Das Gehirn, auch Encephalon oder Cerebrum genannt, ist die Steuerzentrale des Körpers. Mit seinen durchschnittlich 1,5 Kilogramm Gewicht und etwa 100 Milliarden Nervenzellen steuert es nahezu alle lebenswichtigen Körperfunktionen. Es ermöglicht uns zu sehen, zu hören, zu denken, zu empfinden und vieles mehr. Um seine vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, ist das Gehirn in verschiedene Areale unterteilt, die jeweils spezifische Funktionen ausüben. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau des Gehirns, die Funktionen seiner verschiedenen Regionen und die Bedeutung dieser Areale für unsere Wahrnehmung, unser Verhalten und unsere Gesundheit.
Was ist das Gehirn?
Das Gehirn ist der Teil des zentralen Nervensystems, der sich innerhalb des Schädels befindet und diesen ausfüllt. Es besteht aus unzähligen Nervenzellen, die über Nervenbahnen mit dem Organismus verbunden sind und ihn steuern. Das Gewicht des Gehirns macht mit 1,5 bis zwei Kilogramm ungefähr drei Prozent des Körpergewichts aus.
Ein Mensch hat ungefähr 100 Milliarden Gehirnzellen, die das zentrale Nervensystem aufbauen und untereinander verknüpft sind. Die Zahl dieser Verknüpfungen wird auf 100 Billionen geschätzt. Die Nervenzellen im Gehirn sind eingebettet in ein stützendes Gewebe aus Gliazellen. Das Gehirn ist von drei Hirnhäuten umgeben: Dura mater, Arachnoidea und Pia mater.
Aufbau des Gehirns: Fünf Hauptabschnitte
Das menschliche Gehirn lässt sich grob in fünf Abschnitte gliedern:
- Großhirn (Telencephalon): Der größte und schwerste Teil des Gehirns, verantwortlich für höhere kognitive Funktionen.
- Zwischenhirn (Diencephalon): Beinhaltet wichtige Strukturen wie Thalamus und Hypothalamus, die für die Verarbeitung von Sinnesinformationen und die Steuerung des Hormonhaushaltes zuständig sind.
- Mittelhirn (Mesencephalon): Der kleinste Abschnitt des Gehirns, der eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Augenbewegungen und der Verarbeitung von akustischen und visuellen Reizen spielt.
- Kleinhirn (Cerebellum): Koordiniert Bewegungen und das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungsabläufe.
- Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata): Bildet den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark und ist für die Steuerung lebenswichtiger Funktionen wie Atmung und Herzschlag verantwortlich.
Hirnregionen und ihre Funktionen im Detail
Die verschiedenen Anteile des Gehirns übernehmen ganz unterschiedliche Funktionen. Im Folgenden werden die einzelnen Abschnitte und ihre Aufgaben genauer betrachtet:
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Großhirn (Telencephalon)
Das Großhirn ist der größte Teil des Gehirns und ähnelt mit seinen Falten und Furchen einem Walnusskern. Es besteht aus zwei Hälften, den Hemisphären, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die Oberfläche der Hemisphären besteht aus Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri), die der Oberflächenvergrößerung dienen. Die graue Substanz liegt außen und bildet die Großhirnrinde, die weiße Substanz liegt innen und bildet das Marklager.
Die Großhirnrinde ist in verschiedene Lappen unterteilt:
- Frontallappen (Stirnlappen): Verantwortlich für höhere kognitive Funktionen wie Planung, Entscheidungsfindung, Problemlösung, Arbeitsgedächtnis, Kontrolle der Feinmotorik, Gemüt, Zukunftsplanung sowie Ziel- und Prioritätensetzung. Hier befindet sich auch die Präzentralregion, die die motorische Rinde (Areas 4 und 6) bildet. Die motorische Rinde ist das Hauptursprungsgebiet der Nachrichtenvermittlung für Muskelaktivitäten. Ein weiteres Rindenfeld (Area 8) gilt als das Blickzentrum für willkürliche Augenbewegungen. Schädigungen im Bereich der ganz vorn und an der Unterseite liegenden Rindengebiete des Frontallappens haben manchmal schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge.
