Die Brodmann-Areale sind eine anatomisch-funktionelle Einteilung der Großhirnrinde, die auf den zytoarchitektonischen Untersuchungen des Neurologen Korbinian Brodmann aus dem Jahr 1909 basiert. Diese Einteilung, die die Großhirnrinde in 52 verschiedene Areale unterteilt, hat bis heute große Bedeutung für die Neurowissenschaften, insbesondere für die funktionelle Bildgebung und die neuroanatomische Forschung.
Aufbau und Funktion des Großhirns
Das Großhirn, ein zentraler Bestandteil des Zentralnervensystems (ZNS), ist in zwei Hälften, die Hemisphären, gegliedert, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die Oberfläche der Hemisphären weist Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) auf, die der Oberflächenvergrößerung dienen. Die graue Substanz liegt außen und bildet die Großhirnrinde, während die weiße Substanz innen liegt und das Marklager bildet.
Die gesamte Großhirnrinde wird in 52 Rindenfelder (Brodmann-Areale) eingeteilt, die die Endstätten der aufsteigenden Nachrichten-/Nervenbahnen aus Rückenmark, Hirnstamm, Zwischenhirn und Kleinhirn darstellen. An die Großhirnrinde ist unter anderem das Bewusstsein geknüpft. Nur diejenigen Sinnesreize werden bewusst, welche bis zur Großhirnrinde weitergeleitet werden.
Die Brodmann-Areale: Eine detaillierte Kartierung der Großhirnrinde
Korbinian Brodmann schuf gemeinsam mit Oskar Vogt die technischen Voraussetzungen für die Herstellung großflächiger Hirnschnitte. Er fand heraus, dass die Großhirnrinde von Säugetieren und Menschen aus sechs Schichten aufgebaut ist, was einen großen Fortschritt gegenüber dem vorherigen Stand darstellte.
Nach einigen Vorarbeiten veröffentlichte Korbinian Brodmann 1909 seine Ergebnisse zur Zytoarchitektur der Großhirnrinde in dem Werk „Vergleichende Lokalisationslehre der Grosshirnrinde: in ihren Prinzipien dargestellt auf Grund des Zellenbaues“. Darin teilte er die Großhirnrinde nach histologischen Kriterien in 52 Felder ein, die als Brodmann-Areale bekannt sind. Brodmanns Ziel war es, „ein vollständiges Bild des Rindenbaues und seiner örtlichen Modifikationen in allen Teilen zu erhalten und möglicherweise auf diesem Wege zu einer auch für die Klinik verwertbaren topographisch-lokalisatorischen Gliederung der Rindenfläche zu gelangen“.
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Obwohl Brodmann in Ansätzen die funktionelle Bedeutung der Areale erkannte, etwa den primär-motorischen Cortex im Gyrus praecentralis des Frontallappens (Area 4), verstand er sich als Anatom und war bezüglich der Verknüpfung bestimmter Funktionen mit den von ihm beschriebenen Feldern zurückhaltend. Eine Spekulation über die Lokalisation komplexer psychischer Vorgänge in einzelnen Arealen lehnte er ab. Durch ihre Benennung in Zahlen blieb Brodmanns Hirnkartierung für weitere Forschung offen, auch spätere Forscher konnten seine Nomenklatur verwenden.
Historische Vorläufer
Bis zur detaillierten Kartierung der Großhirnrinde war es ein langer Weg. Die Hirnforscher Cécile und Oskar Vogt stellten einer ihrer gemeinsamen Publikationen diesen Satz aus dem 17. Jahrhundert voran: „Die Anatomie ist der Schlüssel und das Steuerruder der Medizin.“ Eine erste Unterteilung des Hirngewebes nahm Franz Joseph Gall (1758-1828) vor. Er fand, dass das Gehirn keine solide Masse, „sondern eine große, in (. . .) regelmäßigen Falten liegende Haut“ sei. Gall unterteilte das Hirngewebe in graue und weiße Substanz. Während Zellkörper und ihre kurzen Fortsätze die graue Substanz bilden, besteht die weiße Substanz aus den Axonen der Neurone. Auf der Hirnoberfläche beschrieb man Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci), eine einheitliche Nomenklatur existierte nicht.
