Ein Blackout im Gehirn, das plötzliche Versagen des Gedächtnisses in entscheidenden Momenten, ist eine Erfahrung, die viele Menschen kennen. Ob in Prüfungssituationen, bei wichtigen Präsentationen oder sogar im Alltag - das Gefühl, dass das Gehirn die Arbeit verweigert und der Zugriff auf gespeicherte Informationen blockiert ist, kann sehr belastend sein. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Ursachen von Blackouts, die zugrunde liegenden Mechanismen im Gehirn und die Strategien, die helfen können, Blackouts zu vermeiden oder zu bewältigen.
Stress als Hauptauslöser
Stress spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Blackouts. In Situationen, die als bedrohlich oder herausfordernd wahrgenommen werden, schüttet der Körper Stresshormone wie Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin aus.
Die Übererregungsfalle:
Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, dass Stress wie ein Filter auf die Sinneswahrnehmungen wirkt. Der Fokus wird enger, die Kontraste verstärken sich, und es kommt zu einer Übersteuerung des Gehirns. Die ausgeschütteten Neuromodulatoren verändern die Wahrnehmung der Gedanken und lassen sie kontrastreicher erscheinen. Theoretisch kann dies in Stressmomenten von Vorteil sein, da es hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn jedoch zu viele Botenstoffe ausgeschüttet werden, kann es zu einer "Übererregungsfalle" kommen, in der nur noch Schwarz und Weiß wahrgenommen wird und die Fähigkeit, differenziert zu denken, verloren geht.
Der ironische Fehler:
Ein weiteres Phänomen im Zusammenhang mit Stress ist der "ironische Fehler". Dies tritt auf, wenn man sich in Stresssituationen auf das falsche Muster konzentriert. Ein Beispiel hierfür ist das Elfmeterschießen im Fußball. Obwohl die Spieler die Fähigkeit besitzen, den Ball ins Tor zu schießen, kann der Stress dazu führen, dass sie sich auf ein falsches Muster konzentrieren, wie z.B. "Bloß nicht an den Pfosten schießen", was dann genau das Gegenteil bewirkt.
Die Rolle von Cortisol
Prof. Dr. Dominique de Quervain von der Universität Basel hat in seinen Forschungen die Rolle des Stresshormons Cortisol bei Blackouts untersucht. Seine Studien an Ratten und Menschen zeigten, dass Cortisol die Fähigkeit, sich an gespeicherte Informationen zu erinnern, beeinträchtigen kann.
Lesen Sie auch: Symptome eines Blackouts
Verzögerte Freisetzung:
Cortisol wird verzögert freigesetzt, etwa 15 bis 20 Minuten nach einem akuten Stressor. Genau nach dieser Verzögerung konnten in den Versuchen auch Gedächtnisdefizite festgestellt werden. Unmittelbar nach dem Stressor war die Information noch abrufbar.
Hemmung des Hippocampus:
Weitere Studien zeigten, dass Cortisol die Aktivität des Hippocampus hemmt, einem Hirnbereich, der für den Gedächtnisabruf wichtig ist. Das Hormon bindet an bestimmte Rezeptoren an der Membran von Nervenzellen und beeinträchtigt so die Gedächtnisleistung.
Weitere Ursachen für Blackouts
Neben Stress und Cortisol gibt es noch weitere Ursachen für Blackouts:
Alkoholmissbrauch:
Ein Übermaß an Alkohol kann zu einer anterograden Amnesie führen, einem Filmriss, bei dem keine oder nur wenige neue Informationen abgespeichert werden. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Erinnerungsblockade, sondern um ein Speicherproblem.
