Was tun, wenn das Gedächtnis nachlässt oder das Gehirn auf einmal versagt? Wenn Angehörige plötzlich verwirrt sind und Dinge vergessen, obwohl sie immer so zuverlässig waren? Viele Betroffene und ihre Angehörige fürchten, dass dies erste Anzeichen von Alzheimer sind. Es ist wichtig, Orientierung ab den ersten Anzeichen von Vergesslichkeit und Verwirrtheit zu erhalten. Dieser Artikel beleuchtet die Anzeichen von Demenz, den Weg zu einer sicheren Diagnose, Ursachenforschung, sowie den Umgang mit Demenzkranken in unserer Gesellschaft.
Erste Anzeichen und Ursachenforschung
Erste Anzeichen einer Demenzerkrankung müssen es nicht sein. Oft stecken hinter Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Halluzinationen Ursachen, die sich - früh erkannt - gut beheben oder verhindern ließen. Cornelia Stolze erklärt verständlich und fundiert, wie verbreitete Erkrankungen, Medikamente oder Operationen geistige Störungen hervorrufen und so eine Demenz vortäuschen können. Patienten und ihre Angehörigen tun gut daran, ihre Ärzte aktiv bei der Suche nach den wahren Gründen zu unterstützen.
Studien haben gezeigt, dass bis zu drei Viertel der Demenz-Diagnosen falsch sind. In Wirklichkeit stecken hinter Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Halluzinationen oft Ursachen, die sich - früh erkannt - gut beheben oder verhindern ließen. Es ist wichtig, sich zu informieren und die wahren Ursachen für Vergesslichkeit zu finden.
Mögliche Ursachen für demenzähnliche Symptome
- Erkrankungen: Verbreitete Erkrankungen können geistige Störungen hervorrufen und eine Demenz vortäuschen.
- Medikamente: Auch Medikamente können als Nebenwirkung geistige Störungen verursachen.
- Operationen: In manchen Fällen können auch Operationen vorübergehende oder anhaltende kognitive Beeinträchtigungen zur Folge haben.
- Alkoholprobleme: Versteckte Alkoholprobleme, insbesondere bei älteren, einsamen Menschen, können zu Verwirrtheit führen.
- Depressionen: Unbehandelte Depressionen, insbesondere bei älteren Menschen, können eine Pseudodemenz verursachen.
Diagnose von Demenz
Um eine sichere Diagnose zu erhalten, ist eine umfassende Abklärung notwendig. Dies beinhaltet in der Regel:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und aktueller Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Hirnfunktionen.
- Psychologische Tests: Messung von Gedächtnis, Denken, Konzentration und alltagspraktischem Handeln.
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT des Gehirns, um strukturelle Veränderungen festzustellen.
Psychologische Diagnostik ist neben medizinischer unverzichtbar, wenn über Therapie und rechtliche Aspekte bei Demenz entschieden wird. Es gilt zuverlässig zu messen, wie gut Gedächtnis, Denken, Konzentration und alltagspraktisches Handeln bei Menschen mit (Verdacht auf) Demenz funktionieren? Was ist bei der Interpretation von Testergebnissen zu beachten?
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Verantwortung der Ärzte
Auch Neurologen, aber vor allem Hausärzte und Internisten tragen die Verantwortung in der ärztlichen Versorgung und damit für Diagnose, Beratung und Behandlung bei Demenzerkrankungen. Gerade in der Primärversorgung liegt die Verantwortung zur Einleitung und Überprüfung angemessener Behandlungspläne.
Formen von Demenz
Die Alzheimer-Krankheit ist mit ca. 60% die häufigste Form der Demenzerkrankungen. Neben Alzheimer gibt es weitere Formen von Demenz, wie z.B.:
- Vaskuläre Demenz: Durchblutungsstörungen im Gehirn.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Ablagerungen von Lewy-Körperchen in den Nervenzellen.
- Frontotemporale Demenz: Degeneration des Stirn- und Schläfenlappens.
