Demenz und Niereninsuffizienz: Ein komplexer Zusammenhang

In Deutschland leben schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Bei Betroffenen verschlechtern sich dabei über einen längeren Zeitraum verschiedene geistige Fähigkeiten, konkrete Symptome können etwa Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, der Orientierung oder auch der Konzentration sein. Die Ursachen sind dabei vielseitig und können von der Alzheimer-Krankheit über Durchblutungsstörungen im Gehirn bis hin zu Alkoholmissbrauch reichen. Auch wenn eine Demenz in den meisten Fällen nicht heilbar ist, kann eine frühe Diagnose entscheidend sein, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und zu verzögern. In den meisten Fällen bemerken Betroffene ihre Erkrankung allerdings erst, wenn sie schon starke Symptome haben.

Jüngste Forschungsergebnisse deuten auf einen beunruhigenden Zusammenhang zwischen Nierenerkrankungen und dem Risiko, an Demenz zu erkranken, hin. Eine Schädigung der Nieren könnte für mehr Demenz-Fälle verantwortlich sein als kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes.

Erhöhtes Demenzrisiko bei Nierenfunktionsstörungen

Eine Studie des Karolinska Institute in Stockholm zeigt, dass Patientinnen mit einer Schädigung der Nieren ein bis zu 162 Prozent höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Die Ergebnisse sind auch für Menschen mit vermeintlich gesunden Nieren interessant, da sich bis zu 90 Prozent der Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit (CKD) dessen nicht bewusst sind. Daten aus den USA deuten darauf hin, dass rund 15 Prozent der Erwachsenen US-Amerikanerinnen an einer chronischen Nierenkrankheit leiden. Das Risiko steige mit dem Alter, ist der Pressemitteilung zur aktuellen Studie zu entnehmen. Da sich die Erkrankung häufig erst in späten Stadien durch Symptome zeige, wüssten rund 90 Prozent der Betroffenen nicht, dass sie erkrankt sind.

Eine chronische Nierenkrankheit zeichnet sich dadurch aus, dass die Nieren zunehmend ihre Fähigkeit verlieren, Giftstoffe aus dem Blut zu filtern. „Selbst eine milde Reduktion der Nierenfunktion wird mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Infektionen in Verbindung gebracht“, erklärt Studienautor Dr. Hong Xu vom Karolinska Institute in Stockholm. „Es gibt immer mehr Beweise, dass es auch eine Beziehung zwischen den Nieren und dem Gehirn gibt.“ Weitere liefert das Karolinska Instute in Zusammenarbeit mit dem Swedish Research Council nun selbst. „Es gibt noch keine effektive Behandlung, um Demenz zu verhindern oder zu verlangsamen. Daher ist es wichtig, mögliche Risikofaktoren zu ermitteln.“ Die Theorie der Forschenden: Chronische Nierenkrankheiten könnten einer der Risikofaktoren für Demenz sein. Um sie zu überprüfen, beobachtete das Team 330.000 Menschen über einen Zeitraum von durchschnittlich fünf Jahren hinweg. Alle Probandinnen waren älter als 64 Jahre und erhielten ihre Gesundheitsversorgung in Stockholm. Keiner von ihnen war vor Beginn der Untersuchungsreihe mit Demenz diagnostiziert worden, hatte eine Nierentransplantation hinter sich oder war Dialyse-Patientin. Außerdem wurde die glomeruläre Filtrationsrate der Proband*innen bestimmt. Diese zeigt, wie schnell ein körperfremder Stoff aus dem Blut gefiltert wird und gilt als einer der wichtigsten Indikatoren der Funktionsfähigkeit der Nieren. Mindestens 90 Milliliter pro Minute gelten als Normalwert einer gesunden Person.

