Beinschmerzen können vielfältige Ursachen haben, von harmlosen Muskelverspannungen bis hin zu ernsteren neurologischen Erkrankungen. Dieser Artikel beleuchtet die neurologischen Ursachen von Beinschmerzen, die diagnostischen Verfahren und die verschiedenen Behandlungsansätze.
Einführung
Beinschmerzen sind ein weit verbreitetes Problem, das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Während viele Fälle auf harmlose Ursachen wie Muskelkater oder Überlastung zurückzuführen sind, können in einigen Fällen neurologische Erkrankungen die Ursache sein. Es ist wichtig, die verschiedenen potenziellen Ursachen zu verstehen, um eine angemessene Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.
Neurologische Ursachen von Beinschmerzen
Neurologische Ursachen von Beinschmerzen umfassen Erkrankungen, die das Nervensystem betreffen und Schmerzen in den Beinen verursachen. Dazu gehören:
Polyneuropathie
Die Polyneuropathie ist eine neurologische Erkrankung, die die peripheren Nerven betrifft. Diese Nerven steuern Empfindungen, Muskelbewegungen und das vegetative Nervensystem. Oft leiden Diabetiker infolge dauerhaft erhöhter Blutzuckerwerte unter dieser Nervenschädigung. Die Erkrankung beginnt meist an den unteren Extremitäten, ist oft symmetrisch ausgeprägt und schreitet allmählich voran.
„Eine Polyneuropathie macht sich oft zunächst in Regionen bemerkbar, die weit weg vom Rückenmark liegen. Je größer die Distanz eines Nervs und seiner Verzweigungen vom Rückenmark ist, desto schlechter wird er im Fall der Nervenerkrankung versorgt. Erste Symptome sind daher oft ein Brennen oder schmerzhafte Missempfindungen in beiden Füßen sowie auch Taubheits- oder Pelzigkeitsgefühle. Manchmal fühlen sich die Beine geschwollen an, obwohl sie nicht verdickt sind oder Patienten spüren einen unangenehmen Druck an den Füßen, obwohl die Schuhe nicht zu eng sind“, berichtet Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN) mit Sitz in Krefeld.
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Die Beschwerden treten dabei insbesondere in Ruhe auf - zumeist nachts im Liegen. Bei Bewegung und Aktivität lassen sie oft nach. Eine diabetische Polyneuropathie entwickelt sich in den meisten Fällen sehr langsam, mit anfänglich oft sehr milden Beschwerden. Der Verlauf ist vielfach sogar so schleichend, dass die Betroffenen selbst lange nichts davon bemerken.
„Erkrankte passen ihre Wahrnehmung oft an die sich allmählich verändernde Empfindungsfähigkeit der Nerven an. Das hat zufolge, dass die diabetische Polyneuropathie eher selten im Anfangsstadium erkannt wird“, warnt Dr. Bergmann. „Besonders problematisch ist dies, wenn durch die fehlende Schmerzwahrnehmung die Patienten kleinste Wunden an den Füßen nicht bemerken. Bei der diabetischen Polyneuropathie ist eine optimale Blutzuckereinstellung der entscheidende Faktor, um der Entwicklung oder einem raschen Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken. Bei ersten Anzeichen einer Nervenschädigung sollte unbedingt zeitnah ein Nervenarzt oder Neurologe aufgesucht werden. „Können die Schmerzen frühzeitig behandelt werden, verringert sich die Gefahr einer Chronifizierung des Nervenschmerzes“, betont der niedergelassene Nervenarzt.
Viele Ursachen können eine Polyneuropathie zur Folge haben, wobei Diabetes mellitus und Alkoholismus an erster Stelle stehen. Aber auch Infektions- oder Stoffwechselkrankheiten, Mangelernährung (z.B.
Ischias
Der Ischiasnerv ist der längste Nerv im Körper und verläuft vom unteren Rücken durch das Gesäß bis in die Beine. Reizungen oder Kompressionen des Ischiasnervs können Schmerzen verursachen, die in das Bein ausstrahlen. Ein Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose oder ein ISG-Syndrom können für ausstrahlende Schmerzen ins Bein verantwortlich sein.