Ende des 19. Jahrhunderts bekamen die Modelle des Gehirnaufbaus eine politische Konnotation: War das Großhirn hierarchisch oder gleichberechtigt organisiert? Funktionierte es von oben nach unten oder umgekehrt? Der Psychiater Paul Flechsig (1847-1929) gilt als einer der „Väter der Neuroanatomie“. Er entdeckte den Tractus spinocerebellaris dorsalis als wesentliche Verbindung zwischen Kleinhirn und Hirnrinde und unterteilte die Hirnoberfläche in Sinnes- und Assoziationsfelder. Sein Modell verglich Flechsig mit der Monarchie. Dabei standen drei hierarchisch organisierte Assoziationszentren an der Spitze, das Projektionszentrum entsprach dem Parlament. Hier kamen zwar unterschiedliche Meinungen zu Wort, doch die Entscheidungen wurden woanders getroffen.
Das Ehepaar Vogt und der Nervenarzt Theodor Meynert vertraten dagegen ein eher republikanisch organisiertes Modell des Großhirns (Düweke). Demnach leiten Projektionsfasern Sinneseindrücke aus der Peripherie an den Cortex, wo sie durch Assoziationsfasern verknüpft und untereinander abgestimmt werden. Beide vertraten die sogenannte Lokalisationslehre. Neurologische Störungen ließen sich damit verorten: 1868 beschrieb der französische Neurologe Paul Broca die motorische Aphasie, sechs Jahre später lokalisierte Carl Wernicke die sensorische Aphasie in der linken oberen Temporalwindung. Versuche, auch für psychische Störungen einen Ort in der Hirnrinde zu finden, führten jedoch nicht zum Erfolg.
Das Schicksal von Lenins Gehirn
Tilman Spenglers Roman „Lenins Hirn“ (1991) hat einen wahren Hintergrund. 1925 bat eine russische Kommission Oskar Vogt (1870-1959), Lenins Gehirn in Moskau zu untersuchen. Vogt kam der Bitte nach und veröffentlichte zwei Jahre später erste Ergebnisse aus 30.000 Serienschnitten, die seine Assistentin vom Gehirn des 1924 verstorbenen Revolutionärs angefertigt hatte. Demnach habe Lenin „(. . .) in vielen Rindenfeldern Pyramidenzellen von einer sonst nie beobachteten Größe beziehungsweise größte Pyramidenzellen in einer sonst nie beobachteten Zahl“ besessen. Die Möglichkeit eines Artefakts verneinte Vogt und bilanzierte: „Aus allen diesen Gründen lässt unser hirnanatomischer Befund Lenin als einen Assoziationsathleten erkennen.“
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Einige Jahre zuvor hatte Brodmann noch größere Pyramidenzellen beim Wickelbären und Löwen gefunden. Heute weiß man, dass Pyramidenzellen in erster Linie motorische Funktionen haben. Vogts Diagnose des „Assoziationsathleten“ erntete denn auch Kritik und Spott - 1995 meinte der Hirnforscher Wolf Singer, dass man Lenins Gehirn auch mit modernen, deutlich verfeinerten Messmethoden die Begabungen seines Besitzers nicht ansehen könne. Und die indische Ärztin Christina Sathyamala fragte polemisch: „Fanden sie unterm Mikroskop kleine rote Fäuste?“
Korbinian Brodmann: Leben und Werk
1868 wurde Korbinian Brodmann in Liggersdorf im Landkreis Konstanz geboren. Seine Eltern heirateten erst, als er 18 Jahre alt war. Solange trug er den Nachnamen seiner Mutter Sophie Benkler. Zu seinem ungewöhnlichen Vornamen kam Brodmann durch den Pfarrer - er gab dem unehelich Geborenen den Namen des Tagesheiligen.
1889 begann Brodmann sein Medizinstudium, das er 1895 abschloss. Ursprünglich wollte er sich als praktischer Arzt im Schwarzwald niederlassen, verwarf diesen Plan jedoch nach einigen Wochen wieder. Im Sommer 1896 lernte Brodmann im oberfränkischen Kurort Alexanderbad Oskar Vogt kennen. Vogt leitete dort eine Nervenheilanstalt, in der Brodmann nach seiner Diphtherie-erkrankung kurze Zeit als Assistent arbeitete.