„Unsere Studie zeigt, dass eine verminderte Nierenfunktion mit der Entwicklung von Demenz in Verbindung steht“, fasst Studienautor Dr. Hong Xu zusammen. Um die Probandinnen mit unterschiedlicher Beeinträchtigung der Nieren akkurat vergleichen zu können, wählte Xus Team die Einheit „Person-Years“. Dabei handelt es um das Produkt der Anzahl von Jahren, in der eine Person Teil der Studie war, multipliziert mit der Anzahl der Probandinnen. Dabei zeigte sich: Von den Menschen mit einer normalen Filtrationsrate (90 bis 104 Milliliter pro Minute) erkrankten sieben pro 1.000 Person-Years an Demenz. Die Wissenschafterinnen kommen schlussendlich zu dem Ergebnis, dass die Menschen mit einer Filtrationsrate von 30 bis 59 Millilitern pro Minuten ein 71 Prozent höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Bei diesen Werten handelt es sich um eine moderate chronische Nierenkrankheit. Wer eine Filtrationsrate von weniger als 30 Millilitern pro Minute aufweist, hat sogar ein 162 Prozent höheres Risiko - verglichen mit Personen mit normalen Werten. Das Forscherteam schätzt, dass zehn Prozent der Demenz-Erkrankungen einer Filtrationsrate von weniger als 60 Millilitern pro Minute zuzuschreiben sein könnten. Dr. Xu merkt jedoch an, dass es zwar eine Verbindung gäbe, aber eine Ursache noch nicht bewiesen sei. Weitere Forschung sei notwendig, um die genauen Gründe dieser Verbindung zu bestimmen. „Dennoch sollten unsere Erkenntnisse das Bewusstsein für die Verknüpfung der beiden Erkrankungen schärfen.“ Medizinerinnen sollten außerdem darauf achten, Menschen mit hohem Demenz-Risiko regelmäßig auf Nierenerkrankungen zu untersuchen.

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Albuminurie als Frühindikator

Eine neue Studie, veröffentlicht im "Journal of Internal Medicine", kommt nun zu dem Schluss, dass ein bestimmter Eiweißwert im Urin dabei unterstützen könnte, das Demenzrisiko konkreter einzuschätzen. Das Forschungsteam aus Schweden und den Niederlanden hatte die Gesundheitsdaten von insgesamt 133.000 Menschen über 65 Jahren ausgewertet. Über eine durchschnittliche Beobachtungszeit von etwa vier Jahren entwickelten 9435 Personen, also sieben Prozent, eine Demenz. Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen der Diagnose und dem Vorkommen eines bestimmten Eiweißes im Urin, das sogenannte Albumin. Sie stellen fest, dass Personen mit einer Mehr aus dem Bereich Ratgeber GesundheitVorhofflimmern bleibt oft unerkannt - drei Risikofaktoren müssen Sie kennenDienstag, 04.11.2025 | 19:30Wie Sie Ihr Krebsrisiko ganz einfach senkenDienstag, 04.11.2025 | 18:19Zuckendes Auge kann Warnsignal für ernste Krankheiten seinDienstag, 04.11.2025 | 15:51Die neue FOCUS-Klinikliste ist da: Hier würden sich Ärzte selbst behandeln lassenDienstag, 04.11.2025 | 15:24Mehr ist besser: Schon 3000 Schritte am Tag senken Ihr Demenz-RisikoDienstag, 04.11.2025 | 15:05Augenarzt verrät fünf Dinge, die er jeden Tag für seine Augen tutDienstag, 04.11.2025 | 14:42Sexuell übertragbare Infektionen - Symptome erkennen und richtig vorbeugenMontag, 03.11.2025 | 16:05Bauchschmerzen falsch gedeutet: So erkennen Sie einen gefährlichen DarminfarktMontag, 03.11.2025 | 12:21Acht Gründe, warum Sie ständig müde sindMontag, 03.11.2025 | 06:06Bluthochdruck, Lebenserwartung, Diabetes: Was Sperma über Ihre Gesundheit verrätSamstag, 01.11.2025 | 18:00„Eine Kleinigkeit reduziert das Herzinfarkt-Risiko oft um 90 Prozent“Freitag, 31.10.2025 | 22:08Mehr zu Ratgeber Gesundheitmäßigen Albuminkonzentration im Urin, also 30 bis 299 Milligramm pro Gramm, ein um 25 Prozent höheres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken. Menschen mit hohen Konzentrationen, also über 300 Milligramm pro Gramm, hatten sogar ein um 37 Prozent höheres Risiko. Zum Vergleich: Als normal gelten Konzentrationen unter 30 Milligramm pro Gramm. Andere Demenzrisikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes wurden in der Analyse berücksichtigt.