Neuropathische Schmerzen
Neuropathische Schmerzen sind eine Form von chronischen Schmerzen, die durch Schädigungen oder Fehlfunktionen des Nervensystems entstehen. Im Gegensatz zu anderen Schmerzarten, die durch eine akute Verletzung oder Entzündung verursacht werden, resultieren neuropathische Schmerzen aus einer Dysfunktion der Nerven selbst. Das kann aufgrund von Verletzungen, Krankheiten oder bestimmten Zuständen auftreten, die das Nervensystem betreffen.
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Ursachen neuropathischer Schmerzen:
- Diabetes: Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen für neuropathische Schmerzen, da der hohe Blutzuckerspiegel die peripheren Nerven schädigen kann. Diese Form wird als diabetische Neuropathie bezeichnet.
- Nervenverletzungen: Verletzungen, wie etwa durch Unfälle, Operationen oder Knochenschäden, können Nerven dauerhaft schädigen und neuropathische Schmerzen verursachen.
- Infektionen: Einige Infektionen wie Herpes Zoster (Gürtelrose) können nach der Abheilung lang anhaltende, brennende Schmerzen hinterlassen, bekannt als postherpetische Neuralgie.
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Rückenmarksverletzungen können neuropathische Schmerzen hervorrufen, wenn Nervenbahnen beschädigt werden.
- Tumore und Krebs: Tumore oder deren Behandlung (z. B. durch Bestrahlung oder Chemotherapie) können Nerven schädigen und neuropathische Schmerzen auslösen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann eine periphere Neuropathie verursachen und neuropathische Schmerzen hervorrufen.
- Genetische Erkrankungen: Einige genetische Störungen wie die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN) können ebenfalls neuropathische Schmerzen verursachen.
Symptome neuropathischer Schmerzen:
- Brennende oder stechende Schmerzen
- Elektrisierende Empfindungen
- Taubheit oder Kribbeln
- Überempfindlichkeit
- Schmerzen bei Kälte oder Hitze
Restless-Legs-Syndrom
Das Restless-Legs-Syndrom ist eine neurologische Erkrankung, die durch einen unkontrollierbaren Drang gekennzeichnet ist, die Beine zu bewegen, oft begleitet von unangenehmen Empfindungen.
Weitere Ursachen von Beinschmerzen
Neben den neurologischen Ursachen gibt es auch andere mögliche Ursachen für Beinschmerzen, wie:
- Muskelerkrankungen: Muskelschwäche, Lähmungen, eine Abnahme der Muskelmasse und häufig auch Muskelschmerzen sind typische Symptome, die eine Erkrankung der Muskulatur anzeigen können.
- Gefäßerkrankungen: Thrombose, Herzschwäche oder Gefäßverengungen (pAVK) können ebenfalls Beinschmerzen verursachen.
- Knochenerkrankungen: Osteoporose oder Knochenbrüche (Frakturen) können Schmerzen in den Beinen verursachen.
- Gelenkprobleme: Knieschmerzen oder Hüftschmerzen können in das Bein hinein ausstrahlen.
Diagnose von Beinschmerzen
Die Diagnose von Beinschmerzen erfordert eine sorgfältige Anamnese, körperliche Untersuchung und gegebenenfalls weitere diagnostische Tests.
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Anamnese und körperliche Untersuchung
Nach einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung des Patienten hat der Arzt häufig schon einen Verdacht, welche Ursache den Schmerzen in den Beinen zugrunde liegen könnte. Gezielte Fragen z. B.
Bildgebende Verfahren
Um die Diagnose abzusichern, wird zunächst ein Röntgenbild angefertigt. Anhand dieses Röntgenbildes erkennt der Arzt Abnutzungserscheinungen, Fehlstellungen, Entzündungen oder Tumoren bzw. kann diese ausschließen. Um Knorpel- oder Bandschäden erkennen zu können, ist möglicherweise ein MRT erforderlich.
Elektrophysiologische Tests
Bei Verdacht auf eine neurologische Ursache können elektrophysiologische Tests wie die Elektroneurographie und Elektromyographie durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven und Muskeln zu beurteilen.