- Parietallappen (Scheitellappen): Empfängt und verarbeitet Informationen über Temperatur, Geschmack, Berührung und Bewegung, die vom Rest des Körpers kommen. Hier liegt unter anderem die Postzentralregion.
- Temporallappen (Schläfenlappen): Verantwortlich für das Hören, das Gedächtnis, die Sprache und das Erkennen von Objekten. Im hinteren Bereich der oberen Schläfenlappenwindung (Gyrus temporalis superior) der dominanten Hemisphäre liegt das sensorische oder Wernicke Sprachzentrum, bei dessen Schädigung eine Störung des Wortverständnisses eintritt (sensorische Aphasie). Man nimmt außerdem an, dass die Schläfenlappenrinde eine wichtige Rolle der bewussten und unbewussten Verfügbarkeit der eigenen Vergangenheit und der in ihr gemachten Erfahrungen spielt, ohne die man sich in seiner Umwelt nicht zurechtfinden würde. Im Schläfenlappen liegt auch der Hippocampus, eine Sehpferdchen-förmige Struktur, die hauptsächlich für die Gedächtnisbildung zuständig ist. Bei einem Hirntumor im Schläfenlappen (temporaler Hirntumor) können unter anderem Hör- und/oder Sprachstörungen auftreten. Ist der Hippocampus mitbetroffen, sind oft Gedächtnisstörungen die Folge.
- Okzipitallappen (Hinterhauptslappen): Verantwortlich für die Verarbeitung visueller Informationen. Area 17 bildet die Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
- Insellappen: Viele verschiedene Funktionen, z. B. zuständig für die Verarbeitung von Emotionen und die Steuerung des vegetativen Nervensystems.
Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn besteht unter anderem aus dem Thalamus und dem Hypothalamus.
- Thalamus: Fungiert als „Tor zum Bewusstsein“. Seine Funktion ist die Sammlung fast aller Sinneswahrnehmungen und die Weiterleitung an das primär sensorische Rindenfeld im Scheitellappen des Großhirns. Der Thalamus ist eine wichtige Verbindungsstation zwischen Sinnen und Hirnrinde (die äußere Schicht des Gehirns besteht aus Scheitel-, Hinterhaupts-, Frontal- und Schläfenlappen).
- Hypothalamus: Kontrolliert den Hormonhaushalt. Damit stellt er sozusagen die Verbindung zwischen Hormon- und Nervensystem dar. Er steuert wichtige Funktionen, wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten. Der Hypothalamus ist verbunden mit der Hypophyse. Sie ist die Hormondrüse am Gehirn.
Hirnstamm
Der Hirnstamm ist der stammesgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und besteht aus Mittelhirn, Medulla oblongata und Brücke (Pons). Er ist für die Verschaltung von Sinneseindrücken verantwortlich und beinhaltet Zentren zur Kontrolle lebenswichtiger Funktionen wie Atmung und Herz-Kreislauf-System.
- Mittelhirn (Mesencephalon): Der kleinste Abschnitt des Gehirns.
- Medulla oblongata (Myelencephalon): Das auch als Nachhirn bezeichnete Myelencephalon stellt den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark dar. Sie beinhaltet die Zentren für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Schlucken.
- Brücke (Pons): Sie ist auch an der Koordination der Augenbewegung und dem Gleichgewicht beteiligt.
Kleinhirn (Cerebellum)
Oberhalb des Hirnstamms und unterhalb der beiden Großhirnhemisphären sitzt das Kleinhirn. Genau wie das Großhirn, lässt sich auch das Kleinhirn in zwei Hemisphären einteilen. Zwischen den beiden Hälften liegt der Kleinhirnwurm. Das Kleinhirn ist vor allem für das Gleichgewicht und die Steuerung von erlernten Bewegungsabläufen verantwortlich.
