Bandscheiben sind essenzielle Stoßdämpfer unserer Wirbelsäule, die ihre Flexibilität ermöglichen. Durch verschiedene Faktoren wie einseitige Belastungen, altersbedingten Verschleiß oder Verletzungen können sich die Bandscheiben jedoch verändern und es kann zu einem Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) kommen. Dabei verrutscht der Gallertkern der Bandscheibe und kann im schlimmsten Fall auf die Nervenwurzeln oder das Rückenmark drücken.
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Ein Bandscheibenvorfall entsteht, wenn die weiche, gallertartige Substanz im Inneren einer Bandscheibe aus dem äußeren Faserring austritt. Bandscheiben sind die flexiblen Kissen zwischen den Wirbeln der Wirbelsäule, die als Stoßdämpfer dienen. Der äußere Faserring einer Bandscheibe kann durch Verschleiß, Verletzungen oder Überlastung geschwächt werden. Dadurch kann der innere Kern, auch Nucleus pulposus genannt, durch kleine Risse oder Lücken nach außen treten. Diesen Vorgang nennt man Bandscheibenvorfall.
Ursachen und Risikofaktoren
Ein Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) kann verschiedene Ursachen haben, wobei verschleißbedingte (degenerative) Prozesse die häufigste Rolle spielen. Nur selten ist ein Unfall (Trauma) direkt für einen Bandscheibenvorfall verantwortlich. Neben dem natürlichen Alterungsprozess gibt es weitere Risikofaktoren, die einen Bandscheibenvorfall begünstigen können:
- Übergewicht: Zusätzliches Gewicht belastet die Wirbelsäule und Bandscheiben.
- Bewegungsmangel: Mangelnde Bewegung beeinträchtigt die Nährstoffversorgung der Bandscheiben.
- Schwache Bauch- und Rückenmuskulatur: Eine unzureichende Muskulatur kann die Wirbelsäule nicht ausreichend stützen.
- Langes Sitzen: Langes Sitzen führt zu einseitiger Belastung der Bandscheiben.
- Fehl- oder Überbelastungen der Wirbelsäule: Falsches Heben schwerer Gegenstände oder Arbeiten in gebeugter Haltung können die Bandscheiben schädigen.
- Verletzungen: Unfälle können zu Bandscheibenvorfällen führen.
- Haltungsfehler und Fehlstellungen der Wirbelsäule
Bereits ab etwa dem 20. Lebensjahr werden unsere Bandscheiben zusehends schlechter mit Nährstoffen versorgt und der äußere Faserring (Anulus fibrosus) bildet immer mehr kleine Risse. Damit wird die Hülle anfälliger für Verletzungen. Der Gallertkern der Bandscheibe (Nucleus pulposus) dringt bei Belastung in die feinen Risse des Faserrings ein. Hierdurch kann es zu einer Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) bis hin zu einem kompletten Riss (Ruptur) des Faserrings kommen.
Symptome eines Bandscheibenvorfalls
Ob und welche Beschwerden bei einem Bandscheibenvorfall auftreten, hängt davon ab, auf welcher Höhe der Bandscheibenvorfall liegt und ob Nervenstrukturen beteiligt sind. Ein Bandscheibenvorfall kann sich verschiedenartig äußern, abhängig von der genauen Lage des Vorfalls. Nicht jeder Bandscheibenvorfall geht mit Symptomen einher. Beschwerden entstehen erst, wenn die Bandscheibe auf eine Nervenwurzel (Radikulopathie), das Rückenmark oder eine benachbarte Nervenfaser drückt.
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- Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich (LWS): Dies ist die häufigste Form. Es kann zu Schmerzen kommen, die in das Bein und den Fuß ausstrahlen (Ischiasschmerzen). Taubheitsgefühle im Rücken, die bis ins Gesäß, das Bein oder in den Fuß ausstrahlen bzw. Schmerzen im Lendenwirbel- bzw. Kraftausfälle, wie z. B.
- Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS): Es können Schmerzen auftreten, die in den Nacken und die Arme ausstrahlen. Ist das Rückenmark mitbetroffen, kann es neben Nackenschmerzen zu Gefühlsstörungen in Armen und Händen mit Kribbeln, Taubheitsgefühl bis hin zu Muskelschwächen oder Lähmungserscheinungen kommen. Auch Durchblutungsstörungen der Arme und Hände, Schwindel, Ohrgeräusche oder ein Druckgefühl in den Ohren können auftreten. Ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS) strahlt in Kopf, Nacken, Schultern und Arme aus.
- Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS): Diese sind selten. Es können dann örtlich begrenzte Rückenschmerzen auftreten, die meist nicht ausstrahlen. Es kommt zu Schmerzen entlang der Rippe. Lähmungen sind nicht zu erwarten. Ein Bandscheibenvorfall der Brustwirbelsäule ist im Vergleich zur Hals- oder Lendenwirbelsäule eher selten und geht häufig mit einer Blockade der kleinen Wirbelgelenke einher. Die Schmerzen sind lokal auf die Brustwirbelsäule beschränkt oder strahlen im Rippenverlauf gürtelförmig aus.
Weitere mögliche Symptome:
- Intensive Schmerzen im Bein oder den Armen
- Gefühlsstörungen ("Ameisenlaufen", Kribbeln, Taubheit)
- Blasen- und Darmentleerungsstörungen
- Lähmungen
- Gangstörungen und andere schwerwiegende neurologische Funktionsstörungen treten dann auf, wenn durch den Bandscheibenvorfall das Rückenmark bedrängt wird (Myelopathie).
Wichtig: Suchen Sie umgehend ärztlichen Rat, wenn:
- Die Schmerzen stark und andauernd sind
- Die Schmerzen in das Bein oder den Arm ausstrahlen
- Sie Empfindungsstörungen an Gesäß oder Oberschenkeln haben
- Schwäche in den Beinen oder Lähmungen auftreten
- Es zu Funktionsstörungen von Blase oder Darm kommt (z. B. Harn- oder Stuhlinkontinenz)
In diesem Fall kann es sich um das "Kaudasyndrom" handeln, das einen medizinischen Notfall darstellt, der schnellstmöglich behandelt werden muss.
Diagnose
Meist ergibt sich der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall schon bei der Beschreibung der typischen Beschwerden. Wesentlich für die Diagnosestellung sind zudem die Krankengeschichte, eine ausführliche körperliche Untersuchung sowie die Ergebnisse von bildgebenden Verfahren. Die Diagnose besteht in der Regel aus drei Teilen: dem Vorgespräch, der sogenannten Anamnese, einer körperlichen Untersuchung sowie zuletzt einem bildgebenden Verfahren.
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und die genauen Beschwerden des Patienten.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt prüft die Sensibilität, Muskelkraft und Reflexe, um den Ort des Bandscheibenvorfalls einzugrenzen.
- Bildgebende Verfahren: Für die Diagnose Bandscheibenvorfall sind bildgebende Verfahren wie eine Computer- oder Magnetresonanztomografie (CT oder MRT) selten notwendig. Diese Verfahren werden nur dann eingesetzt, wenn die Beschwerden ungewöhnlich stark oder lang anhaltend sind, um andere Ursachen auszuschließen. Durch diese Untersuchungen können der genaue Ort des Bandscheibenvorfalls und der Grad der Nervenkompression bestimmt werden.
Behandlung
Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls hängt von der Schwere der Symptome ab. Ein wichtiger Baustein in der Behandlung von akuten Bandscheibenvorfällen in der Lendenwirbelsäule sind schmerzlindernde Medikamente. Sie helfen dabei, aus der Schonhaltung herauszufinden und wieder in Bewegung zu kommen. Häufig heilt ein Bandscheibenvorfall mit konservativer Behandlung aus, z.B. Medikation, Physiotherapie, körperlicher Schonung und CT-gesteuerte Schmerztherapie. In vielen Fällen können konservative Maßnahmen wie Schmerzmedikation, Physiotherapie, Rückenübungen und Ruhe helfen, die Beschwerden zu lindern und den Heilungsprozess zu unterstützen.
