann, fördert Fernsehen die Gehirntätigkeit anscheinend nicht im positiven Sinne - im Gegenteil. Bei einer Langzeitstudie haben Forschende Hinweise darauf gefunden, dass intensiver Fernsehkonsum von mehr als vier Stunden täglich das Risiko für eine Demenz erhöhen könnte, weil es vermutlich dazu beiträgt, dass Gehirnzellen früher absterben.

Die Rolle des Fernsehens

Fernsehen kann unter Umständen die Gehirntätigkeit nicht im positiven Sinne fördern, während Lesen nachweislich die kognitiven Fähigkeiten steigert.

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Tipps zur Förderung des Lesens

Wie können wir uns selbst und andere zum Lesen motivieren? Hier sind einige Tipps:

Motivationstipps für Erwachsene

  • Finden Sie Bücher zu Themen, die Sie wirklich interessieren.
  • Wenn Sie merken, dass ein Buch Sie gar nicht fesselt oder das Lesen sehr schwerfällt, legen Sie es beiseite und suchen Sie sich ein Neues.
  • Versuchen Sie, Lesen regelmäßig in Ihren Alltag einzubauen und so zur Gewohnheit zu machen - zum Beispiel, indem Sie jeden Tag 20 Minuten vor dem Einschlafen lesen.
  • Legen Sie Ihr Smartphone am besten in einen anderen Raum, wenn Sie sich zum Lesen hinsetzen. So vermeiden Sie Ablenkung.

Motivationstipps für Kinder und Eltern

  • Beginnen Sie mit kleinen Schritten.
  • Verbinden Sie Lesen mit einem Ritual.
  • Setzen Sie kleine Ziele und machen Sie Ihr Kind auf Fortschritte aufmerksam.
  • Passen Sie den richtigen Zeitpunkt fürs Lesen ab.

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