Meningitis nach Corona Impfung: Seltene neurologische Komplikationen im Überblick

Die öffentliche Debatte über mögliche Nebenwirkungen der COVID-Impfstoffe, die durch den deutschen Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich ausgelöst wurde, wirft Fragen auf: Haben zwei Impfdosen mit Vaxzevria von Astrazeneca oder Comirnaty von Biontech/Pfizer möglicherweise seltene, schwere Nebenwirkungen, die bisher unentdeckt blieben? Dieser Artikel untersucht diese Frage und beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse zu neurologischen Komplikationen nach Corona-Impfungen.

Neurologische Symptome und Komplikationen nach Corona-Impfungen

Sehr selten kann es nach Corona-Impfungen zu neurologischen Symptomen wie Guillain-Barré-Syndrom, Fazialisparese oder auch hämorrhagischen Schlaganfällen kommen. Eine Analyse aus England und Schottland hat jedoch gezeigt, dass das Risiko für solche Ereignisse nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 um ein Vielfaches höher ist. Die elektronische Speicherung der Patientendaten ermöglicht die Analyse hoher Fallzahlen, was die Erkennung von seltenen Nebenwirkungen erleichtert.

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Myelin-Schicht von Nervenbahnen angreift und deren Übertragungsfähigkeit zerstört. Dies führt zu Lähmungen.

Tatsächlich hatten Menschen, die eine Astrazeneca-Impfung bekommen hatten, ein leicht höheres (aber immer noch seltenes) Risiko am Guillain-Barré-Syndrom zu erkranken. Pro 10 Millionen Geimpfte gab es in dieser Gruppe 38 Erkrankte mehr, als im statistischen Durchschnitt der Vorjahre.

Eine Analyse aller in England und Schottland geimpfter Personen bestätigt, dass es nach der Gabe von AZD1222 von Astrazeneca in seltenen Fällen zu einem Guillain-Barré-Syndrom oder einer Fazialisparese kommen kann. Insgesamt schätzt Hippisley-Cox, dass auf 10 Mio. Menschen, die mit AZD1222 geimpft wurden, 38 zusätzliche Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms kommen gegenüber 145 zusätzlichen Fällen auf 10 Mio.

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Pathogenese des GBS

Für die Entstehung eines GBS gibt es verschiedene Erklärungsmodelle. Am häufigsten wird eine Fehlfunktion des Immunsystems genannt. Im Rahmen einer Infektionsabwehr reagiert das Immunsystem auf ein Epitop des Erregers, welches einer molekularen Struktur im Körper ähnelt (molekulares Mimikry). Im Falle des ADIP wären die fälschlicherweise attackierten Strukturen die Myelinscheiden. Nach der International Guillain Barré Syndrome Outcome Study (IGOS) berichten 76% der Betroffenen über ein potenziell auslösendes Ereignis in den 4 Wochen vor der Erkrankung. Meist ist dies eine Infektion der oberen Atemwege (35%) oder eine Gastroenteritis (27%).

Fazialisparese (Bell's Palsy)

Ebenfalls leicht erhöht (und trotzdem selten) war das sogenannte Bell's Palsy, eine Hirnvenenerkrankung, die sich häufig als Gesichtslähmung zeigt.

Nach der Impfung mit AZD1222 kam es zu einem Anstieg von Fazilialisparese wurde häu­figer beobachtet (IRR 1,29; 1,08-1,56). Nach der Impfung mit BNT162b2 wurde kein Signal beobachtet.

Hämorrhagischer Schlaganfall

Ein leicht erhöhtes Risiko auf einen sogenannten hämorrhagischen Schlaganfall (dabei reißt ein Blutgefäß im Kopf und Blut läuft in das Gehirn) hatten Menschen, die eine erste Dosis Comirnaty erhalten hatten. Pro 10 Millionen Geimpfter trat dieses Syndrom etwa in 60 Fällen mehr auf als im Durchschnitt.