Die Begegnung war für Brodmanns weiteren Weg entscheidend. Vogt erkannte seine „vielseitigen wissenschaftlichen Interessen“, seinen „tiefen Drang nach Erkenntnis“ und seine „selbstlose Hingabe an die dazu erforderliche Arbeit“. Brodmann wandte sich der Neurologie und Psychiatrie zu, promovierte in Leipzig über „Chronische Ependymsklerose“ und arbeitete in verschiedenen Kliniken. 1901 traf er in Frankfurt auf Alois Alzheimer, der ihn zur psychiatrischen Grundlagenforschung ermutigte.
Im gleichen Jahr begann der 33-jährige Brodmann seine Forschungen bei Cécile und Oskar Vogt in der Berliner „Neurobiologischen Zentralstation“, dem späteren Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung. Cécile und Oskar Vogt begründeten die Zytoarchitektonik, welche sich mit der Zusammensetzung von Geweben beschäftigt: Man färbt Gewebeareale an und versucht unter dem Mikroskop, strukturelle Unterschiede zwischen ihnen zu finden. Die Vogts untersuchten die Verbindungen von Nervenzellen (Myeloarchitektonik) und unterteilten die Großhirnrinde in 200 Felder. Brodmann widmete sich der Frage der Lokalisation und suchte aus der räumlichen Anordnung der Nervenzellen Strukturmerkmale abzuleiten.
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Dazu bedurfte es spezifischer technischer Voraussetzungen, denn Gehirngewebe ist weich. Deshalb musste es zunächst in Paraffin gebettet und gehärtet werden. Dazu fertigte man mit dem Makrotom dickere Scheiben an, die man mit Paraffin durchtränkte. Dann wurden mit dem Doppelschlittenmikrotom sehr dünne Schnitte hergestellt, die nach Färbung mit Methylethylenblau oder Kresylviolett unter dem Mikroskop betrachtet und fotografiert werden konnten.
Im Lauf der Zeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Vogt und Brodmann. Die Gründe dafür sind nicht geklärt. Die Ablehnung seiner Habilitationsschrift „Die cytoarchitektonische Kortexgliederung der Halbaffen“ durch Theodor Ziehen 1910 traf Brodmann schwer. Er verließ Berlin und folgte einem Ruf Robert Gaupps an die Tübinger Klinik, wo er sich ein Jahr später habilitierte.
Den Ersten Weltkrieg erlebte Brodmann als Arzt in einem Tübinger Reservelazarett, 1916 wechselte er nach Halle. Hier lernte er seine Frau Margarete Franke kennen, ein Jahr später heirateten die beiden. 1918 wurde die Tochter Ilse geboren. Im gleichen Jahr erhielt Brodmann einen Ruf an die Münchener Universität, wo er die topografisch-histologische Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie leitete, des späteren Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Am 17. August erkrankte Brodmann an einem zunächst harmlosen grippalen Infekt, aus dem sich jedoch rasch eine Sepsis entwickelte. Wenige Tage später starb er im Alter von nur 49 Jahren.
Der Psychiater Emil Kraepelin, Leiter der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie, schätzte Brodmann sehr. In seinem Nachruf schrieb er: „(. . .) habe ich die traurige Pflicht, anzuzeigen, daß Herr Professor Dr. Brodmann (. . .) an einer stürmisch verlaufenden Blutvergiftung heute Nachmittag verschieden ist. Wir betrauern in ihm einen Forscher von ganz hervorragender Begabung, der in seiner Eigenschaft schlechthin unersetzlich ist.“ Und in seinen „Lebenserinnerungen“ würdigte er Brodmann namentlich als den „einzigen und zugänglichen Vertreter der topographischen Rindenhistologie“.
