Das Experiment des unsichtbaren Gorillas ist ein psychologischer Klassiker, der die Funktionsweise unserer selektiven Aufmerksamkeit und die damit verbundenen Fehler verdeutlicht. Es zeigt, wie leicht wir etwas Offensichtliches übersehen können, wenn unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes fokussiert ist.
Das Experiment "Der unsichtbare Gorilla"
Christopher Chabris und Daniel Simons entwickelten das Experiment "Der unsichtbare Gorilla" im Jahr 1999. Sie rechneten nicht damit, dass es so viel Aufmerksamkeit erregen würde. Das Experiment wurde unzählige Male in verschiedenen Ländern und mit Menschen aller Alters- und Bildungsstufen durchgeführt, wobei die Ergebnisse stets ähnlich waren.
In dem Experiment wird den Teilnehmern ein Video gezeigt, in dem zwei Teams Basketball spielen. Ein Team trägt weiße Trikots, das andere schwarze. Die Teilnehmer werden gebeten, die Anzahl der Pässe des weißen Teams zu zählen. Während des Videos läuft eine Person im Gorillakostüm durch das Bild, bleibt in der Mitte stehen, trommelt sich auf die Brust und verschwindet wieder.
Die überraschenden Ergebnisse
Die meisten Teilnehmer sind so auf das Zählen der Pässe konzentriert, dass sie den Gorilla nicht bemerken. In der Regel übersehen mindestens 58 % der Teilnehmer den Gorilla. Wenn die Probanden das Video erneut ansahen, konnten alle den Gorilla problemlos erkennen. Einige glauben sogar, dass ihnen zwei verschiedene Videos gezeigt wurden, aber das ist natürlich nicht der Fall.
Diejenigen, die den Gorilla nicht bemerkt hatten, waren verblüfft darüber, wie offensichtlich er war und wie sie ihn übersehen konnten. Dieses Ergebnis verdeutlicht, wie selektiv unsere Aufmerksamkeit ist und wie wir Dinge ausblenden können, die nicht im Fokus unserer Aufmerksamkeit liegen.
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Das Experiment gewann den Ig-Nobelpreis, eine satirische Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen, die "Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen".
Wahrnehmungsfallen im Alltag
Die Ergebnisse des "Unsichtbaren Gorilla"-Experiments wurden in ähnlichen Studien bestätigt. Steve Most und Robert Astur führten ein Experiment mit einem Fahrsimulator durch. Die Freiwilligen sollten an einer Kreuzung anhalten, wenn sie einen blauen Pfeil sahen, und nicht anhalten, wenn sie einen gelben Bereich sahen. Während des Experiments erschienen zwei Motorräder vor ihnen, eines blau und das andere gelb. Die Fahrer bemerkten das blaue Motorrad und bremsten, aber fast 60 % der Probanden reagierten nicht auf das gelbe Motorrad und kollidierten mit ihm.
Diese Experimente zeigen, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit oft nur auf einen Aspekt konzentrieren und andere, offensichtliche Dinge übersehen. Im ersten Beispiel konzentrierten sich die Teilnehmer auf die Pässe des weißen Teams, im zweiten Fall auf den blauen Pfeil. Da der Gorilla schwarz war und einige Motorräder gelb, nahmen die Freiwilligen diese Elemente nicht wahr. Manche Menschen können sich nur auf eine Variable konzentrieren, während andere eine flexiblere Aufmerksamkeitsspanne haben.
Die Rolle der Aufmerksamkeit
Die Forscher fanden heraus, dass unser Gehirn Dinge, die überraschend und ohne Zusammenhang auftauchen, einfach ausblendet, selbst wenn es sich um große Dinge handelt. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf einen Aspekt der Welt lenken, haben wir nur noch eine begrenzte Aufnahmefähigkeit für andere Dinge. Wir nehmen nur die Dinge wahr, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten.