Albumin als Marker für Nierenschäden

Albumin ist vor allem aus der Nephrologie, also der Nierenheilkunde, als diagnostischer Marker bekannt. Denn eigentlich sollte es nur im Blut vorkommen. Ist es aber im Urin erhöht nachweisbar, deutet eine solche Albuminurie, eine Schädigung der Nierenfilter, auf eine gestörte Funktion der Nieren hin. Dabei nimmt die Leistung der Nieren über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ab, bis sie im schlimmsten Fall gar nicht mehr funktionieren. Das kann zu verschiedenen Problemen führen, darunter:

  • Bluthochdruck
  • Störungen des Nervensystems und Knochenstoffwechsels
  • Blutarmut
  • Verkalkte Arterien und daraus folgend Herzinfarkt und Schlaganfall
  • Herzrhythmusstörungen, die bis zum Herzstillstand führen können.

Ein Urintest gibt unter anderem Aufschluss über Albuminwerte.

Unabhängiger Demenzrisikofaktor

Das gesteigerte Demenzrisiko bei erhöhten Albuminwerten zeigte sich jedoch auch unabhängig von der Nierenfunktion. Das lässt darauf schließen, dass die neurodegenerative Krankheit nicht allein auf die geschädigten Nieren zurückzuführen ist, sondern beide Erkrankungen gemeinsam auftreten.

Gefäßschäden, Entzündungen und die Ansammlung schädlicher Proteine, die mit Demenz in Verbindung stehen. "Nieren und Gehirn mögen wie sehr unterschiedliche Organe erscheinen, aber sie haben eine wichtige Gemeinsamkeit: Beide sind auf ein empfindliches Netzwerk kleiner Blutgefäße angewiesen. Wenn die Blutgefäße in den Nieren geschädigt sind, tritt der gleiche Prozess oft im Gehirn auf“, sagt Hong Xu, leitende Autorin der Studie.

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Vaskuläre Demenz im Fokus

Da eine Demenz ganz verschiedene Ursachen haben kann, untersuchte das Forschungsteam diese genauer. Es zeigte sich, dass die erhöhten Albuminwerte vor allem mit einem gesteigerten Risiko für eine gemischte, vaskuläre und unspezifische (Ursache unklar) Demenz verbunden war. Am stärksten war der Zusammenhang bei der vaskulären Demenz. Nach der Alzheimer-Krankheit zählt sie zur zweithäufigsten Demenzform. Sie wird häufig durch Durchblutungsstörungen und in Folge Schlaganfall, Bluthochdruck, Diabetes oder anderen Gefäßerkrankungen verursacht. Die gemischte Demenz vereint Merkmale der vaskulären Demenz und der Alzheimer-Krankheit. Es zeigte sich jedoch kein Zusammenhang zwischen dem Albuminwert und der Alzheimer-Demenz.