Weil sich für Brodmann kein Ersatz fand, wurde die von ihm geleitete Abteilung aufgelöst. Nur vier Monate später starb auch Brodmanns Frau. Die kleine Tochter wuchs bei den Großeltern auf. In den folgenden Jahren angefertigte Hirnkarten, etwa die der Vogts und des Wiener Neuroanatomen Constantin von Economo, hatten viel mehr Felder. In ihrem Standardwerk von 1937 ignorierten die Vogts Brodmann, doch andere Forscher nahmen auf ihn Bezug und orientierten sich an seiner Arbeit. Otfried Foerster und Karl Kleist, deren Arbeiten im angloamerikanischen Sprachraum breit rezipiert werden, verwendeten Brodmanns Hirnkartierung als Grundlage.
Wichtige Rindenfelder und ihre Funktionen
Die Brodmann-Areale sind funktionelle Regionen der Großhirnrinde, die der Neurologe Korbinian Brodmann anhand ihrer zytoarchitektonischen Unterschiede in 52 Areale unterteilt hat.
Motorische Rinde (Area 4 und 6): Die motorische Rinde wird von zwei Rindenfeldern gebildet und ist das Hauptursprungsgebiet der Nachrichtenvermittlung für Muskelaktivitäten. Das Brodmann-Areal 4 (primär motorisches Areal) steuert direkt die willkürlichen Bewegungen und sendet Signale an die Muskeln. Das Brodmann-Areal 6 umfasst das prämotorische Areal, das für die Planung und Koordination von Bewegungen zuständig ist, sowie das Supplementärmotorische Areal (SMA), das komplexe Bewegungssequenzen unterstützt.
Motorisches Sprachzentrum (Broca-Areal, Area 44 und 45): Ebenfalls zwei Rindenfelder bilden das motorische Sprachzentrum, auch Broca-Areal genannt. Das Brodmann-Areal 44 und 45 (Broca-Areal) steuert die Sprachproduktion und ist für die Planung und Ausführung von Sprechbewegungen verantwortlich. Eine Schädigung, z. B. durch einen Infarkt in der A. cerebri media, kann eine Broca-Aphasie verursachen, die sich durch eine gestörte Sprachbildung bei erhaltenem Sprachverständnis äußert.
Sehzentrum (Area 17): Das Sehzentrum wird von Areal 17 gebildet, der Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
Sensorisches Sprachzentrum (Wernicke-Areal): Im hinteren Bereich der oberen Schläfenlappenwindung (Gyrus temporalis superior) der dominanten Hemisphäre liegt das sensorische oder Wernicke-Sprachzentrum, bei dessen Schädigung eine Störung des Wortverständnisses eintritt (sensorische Aphasie). Das Brodmann-Areal 22 (Wernicke-Areal) ist für das Verstehen von Sprache zuständig, indem es die Bedeutung von Wörtern und Sätzen verarbeitet.
Weitere wichtige Areale und ihre Funktionen
- Frontallappen: Im Frontallappen liegt unter anderem die Präzentralregion. Ein weiteres Rindenfeld (Area 8) gilt als das Blickzentrum für willkürliche Augenbewegungen. Schädigungen im Bereich der ganz vorn und an der Unterseite liegenden Rindengebiete des Frontallappens haben manchmal schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge. Der präfrontale Kortex (BA 9, 10, 11, 46, 47) ist für höhere kognitive Funktionen, Entscheidungsfindung und Sozialverhalten verantwortlich.
- Scheitellappen (Parietallappen): Im Scheitellappen liegt unter anderem die Postzentralregion. Verschiedene Formen der Agnosie können hier auftreten. Das primäre somatosensorische Areal (BA 1, 2, 3) im Gyrus postcentralis verarbeitet sensorische Reize wie Berührung, Schmerz und Temperatur. Daran schließt sich das sekundäre somatosensorische Areal (BA 5, 7) an, das für die höhere Verarbeitung dieser Sinneseindrücke verantwortlich ist.