Transiente globale Amnesie (TGA):
Die transiente globale Amnesie (TGA) ist eine vorübergehende Störung der Merkfähigkeit, die zwar harmlos ist, aber für Betroffene und Angehörige sehr beunruhigend sein kann. Betroffene sind im Akutstadium bezüglich Zeit, Ort und Situation desorientiert und fragen immer wieder nach, was gerade passiert ist oder nach dem aktuellen Datum. Bei einer TGA erleben Betroffene vor allem eine antero- und weniger stark auch eine retrograde Amnesie. Das bedeutet, dass das Gehirn in dieser Phase keine neuen Informationen abspeichern kann und sie deshalb immer wieder dieselben Fragen stellen. Gleichzeitig haben sie Schwierigkeiten, vorhandene Erinnerungen abzurufen - vor allem aus der jüngeren Vergangenheit. Die Symptome bilden sich in der Regel langsam nach vier bis fünf Stunden zurück, maximal halten sie 24 Stunden an. Lediglich die Zeit während der Akutphase der TGA hinterlässt bei den Betroffenen eine Erinnerungslücke.
Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben
Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Blackouts
Es gibt verschiedene Strategien, um Blackouts zu vermeiden oder zu bewältigen:
Gute Vorbereitung:
Eine gute Vorbereitung auf Prüfungssituationen ist der beste Schutz vor Blackouts. Je besser Informationen abgespeichert sind, umso schwieriger ist es, sie zu stören - auch durch das Stresshormon Cortisol. Auch kurz vor der Prüfung noch einmal wichtige Details nachzulesen, kann helfen, da diese Informationen dann im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert werden.
Stressmanagement:
Es gibt verschiedene Trainingsmethoden, um Stresssituationen zu trainieren und die Übererregungsfalle oder den ironischen Fehler zu vermeiden:
- Prognosetraining: Die stressige Situation wird trainiert. Wenn dann ein Fehler auftritt, wird nicht neu angesetzt, sondern gelernt, mit dieser Situation umzugehen und weiterzumachen.
- Reframing: Stress wird in etwas Positives umgedeutet. Man stellt sich vor, dass schwitzige Hände oder ein rotes Gesicht Zeichen dafür sind, dass man gleich Leistung abrufen wird.
Verhalten während eines Blackouts:
Wenn es während einer Prüfung oder Präsentation zu einem Blackout kommt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen:
- Mitteilen: Dem Prüfer oder der Prüferin mitzuteilen, dass man gerade einen Blackout hat, kann Zeit und Verständnis gewinnen.
- Ruhe bewahren: Ruhiges, bewusstes Atmen entspannt den Körper und wirkt dem Stress entgegen.
- Trinken: Einen Schluck trinken kann helfen, den Stresslevel zu senken.
- Ablenken: Sich auf einen Gegenstand im Raum zu konzentrieren oder eine andere Aufgabe zu bearbeiten, kann das Gehirn ablenken und den Stresskreislauf beenden.
- Frage umformulieren: Den Prüfer oder die Prüferin bitten, die Frage anders zu formulieren oder zurückzustellen.
- Eigene Worte finden: Die Frage noch einmal in eigenen Worten formulieren, darüber sprechen, was man gelernt hat und was einen im Moment verunsichert.
Weitere Tipps:
- Pausen und Schlaf: Achten Sie darauf, auch in der Zeit der Prüfungsvorbereitung ausreichend Pausen zu machen und genügend Schlaf zu bekommen.
- Entspannungstechniken: Erlernen Sie Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga.
- Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Kohlenhydraten, um das Gehirn mit Energie zu versorgen.
- Psychologische Hilfe: Wenn Blackouts häufig auftreten und zu Prüfungsangst führen, sollte man einen Experten, also einen Psychologen oder Psychiater aufsuchen und sich beraten lassen, ob nicht psychotherapeutisch oder pharmakologisch etwas zu machen ist.
Blackout und die moderne Leistungsgesellschaft
Die moderne Leistungsgesellschaft mit ihrem ständigen Druck, immer mehr, immer schneller und immer besser zu sein, trägt zur Entstehung von Stress und damit auch von Blackouts bei. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Entspannung zu finden und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.
Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.