Ein Bandscheibenvorfall kann zu einem eingeklemmten Nerv führen und erhebliche Beschwerden verursachen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten eines Bandscheibenvorfalls mit besonderem Fokus auf die resultierenden Nervenkompressionen.
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Ein Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) tritt auf, wenn der zähe Faserknorpel der Bandscheibe reißt und der gallertartige Kern in den Wirbelkanal austritt. Die Bandscheiben dienen als Puffer zwischen den Wirbelkörpern und ermöglichen die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Insgesamt 23 Bandscheiben federn die Bewegungen der Wirbelkörper ab und verteilen den Druck gleichmäßig auf die Wirbelsäule.
Anatomie der Bandscheibe
Jede Bandscheibe besteht aus einem elastischen Gallertkern (Nucleus pulposus) mit hohem Wassergehalt, der von einem knorpeligen, aber elastischen Faserring (Anulus fibrosus) aus Kollagen fest umschlossen ist. Die Bandscheibe ist etwa 1,2 Zentimeter hoch und liegt zwischen den knöchernen Wirbelkörpern. Sie federt Stöße ab und ermöglicht als Gleitschicht die Beweglichkeit der Wirbelsäule.
Der Gallertkern enthält Knorpelzellen (Chondrozyten) und ist für die Pufferfunktion verantwortlich. Da die Bandscheiben nicht durchblutet sind, erfolgt ihre Ernährung und Stoffwechsel über einen passiven Flüssigkeitsaustausch mit der Umgebung. Durch Bewegung und Kompression wird ein Flüssigkeitsstrom ausgelöst, der die Bandscheibe mit Nährstoffen versorgt.
Ursachen für einen Bandscheibenvorfall
Die Ursachen eines Bandscheibenvorfalls liegen meist in verschleißbedingten (degenerativen) Prozessen. Nur selten ist ein Unfall (Trauma) verantwortlich. Bereits ab etwa dem 20. Lebensjahr werden die Bandscheiben schlechter mit Nährstoffen versorgt, und der äußere Faserring bildet immer mehr kleine Risse. Dadurch wird die Hülle anfälliger für Verletzungen.
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Bandscheibendegeneration
Die Bandscheibendegeneration ist ein Rückgang der normalen Bandscheibenfunktion, meist aufgrund einer Störung im Stoffwechsel. Eine Degeneration der Bandscheibe betrifft bereits 30 Prozent der 30- bis 35-Jährigen, wobei die meisten in diesem Alter noch beschwerdefrei sind.
Stadien der Degeneration
- Intakte Bandscheibe: Der flüssige Bandscheibenkern (Nucleus pulposus) ist von dem zähen Anulus fibrosus umgeben.
- Bandscheibenprotrusion: Die zähe Bandscheibenhülle gibt unter dem Druck des Gallertkernes nach, und die Bandscheibe wölbt sich vor.
- Bandscheibenvorfall: Das gallertartige Innere der Bandscheibe tritt nach außen.
- Sequester: Der Nucleus pulposus hat sich vollständig aus dem Inneren der Bandscheibe gelöst.
Risikofaktoren
- Alterung: Mit zunehmendem Alter verlieren die Bandscheiben Wasser und Elastizität.
- Bewegungsmangel: Mangelnde Bewegung beeinträchtigt die Nährstoffversorgung der Bandscheiben.
- Fehlbelastung: Haltungsfehler und Fehlstellungen der Wirbelsäule können die Bandscheiben schädigen.
- Übergewicht: Übergewicht erhöht die Belastung der Wirbelsäule.
- Rauchen: Nikotin beeinträchtigt die Versorgung der Bandscheiben mit Nährstoffen.
- Schwere körperliche Arbeit: Anhaltende schwere körperliche Arbeit kann Verschleißerscheinungen hervorrufen.
Lokalisation des Bandscheibenvorfalls
- Lendenwirbelsäule (LWS): Bei etwa 9 von 10 Betroffenen tritt der Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule auf.
- Halswirbelsäule (HWS): Bei jedem 10. Patienten ist die Halswirbelsäule betroffen (zervikaler Diskusprolaps).