Für die Vakzine BNT162b2 von Biontech/Pfizer wurde mit der „Self-Controlled-Cases Series“-Methode (SCCS) wurde ein Anstieg von hämorrhagischen Schlaganfällen gefunden. Nach der Gabe von BNT162b2 kam es zu einem Anstieg von hämorrhagischen Schlaganfällen (IRR 1,38; 1,12-1,71 für den Zeitraum von 15 bis 21 Tagen nach der Impfung). Für AZD1222 wurde kein Zusammen­hang gefunden.

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Hirnhautentzündung (Meningitis) und Nervengewebsschädigung (Encephalitis/Myelitis)

In der Gruppe der Menschen, deren positiver Test maximal 28 Tage her war, erkrankten pro 10 Millionen Betroffener 123 Personen mehr an einer Hirnhautentzündung und Nervengewebsschädigung (Encephalitis/Meningitis und Myelitis).

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann sich auch als Subarachnoidal­blutung manifestieren (IRR 24,22; 14,50-40,45), auch wenn dies insgesamt seltene Ereignisse waren.

Weitere neurologische Symptome

Zu den häufigen neurologischen Symptomen von Corona-Patienten zählen:

  • Riechstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Muskelschmerzen, in schweren Fällen auch schwere Muskelentzündungen
  • Bewusstseinsstörungen und Delir
  • Schlaganfälle (mit typischen halbseitigen Lähmungen sowie Sensibilitäts- und Sehstörungen)
  • Entzündungen Gehirn und Rückenmark

Viele der neurologischen Symptome klingen wieder ab. Studien berichten, dass ein kleinerer Teil der Betroffenen über anhaltende Riechstörungen, Muskelschmerzen oder Schwächeklagen. Laut einer Metaanalyse kommt es bei circa fünf Prozent der Erkrankten zu anhaltenden Geruchsstörungen. Folgen eines Schlaganfalls können hingegen lebenslang spürbar sein und bleiben. Selbiges gilt für die entzündlichen Komplikationen.

Neuroimmunologische Krankheitsbilder

Zahlreiche neuroimmunologische Krankheitsbilder wie Enzephalopathien, Enzephalitiden, Myelitiden oder ADEM (akute disseminierte Enzephalomyelitis) sind nach einer Infektion mit SARS-CoV‑2 gehäuft aufgetreten, was für einen para- oder postinfektiösen Zusammenhang spricht. Ursächlich ist wahrscheinlich eine virusgetriggerte Überaktivierung des Immunsystems mit Hyperinflammation und Zytokin-Sturm, aber möglicherweise auch die Bildung spezifischer Autoantikörper gegen Gewebe des Zentralnervensystems, die sich vor allem im Liquor schwerkranker COVID-19-Patienten finden lassen.

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Ursachenforschung und Herausforderungen

SARS-CoV-2 gehört nach jetzigem Wissensstand nicht zu den Viren, die bevorzugt Nervenzellen befallen, im Gegensatz etwa zum Herpesvirus. Prof. Dr. Andreas Steinbrecher, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Helios Klinikum Erfurt, erklärt die Schwierigkeit der Ursachenforschung: „Die Krux bei der Beurteilung der Erkrankungen ist die Falldefinition. Häufig ist nicht klar, ob die beobachtete neurologische Erkrankung wirklich durch die Covid-19 Erkrankung verursacht oder zufällig gleichzeitig aufgetreten ist".

Dennoch gibt es Vermutungen, wie das Virus ins Nervensystem gelangen könnte: „Wir vermuten, dass das Virus ausgehend von den Schleimhäuten der oberen Atemwege den Riechnerven befällt und von dort aus das Gehirn erreicht. Auch infizierte Blutzellen könnten das Virus, ähnlich wie ein trojanisches Pferd, ins Nervensystem tragen", sagt der Neurologe.

