Demenz und Depression: Ein Überblick über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Diagnose

Demenz und Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Obwohl sie oft ähnliche Symptome aufweisen, ist es wichtig, die Unterschiede zwischen diesen beiden Erkrankungen zu verstehen, um eine frühzeitige und gezielte Behandlung zu ermöglichen. Dieser Artikel beleuchtet die Charakteristika, Diagnosekriterien und Behandlungsmöglichkeiten von Demenz und Depression, um Betroffenen und Angehörigen ein besseres Verständnis zu vermitteln.

Einführung

Die Unterscheidung zwischen Demenz und Depression kann insbesondere zu Beginn einer Erkrankung schwierig sein, da sich die Symptome ähneln können. Es ist jedoch entscheidend, die richtige Diagnose zu stellen, da eine frühzeitige Behandlung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. Depressionen können das Risiko für Demenzen erhöhen und umgekehrt, was die Diagnose zusätzlich erschwert.

Symptome von Demenz und Depression

Sowohl Demenz als auch Depressionen können das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen erheblich verändern. Depressive Störungen beeinträchtigen die kognitiven Fähigkeiten, Alltagsfunktionen und soziale Kompetenz von Menschen mit Demenz zusätzlich und lassen sie noch »kränker« erscheinen. Aber sie können die Kognition auch bei nicht dementen Menschen so sehr stören, dass es wie eine Demenz wirkt (Pseudodemenz). Natürlich können Depression und Demenz auch »zufällig« nebeneinander vorliegen. Schätzungsweise jeder fünfte Demenzkranke leidet auch an einer depressiven Störung.

Gemeinsame Symptome

Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme und Antriebslosigkeit können sowohl bei Demenz als auch bei Depressionen auftreten. Diese Gemeinsamkeiten erschweren die Diagnose.

Unterscheidungsmerkmale

Trotz der Ähnlichkeiten gibt es deutliche Unterschiede, die bei der Diagnose helfen können:

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  • Erkrankungsbeginn: Eine Demenz beginnt schleichend und verschlechtert sich kontinuierlich über Monate oder Jahre, während eine Depression oft einen raschen Beginn hat und in der Regel weniger als sechs Monate dauert.
  • Leistungsfähigkeit: Bei einer Alzheimer-Demenz nimmt die Leistungsfähigkeit konstant ab, während sie bei einer Depression stark schwanken kann.
  • Verlauf: Depressionen haben oft einen vorübergehenden Verlauf, während Demenzerkrankungen eine Symptomatik über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zeigen.
  • Selbstbild: Depressive klagen oft über ihre Symptome, während Demenzkranke dazu neigen, ihre Beschwerden zu kaschieren.
  • Orientierung: Depressive Patienten sind in der Regel orientiert und können Hilfe suchen, während Demenzpatienten desorientiert sind und mit fortschreitender Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, Hilfe zu suchen.
  • Alltagsverhalten: Trotz Depressionen sind Patienten oft in der Lage, Routinearbeiten zu verrichten, während Demenzpatienten ihre Alltagskompetenzen verlieren.
  • Kognitive Fehlleistungen: Bei Demenzpatienten treten Ausfälle des Kurzzeitgedächtnisses, fehlendes Urteils- und Planungsvermögen, Angst, Koordinations- und Sprachstörungen auf. Depressionen zeichnen sich insbesondere durch eine traurige, niedergeschlagene Stimmung, Interessenverlust und verminderten Appetit aus.
  • Problembewältigung: Menschen mit einer Depression stellen ihre Einschränkungen oft mit sehr ausführlichen Beschreibungen in den Vordergrund. Sie reagieren häufig auf Leistungsanforderungen mit Aussagen wie „Ich schaffe das nicht" oder „Ich kann das nicht". Auf an sie gerichtete Fragen kommen oft „Ich weiß nicht" Antworten und die Betroffenen neigen zum sorgenvollen Grübeln. Menschen, die an einer Demenz leiden bagatellisieren dagegen ihre Einschränkungen sehr oft bzw. machen ihr Umfeld für ihre Defizite verantwortlich.
  • Kognitive Störungen: Darunter versteht man Störungen der Informationsverarbeitung und -umsetzung. Im Rahmen einer Depression handelt es sich oft nur um gering ausgeprägte Beeinträchtigungen, die dann auch eher gleichbleibend sind. Die Betroffenen zeigen oft gute Alltagskompetenzen, die im Widerspruch zum oft schlechten Abschneiden in Leistungstests stehen. Hinsichtlich ihrer Beeinträchtigungen leiden Depressive vielfach auch unter Schuldgefühlen. Bei einer Demenzerkrankung hingegen treten zunehmende kognitive Störungen auf, die im Einklang mit dem immer schlechteren Abschneiden in Leistungstests stehen. Die Alltagskompetenzen nehmen kontinuierlich ab und entsprechen damit ebenfalls den Testergebnissen.
  • Schlaf: Depressive Menschen leiden häufig aufgrund einer sorgenvollen Grübelneigung an Ein- und Durchschlafstörungen, während es bei einer Demenzerkrankung eher zu zunehmender nächtlicher Unruhe und Umtriebigkeit kommt.
  • Soziale Aktivitäten: Depressive Menschen neigen dazu, sich sozial zurückzuziehen während Demenzkranke oftmals gerade zu Beginn der Erkrankung noch versuchen, sozial aktiv zu bleiben.
  • Stimmung: Bei einer Depression kommt es häufig zu einem Stimmungstief am Morgen während es bei einer Demenzerkrankung eher zu einem Stimmungstief am Abend kommt.