Sobald die Krankheit diagnostiziert ist, so der Arzt, komme es für die Therapie darauf an, um welche Art es sich handelt: Alzheimer, eine gefäßbedingte Demenz oder eine Sonderform.
Leben mit Demenz: Therapie und Unterstützung
Die Demenzerkrankung der ca. 1,5 Millionen Menschen in Deutschland ist eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen ist eine kausale Therapie bislang nicht in Sicht. Grund genug, der Vorbeugung, Behandlung und Versorgung einen großen Stellenwert einzuräumen.
Therapieansätze
Natürlich seien dann medizinische und medikamentöse Maßnahmen wichtig. Doch für bedeutsam hält Kraus auch „psychotherapeutische und soziale Komponenten, denn auch diese können dazu beitragen, dass der Abbauprozess langsamer geht“. Als Beispiel nannte er Gedächtnistraining, das auch zu mehr Lebensqualität und einer besseren Stimmung beitragen könne. Und es sei wichtig, dass Angehörige den Betroffenen ein Selbstwertgefühl vermitteln.
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- Medikamentöse Therapie: Antidementiva können die Symptome lindern und den Verlauf verlangsamen.
- Nicht-medikamentöse Therapieverfahren: Gedächtnistraining, Ergotherapie, Physiotherapie, Musiktherapie, Kunsttherapie.
- Psychotherapie: Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung und Verbesserung der Lebensqualität.
- Soziale Betreuung: Tagespflege, Betreuungsgruppen, ehrenamtliche Helfer.
Verhaltensbezogene und psychologische Symptome im Rahmen von Demenzerkrankungen (BPSD) und deren Management sind im gesamten Erkrankungsverlauf von großer Bedeutung und stellen häufig eine größere therapeutische Herausforderung dar als kognitive Symptome. Ihre Entstehung ist komplex, heterogen und steht immer in einer Wechselwirkung zwischen neurobiologischen Phänomenen, patientenbezogenen Faktoren wie prämorbider Persönlichkeitsstruktur und Biografie, angehörigenbezogenen Faktoren wie Stresserleben, Depressivität und ungünstiger Interaktions- und Kommunikationsstile sowie Umgebungsfaktoren. Die diagnostische und therapeutische Annährung bedarf daher eines strukturierten Vorgehens und sollte situative und allgemeine medizinische Auslösefaktoren berücksichtigen. Die Behandlung sollte nach Möglichkeit primär kausal und nicht medikamentös erfolgen und fortlaufend reevaluiert werden. Doch die medikamentöse Therapie ist in unterschiedlichen klinischen Situationen unverzichtbar. Neben den in dieser Indikation häufig eingesetzten Antidementiva, Antipsychotika und Antidepressiva wurden verschiedene Substanzen in klinischen Studien untersucht.
Unterstützung für Angehörige
Zuwendung schenken und ein Selbstwertgefühl vermitteln: Dadurch können pflegende Angehörige demenzkranken Menschen helfen. Damit pflegende Angehörige die schwierige Situation meistern können, empfahl Kraus ihnen „Informieren, Verstehen, Akzeptieren“. Zunächst müsse man das Krankheitsbild und seine Stadien möglichst gut kennenlernen. Dann gehe es darum, sich darauf einzustellen, dass es Verhaltensänderungen und auch Konflikte geben wird, die man einordnen können muss. „Man darf es nicht persönlich nehmen, wenn der Demenzkranke aggressiv wird und Vorwürfe sowie Unterstellungen macht. Denn das hat mit der Krankheit zu tun.“ Schließlich sei es wichtig, diese in einem „Trauerprozess“ zu verarbeiten und zu akzeptieren. Die Akzeptanz fordere auch eine innerliche Gelassenheit. „Diese kann man üben, zum Beispiel mit Achtsamkeitsmeditation.“ Ganz wichtig sei es in dieser Situation, sich mit anderen auszutauschen, etwa in einer Selbsthilfegruppe, und sich beraten zu lassen. Dazu gehöre, „dass man sich nicht schämt, über die Probleme zu reden“. Und man müsse im Sinne einer Selbstfürsorge für Ausgleich sorgen. „Dann ist es auch in Ordnung, den Opa mal für ein paar Tage in die Tagespflege zu geben.“ So könne man selbst wieder zu Kräften kommen, um dem Betroffenen die nötige Zuwendung zu geben.