Eine neuere Studie aus Oxford gibt konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Gehirn durch eine Covid-19-Erkrankung. Die Forscher:innen konnten anhand von Hirnscans Veränderungen im Gehirn messen. Prof. Steinbrecher erklärt dazu: „Interessant ist, dass diese Veränderungen vor allem die sogenannten limbischen Hirnregionen betreffen. Dies könnte mit den häufig bei COVID-19 beobachteten Riechstörungen zusammenhängen."

Vergleich: Risiko durch Impfung vs. Infektion

Die Wissenschaftler schlussfolgern aus ihren Daten, dass eine Infektion ein erheblich höheres Risiko für eine schwere Nervenerkrankung darstellt als eine Impfung.

Eine aktuelle Analyse aus dem britischen Gesundheitssystem zeigt, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 in erster Linie das Guillain-Barré-Syndrom sowie Myasthenie, Enzephalitis, Meningitis oder Myelitis verursachen kann.

Vektorimpfstoffe haben ein Risiko für ein Guillain-Barré-Syndrom, das allerdings deutlich geringer ist als bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 (38 vs. 145 zusätzliche Fälle pro 10 Mio. Exponierte). mRNA-Impfstoffe scheinen das Risiko für entzündliche Erkrankungen des Nervensystems nicht zu erhöhen, jedoch ist zumindest die Impfung mit BNT162b2 mit leicht vermehrten hämorrhagischen Insulten assoziiert: 60 zusätzliche Fälle pro 10 Mio. Exponierte.

Hippisley-Cox schätzt, dass auf 10 Mio. Menschen, die mit AZD1222 geimpft wurden, 38 zusätzliche Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms kommen, während es nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 145 zusätzliche Fälle auf 10 Mio. sind.

Studiendesign zur Überprüfung der Impfstoffsicherheit

Um die Häufigkeit von Komplikationen nach den verschiedenen Impfungen zu ermitteln, wendete das Team um Julia Hippisley-Cox vom Nuffield Department of Primary Health Care Sciences in Oxford, Großbritannien, die „Self-Controlled-Cases Series“-Methode (SCCS) an, die speziell zur Überprüfungen der Impfstoffsicherheit von Impfstoffen entwickelt wurde. Dabei werden die ersten Wochen nach der Impfung mit einem zufällig ausgewählten anderen Zeitraum im Leben derselben Personen verglichen.

Die Forschenden analysierten die Daten von 32,5 Millionen Personen aus England, die ihre erste Dosis des Astrazeneca- oder Biontech/Pfizer-Impfstoffes vor dem 21. Mai 2021 erhalten hatten.

Ergebnisse der Analyse

Nach der Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff (AZD1222) fiel insbesondere im Zeitraum von 15 bis 21 Tagen nach der Impfung ein Anstieg von Guillain-Barré-Syndromen auf (IRR; 2,90). Auch eine Fazialisparese trat nach dieser Impfung gehäuft auf (IRR 1,29). Nach der Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff (BNT162b2) wurde kein Signal für diese Erkrankungen beobachtet - dafür aber ein Anstieg von hämorrhagischen Schlaganfällen (IRR 1,38 für den Zeitraum von 15 bis 21 Tagen nach der Impfung).

Vermehrte entzündliche Erkrankungen des Gehirns oder akute demyelinisierende Ereignisse wurde nach den Impfungen nicht beobachtet. Alle neurologischen Komplikationen waren nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 wesentlich häufiger (am Tag des positiven Tests):

  • IRR 19,34 für akute demyelinisierende Ereignisse (z.B. MS-Schub)
  • IRR 38,57 für entzündliche Erkrankungen des Gehirns (Enzephalitis, Meningitis und Myelitis)
  • IRR 24,22 für Subarachnoidalblutungen
  • IRR 33,7 für das Guillain-Barré-Syndrom
  • IRR 33,23 für eine Fazialisparese

Neuroimmunologische Mechanismen bei COVID-19

Im Verlauf der Corona-Pandemie wurde immer deutlicher, dass viele Patienten auch neurologische Beschwerden entwickeln. Darunter sind auch Krankheitsbilder, die durch neuroimmunologische Ursachen entstehen, wie Enzephalitiden, Myelitiden, Meningitiden und demyelinisierende Erkrankungen. In ihrer Entstehung spielen vermutlich sowohl hyperinflammatorische als auch durch spezifische Antikörper vermittelte Mechanismen eine Rolle, während eine direkte Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS) durch SARS-CoV‑2 nachrangig zu sein scheint.