- Brustwirbelsäule (BWS): Sehr selten tritt ein Bandscheibenvorfall in Höhe der Brustwirbelsäule auf.
Symptome eines Bandscheibenvorfalls
Nicht jeder Bandscheibenvorfall geht mit Symptomen einher. Beschwerden entstehen erst, wenn die Bandscheibe auf eine Nervenwurzel (Radikulopathie), das Rückenmark oder eine benachbarte Nervenfaser drückt.
Allgemeine Symptome
- Schmerzen: Typische Beschwerden sind Schmerzen im Kreuz, die oft in ein Bein ausstrahlen und durch Husten oder Niesen verstärkt werden. Seltener treten Schmerzen in beiden Beinen auf.
- Empfindungsstörungen: Häufig geht dem Schmerz ein Kribbeln oder ein unangenehmes Gefühl von Ameisenlaufen voraus.
- Muskelschwäche: Wenn die Nervenwurzel stärker eingeklemmt ist, kann dies zu einem Verlust von Gefühl oder Kraft im Bein oder Fuß führen.
- Lähmungen: In schweren Fällen können Lähmungserscheinungen auftreten.
- Fehlhaltung: Die Schmerzen können so intensiv sein, dass sie zu einer Fehlhaltung des Körpers und zu Hinken führen.
Symptome je nach Lokalisation
- Halswirbelsäule (HWS): Ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule strahlt in Kopf, Nacken, Schultern und Arme aus. Ist das Rückenmark mitbetroffen, kann es neben Nackenschmerzen zu Gefühlsstörungen in Armen und Händen mit Kribbeln, Taubheitsgefühl bis hin zu Muskelschwächen oder Lähmungserscheinungen kommen. Auch Durchblutungsstörungen der Arme und Hände, Schwindel, Ohrgeräusche oder ein Druckgefühl in den Ohren können auftreten.
- Brustwirbelsäule (BWS): Ein Bandscheibenvorfall der Brustwirbelsäule ist im Vergleich zur Hals- oder Lendenwirbelsäule eher selten und geht häufig mit einer Blockade der kleinen Wirbelgelenke einher. Die Schmerzen sind lokal auf die Brustwirbelsäule beschränkt oder strahlen im Rippenverlauf gürtelförmig aus.
- Lendenwirbelsäule (LWS): Bei einem LWS-Bandscheibenvorfall treten typischerweise stechende Schmerzen auf, die auf den Rücken begrenzt sein können oder bis in die Beine und Füße ausstrahlen. Die Patienten nehmen Schonhaltungen ein und vermeiden starkes Pressen oder Husten, wodurch der Schmerz häufig noch verstärkt wird. Ist das Rückenmark tangiert, können auch hier Kribbeln, Taubheitsgefühle und Muskelschwächen bis hin zu Lähmungserscheinungen in den Beinen auftreten. Auch die Schließmuskulatur von Blase und Darm kann betroffen sein. Die drastischste Folge einer Bandscheibenruptur ist das Cauda-equina-Syndrom.
Cauda-equina-Syndrom
Die Cauda equina ("Pferdeschweif") ist ein Bündel von Nervenwurzeln, die zwischen dem Lendenwirbelsegment L1 und dem Kreuzbein im Wirbelkanal verlaufen. Eine massive Quetschung der Cauda equina durch einen Bandscheibenvorfall gilt als medizinischer Notfall und erfordert eine operative Dekompression innerhalb der nächsten 72 Stunden. Das Querschnittssyndrom führt zu schlaffen Lähmungen der unteren Extremitäten. Meist leiden Betroffene auch unter Sensibilitätsstörungen in den versorgten Bereichen. Taubheit und Kribbeln sind die Folge.
Warnsignale (Red flags)
Es gibt Warnsignale (Red flags), die Sie nicht ignorieren dürfen!
- Höhergradige Lähmungserscheinungen
- Blasen- oder Mastdarmstörung
- Taubheitsgefühl der Innenseite der Oberschenkel und im Bereich des Anus
Diagnose eines Bandscheibenvorfalls
Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls umfasst eine Anamnese, körperliche Untersuchung und bildgebende Verfahren.