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Funktionelle Organisation der Großhirnrinde
Die Großhirnrinde wurde bereits 1909 vom deutschen Neuroanatom Korbinian Brodmann in 52 verschiedene Areale eingeteilt, die auch heute noch gültig sind und nach ihm als „Brodmann-Areale (BA)“ bezeichnet werden. Die Einteilung beruht auf Arealen mit histologisch unterschiedlich erkennbaren Zellartypen. Basierend auf Untersuchungen, die damals an Kriegsverletzten durchgeführt wurden, zeigte sich, dass den histologisch unterschiedlichen Arealen auch bestimmten Funktionen zugeordnet werden können, da verschiedene läsionsbedingte Defizite auftraten. Während BA 44 und B45 beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Sprachproduktion spielen, sind BA17 und BA18 für das Sehen zuständig.
Aber auch innerhalb der einzelnen Funktionen gibt es eine spezielle Unterteilung: So besteht die Rinde aus Primärfeldern, die der einfachen Erfassung von Sinnesreizen (Hören, Sehen, Fühlen…) oder Generierung (Motorik) dienen. Diese Informationen werden dann an die sekundären Rindenfelder weitergeleitet, wo sie dann weiterverarbeitet werden. Einen Großteil der Hirnoberfläche machen aber die Assoziationsfelder aus, sie dienen neben höheren Funktionen wie dem Gedächtnis auch der Verschaltung einzelner Qualitäten.
Ein weiteres Prinzip der Ordnung ist die Somatotopie. So wird einem Körperteil ein entsprechend seiner nervalen Versorgung großer Abschnitt auf der Großhirnrinde zur Verfügung gestellt. Dimensioniert man die Größe der einzelnen Körperteile entsprechend ihrer Repräsentation im Gehirn, erhält man anschaulich den sogenannten Homunculus. Es gibt sowohl einen motorischen, als auch einen sensorischen. So sind sensorische Bereiche wie die der Zunge oder Lippen in einem größeren Areal repräsentiert als diese des Rückens, genauso beanspruchen die kleinen Handmuskeln und deren Feinmotorik viel mehr „Platz“ im Gehirn, als die der Oberschenkelmuskulatur.
Heute können wir mit Hilfe der funktionellen MRT (kurz fMRT) motorische, wie sensorische Funktionen im Gehirn darstellen.
Blutversorgung und Schutz des Gehirns
Das Gehirn muss ständig mit genügend Sauerstoff, Glukose und weiteren Nährstoffen versorgt werden. Deshalb ist es besonders gut durchblutet. Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna), die aus der gemeinsamen Halsschlagader (Arteria communis) entspringen, und über die Arteria vertebralis, die aus den Wirbelkörpern kommt und durch das Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle eintritt. Durch weitere Arterien werden diese zu einem Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri) geschlossen, der die Basis des Zwischenhirns umfasst.
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Die feinsten Aufzweigungen (Kapillaren) der Hirnarterien geben zwar Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut an die Gehirnzellen ab - für andere Stoffe sind sie jedoch weniger durchlässig als vergleichbare Blutgefäße im übrigen Körper. Fachleute nennen diese Eigenschaft „Blut-Hirn-Schranke“. Sie kann das empfindliche Gehirn zum Beispiel vor im Blut gelösten Schadstoffen schützen.
Gehirn und Gedächtnis
Eine sehr wichtige Funktion des Gehirns ist das Gedächtnis - vom Ultrakurzzeit- über das Kurzzeit- bis zum Langzeitgedächtnis. Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses.
Forschung und Zukunftsperspektiven
Forscher arbeiten kontinuierlich daran, die komplexen Funktionen des Gehirns besser zu verstehen. Aktuelle Forschungsprojekte wie das "Human Brain Project" und die Entwicklung von Zellatlanten des Gehirns tragen dazu bei, die Struktur und Funktion der verschiedenen Hirnareale noch detaillierter zu kartieren. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft neue Ansätze für die Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson ermöglichen.