Etliche Beschwerden können die pulmonale Akutphase der Erkrankung weit überdauern oder erst im Verlauf dazutreten. Dazu gehören (chronische) Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, Veränderung der Stimmung sowie Schlafstörungen, an deren Entstehung neuroimmunologische Mechanismen möglicherweise beteiligt sind.

Enzephalopathie, Enzephalitis und Meningitis

In einer retrospektiven Untersuchung von 509 Patienten mit COVID-19 wurde bei 31,8 % aller Patienten eine Enzephalopathie beschrieben, bei Patienten mit einem schweren Verlauf sogar in 84,3 % (113/134 Patienten) aller beatmungspflichtigen Patienten. In dieser Kohorte war das Auftreten einer Enzephalopathie mit einem höheren Lebensalter und einer bereits bestehenden neurologischen oder systemischen Vorerkrankung assoziiert. Patienten mit einer Enzephalopathie wurden dreimal länger stationär behandelt und zeigten einen ungünstigeren Krankheitsverlauf mit erhöhter Sterblichkeitsrate.

Die klinische Präsentation einer Enzephalitis bzw. Meningitis kann der einer Enzephalopathie sehr ähnlich sein und sich ebenfalls durch das Auftreten von Kopfschmerzen, meningitischen Reizzeichen und eines Delirs äußern, gekennzeichnet durch eine Bewusstseinsstörung und begleitende neuropsychiatrische Symptome. Wesentliches Unterscheidungskriterium der Enzephalitis von den zahlenmäßig häufiger beschriebenen Enzephalopathien ist jedoch der Nachweis eines entzündlichen Liquorsyndroms mit Pleozytose sowie fokalen Läsionen in der Bildgebung. Ausgesprochen selten gelang dabei der Nachweis von SARS-CoV‑2 im Liquor.

Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) und Myelitis

Mehrere Fallberichte dokumentieren das Auftreten einer akuten disseminierten Enzephalomyelitis (ADEM), häufig bei auch pulmonal schwer betroffenen Patienten und vereinzelt zusammen mit einer Myelitis. Sowohl die disseminierten Veränderungen in der Magnetresonanztomographie (MRT) als auch die Liquorbefunde mit starker Eiweißerhöhung ohne relevante Pleozytose entsprechen dabei den charakteristischen diagnostischen Kriterien einer ADEM, in einigen Fällen auch mit hämorrhagischen Läsionen.

Akute Myelitiden im Rahmen von COVID-19 sind selten und wurden bisher überwiegend als Fallberichte publiziert. Es wurden sowohl jüngere als auch ältere Patienten mit gleicher Geschlechterverteilung beschrieben, die progrediente Lähmungen in Verbindung mit einer Blasenentleerungsstörung entwickelten. Etwa die Hälfte wies keine weiteren Erkrankungen auf. Bei den meisten Patienten zeigte sich in der spinalen MRT eine langstreckige, mehr als 3 Segmente betreffende T2-Hyperintensität sowohl im zervikalen als auch im thorakalen Myelon. Bis auf wenige Ausnahmen fand sich in der kraniellen MRT-Bildgebung ein unauffälliger Befund und die Analyse des Liquors blieb hinsichtlich des Nachweises oligoklonaler Banden negativ.