- Schläfenlappen: Im Schläfenlappen liegt unter anderem die Hör- und die Sprachregion. Man nimmt außerdem an, dass die Schläfenlappenrinde eine wichtige Rolle der bewussten und unbewussten Verfügbarkeit der eigenen Vergangenheit und der in ihr gemachten Erfahrungen spielt, ohne die man sich in seiner Umwelt nicht zurechtfinden würde. Im Schläfenlappen liegt auch der Hippocampus, eine Sehpferdchen-förmige Struktur, die hauptsächlich für die Gedächtnisbildung zuständig ist. Bei einem Hirntumor im Schläfenlappen (temporaler Hirntumor) können unter anderem Hör- und/oder Sprachstörungen auftreten. Ist der Hippocampus mitbetroffen, sind oft Gedächtnisstörungen die Folge.
- Hinterhauptslappen: Im Hinterhauptslappen liegt die Sehregion. Area 17 bildet die Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
- Limbisches System und Insula: Der anteriore cinguläre Kortex (BA 24, 32, 33) ist an Emotionen, Aufmerksamkeit und Schmerzverarbeitung beteiligt. Der entorhinale Kortex (BA 28, 34) stellt eine wichtige Verbindung zum Hippocampus dar und spielt eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisbildung.
Auswirkungen von Schädigungen der Brodmann-Areale
Schädigungen bestimmter Brodmann-Areale können zu spezifischen neurologischen Ausfällen führen:
- Schädigungen des primären motorischen Kortex (BA 4): Führen zu Lähmungen (Paresen) oder einem vollständigen motorischen Ausfall (Plegie) der kontralateralen Körperseite.
- Läsionen im primären somatosensorischen Kortex (BA 1, 2, 3): Führen zu Sensibilitätsstörungen, einschließlich Taubheitsgefühlen und gestörter Wahrnehmung von Berührung, Schmerz oder Temperatur.
- Schädigungen im primären visuellen Kortex (BA 17): Können zu kortikaler Blindheit oder Gesichtsfeldausfällen führen.
- Störungen im präfrontalen Kortex (BA 9, 10, 11, 46, 47): Können Entscheidungsfindung, Sozialverhalten und emotionale Regulation beeinträchtigen.
Aktuelle Entwicklungen und Forschung
Seit Mitte der 1970er-Jahre arbeiteten Forscher im Hirnforschungszentrum Jülich an einer Karte des gesamten Gehirns, die weit über Brodmanns Kartierung hinausgehen sollte (Projekt „Brain Mapping“). Im letzten Jahr haben Jülicher und Düsseldorfer Forscher unter der Leitung von Katrin Amunts „Julich Brain“, den ersten 3-D-Atlas des Gehirns und die bisher umfangreichste digitale Karte der Zytoarchitektur des Gehirns, im Fachmagazin „Science“ vorgestellt. Der Atlas bildet die Variabilität der Hirnstruktur mit mikroskopischer Auflösung ab. Im Rahmen des europäischen „Human Brain“-Projekts dient er dazu, Informationen über das Gehirn räumlich exakt zu verknüpfen.
„Zum einen wird der digitale Hirnatlas dazu beitragen, Ergebnisse von Bildgebungsstudien, etwa von Patienten, genauer zu interpretieren“, sagt Katrin Amunts, Direktorin am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin. „Zum anderen soll er Grundlage für eine Art ,Google Earth‘ des Gehirns werden - denn die Zellebene bildet die beste Basis, um Wissen über ganz unterschiedliche Facetten des Gehirns zusammenzuführen.“
Die neue Hirnkarte von Jülich
Zilles und Amunts arbeiten nun an einer Generalrevision dieser Informationen. Rund 50 bis 60 Prozent der Großhirnrinde, also der äußeren Schicht des Großhirns, haben sie schon neu kartiert. kostenlos im Internet zur Verfügung . Die Karte sollen Mediziner nutzen, um erkrankte Stellen im Gehirn präzise zu finden. Und Pharmazeuten soll sie bei der Entwicklung von neuen Medikamenten gegen Hirnerkrankungen unterstützen. Außerdem könnte die Karte verdeutlichen, was das menschliche Gehirn im Vergleich zu den grauen Zellen anderer Tiere so speziell macht.