Quantitative Sensorische Testung (QST)
Die standardisierte Quantitative Sensorische Testung ermittelt durch sieben verschiedene Gefühlstests an der Haut 13 Werte. Sie helfen zu erkennen, welche Nervenfasern genau geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist. Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz.
Nerv-Muskel-Biopsie
Die Untersuchung einer Gewebeprobe kann helfen, die Ursache einer Polyneuropathie zu finden. Dazu wird eine sogenannte Nerv-Muskel-Biopsie aus dem Schienbein entnommen und feingeweblich untersucht. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei bestimmten Ursachen finden sich zum Beispiel Entzündungszellen oder Amyloid-Ablagerungen.
Hautbiopsie
Bei einer Untergruppe der Neuropathien sind insbesondere die dünnen, kleinen Nervenfasern der Haut betroffen. Sie werden unter dem Namen Small-Fiber-Neuropathien zusammengefasst. Die Nervenleitgeschwindigkeit, die die Funktion von dickeren Nerven misst, ist dann oft unauffällig. Für die richtige Diagnose ist die Quantitative Sensorische Testung mit Messung des Temperaturempfindens entscheidend. Darüber hinaus kann eine Gewebeprobe aus der Haut (Hautbiopsie) unter dem Mikroskop untersucht werden.
Behandlung von Beinschmerzen
Die Behandlung von Beinschmerzen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
Konservative Behandlung
Von der Wirbelsäule ausgehende Schmerzen im Bein werden zunächst mit konservativen Therapiemethoden behandelt. Hierzu gehören Chirotherapie, Physiotherapie, physikalische Therapie mit Wärmetherapie, Kältebehandlungen und Stromtherapie, Entspannungstherapie und Massagen. Zusätzlich lindern entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente die Beschwerden.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie kann je nach Ursache der Beinschmerzen Folgendes umfassen:
- Schmerzmittel: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder Opioide können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva, wie Amitriptylin oder Duloxetin, haben schmerzlindernde Eigenschaften und wirken oft gut bei neuropathischen Schmerzen.
- Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin und Pregabalin, die zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, wirken auch bei neuropathischen Schmerzen, indem sie die Nervenaktivität dämpfen.
- Topische Therapie: Cremes oder Pflaster mit Wirkstoffen wie Lidocain oder Capsaicin können direkt auf die betroffene Hautstelle aufgetragen werden, um Schmerzen lokal zu lindern.
Physiotherapie und Ergotherapie
Kräftigungs- und Bewegungsübungen: Physiotherapie kann helfen, die Muskulatur zu stärken, Beweglichkeit zu fördern und Schmerz zu reduzieren. Sensorisches Training: Übungen zur Desensibilisierung, wie das Berühren von unterschiedlichen Oberflächen, können helfen, die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.
Neuromodulation
Bei chronischen neuropathischen Schmerzen können Neuromodulationsverfahren wie die Spinal Cord Stimulation (SCS) oder die periphere Nervenstimulation in Betracht gezogen werden.
Alternative Therapien
Akupunktur und Entspannungstechniken können bei einigen Patienten Linderung der neuropathischen Schmerzen bewirken.
Behandlung der Grunderkrankung
Bei erworbenen Erkrankungen sollte die verursachende Erkrankung spezifisch therapiert werden wie z.B. der Diabetes mellitus bei einer diabetisch-bedingten Polyneuropathie. Bei den autoimmun entzündlichen Erkrankungen kommen sogenannte Immunsuppressiva zum Einsatz.
Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Polyneuropathie
Eine Polyneuropathie bedeutet manchmal eine Einschränkung der Lebensqualität. Diese Tipps können das Wohlbefinden steigern und Risiken minimieren:
- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes kontrollieren am besten regelmäßig ihren Blutzucker und nehmen ärztlich verordnete Medikamente ein. Schließlich kann eine suboptimale Blutzuckereinstellung das Risiko für die Entstehung und einen raschen Fortschritt der Erkrankung erhöhen.
- Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
- Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.
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