Corona-bedingte Lähmungen der Beine: Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten

Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur die Weltgesundheit, sondern auch die neurologische Forschung vor neue Herausforderungen gestellt. Neben den bekannten respiratorischen Symptomen rücken zunehmend neurologische und psychiatrische Erkrankungen in den Fokus, die im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion (COVID-19) oder sogar einer COVID-19-Impfung auftreten können. Ein besonders besorgniserregendes Symptom ist die Lähmung der Beine, die als Folge einer Corona-Infektion auftreten kann. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen, Diagnoseverfahren und Behandlungsansätze für dieses Phänomen.

Das Long-Covid-Syndrom und seine neurologischen Auswirkungen

Nach einer durchgemachten COVID-19-Infektion können anhaltende und teilweise dauerhafte neurologische und psychiatrische Erkrankungen auftreten. Von einem Long-Covid-Syndrom oder Post-Covid-Syndrom spricht man, wenn diese Symptome über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten nach der Akutinfektion bestehen. Es wurde auch über das Auftreten verschiedener neurologischer Erkrankungen wie Hirnnervenausfälle, Nervenentzündungen (Polyneuritis) und Muskelerkrankungen (Myopathien) im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen COVID-19 berichtet. Die genauen Zusammenhänge sind Gegenstand aktueller Forschung.

Mögliche neurologische Erkrankungen nach einer COVID-19-Infektion

Im Rahmen einer COVID-19-Infektion kann es zu einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) kommen, die eine nachfolgende Verminderung der Hirnleistungsfähigkeit zur Folge hat. Dies kann sich in verstärkter Müdigkeit (Fatigue), Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, vermindertem Antrieb, Depressionen sowie Schlafstörungen äußern. Auch neurologische Ausfälle am Körper und selten epileptische Anfälle sind möglich.

Im Bereich der peripheren Nerven kann es zu einer Entzündung vieler Nerven (Polyneuritis) kommen, die mit Taubheitsgefühlen, Lähmungen (vorwiegend an den Extremitäten) und Schmerzen einhergeht. Das Burning-Hands- und Burning-Feet-Syndrom tritt überwiegend nächtlich auf. Seltener kommt es zu einem Guillain-Barré-Syndrom mit schnell aufsteigenden Taubheitsgefühlen und Lähmungen. Sehr häufig ist auch das Auftreten von Riechstörungen (bei mehr als 85 % der Patienten). Auch Lähmungen einzelner Hirnnerven (wie z. B. Gesichtslähmung), Lähmungen der Nervengeflechte (Plexopathien), Muskelentzündungen (Myositis) und Muskelschwund (Rhabdomyolyse) wurden beschrieben. Polyneuropathien können im Rahmen einer COVID-19-Infektion erstmalig auftreten und teilweise dauerhaft bestehen bleiben. Vorbestehende Polyneuropathien können sich nach einer COVID-19-Infektion auch verschlechtern.

Ursachen für Lähmungen der Beine im Zusammenhang mit Corona

Lähmungen der Beine im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion können verschiedene Ursachen haben, die oft in komplexen Wechselwirkungen miteinander stehen. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