Einfacher Test zur Früherkennung

Die Forscher fanden den Zusammenhang sowohl bei genauen Labortests als auch bei einfachen Urinteststreifen. Diese werden oft beim Hausarzt bei Verdacht auf Nierenerkrankungen und Diabetes-Kontrolluntersuchungen verwendet. Laut der Autorin unterstreichen die Ergebnisse jedoch die Relevanz von routinemäßigen Screenings auf Albuminurie als Teil einer frühzeitigen Demenzrisikobewertung. " Eine frühzeitige Erkennung von Albuminurie könnte den Ausbruch einer Demenz möglicherweise verzögern oder verhindern“, kommentiert Studienautorin Hong Xu die Ergebnisse. Auch in Deutschland zählt Albumin derzeit nicht zu den klassischen Risikofaktoren, die beim Hausarzt im Rahmen diverser Screenings getestet werden - noch nicht einmal, wenn es um die Nierenfunktion geht.

Mikroglia und Kaliumverteilung im Gehirn

Eine neue Studie der Universitätsmedizin Leipzig liefert wichtige Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die für therapeutische Ansätze der chronischen Nierenerkrankung dienen könnten. Die Ergebnisse sind im Fachjournal "Kidney International" publiziert worden. Mikroglia sind spezialisierte Immunzellen des Gehirns, die eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung neuronaler Funktionen spielen. Die Aktivierung dieser Zellen ist oft mit entzündlichen Prozessen verbunden, die wiederum das Gehirn und die kognitiven Funktionen beeinflussen.

„In der vorliegenden Studie konnten wir zeigen, dass die chronische Nierenerkrankung (CKD) zu einer Aktivierung der Mikrogliazellen führt, was eine Reihe von negativen Effekten auf das Gehirn hat und insbesondere die Feinregulierung der Kaliumverteilung in den Nervenzellen stört“, erklärt Dr. Dr. Silke Zimmermann, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin der Universitätsmedizin Leipzig. Um die Mechanismen der chronischen Nierenerkrankung im Gehirn zu untersuchen, etablierten die Leipziger Wissenschaftler für diese Arbeit ein chirurgisches Mausmodell, bei dem fünf Sechstel des Nierengewebes entfernt wurde. Die Studiendaten zeigten, dass diese Mäuse schlechter in kognitiven Tests abschnitten und eine reduzierte neuronale Kaliumumsetzung aufwiesen. Die Analyse der Genexpression verdeutlichte, dass in den neuronalen Zellclustern der Mausmodelle mit chronischer Nierenerkrankung mehrere Signalwege betroffen waren, die mit Krankheiten wie Alzheimer, Huntington und Parkinson verknüpft sind.

Die Studienanalysen der experimentellen Ansätze sowohl an Zellkulturen als auch an Mausmodellen belegten, dass die chronische Nierenerkrankung die Barrierefunktion der Endothelzellen des Gehirns beeinträchtigt. Damit zeigten die Leipziger Wissenschaftler, dass die fortschreitende Urinvergiftung bei Nierenversagen die Gefäßdurchlässigkeit im Gehirn verändert. Diese Störung der Blut-Hirn-Schranke ermöglicht es toxischen Substanzen, das Gehirn zu erreichen und dort Entzündungsreaktionen auszulösen. Dieser Prozess beeinträchtigt wiederum das Gleichgewicht von Kalium in den Mikrogliazellen. Die Wiederherstellung der sogenannten Kalium-Homöostase in den Zellen gelang den Forschenden, indem sie einen Rezeptor an den Nervenzellen mit einem Hemmstoff blockierten - dadurch verbesserten sich auch die kognitiven Beeinträchtigungen.

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„Damit ist es uns gelungen, einen Mechanismus im Gehirn nachzuweisen, der eine zentrale Funktion für die Entstehung der gestörten Kognition hat. Wir denken, dass es ausreichend ist, diesen Mechanismus zu behandeln, um die Kognition bei betroffenen Patienten zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Berend Isermann, ebenfalls Korrespondenzautor der aktuellen Studie. „Unsere Forschung zeigt, dass die Regulation des Kaliumausstroms in Mikrogliazellen und die Erhaltung der neuronalen Funktion vielversprechende Ansätze zur Behandlung der kognitiven Beeinträchtigungen darstellen könnten. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, diese Mechanismen weiter zu entschlüsseln und gezielte Therapien für die kognitive Beeinträchtigung bei chronische Nierenerkrankung zu entwickeln. Eine andere Vision von uns ist es, neuartige Biomarker zu erforschen, die frühzeitig eine Entwicklung einer Kognitionsverschlechterung anzeigen können“, sagt Dr. Dr. Zimmermann, Clinician Scientist am Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik. Gemeinsam mit Institutsdirektor Prof. Dr. Berend Isermann leitete sie das Grundlagenforschungsprojekt.