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Anamnese
Der Arzt erfragt die medizinische Vorgeschichte und die aktuellen Beschwerden. Wichtige Fragen sind:
- Wo treten die Schmerzen auf?
- Strahlen die Schmerzen aus?
- Gibt es Empfindungsstörungen oder Muskelschwächen?
- Bestehen Probleme mit der Blasen- oder Darmfunktion?
Körperliche Untersuchung
Der Arzt untersucht die Beweglichkeit der Wirbelsäule, prüft die Reflexe und testet die Sensibilität. Durch Abtasten und Prüfen der Bewegungsfähigkeit kann der Arzt feststellen, welche Behandlung infrage kommt.
Bildgebende Verfahren
- Röntgen: Das Röntgenbild kann eine um mehr als 50 % kollabierte Bandscheibe mit sehr geringem Flüssigkeitsanteil darstellen. Es dient auch dazu, andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.
- Magnetresonanztomografie (MRT): Die MRT ist dasStandardverfahren zur Darstellung von Bandscheibenvorfällen. Sie zeigt das hervorgetretene Bandscheibengewebe und dessen Druck auf den Duralsack (der das Rückenmark enthält).
- Computertomografie (CT): Die CT kann ebenfalls zur Darstellung von Bandscheibenvorfällen eingesetzt werden, ist aber weniger aussagekräftig als die MRT.
Behandlung eines Bandscheibenvorfalls
Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls richtet sich nach der Schwere der Symptome und dem Ausmaß der Nervenkompression. In vielen Fällen können konservative Maßnahmen die Beschwerden lindern. In schweren Fällen kann eine Operation erforderlich sein.
Konservative Behandlung
Die konservative Behandlung zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern, die Entzündung zu reduzieren und die Beweglichkeit wiederherzustellen.
- Schmerzmittel: Zur Schmerzlinderung werden häufig nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac eingesetzt. Bei starken Schmerzen können Opioide erforderlich sein.
- Muskelrelaxantien: Muskelrelaxantien können helfen, Muskelverspannungen zu lösen.
- Kortikoide: Kortikoide wirken entzündungshemmend und können die Schmerzen reduzieren.
- Physiotherapie: Die Physiotherapie umfasst Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur, Verbesserung der Beweglichkeit und Korrektur von Fehlhaltungen.
- Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme kann bei verspannten Muskeln guttun, während Kälte bei Nervenreizungen eingesetzt wird.
- Injektionen: Bei starken Schmerzen können Lokalanästhetika oder Kortikoide direkt an die betroffene Nervenwurzel gespritzt werden (periradikuläre Therapie, PRT).
Operative Behandlung
Eine Operation wird in der Regel nur dann in Erwägung gezogen, wenn die konservativen Maßnahmen nicht ausreichend helfen oder wenn neurologische Ausfälle wie Lähmungen oder Blasen- und Darmstörungen auftreten.
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Indikationen für eine Operation
- Starke Schmerzen, die trotz konservativer Behandlung nicht besser werden
- Neurologische Ausfälle wie Lähmungen oder Blasen- und Darmstörungen
- Cauda-equina-Syndrom
Operationsmethoden
- Mikrodiskektomie: Bei der Mikrodiskektomie wird der vorgewölbte Teil der Bandscheibe mikrochirurgisch entfernt.
- Endoskopische Diskektomie: Bei der endoskopischen Diskektomie wird der Bandscheibenvorfall minimalinvasiv mit einem Endoskop entfernt.
- Offene Diskektomie: Bei der offenen Diskektomie wird der Bandscheibenvorfall durch einen Hautschnitt freigelegt und entfernt.
Nachbehandlung
Nach der Operation ist Schonung wichtig, damit die Bandscheibe heilen kann. In den ersten Wochen sollte man starke Belastungen vermeiden. Physiotherapie kann helfen, die Muskulatur zu stärken und die Beweglichkeit wiederherzustellen.
Spontane Heilung
Bandscheibenvorfälle können oft spontan heilen. Laut Fachliteratur sind die Langzeitergebnisse nach 10 Jahren mit und ohne Operation nahezu identisch. Eine Operation kann jedoch den Zeitpunkt der Verbesserung festlegen, während die natürliche Heilung Monate oder sogar Jahre dauern kann.
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