Konservative Behandlung
Meist klingen die Beschwerden nach einem Bandscheibenvorfall im Zeitraum von etwa 6 Wochen von selbst wieder ab. Die Schmerzen können während dieser Zeit durch entsprechende Medikamente gelindert werden. Beschwerden, die länger als 6 Wochen andauern, bleiben allerdings meist bestehen. Dann müssen andere therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Die konservative (nicht-operative) Therapie eines Bandscheibenvorfalls besteht aus schmerzlindernden Maßnahmen und aus Schonung für wenige Tage, eventuell in Kombination mit einer Stufenbettlagerung, um die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Dabei liegt der oder die Betroffene mehrmals täglich auf dem Rücken und platziert die Beine im rechten Winkel auf einem Polster oder ähnlichem.
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- Schmerzmittel: Gängige Schmerzmittel, die nach einem Bandscheibenvorfall in der LWS verschrieben werden, sind nichtsteroidale entzündungshemmende Antirheumatika (NSAR), z. B. Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac, und Muskelrelaxanzien. Bei stärkeren Schmerzen werden Opioide verabreicht. Bei Nervenreizungen können Antiepileptika (auch: Antikonvulsiva) wie Gabapentin und Pregabalin und bei chronischen Schmerzen Antidepressiva wie Amitriptylin und Duloxetin eingesetzt werden. Auch lokal angewandte Arzneimittel wie Schmerzgele und Schmerzsalben können Nebenwirkungen auslösen.
- Wärmeanwendungen: Wärmeanwendungen in Form von Wärmekissen, Rotlicht, Fango- oder Moorpackungen sind hilfreich, um schmerzbedingte Muskelverspannungen zu lösen.
- Physiotherapie: Lassen Sie sich von einem Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin spezielle bandscheibenfreundliche Übungen zeigen, die Rücken- und Bauchmuskulatur stärken. Diese Übungen sollten Sie anschließend regelmäßig selbst durchführen (z. B. mithilfe der App „Rückenschule“).
- Bewegung: Schonung heißt jedoch nicht Bettruhe, denn Bewegung ist wesentlicher Bestandteil der Therapie. Um sich zu regenerieren, brauchen die Bandscheiben sowohl Ruhe als auch Bewegung. Bei Bewegung verlieren die Bandscheiben Flüssigkeit. Bei Ruhe nehmen sie wie ein Schwamm Wasser und Nährstoffe aus dem umgebenden Gewebe auf. Suchen Sie sich eine Sportart, die Ihnen guttut. Als bandscheiben-freundliche Sportarten gelten Ausdauer-Sportarten wie Nordic Walking, Rückenschwimmen, Kraulschwimmen, Skilanglauf und Tanzen. Weniger gut geeignet sind Sportarten, die zu Stauchungen oder abrupten Drehbewegungen der Wirbelsäule führen, wie zum Beispiel Tennis, Squash, Skiabfahrt, Turnen, Kegeln, Bodybuilding oder Gewichtheben.
- CT-gesteuerte Schmerztherapie: Die CT-gesteuerte Schmerztherapie ist ein sehr wichtiges, sehr risikoarmes und zugleich einfaches „Tool“ für den Neurochirurgen Schmerzen ausgehend von der Wirbelsäule zu behandeln. Es werden dabei ComputerTomographisch-gesteuert Spritzen an die veränderten Stellen an der Wirbelsäule gesetzt, z.B. an die kleinen Wirbelgelenke zur Behandlung von Rückenschmerzen. Es wird Cortison und Lokalanästhetikum gespritzt. Eine lokale Betäubung oder gar eine Narkose ist nicht erforderlich. Die CT-gesteuerte Schmerztherapie kann die Ursache der Schmerzen lokalisieren und gleichzeitig deren Linderung auslösen.
Operative Behandlung
In einigen wenigen Fällen muss gegebenenfalls auch eine Operation in Betracht gezogen werden. Eine Operation kann notwendig werden, wenn konservative, also nicht-operative Methoden nicht ausreichen oder bei Vorliegen des sogenannten „Kaudasyndroms“. Im Falle einer Operation werden heutzutage meist mikrochirurgische Verfahren eingesetzt. Dabei werden die Teile des Gallertkerns und der Bandscheiben entfernt, die auf das Rückenmark drücken.