Therapie neuroimmunologischer Krankheitsbilder

Aufgrund mangelnder Erfahrung mit SARS-CoV‑2 und der Vorsicht vor möglichen Komplikationen als Folge einer Immunsuppression erfolgten die Therapien sehr heterogen. Bei den genannten neuroimmunologischen Krankheitsbildern sind vor allem Steroide sowohl hoch- als auch niedrigdosiert, intravenöse Immunglobuline (IVIG) und therapeutische Apheresen eingesetzt worden. In einer retrospektiven Fallserie von 5 COVID-19-Patienten mit Enzephalopathie hatten IVIG zu einer klinischen Besserung geführt, insbesondere hinsichtlich der Bewusstseinsstörung, sowie zu einer Besserung in der zusatzdiagnostischen Untersuchung mittels Elektroenzephalographie. Etwa die Hälfte der Patienten mit Myelitiden erholte sich nur unvollständig und benötigte eine weitere Rehabilitation. Wenige Betroffene verstarben an kardialen Komplikationen.

Pathophysiologie der COVID-19-assoziierten neuroimmunologischen Erkrankungen

Für die Pathophysiologie der COVID-19-assoziierten neuroimmunologischen Erkrankungen wird das Zusammenspiel mehrerer Faktoren vermutet, insbesondere die Schwere der systemischen Erkrankung, (hyper)inflammatorische Prozesse, Koagulopathie und postinfektiöse Autoimmunmechanismen. Die Mortalität von COVID-19 wird hauptsächlich durch die respiratorische Insuffizienz als Folge eines akuten Lungenversagens bestimmt. Patienten mit schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverläufen weisen eine spezielle Konstellation an Zytokinen, Chemokinen und anderen Entzündungsfaktoren im Blut auf.

Zytokinsturm und neurologische Symptome

Für einen Zusammenhang zwischen dem sog. Zytokin-Sturm und neurologischen Symptomen spricht der bei Enzephalopathie, Enzephalitis, ADEM und Myelitis häufig gleichzeitig rasch ansteigende Serumspiegel von Akute-Phase-Proteinen (z. B. C‑reaktives Protein [CRP] und Ferritin). Auffällig ist der oft normale Liquor mit allenfalls leichter Schrankenfunktionsstörung trotz der beobachteten leptomeningealen Kontrastmittelanreicherungen. Das Fehlen einer Liquorpleozytose schließt also die Möglichkeit einer COVID-19-assoziierten entzündlichen ZNS-Erkrankung nicht aus.

Autoantikörper und molekulares Mimikry

Die Untersuchung von Liquor mittels eines breiten Panels bekannter ZNS-Autoantikörper gegen intrazelluläre und Oberflächenantigene bei COVID-19-Patienten mit neurologischen Syndromen konnte GD1b- und Caspr2-Antikörper (Ak) nachweisen.

Ein interessanter neuer Ansatz ist die Möglichkeit eines molekularen Mimikrys, also die Kreuzreaktivität von antiviralen Antikörpern mit Oberflächenstrukturen des eigenen Körpers und Gehirns. So konnte kürzlich in einer Studie gezeigt werden, dass etwa 20 % der hocheffektiv virusneutralisierenden SARS-CoV-2-Antikörper zusätzlich auch an körpereigene Proteine binden. Dabei fiel auf, dass zahlreiche dieser Antikörper gegen wichtige anatomische Strukturen im Gehirn reagierten, beispielsweise gegen Hippokampusneuropil, Astrozyten oder zerebrale Gefäße, was gut mit kreuzreaktiven Antikörpern im Sinne des molekularen Mimikrys vereinbar wäre. Ein solcher Krankheitsmechanismus ist bereits für andere neuroimmunologische Erkrankungen beschrieben, allen voran das Guillain-Barré-Syndrom mit der Entstehung kreuzreaktiver postinfektiöser Antikörper gegen Glykolipide auf peripheren Nerven, aber auch für nichtneurologische Krankheiten wie nekrotisierende Glomerulonephritiden.

Hirnhautentzündung (Meningitis): Ursachen, Symptome und Diagnose

Bei einer Hirnhautentzündung - in der Fachsprache Meningitis genannt - entwickelt sich aufgrund einer Infektion mit bestimmten Bakterien oder Viren eine Entzündung der Rückenmarkshäute und/oder der Hirnhäute.