Diagnose

Eine frühzeitige und korrekte Diagnose ist entscheidend für die Behandlung beider Erkrankungen. Die Diagnose wird in der Regel von einem Psychiater, Neurologen oder Psychologen gestellt.

Diagnoseverfahren

  • Kognitive Leistungstests: Der Demenz-Detektionstest (DemTect) und der Mini-Mental-Status-Test (MMST) erfassen kognitive Störungen. Der DemTect ist besonders zu Beginn einer Demenz geeignet, während der MMST eher für den Verlauf geeignet ist.
  • Geriatrische Depressionsskala (GDS): Diese Skala befasst sich mit den affektiven Symptomen und kann Hinweise auf eine Depression geben.
  • Neuropsychologische Testverfahren und bildgebende Verfahren: Diese können wichtige Befunde zur besseren Unterscheidung der beiden Erkrankungen liefern.
  • Anamnese und Beobachtung: Die sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte und die Beobachtung des Patienten im Alltag sind wichtige Bestandteile der Diagnostik.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen, wie z.B. depressive Anpassungsstörungen, Trauerreaktionen oder körperliche Erkrankungen. Auch die Unterscheidung zwischen einer Depression als Begleitsymptom einer Demenz (Pseudodepression) und einer kognitiven Einschränkung im Rahmen einer Depression (Pseudodemenz) ist entscheidend.

Zusätzliche klinische Merkmale für Demenz

  • Desorientiertheit: Patientinnen und Patienten finden sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurecht
  • Konfabulationen: Betroffene versuchen, Informationen aus ihrem Gedächtnis abzurufen, die nicht mehr gespeichert werden konnten
  • Ein zeitlich unscharfer Beginn der Erkrankung
  • Hirnwerkzeugstörungen (Störungen von Hirnfunktionen), die sich in Form von Sprach- und Bewegungsstörungen wie Aphasie und Apraxie bemerkbar machen

Zusätzliche Merkmale für eine schwerere Depression bei Demenz

  • Schuldgefühle
  • Lebensüberdrussgedanken oder Lebensmüdigkeit bis hin zum Wunsch, sich selbst zu töten (Suizidalität)
  • Schlaflosigkeit
  • Gewichtsverlust
  • Interessensverlust
  • Psychomotorische Hemmung oder auch Agitation: Erkrankten fällt es sehr schwer, sich zu bewegen, oder sie sind extrem unruhig
  • Ausgeprägte Konzentrationsstörungen

Behandlung

Die Behandlung von Demenz und Depressionen erfordert einen individuellen Ansatz, der auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist.

Behandlung von Depressionen

  • Psychotherapie: Bei leichten oder mittelschweren Depressionen ist eine psychotherapeutische Behandlung mindestens ebenso erfolgversprechend wie Antidepressiva, und das Nebenwirkungsrisiko ist geringer.
  • Antidepressiva: Bei schweren Depressionen, insbesondere bei Suizidgefahr, können Antidepressiva eingesetzt werden.
  • Weitere Maßnahmen: Entspannungs- und Meditationskurse, Sport und regelmäßige Bewegung können ebenfalls hilfreich sein.

Behandlung von Demenz

  • Antidementiva: Bei einer beginnenden Alzheimer-Demenz können Antidementiva eingesetzt werden, um die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.
  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Strukturierende Tagesabläufe, Bewegung, Musik, Gespräche, kreative Angebote oder soziale Kontakte können sich positiv auf Stimmung, Schlaf und Antrieb auswirken.

Behandlung von Depressionen bei Demenz

Auch wenn die Diagnose manchmal schwierig ist, eine Depression lässt sich auch bei bestehender Demenz behandeln. Ziel ist es, die Stimmung zu stabilisieren, Unruhe und Rückzug zu verringern - und die Lebensqualität spürbar zu verbessern.

  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Dazu gehören strukturierende Tagesabläufe, Bewegung, Musik, Gespräche, kreative Angebote oder soziale Kontakte. Diese Ansätze sind individuell anpassbar und können sich positiv auf Stimmung, Schlaf und Antrieb auswirken.
  • Medikamentöse Behandlung: Antidepressiva wie Mirtazapin oder Sertralin gelten als gut verträglich und beeinflussen die kognitive Leistungsfähigkeit nicht negativ.

Rolle der Angehörigen

Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen mit Demenz und Depressionen. Sie können aufmerksam beobachten, verständnisvoll begleiten und dabei helfen, dass professionelle Unterstützung in Anspruch genommen wird. Es ist wichtig, soziale Kontakte zu fördern, Bewegung anzuregen, Stress zu vermeiden und eine angenehme Alltagsgestaltung zu schaffen.

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Depressionen als Risikofaktor für Demenz

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken, ein erhöhtes Risiko haben, im Alter eine Demenz zu entwickeln. Wer seine Depression frühzeitig behandeln lässt - ob mit Medikamenten, Psychotherapie oder einer Kombination - kann das Risiko senken.

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