Anwendung in der Verkaufspsychologie
Die Erkenntnisse aus dem "Unsichtbaren Gorilla"-Experiment können in der Verkaufspsychologie angewendet werden. Wenn wir etwas verkaufen wollen, müssen wir dem potenziellen Kunden mitteilen, dass es unser Produkt gibt oder dass er unsere Dienstleistung braucht. Dies kann durch Anzeigen, Werbespots, Anschreiben, Webseiten oder Verkaufsgespräche geschehen. Im Grunde ist dies ein Lehrprozess, bei dem wir lehren und der potenzielle Kunde lernen soll.
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Da das Lernen im Gehirn stattfindet, müssen wir uns mit den Lernfähigkeiten unseres Gehirns auseinandersetzen, insbesondere mit den Fehlschlüssen und dem Versagen unseres Gehirns. Unser Gehirn kann uns immer wieder austricksen, und wir kaufen oft unbewusst.
Unaufmerksamkeitsblindheit im Alltag
Die Unaufmerksamkeitsblindheit ist ein Phänomen, das im Alltag häufig vorkommt. Polizisten gehen an schweren Unfällen vorbei, und Hollywoodfilme wimmeln von Fehlern. Unsere Wahrnehmung funktioniert selektiv.
Christopher Chabris und Daniel Simons entlarven in ihrem Buch "Der unsichtbare Gorilla: Wie unser Gehirn sich täuschen lässt" die Beschränktheit unserer Wahrnehmung, unserer Fähigkeit zu erinnern und unserer Auffassungsgabe. Sie zeigen, wie oft wir unbegründet auf unsere Intuitionen vertrauen und wie wir unserem Bewusstsein auf die Sprünge helfen können. Das Gedächtnis speichert keine genaue Kopie der Realität, sondern eine neu geschaffene Version. Jedes Mal, wenn wir eine Erinnerung abrufen, kombinieren wir die Details, an die wir uns erinnern, mit unseren Erwartungen. Unser Verhalten und unsere Entscheidungen sind beeinflussbar. Wenn Menschen zusammenkommen, bevor sie eine Entscheidung getroffen haben, wird diese Entscheidung wahrscheinlich von Gruppendynamik, Persönlichkeitskonflikten und anderen sozialen Faktoren beeinflusst.
Die Rolle des Arbeitsgedächtnisses
Psychologen der Universität von Utah widmeten sich dem Phänomen der Unaufmerksamkeitsblindheit in einer Studie. Sie fanden heraus, dass Menschen mit einem leistungsfähigen Arbeitsgedächtnis den Gorilla eher bemerkten. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht es, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Wer über eine hohe Auffassungsgabe verfügt, sieht den Gorilla mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit.
Unaufmerksamkeitsblindheit in der Bildung
Schüler hören die Ermahnungen ihrer Lehrer oft nicht, weil sie sie wegfiltern. Wenn sich zwei Schüler während des Unterrichts über ein neues Computerspiel oder eine neue Freundin unterhalten, ist das für sie wichtiger als der Lehrervortrag. Wenn die Lehrerin die Jungen um Ruhe bittet und diese nicht reagieren, wird dies möglicherweise als Provokation aufgefasst. Die Schüler konzentrieren sich auf das wirklich Wichtige und blenden die Umwelt aus. Die Ermahnung der Lehrerin war sozusagen der Gorilla, während die Schüler die Pässe mit dem Basketball gezählt haben.
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Die Kölner Studie zur Unaufmerksamkeitsblindheit
Eine Studie der Psychologin Carina Kreitz vom Institut für Kognitions- und Spielforschung der Deutschen Sporthochschule in Köln ergab, dass Menschen unabhängig von ihrer kognitiven Kapazität dazu veranlagt sind, den Gorilla zu übersehen. Die geistige Leistungsfähigkeit beeinflusst nicht, ob jemand anfällig für die Unaufmerksamkeitsblindheit ist. Je deutlicher sich ein unerwarteter Reiz vom Fokus der Konzentration unterscheidet, desto leichter entgeht er der Wahrnehmung.
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