Für ihre neue Hirnkarte nutzen die Wissenschaftler viele verschiedene Methoden und Instrumente, nicht nur ein einfaches Lichtmikroskop wie Brodmann. Ihr Verfahren sei "multimodal", wie sie sagen. Im ersten Schritt legen sie dazu das Gehirn eines Toten in einen Kernspintomographen und scannen seine Gesamtstruktur ab. Dann schneiden sie das Gehirn in hauchdünne Scheibchen von nur wenigen Tausendstel Millimeter und untersuchen es im Detail mit einem eigens dafür konstruierten Lichtmikroskop. Schicht für Schicht scannt das Mikroskop die Gehirnproben automatisch ab. Unabhängig vom Forscher, der das Mikroskop bedient, kommt es dabei immer zu den gleichen Ergebnissen. Ein Computerprogramm verknüpft anschließend die Daten aus Kernspintomograph und Mikroskop miteinander. Es reiht die Schnitte dreidimensional aneinander und rekonstruiert so Aufbau, Größe und Verteilung der Zellen im Gehirn, die sogenannte Zytoarchitektonik. Das Ergebnis ist ein virtuelles Gehirnmodell in 3D. Brodmanns Karte ist dagegen nur zweidimensional. Der Arzt hatte seinerzeit nur den äußeren Teil der Großhirnrinde untersucht. Die Oberfläche der Großhirnrinde ist in tiefe Furchen gewunden, so dass bloß rund ein Drittel von außen ersichtlich ist. "Alle Gehirnbereiche, die in den Furchen darunter liegen, sind in der Hirnkarte von Brodmann nicht erfasst", sagt Zilles.
Das Konnektom-Projekt
Die Neurobiologen vergleichen die Gehirne von verschiedenen Personen und berechnen daraus eine Wahrscheinlichkeit, mit der an einer bestimmten Stelle des Gehirns ein bestimmtes Areal zu finden ist. Besonders den Assoziationskortex, das Gehirnareal, in dem Sinneseindrücke wie Schmecken, Riechen und Hören miteinander verknüpft werden, möchten die Wissenschaftler neu kartieren. Brodmann seien in diesem Gebiet, das über die Großhirnrinde verstreut ist und immerhin rund zwei Drittel davon umfasst, viele Fehler in seiner Kartierung unterlaufen. Für die Forscher ist der Assoziationskortex sehr interessant, da sie hier gut untersuchen können, wie Nervenzellen zusammenspielen.
Die sogenannte Konnektivität, also die Vernetzung der Nervenzellen, ist seit längerer Zeit ein Schlagwort unter Neurobiologen. Sie wissen inzwischen, dass die Gehirnbereiche nicht losgelöst voneinander funktionieren, wie Brodmann es sich noch vorgestellt hatte. "Unser Gehirn ist ein Netzwerk", sagt Zilles. Die Kopplung der vielen Milliarden Nervenzellen im Gehirn untereinander sei für die Funktion des Gehirns entscheidend. In Amerika startet demnächst ein Millionen-Dollar-Projekt, das sich die ehrgeizige Aufgabe gesetzt hat, alle Nervenverknüpfungen im Gehirn zu entdecken. Die Suche nach diesem Konnektom - analog zum Genom als der Gesamtheit aller Gene eines Organismus - ist ein neuer Trend der Neurologie. Zilles: "Unsere Karte wird die Basis für das Konnektom-Projekt sein."
Brodmann-Museum in Hohenfels-Liggersdorf
In Brodmanns Geburtsort Hohenfels-Liggersdorf gibt es seit 2009 ein Museum, das an den bedeutenden Arzt erinnert. Der Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg hat zudem ein mobiles Museum initiiert, das Wanderausstellungen an Interessierte in ganz Deutschland ausleiht.
Fazit
Die Brodmann-Areale stellen eine grundlegende anatomisch-funktionelle Einteilung der Großhirnrinde dar. Obwohl Brodmanns Karte im Laufe der Zeit durch neue Forschungsergebnisse ergänzt und verfeinert wurde, bleibt sie ein wichtiger Bezugspunkt für die Neurowissenschaften. Die aktuellen Forschungsprojekte, wie das „Human Brain“-Projekt und die Entwicklung des Jülicher Hirnatlas, bauen auf Brodmanns Pionierarbeit auf und tragen dazu bei, die komplexen Funktionen des Gehirns besser zu verstehen.