- Information und Schulung: Wissen über die Krankheit und den Umgang mit Betroffenen.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
- Beratungsstellen: Unterstützung bei Fragen zu Pflege, Finanzierung und rechtlichen Aspekten.
- Entlastungsangebote: Tagespflege, Kurzzeitpflege, ehrenamtliche Helfer.
Demenzfreundliche Gesellschaft
Wir brauchen Alternativen zu den eingefahrenen Umgangsweisen. Was tun wir, um Orte zu schaffen, an denen wir im Leben bleiben können - statt nur am Leben? Wie können wir das Lebensumfeld von Menschen mit und ohne Demenz zu »menschenwärmenden Orten« machen? In Deutschland sind zahlreiche Initiativen im Aufbruch: Engagierte Menschen aus Politik, Kultur und Kirche sind auf kreative Weise unterwegs zu Demenzfreundlichen Kommunen.
Mediale Darstellungen und öffentliche Debatten setzen Demenz meist mit Verlust der Persönlichkeit gleich. Dieser Band zeigt das Gegenteil: Menschen mit Demenz sind selbstverantwortlich handelnde Persönlichkeiten, und sie haben eine Stimme, die gehört werden sollte. Was berichten sie über ihre Erfahrungen und Gefühle? Wie deuten, gestalten und organisieren sie ihren Alltag? Aber auch: Wie reagiert das Umfeld? Welche Netzwerke der Selbsthilfe und Sorge bilden sich infolge einer Demenzdiagnose? Die Beiträger plädieren für eine kulturwissenschaftliche Demenzforschung und erkunden Dimensionen von Demenz mit der Absicht, Lebenslagen von Betroffenen, ihren Angehörigen und ihrer Umgebung zu verbessern.
Prävention von Demenz
Um einer Demenz vorzubeugen, ist dem Arzt zufolge eine gesunde Ernährung besonders wichtig: „möglichst vollwertig, mediterran mit Gemüse, Nüssen und Fisch.“ Ferner empfahl Kraus, sich viel zu bewegen und „in die Natur rauszugehen“ sowie sich geistig zu betätigen: „Den Kopf anzustrengen schafft auch Reserven für später, wenn ein Abbauprozess losgeht.“ Er riet nicht dazu, zur Vorbeugung von Demenz Medikamente und Vitamine einzunehmen, da nicht bekannt sei, wie sie auf Dauer wirken.
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Die beste Strategie gegen Demenz ist ein gesunder Lebensstil. Vor allem regelmäßige Bewegung, nicht rauchen, Alkohol in Maßen, Übergewicht vermeiden, so wenig Medikamente wie möglich, ein gutes soziales Netz. All das nämlich minimiert das Risiko für Schäden an Hirnzellen durch Bluthochdruck, Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfälle - und reduziert damit auch die Gefahr einer Demenz.
Präventive Maßnahmen
- Gesunde Ernährung: Mediterrane Kost mit viel Gemüse, Obst, Fisch und Olivenöl.
- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns.
- Geistige Aktivität: Lesen, Rätsel lösen, Musizieren, soziale Kontakte pflegen.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Nichtrauchen, mäßiger Alkoholkonsum, Normalgewicht halten.
- Kontrolle von Risikofaktoren: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes und hohen Cholesterinwerten.
Die Forschung zur Demenz: Irrwege und neue Ansätze
Seit Jahren versuchen Pharmafirmen, neue Medikamente gegen Alzheimer auf den Markt zu bringen. Doch die Hinweise mehren sich, dass die gesamte Branche in einer Sackgasse steckt. Einige Konzerne investieren trotzdem weiter. Über ein Geschäft mit der Hoffnung - und die Angst vor dem großen Vergessen.
