Die wissenschaftliche Erforschung von Achtsamkeit, insbesondere durch neurowissenschaftliche Untersuchungen, hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Dies ist zum Teil auf den Erfolg von Programmen wie dem MBSR-Programm (Mindfulness-Based Stress Reduction) von Jon Kabat-Zinn zurückzuführen, dessen gesundheitsrelevante Wirksamkeit empirisch belegt ist. Doch was passiert im Gehirn von Menschen, die regelmäßig meditieren? Gibt es Unterschiede im Vergleich zu Personen ohne Meditationserfahrung? Und welche spezifischen Veränderungen lassen sich durch verschiedene Meditationspraktiken hervorrufen?
Veränderungen im Gehirn durch Meditation
Die funktionelle Bildgebung (fMRT) ermöglicht es, die Gehirnaktivität in Echtzeit zu beobachten, während Menschen bestimmte Aufgaben erledigen oder ihren Gedanken freien Lauf lassen. Ein Vergleich von erfahrenen Meditierenden mit Laien zeigt, dass das Default-Mode-Network, ein Netzwerk von Gehirnregionen, das besonders aktiv ist, wenn wir nicht auf eine bestimmte Aufgabe konzentriert sind, bei Meditierenden weniger aktiv zu sein scheint. Dies deutet darauf hin, dass sie ihre Gedanken möglicherweise weniger "freien Lauf" lassen.
Um direkter zu untersuchen, welche Veränderungen durch Meditation entstehen, führen Forschende Studien durch, bei denen das Gehirn der Teilnehmer vor und nach einem Meditationskurs untersucht wird. Eine österreichische Forschungsgruppe fand heraus, dass sich nach einem solchen Training in bestimmten Gehirnregionen, wie der Inselrinde, mehr Nervenzellkörper (graue Substanz) gebildet hatten. Die Inselrinde spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen und Sinneseindrücken.
Die Rolle der Achtsamkeitsmeditation
Welche Gehirnregionen in welchem Umfang verändert werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Zeitpunkt der Untersuchung, die genaue Fragestellung und die Art der Meditation. Bei der Achtsamkeitsmeditation, die sich auf die Konzentration auf Atem, Geräusche oder Körperempfindungen konzentriert, liegt der Fokus eher auf der zielgerichteten Aufmerksamkeit. Hierfür ist beispielsweise die vordere Hirnrinde wichtig, die dafür sorgt, dass uns manche Dinge schneller auffallen als andere. Eine weitere wichtige Region ist der Hippocampus.
Studien zeigen deutlich, dass Achtsamkeitspraktiken das Gehirn verändern. Die genaue Bedeutung dieser Veränderungen ist jedoch noch Gegenstand von Spekulationen. Führen sie dazu, dass wir unsere Aufmerksamkeit nach dem Training besser lenken können? Verändern sich unser Verhalten, weil sich die Struktur oder die Aktivität bestimmter Gehirnregionen verändert hat? Und wie lange halten diese Veränderungen an? Bisher gibt es auf diese Fragen noch keine abschließenden Antworten.
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Das ReSource Projekt: Einblicke in die Komplexität der Meditation
Bisher gibt es nur wenige umfangreiche Studien mit einer methodisch schlüssigen Durchführung, die das meditierende Gehirn beobachten. Eine Ausnahme bildet das "ReSource Projekt", ein 9-monatiges Programm mit verschiedenen Schwerpunkten, das von Singer und Engert durchgeführt wurde. Die Studie bestand aus drei Modulen: einem Gegenwärtigkeitstraining, einem Emotions- (bzw. Affekt-) Training und einem Perspektivwechsel-Training. Die Forschenden verglichen, was in den Gehirnen, im Verhalten und im Empfinden der Testpersonen vor und nach jedem Modul geschah.
