Der Morbus Parkinson, auch bekannt als Parkinson-Krankheit (PK) oder idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS), ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die das extrapyramidal-motorische System und die Basalganglien betrifft. Charakteristische Symptome sind Hypokinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität. Die Diagnostik und Therapie des Morbus Parkinson haben sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat eine neue, vollständig überarbeitete S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Parkinson-Krankheit herausgegeben, die den aktuellen Stand der Forschung berücksichtigt. Diese Leitlinie bietet Ärzten und Betroffenen eine umfassende Orientierungshilfe für die bestmögliche Behandlung der Erkrankung.
Einleitung
Der Morbus Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung in Deutschland. Schätzungen zufolge sind hierzulande rund 420.000 Menschen von Parkinson betroffen. Weltweit sind es etwa 6,3 Millionen Männer und Frauen. Die Erkrankung betrifft vor allem ältere Menschen, wobei der Erkrankungsgipfel um das 60. Lebensjahr liegt. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Die Ursachen des Morbus Parkinson sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Man unterscheidet zwischen dem idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS), das etwa 75-80 Prozent der Fälle ausmacht, und genetischen Formen des Parkinson-Syndroms, die auf Mutationen in bestimmten Genen zurückzuführen sind. Symptomatische Parkinson-Syndrome (SPS) entstehen durch andere Ereignisse, Erkrankungen oder Arzneimittel, die die zentralnervösen Strukturen schädigen. Atypische Parkinson-Syndrome (APS) treten im Rahmen anderer neurodegenerativer Krankheiten auf.
Diagnostik des Morbus Parkinson
Die Diagnose des Morbus Parkinson basiert auf einer sorgfältigen klinischen Untersuchung und Anamnese. Dabei werden die typischen motorischen Symptome wie Bradykinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität erfasst. Da es keine spezifischen Tests gibt, die einen direkten Nachweis für Parkinson liefern können, ist es wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen.
Klinische Untersuchung und Anamnese
Die klinische Untersuchung umfasst die Beurteilung der motorischen Fähigkeiten, der Reflexe, der Sensibilität und der kognitiven Funktionen. Der Arzt wird detaillierte Fragen zur medizinischen Vorgeschichte und den Symptomen stellen. Dabei ist es wichtig, auch auf nicht-motorische Symptome wie Schlafstörungen, Riechstörungen, Verstopfung, Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen zu achten.
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Bildgebende Verfahren
Eine kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) soll bei klinischem PK-Verdacht frühzeitig erfolgen, auch um andere Erkrankungen auszuschließen. Zur Differenzialdiagnostik können je nach Fragestellung und erwartbaren klinischen Konsequenzen eine transkranielle Hirnparenchymsonographie, eine FDG-PET und eine Dopamin-Transporter-SPECT (DAT-SPECT) erfolgen.
Genetische Untersuchung
Eine genetische Untersuchung sollte - im Rahmen des Gendiagnostikgesetzes und nur auf Wunsch der Betroffenen - erfolgen, wenn entweder zwei Verwandte ersten Grades oder ein Verwandter ersten und ein Verwandter zweiten Grades an einem Parkinson-Syndrom erkrankt sind, sowie bei einer frühen Krankheitsmanifestation (< 50 Jahre). Genetische Befunde tangieren die Therapie zurzeit noch nicht.
L-Dopa-Test
Der L-Dopa-Test kann im Rahmen der Diagnostik eines Parkinson-Syndroms eingesetzt werden. Hierfür wird zunächst die Symptomschwere erfasst. Dann wird eine schnell wirksame Form von L-Dopa verabreicht und die Symptome werden erneut erfasst. Wenn sich die Symptome um mindestens 30 Prozent verbessert haben, deutet dies auf ein idiopathisches Parkinson-Syndrom hin.
Therapie des Morbus Parkinson
Die Therapie des Morbus Parkinson zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da die Erkrankung bisher nicht heilbar ist, konzentriert sich die Behandlung auf die Kompensation des Dopaminmangels im Gehirn und die Linderung der motorischen und nicht-motorischen Symptome.
Medikamentöse Therapie
Im Frühstadium der Parkinsonkrankheit stehen gemäß der S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom der DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) zur Behandlung der motorischen Kardinalsymptome als Wirkstoffe insbesondere Dopaminagonisten, L‑Dopa und MAO-B-Hemmer zur Verfügung [1]. Im Verlauf des idiopathischen Parkinsonsyndroms (IPS) kommt es unter einer chronischen unphysiologischen, pulsatilen Dopaminrezeptorstimulation im Striatum zu einer Verkürzung des Levodopawirkintervalls und einer direkten Abhängigkeit der motorischen Funktion von der oralen L‑Dopa-Einnahme und der L‑Dopa-Bioverfügbarkeit im Blut [2]. In diesem Krankheitsstadium treten als Folge hiervon die sog. motorischen Komplikationen auf. Für die medikamentöse Therapie dieser motorischen Komplikationen werden in der 2016 veröffentlichten S3-Leitlinie verschiedene Empfehlungen gegeben. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren relevante Studien zur medikamentösen Therapie motorischer Komplikationen publiziert [3], die in der S3-Leitlinie noch nicht berücksichtigt werden konnten. Außerdem publizierte die „Movement Disorder Society“ (MDS) 2018 aktualisierte evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie der motorischen Symptome [4].