Ursachen der Meningitis

Bakterien, Viren und auch andere Erreger können eine Meningitis verursachen und haben unterschiedliche Auswirkungen auf den Verlauf bzw. die Schwere der Erkrankung. Von der jeweiligen Ursache hängt auch die geeignete Behandlung ab. Deshalb ist es besonders wichtig, dass das behandelnde medizinische Fachpersonal weiß, welche Erregergruppe die Erkrankung verursacht hat.

Virale Meningitis

In den meisten Fällen wird eine Meningitis in Deutschland durch Viren ausgelöst - wie etwa Arboviren oder Herpesviren. Sie verursacht grippeartige Symptome und heilt in der Regel nach zwei bis drei Wochen von selbst aus. Zu den Auslösern zählen unter anderem:

  • Arboviren: Die Erreger werden durch Zecken oder Mücken übertragen, besonders häufig ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
  • Varizella-Zoster-Virus: Erkrankungen wie Windpocken werden durch dieses Virus ausgelöst.
  • Coxsackie-Viren: Dieser Virustyp verursacht beispielsweise die Hand-Fuß-Mund-Krankheit.
  • SARS-CoV-2: Der Erreger von COVID-19 kann auch eine Hirnhautentzündung auslösen.
  • Epstein-Barr-Virus

Bakterielle Meningitis

Bakterielle Hirnhautentzündungen - auch eitrige Hirnhautentzündungen genannt - sind in Deutschland seltener, aber deutlich gefährlicher als virale Hirnhautentzündungen. Der Krankheitsverlauf unterscheidet sich von der viralen Meningitis durch heftigere Symptome, die plötzlich auftreten. Komplikationen und schwere Verläufe sind bei der bakteriellen Hirnhautentzündung häufig. Deshalb ist eine bakterielle Meningitis immer ein medizinischer Notfall, der im Krankenhaus behandelt werden muss.

Durch einen Zeckenstich können sogenannte Borrelien übertragen werden. Diese Bakterien können wiederum das Nervensystem befallen und so nach mehreren Wochen oder Monaten eine Neuroborreliose auslösen, die sich oft in einer (leichten) Meningitis manifestiert.

Eine Meningokokkeninfektion wird durch Neisseria-meningitidis-Bakterien ausgelöst und ist in Deutschland aufgrund der verfügbaren Impfung selten. Eine Infektion mit Meningokokken ist besonders gefährlich - in zwei Dritteln der Fälle führt sie zu einer Hirnhautentzündung, in einem Drittel der Fälle zu einer Sepsis. Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus, da schwere Komplikationen und Folgeerkrankungen häufig vorkommen. Betroffene werden anfangs (bis 24 Stunden nach Beginn der Antibiose) isoliert behandelt, da die Infektion besonders ansteckend ist.

Auch andere Bakterien und einige Pilze können zu einer Hirnhautentzündung führen. Menschen mit einem gesunden Immunsystem erkranken nur selten an einer Hirnhautentzündung durch Schimmelpilze oder Hefepilze.

Aseptische Meningitis

Die aseptische bzw. nicht infektiöse Meningitis wird nicht durch Infektionen verursacht. Zu den Ursachen gehören vielmehr:

  • Autoimmunerkrankungen, z. B. rheumatoide Arthritis, Lupus
  • Bestimmte Medikamente, z. B. NSAR

Symptome der Meningitis

Insbesondere eine virale Hirnhautentzündung fühlt sich für die Betroffenen häufig wie ein grippaler Infekt an. Typische Symptome einer Meningitis sind unter anderem:

  • Heftige Kopfschmerzen
  • (Hohes) Fieber → Achtung: Bei Kleinkindern ist auch eine zu niedrige Körpertemperatur möglich.
  • Abgeschlagenheit und Müdigkeit
  • Steifer Nacken: Entzündungsbedingte Schmerzen machen es Betroffenen oft unmöglich, den Kopf auf die Brust zu legen. Bei Neugeborenen ist die Nackensteifigkeit oft nicht erkennbar.
  • Bei Kleinkindern: Veränderungen des Verhaltens, der Befindlichkeit und des Ess- und Trinkverhaltens
  • Bei älteren Personen: Hier können Verwirrung und Bewusstseinsausfälle wichtige Anzeichen einer Hirnhautentzündung sein.
  • Bei einer Infektion mit Meningokokken: Es treten charakteristische Veränderungen des Hautbildes durch punktförmige Blutungen auf.

Wenn Sie eine starke Verschlechterung der Symptome in kurzer Zeit beobachten oder wenn Bewusstseinsstörungen und/oder Krampfanfälle auftreten, kontaktieren Sie sofort die Notärztin/den Notarzt.

Diagnose der Meningitis

Da eine bakterielle Meningitis durch einen raschen und schweren Verlauf gekennzeichnet ist, ist eine schnelle Diagnostik besonders wichtig. Um die richtige Behandlung einleiten und geeignete Maßnahmen ergreifen zu können, ist neben der Differenzialdiagnose auch die Bestimmung der auslösenden Erreger notwendig.

Bei Verdacht auf Meningitis ist ein ausführliches Anamnesegespräch wichtig, um etwaige Ursachen der Erkrankung zu erkennen. Wie ist Ihr aktueller Impfstatus? Leben oder arbeiten Sie mit vielen Menschen zusammen?

Untersuchungsmethoden

  • Blutuntersuchung: Die Erreger einer Hirnhautentzündung gelangen über das Blut in die Hirnhäute, daher können entsprechende Erreger auch in einer Blutprobe nachgewiesen werden.
  • Lumbalpunktion: Bei einer Lumbalpunktion entnimmt eine Ärztin / ein Arzt mit einer speziellen Nadel Flüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal. Der Liquor wird anschließend im Labor auf Entzündungszeichen und Krankheitserreger untersucht. Wichtige Erreger können unter dem Mikroskop identifiziert werden.
  • Bildgebende Verfahren: Insbesondere bei Bewusstseinsstörungen ist eine Untersuchung des Gehirns über MRT (Magnetresonanztomografie) oder CT (Computertomografie) erforderlich. Andernfalls kann keine Lumbalpunktion durchgeführt werden. Aber auch bei Betroffenen ohne Bewusstseinsstörungen werden bildgebende Verfahren zur Differentialdiagnose eingesetzt.
  • Weitere Untersuchungen: Je nach Patient sowie Schweregrad und Ursache der Hirnhautentzündung können weitere Untersuchungen notwendig sein, um über die richtige Behandlungsstrategie zu entscheiden und Komplikationen zu vermeiden (z.B. Rachenabstrich, Elektroenzephalografie (EEG)).

Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Meldungen zu GBS nach Impfung

Beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland gingen in den ersten 9 Monaten seit Beginn der SARS-CoV-2-Impfkampagne insgesamt 255 Meldungen eines GBS oder seiner bulbären Variante, dem Miller-Fisher-Syndrom (MFS) ein. Das entspricht bei insgesamt 108 Mio. Impfdosen einer Häufigkeit von 0,23 auf 100.000 Impfungen.

Bei den Daten des PEI fällt auf, dass ein GBS/MFS v.a. bei Personen auftritt, die mit Vektorimpfstoffen geimpft wurden (ChAdOx1 nCoV-19 bzw. Ad26.COV2.S von Johnson & Johnson): 0,84 bzw. 1,1 Meldungen pro 100.000 Impfungen). Zu den mRNA-Vakzinen (Comirnaty® = BNT162b2 bzw. Spikevax®, Moderna) gab es deutlich weniger Meldungen: 0,13 bzw. 0,11 Meldungen pro 100.000 Impfungen). Diese Zahlen liegen etwa im Bereich der Hintergrundinzidenz.

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