Nach all den Fehlschlägen wächst die Skepsis. Immer mehr Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass sich die Pharmafirmen mit ihren Produktentwicklungen gegen die Amyloid-Ablagerungen in der Sackgasse befinden. Fest steht, dass an der Amyloid-Theorie vieles hinten und vorne nicht passt. So haben Studien gezeigt, dass rund ein Drittel aller normal alternden Menschen große Mengen von Amyloid-Plaques im Gehirn aufweist - ohne Anzeichen einer Demenz.
Kritik an der Amyloid-Hypothese
Eine der Untersuchungen ging in die Medizingeschichte ein: die 2001 veröffentlichte Nonnen-Studie des US-Epidemiologen David Snowdon. Ihm war es gelungen, 678 Ordensschwestern im Alter von 75 bis 106 Jahren für ein ungewöhnliches Projekt zu gewinnen. Sie willigten ein, dass Forscher nach ihrem Tod ihre Gehirne entnehmen und auf krankhafte Veränderungen untersuchen durften. Das Ergebnis war verblüffend: Auch Frauen, in deren Hirngewebe sich große Mengen von Amyloidplaques fanden, hatten zu Lebzeiten keine Demenzsymptome aufgewiesen. Tatsächlich erwies sich die vermeintlich „charakteristische Alzheimer-Pathologie“ im Gehirn als völlig unabhängig von der wiederholt erhobenen intellektuellen Leistungsfähigkeit derselben Person zu Lebzeiten.
Alternative Erklärungsansätze
Aufschlussreiche Informationen dazu liefern epidemiologische Studien. Mindestens 65.000 der jährlich 300.000 neu diagnostizierten Demenzen in Deutschland gehen allein auf irreparable Hirnschäden durch Schlaganfälle zurück. 30.000 bis 75.000 sind die Folge von Funktionsstörungen des Gehirns durch jahrelangen Alkoholmissbrauch.
Modifizierte Amyloid-Theorie und ihre Probleme
Um die bislang erfolglosen Testsubstanzen doch noch als Medikament gegen Alzheimer auf den Markt zu bringen, haben sich Alzheimer-Forscher wie Haass inzwischen eine modifizierte Version der Amyloid-Theorie zurechtgelegt: Der Grund für das jahrelange Scheitern aller klinischen Studien liege nicht darin, dass man auf der falschen Fährte sei und die getesteten Wirkstoffe nutzlos und schädlich sind. Vielmehr habe man bisher nur nicht früh genug mit der Behandlung begonnen. Die Alzheimer-Krankheit würde nämlich schon 20 bis 30 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome entstehen. Dann aber, wenn Gedächtnisstörungen und Verwirrtheit aufträten, sei der Schaden schon groß und kaum noch etwas zu retten.
Tatsächlich probieren mehrere Pharmafirmen ihre Wirkstoffkandidaten inzwischen an Menschen aus, die noch gar keine Symptome haben. Normalerweise würde das ein massives Problem nach sich ziehen: Um herauszufinden, ob die jeweilige Testsubstanz einen Großteil der Probanden vor Demenz schützt oder nicht, müsste man die Probanden über einen langen Zeitraum hinweg untersuchen, behandeln, warten und beobachten, wer von ihnen Symptome entwickelt und wer nicht. Um Zeit und Kosten zu sparen, greifen die Firmen deshalb zu einem Trick. In den klinischen Studien prüfen die beteiligten Mediziner nur, ob das Mittel bestimmte Messwerte im Körper - sogenannte Biomarker oder Surrogatmarker - verändert. Die Zulassung von Medikamenten auf Basis von Surrogatmarkern ist weit verbreitet. Dabei führen sie oft in die Irre - so wie im Falle des Diabetesmittels Avandia: Das senkte zwar einen wichtigen Blutzuckerwert, verursachte aber bei Zehntausenden Patienten einen Herzinfarkt, mehrere Hundert starben. 2010 musste der Hersteller GlaxoSmithKline es vom Markt nehmen.