Die Niere-Gehirn-Achse: Mechanismen und Forschung

Dr. Samuel Knauß betont, dass klinische Erfahrungen zu möglichen Zusammenhängen zwischen Nierenschäden und kognitivem Abbau schon sehr viel länger bestehen als eine systematische Forschung dazu. Nephrologinnen und Nephrologen sehen zwar häufig CKD-Patientinnen und -patienten mit einer MCI und Demenz. Der Fokus auf die Niere-Gehirn-Achse ist relativ neu, und die Forschung dazu, welche Mechanismen dahinterstecken, hat erst in den letzten Jahren richtig begonnen. Dabei zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die CKD ein relevanter unabhängiger Risikofaktor für MCI und Demenz ist. Die Prävalenz von MCI und Demenz bei Patienten mit CKD ist deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung - bei Dialysepatienten für MCI bis zu 60 %, für Demenz bis zu 30 %.

Vaskuläre und nicht-vaskuläre Mechanismen

Knauß erläutert, dass es vor allem zwei Mechanismen sind, die es sich lohnt, näher anzuschauen: vaskuläre und nicht-vaskuläre. Zu den vaskulären Mechanismen gehört die "strain vessel hypothesis", die besagt, dass die Autoregulation des Gefäßbettes bei Niere und Gehirn relativ ähnlich ist, weil beide unabhängig vom Blutdruck eine kontinuierliche Durchblutung brauchen. Deswegen haben beide Organe Mechanismen, um den Blutfluss zu kontrollieren - eine Ähnlichkeit, die bei Bluthochdruck bei beiden zu Schäden führen kann.

Ein wichtiges, relativ neues Feld ist das glymphatische System, gewissermaßen der Abflussmechanismus oder die „Müllabfuhr“ des Gehirns. Es scheint hier einen Unterschied in der Funktion des glymphatischen Systems zwischen Patienten mit und ohne CKD zu geben. Die Frage ist, ob es neurotoxische Substanzen gibt, die eigentlich über die Niere ausgeschieden werden sollten, aber bei CKD im Gehirn im glymphatischen System akkumulieren, weil sie nicht mehr abtransportiert werden können, und ob diese dann zu einer Demenz führen.

FGF23 und α-Klotho

In den letzten Jahren gab es zudem einige interessante Erkenntnisse zu fibroblast growth factor 23 (FGF23) und α‑Klotho, einem Molekül, das in der Demenzforschung immer wieder auftaucht. Interessant ist, dass α-Klotho ein Ko-Ligand von FGF23 ist, der wiederum in der Kaskade von Parathormonen und der alkalischen Phosphatase im Zusammenhang mit der Niereninsuffizienz schon lange bekannt ist. Jetzt gibt es erste Evidenz dafür, dass eine deutliche Erhöhung von FGF23 und Erniedrigung von α-Klotho zumindest assoziiert ist mit Demenzerkrankungen bei CKD.

Bildgebung und betroffene Gehirnfunktionsbereiche

Vor allem die Bildgebung hat in den letzten Jahren zu einem besseren Verständnis geführt, wie sich MCI/Demenz bei Patienten mit CKD von anderen Demenzformen unterscheiden könnte. Es gibt jetzt erste Hinweise, die insbesondere im MRT und PET zeigen, dass im Zusammenhang mit der CKD andere Mechanismen zur Demenz führen könnten. Man sieht bei Patientinnen und Patienten mit CKD-assoziierter MCI/Demenz vor allem im präfrontalen Cortex und im Nukleus basalis Meynert, der auch in der Gedächtnisleistung eine Rolle spielt, zum einen eine Ausdünnung im präfrontalen Cortex und eine verringerte Aktivität in den Nuklei.