Die einzelnen Ergebnisse waren dabei nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr ging es den Forscherinnen darum, die Komplexität des Themas zu verdeutlichen und klarzustellen, dass wir weder in der Forschung noch im Alltag einheitlich von "Achtsamkeit" oder "Meditation" sprechen können. Die Autorinnen weisen selbst darauf hin, dass auch diese Studie nicht perfekt ist und dass sich manche Schwierigkeiten auch in zukünftigen Untersuchungen nicht vermeiden lassen werden. Sie plädieren zudem dafür, das Individuum stärker zu berücksichtigen, da manche Praktiken für bestimmte Menschen von Vorteil, für andere jedoch sogar schädlich sein könnten.
Eine weitere wichtige Frage, mit der sich die Forschung laut Singer und Engert beschäftigen sollte, ist, wie lange es dauert, bis das Achtsamkeits- oder Meditationstraining das Gehirn nachhaltig verändert. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass es sich um sehr persönliche Erfahrungen handelt.
Weitere Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft der Meditation
Neben den bereits genannten Studien gibt es eine Vielzahl weiterer Forschungsergebnisse, die Einblicke in die Auswirkungen von Meditation auf das Gehirn geben:
- Reduzierte Aktivität der Amygdala: Studien haben gezeigt, dass die Dichte der grauen Substanz in der Amygdala, einer Gehirnregion, die eine Schlüsselrolle im Stressgeschehen spielt, bei Menschen, die regelmäßig meditieren, geringer ist. Dies deutet darauf hin, dass die Amygdala weniger anfällig für Stress ist.
- Veränderungen im Hippocampus: Meditation verändert das Gehirn vor allem im Bereich des Hippocampus, einer Region, die für das Gedächtnis und das Lernen wichtig ist. Regelmäßiges Meditieren kann dazu beitragen, dass sich das Nervengewebe im Hippocampus von Stress erholt.
- Erhöhte Alpha-Wellen: Personen, die meditieren, haben höhere Level von Alpha-Wellen, die nachweislich Gefühle wie negative Stimmung, Anspannung, Traurigkeit und Wut verringern können.
- Erhöhte Konzentration von GABA: Yoga-Übungen können den Gehalt des entspannend wirkenden Botenstoffs GABA im Gehirn erhöhen.
- Stärkere Aktivität im "Salience Network": Meditationstechniken, die darauf abzielen, einen offenen Geisteszustand zu erlangen, können auch bei der Schmerzbekämpfung helfen. Sie führen paradoxerweise dazu, dass der Schmerz lebhafter wahrgenommen wird und trotzdem weniger weh tut. Studien haben gezeigt, dass Meditierende während der Meditation eine erhöhte Aktivität im "Salience Network" zeigen, das dazu dient, die wichtigsten unter den vorhandenen Stimuli zu identifizieren.
Meditation als Werkzeug zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden
Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Meditation ein wirksames Mittel sein kann, um einen ruhigen Geist und klaren Kopf zu bewahren, insbesondere in Zeiten von Arbeitsverdichtung, Multitasking und Informationsflut. Wer viel meditiert, ist in der Regel gesünder, weniger gestresst und empfindet sein Leben als sinnerfüllter.
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Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Meditation kein Ersatz für andere medizinische Ratschläge oder einen gesunden Lebensstil ist. Meditation ist keine Therapie zur Heilung von Krebs oder chronischen Erkrankungen.
Die Zukunft der Meditationsforschung
Die Neurowissenschaft der Meditation erlebt seit der Jahrtausendwende einen regelrechten Boom. Es ist jedoch wichtig, realistische Erwartungen zu haben und die Forschung kritisch zu betrachten. Zukünftige Studien sollten sich auf folgende Fragen konzentrieren:
- Wie lange dauert es, bis das Achtsamkeits- oder Meditationstraining das Gehirn nachhaltig verändert?
- Welche spezifischen Meditationspraktiken sind für welche Anwendungen am besten geeignet?
- Wie können wir die Meditationstechniken an die westliche Welt anpassen, ohne ihre Wirksamkeit zu beeinträchtigen?
- Wie können wir die individuellen Unterschiede der Meditierenden besser berücksichtigen?
Trotz der noch offenen Fragen bietet die Meditationsforschung vielversprechende Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns und das Potenzial von Meditation zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden.
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