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  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS):Das GBS ist eine seltene, aber schwerwiegende neurologische Erkrankung, bei der das Immunsystem die peripheren Nerven angreift. Dies führt zu Muskelschwäche, Taubheitsgefühlen und in schweren Fällen zu Lähmungen, die sich typischerweise von den Beinen aufwärts ausbreiten.Das GBS tritt meist wenige Wochen nach einer Infektion auf. Bei COVID-19 scheint dieser Zeitraum verkürzt zu sein, was auf einen etwas anderen Krankheitsmechanismus hindeutet.Ein Bericht der New York Times unter Berufung auf das nationale „Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS)“ stellte einen möglichen Zusammenhang von 100 Fällen eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) mit der Impfung des Vakzins von Johnson und Johnson her. Auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca wurden GBS-Fälle berichtet. Die von den Behörden erhobenen Zahlen stellten aber keine besorgniserregende Erhöhung der GBS-Rate dar und derzeit gebe es auch keinen Beleg für einen kausalen Zusammenhang.
  • Entzündungen des Gehirns oder Rückenmarks:Eine COVID-19-Infektion kann zu Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) oder des Rückenmarks (Myelitis) führen. Diese Entzündungen können die Nervenbahnen schädigen, die für die Steuerung der Beinmuskulatur verantwortlich sind, was zu Schwäche oder Lähmung führen kann.
  • Schlaganfälle:In schweren Fällen kann COVID-19 das Risiko für Schlaganfälle erhöhen. Ein Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, was zu Hirnschäden führen kann. Wenn der Schlaganfall bestimmte Bereiche des Gehirns betrifft, die für die motorische Kontrolle zuständig sind, kann dies zu Lähmungen der Beine führen.
  • Muskelerkrankungen (Myopathien):COVID-19 kann auch die Muskeln direkt angreifen und Entzündungen oder Schäden verursachen. Dies kann zu Muskelschwäche und Schwierigkeiten beim Gehen führen.
  • Polyneuropathien:Im Rahmen einer COVID-19-Infektion können Polyneuropathien erstmalig auftreten und teilweise dauerhaft bestehen bleiben. Vorbestehende Polyneuropathien können sich nach einer COVID-19-Infektion auch verschlechtern.
  • Direkte Schädigung des Nervensystems:Es wird vermutet, dass das Virus ausgehend von den Schleimhäuten der oberen Atemwege den Riechnerven befällt und von dort aus das Gehirn erreicht. Auch infizierte Blutzellen könnten das Virus, ähnlich wie ein trojanisches Pferd, ins Nervensystem tragen.
  • Immunvermittelte Schädigungen:Ähnlich immunvermittelte Erkrankungen treten auch an den peripheren Nerven in Form des sogenannten Guillain-Barré-Syndroms (GBS) auf.

Diagnostische Verfahren zur Ermittlung der Ursache

Um die Ursache von Lähmungen der Beine im Zusammenhang mit Corona zu ermitteln, sind umfassende neurologische Untersuchungen erforderlich. Dazu gehören:

  • Neurologische Untersuchung:Eine gründliche neurologische Untersuchung, um die Art und das Ausmaß der Lähmung festzustellen und andere neurologische Symptome zu identifizieren.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen:Elektromyographie (EMG) und Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um die Funktion der Nerven und Muskeln zu überprüfen.
  • Bildgebende Verfahren:Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und des Rückenmarks, um Entzündungen, Verletzungen oder andere Anomalien zu identifizieren.
  • Liquoruntersuchung:Entnahme und Analyse von Liquor (Nervenwasser) zur Feststellung von Entzündungen oder Infektionen im zentralen Nervensystem.
  • Blutuntersuchungen:Umfangreiche laborchemische Untersuchungen, um Entzündungsmarker, Autoantikörper und andere Faktoren zu bestimmen, die auf die Ursache der Lähmung hinweisen können.
  • Neuropsychologische Testung:Zur Beurteilung der Hirnleistungsfähigkeit.

Behandlungsmöglichkeiten bei Corona-bedingten Lähmungen der Beine

Die Behandlung von Lähmungen der Beine im Zusammenhang mit Corona hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Zu den möglichen Behandlungsansätzen gehören:

  • Immuntherapie:Bei Autoimmunerkrankungen wie dem Guillain-Barré-Syndrom können Immuntherapien wie intravenöse Immunglobuline (IVIG) oder Plasmapherese eingesetzt werden, um die Immunantwort zu modulieren und die Nervenschädigung zu reduzieren.
  • Entzündungshemmende Medikamente:Kortikosteroide können eingesetzt werden, um Entzündungen im Gehirn, Rückenmark oder den Nerven zu reduzieren.
  • Antivirale Medikamente:In einigen Fällen können antivirale Medikamente eingesetzt werden, um die Viruslast zu reduzieren und die Entzündung zu kontrollieren.
  • Thrombolyse oder Antikoagulation:Bei Schlaganfällen können Thrombolyse (Auflösung des Blutgerinnsels) oder Antikoagulation (Blutverdünnung) eingesetzt werden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und weitere Schäden zu verhindern.
  • Physiotherapie:Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation, um die Muskelkraft, Koordination und Beweglichkeit wiederherzustellen.Das Laufen und den sinnvollen Gebrauch seiner Arme musste er hier erst wieder erlernen. „Es ging in kleinen Schritten - erst lernte ich das Sitzen wieder, dann konnte ich irgendwann meine Beine wieder bewegen und belasten“, so der Baden-Württemberger.
  • Ergotherapie:Ergotherapie kann helfen, Alltagsaktivitäten wieder zu erlernen und die Selbstständigkeit zu fördern.
  • Schmerztherapie:Schmerzmittel können eingesetzt werden, um Schmerzen im Zusammenhang mit Nervenschäden oder Muskelentzündungen zu lindern.Nervenentzündungen und Nervenausfälle können mit Cortisonstoß-Therapie oder Anwendung von Immunglobulinen oder in schweren Fällen auch durch Plasmaaustausch behandelt werden und werden zusätzlich physiotherapeutisch und mittels Akupunktur oder auch medikamentöser Schmerztherapie, falls notwendig, behandelt.
  • Psychologische Unterstützung:Psychologische Unterstützung kann helfen, mit den emotionalen und psychischen Belastungen umzugehen, die mit einer Lähmung einhergehen können.Depressionen, Antriebsstörungen, Schlafstörungen können psychotherapeutisch, medikamentös oder mittels Elektrostimulationen (rTMS und TDCS) am Gehirn gebessert werden.

Behandlung des Long-Covid-Syndroms

Es stehen mehrere Möglichkeiten zur Behandlung des Long-Covid-Syndroms, entsprechend der jeweiligen neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen nach Covid-19-Infektion zur Verfügung.

Müdigkeitssyndrome und Konzentrationsstörungen können mittels psychologischer Therapie (kognitives Training), medikamentös oder zusätzlich mittels Elektrostimulationen am Gehirn (rTMS oder TDCS) gebessert werden.

Fatigue als Begleiterscheinung

Nach überstandener Corona-Infektion fühlen sich mehr als die Hälfte der Betroffenen über Wochen so müde und erschöpft, dass sie ihren Alltag nicht wie gewohnt bewältigen können. Wer sich nach einer überstandenen Corona-Infektion andauernd müde und kraftlos fühlt und bereits nach der kleinsten Anstrengung erschöpft ist, leidet möglicherweise an einem chronisches Erschöpfungssyndrom namens Fatigue. Die Fatigue gehört zu den häufigsten Spätfolgen nach einer Corona-Infektion.

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Was versteht man unter Fatigue?

Fatigue ist das französische Wort für Müdigkeit oder Erschöpfung. Doch das Erschöpfungssyndrom namens Fatigue, das als Langzeitfolge einer Erkrankung an COVID-19 auftreten kann, geht weit über eine normale Müdigkeit oder Erschöpfung hinaus: Fatigue ist ein Zustand extremer körperlicher und geistiger Müdigkeit, die man weder durch Ausruhen, Ausschlafen noch einen Erholungsurlaub überwinden kann.

Symptome der Fatigue

Zu den Begleitbeschwerden der Fatigue gehören:

  • Antriebsschwäche
  • Motivationslosigkeit
  • Frustration
  • Depressive Verstimmung
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • Benommenheit
  • Gefühlte Schwäche
  • Halsschmerzen
  • Abgeschlagenheit
  • Belastungsintoleranz

Behandlung der Fatigue

Das individuelle Krankheitsbild des Erschöpfungssyndroms Fatigue nach Corona erfordert eine auf die Beschwerden des Patienten oder der Patientin angepasste Therapie. Eine individuell angepasste Behandlung der Fatigue nach Corona trägt dazu bei, dass die Betroffenen das Erschöpfungssyndrom schneller überwinden oder die Beschwerden zunehmend kontrollieren können, um ihr Leben und ihren Alltag besser zu bewältigen.

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