Patienten selbst berichten häufig über Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, während Angehörige meistens von Verlangsamung und Desorganisiertheit im Alltag berichten. Die kognitiven Domänen sind die gleichen wie bei anderen Demenzformen: Beeinträchtigt sind vor allem Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen und Sprache.

Proteinurie und Alter

Es gibt Hinweise darauf, dass bei jungen Patienten auch die Proteinurie eine Rolle spielt - wie übrigens auch für das Schlaganfallrisiko bei der CKD die Proteinurie ein unabhängiger Risikofaktor ist. Das Alter ist immer der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten einer Demenz, auch für Nierenpatienten. Dennoch haben Patienten mit einer Niereninsuffizienz im Jugendalter ein erhöhtes Risiko für eine schlechtere kognitive Leistungsfähigkeit als Vergleichspatienten.

Dialysequalität

Alle Studien, die es zur Dialysequalität gibt, sind eher ernüchternd. Es gibt einige, die zeigen, dass bei der PD möglicherweise das Risiko etwas geringer ist. Allerdings konnte eine große Studie mit mehr als 52.000 Patienten diesen Effekt nicht zeigen, wenn man für andere Risikofaktoren kontrollierte. Es gibt insgesamt keine gute Evidenz dazu, wie man die Dialyse modifizieren könnte, um die Progression kognitiver Einschränkungen aufzuhalten. Eine schlechte Dialyse kann durchaus Einfluss auf den Abbau kognitiver Funktionen haben. Es sind insbesondere dialysatunabhängige Faktoren, wie z. B. die Blutdruckkontrolle während der Dialyse oder die EPO-Therapie, mit denen man den Abbau kognitiver Funktionen beeinflussen kann.

Prävention und Behandlung

Für die Praxis ist das Wichtigste, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass MCI und Demenz bei CKD-Patienten häufig auftritt und dass man das auch als Nephrologe ernst nimmt. Bei Patienten, die berichten, dass sie sich nicht mehr konzentrieren können oder öfter verlaufen, sollte man hellhörig werden und diese ggf. zum Neurologen oder zu einer neuropsychologischen Testung überweisen, um zu objektivieren, ob eine MCI/Demenz vorliegt. Die Empfehlungen für CKD-Patienten mit einer MCI oder Demenz sind dann letztlich ähnlich wie bei Menschen ohne Nierenerkrankung.

Man kann z. B. im Umfeld viel machen, vor allem die Patienten aktiv halten. Wichtig ist der soziale Austausch. Der fehlende soziale Austausch ist ein wichtiger Faktor für das Fortschreiten einer Demenz und insbesondere den Verlust der Alltagsfähigkeit, den man beeinflussen kann. Ein anderer wichtiger beeinflussbarer Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist Schwerhörigkeit. Auch die Dialyse als Therapie für die Alzheimerdemenz wurde schon in Betracht gezogen, um Beta-Amyloid zu senken.

CONNECT-COST-Aktion

Knauß engagiert sich in der CONNECT-COST-Aktion Cognitive decline in Nephro-Neurology. Das Hauptziel ist der Wissenstransfer und die Vorbereitung von gemeinsamen Projekten von Neurologen und Nephrologen als Forschungsnetzwerk. Des Weiteren werden präklinische Modelle für CKD-assoziierte kognitive Einschränkungen/Tiermodelle entwickelt. Um MCI und Demenz bei Patienten mit CKD besser zu verstehen, ist es wichtig, Studien gemeinsam zu designen. Dazu soll das Connect-Netzwerk europaweit dienen.

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