- Mikrochirurgische Diskektomie: Bei der mikroneurochirurgischen Operation wird unter Vollnarkose das Bandscheibengewebe entfernt, das auf das Rückenmark bzw. die Nervenstränge drückt. Dafür ist ein kleiner Schnitt von zwei bis maximal vier Zentimetern Länge notwendig.
- Sequestrotomie (Entfernung der hervorgetretenen Bandscheibe): Bei der Sequestrotomie - im Sprachgebrauch häufig auch als partielle Diskektomie bezeichnet - entfernen wir nur den in den Wirbelkanal hervorgetretenen Teil der Bandscheibe - der Rest der Bandscheibe bleibt erhalten. Das am häufigsten verwendete Verfahren ist hierbei die mikrochirurgische Sequestrektomie, welche das Standardverfahren bei einem Bandscheibenvorfall LWS (Lendenwirbelsäule) darstellt.
- Diskektomie: Bei der Diskektomie wird die gesamte beschädigte Bandscheibe entfernt und durch ein Bandscheibenimplantat ersetzt. In der Regel entscheiden wir uns dabei für eine mikrochirurgische Diskektomie mit navigierter Unterstützung. Nach der Entfernung der beschädigten Bandscheibe füllen wir das Wirbelfach mit einer Ersatz-Bandscheibe, welche die Funktion der entfernten Bandscheibe im weitesten Sinne übernimmt.
Wichtig: Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist in fast allen Fällen kein Einbringen von Material in den Bandscheibenraum notwendig. Im Bereich der Halswirbel setzen wir - je nach Wunsch des Patienten - ein Titan- bzw. Kunststoffplättchen ein.
Rehabilitation
Essenziell sind anschließende Rehabilitationsmaßnahmen, um die Stützmuskulatur des Rückens zu trainieren. Auch nach einer operativen Behandlung des Bandscheibenvorfalls sollte eine aktive Weiterbehandlung erfolgen. Dabei absolvieren Sie ein gezieltes Training der Bauch- und Rückenmuskulatur und erhalten physiotherapeutische Behandlung. Damit verbessern Sie die Ernährung und Versorgung Ihrer Bandscheibe und übrigens auch Ihres gesamten Körpers.
Vorbeugung
Durch regelmäßige Bewegung können Sie viel dazu beitragen, einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Gleichzeitig sollten Sie einseitige und zu starke Belastungen vermeiden. Einem Bandscheibenvorfall können Sie mit verschiedenen Maßnahmen effektiv vorbeugen.
- Übergewicht abbauen: Übergewicht ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor, wenn es um das Vorbeugen eines Diskusprolaps geht. Das überschüssige Gewicht strapaziert Rücken und Wirbelkörper zusätzlich.
- Aktivitätslevel erhöhen: Ein aktiver Lebensstil ist für gesunde Bandscheiben essenziell. Durch das aktive Stimulieren der Rückenmuskulatur wird die Wirbelsäule besser mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
- Muskulatur aufbauen: Eine gut ausgebaute Rückenmuskulatur ist erwiesenermaßen eine der besten Maßnahmen, um einer Diskushernie vorzubeugen.
- Körperhaltung verbessern: Achten Sie auf Ihre Körperhaltung und stellen Sie, wenn nötig, den Sitz im Vergleich zum Lenker oder Lenkrad etwas niedriger ein.
- Ergonomischer Arbeitsplatz: Verbringen Sie täglich viele Stunden am Schreibtisch? Dann achten Sie auf eine ergonomische Einrichtung Ihres Arbeitsplatzes.
- Gesunder Schlaf: Häufig unterschätzt ist ebenfalls eine gute Matratze.
- Vermeiden Sie Fehlbelastungen: Heben Sie schwere Gegenstände aus den Knien heraus und vermeiden Sie langes Sitzen in gebeugter Haltung.
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