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Nahezu alle Therapieempfehlungen für motorische, kognitive, affektive, psychotische und dysautonome Symptome sowie Schlafstörungen, Schmerz, Dysarthrie und Dysphagie bei der Parkinson-Krankheit wurden teilweise modifiziert, durch neue Evidenz gesichert und/oder durch neue Inhalte ergänzt. Wichtig ist, die Therapie rechtzeitig, altersgerecht, effizient und entsprechend den individuellen Therapiezielen zu beginnen. Bei der individuellen Medikamentenwahl zur initialen Monotherapie sollen neben der Schwere der motorischen Symptome das Patientenalter, die unterschiedlichen Effektstärken/Wirkung der Substanzen, Nebenwirkungen, Komorbiditäten und psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden - bevorzugt werden sollten, besonders bei jüngeren Betroffenen, Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmern (gegenüber Levodopa). Wenn Levodopa schon initial notwendig ist, soll es auch gegeben werden.
Im Krankheitsverlauf werden in der Regel verschiedene Substanzen kombiniert, die Leitlinien geben detaillierte Empfehlungen für spezielle Situationen und auch zu Substanzen, die nicht mehr eingesetzt werden sollen. Bei noch weiter fortschreitender Erkrankung verschlechtert sich oft die Medikamentenwirkung, es treten Phasen mit guter und schlechter Beweglichkeit auf (motorische Fluktuationen /„On-off-Phänome“) oder unkontrollierte Bewegungen (Dyskinesien). In dieser Situation kann eine Besserung durch Änderung oder Erweiterung des Therapiemanagements erzielt werden. Konkrete Hinweise dazu sind enthalten (Fraktionierung der Levodopa-Gaben und ggf. Dosisänderung, zusätzliche Gaben von Levodopa-Präparaten mit modifizierter Galenik (lösliches, inhalatives oder retardiertes Levodopa), zusätzliche Gaben von Dopaminagonisten, zusätzliche Gabe von MAO-B-Hemmern oder zusätzliche Gabe von COMT-Hemmern). Neu sind Empfehlungen zur Diagnose und Therapie einer akinetischen Krise (eine akute, potenziell lebensbedrohliche und transient doparesistente Symptomverschlechterung mit einer Letalität von 4−23 %). Die frühzeitige Diagnose bzw. Abgrenzung von einer schweren Off-Fluktuation und die adäquate Therapie (ggf. auf der Intensivstation) haben hier einen hohen Stellenwert.
Dopaminagonisten müssen manchmal aufgrund von Impulskontrollstörungen oder Halluzinationen abgesetzt werden. In 15−24 % kommt es daraufhin zum DAWS, wobei nun drei Risikofaktoren identifiziert werden konnten, bei deren Vorhandensein in 92 % ein DAWS entsteht (Impulskontrollstörungen, hohe Dopaminagonisten-Dosen, vorherige Tiefe Hirnstimulation - gegenüber nur in 3 % bei Abwesenheit aller drei Risikofaktoren). Eine spezifische DAWS-Therapie gibt es nicht, um ein DAWS früh zu erkennen. Das Absetzen von Dopaminagonisten sollte daher langsam erfolgen. Bei schwerem, protrahiertem DAWS sollte eine Wiederaufnahme der Behandlung mit Dopaminagonisten erwogen werden.
Invasive Therapien
Im Verlauf eines Morbus Parkinson kommt es häufig zu Fluktuationen oder Dyskinesien, die durch orale oder transkutane Medikamentengabe alleine nicht mehr beherrschbar sind. In dieser typischen klinischen Situation und einigen weiteren besonderen Fällen werden heute neurochirurgische Behandlungen oder Pumpentherapien eingesetzt. Diese Interventionen sind zum Teil schon seit Jahrzehnten bekannt, aber nur zum Teil ausreichend durch Studien belegt. Bislang hat keine Leitlinie all diese Verfahren unter einheitlichem Blickwinkel beurteilt. Die European Academy of Neurology (EAN) zusammen mit der Europäischen Sektion der Movement Disorder Society (MDS-ES) hat nun eine Leitlinie nach GRADE-Standards (Grading of Recommendations, Assessment, Development, and Evaluation) erarbeitet, die soeben erschienen ist (1).
Für die THS, die Pumpentherapien, die Thermokoagulation des Pallidum und den MRgFUS gibt es ausreichend gesicherte Daten, um klare Leitlinienempfehlungen zu geben. Für die anderen Therapien ist die Studienlage so unvollständig, dass die Autoren der Leitlinie nur eine Konsensusempfehlung formulieren konnten. Vorweg sei aber gesagt, dass als Expertenempfehlung die fokussierte Gammastrahlung nicht zum Einsatz empfohlen wird, weil die Wirkung beim Patienten vor der endgültigen Gewebsläsion nicht getestet werden kann. Auch die alte RF-Thermokoagulation wird wegen des ungünstigeren Nebenwirkungsprofiles im Vergleich zu den anderen Verfahren mit wenigen Ausnahmen nicht mehr empfohlen.
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In Deutschland werden heute die tiefe Hirnstimulation (THS), der fokussierte Ultraschall und die Pumpentherapien eingesetzt. Die Leitlinie hat genau unterschieden, für welche Symptomkonstellationen, die dem Parkinson-Spezialisten geläufig sind, diese Therapien in Betracht kommen. Allgemeines Therapieziel ist die Besserung der motorischen Beweglichkeit, aber noch wichtiger ist die Besserung der Lebensqualität. Dies gelingt je nach Ausgangszustand gut bis sehr gut.
Tiefe Hirnstimulation (THS): Bei Tiefer Hirnstimulation (THS) und plötzlichem Ausfall der THS kann ebenfalls ein Entzugssyndrom auftreten (ähnelt einer akinetischen Krise). Dies ist ein seltenes Ereignis (z. B. bei infektionsbedingter Explantation) und stellt eine große therapeutische Herausforderung bis zur THS-Reimplantation dar. In den neuen Leitlinien werden aktuelle Erkenntnisse und Empfehlungen dargestellt. Neu hinzugefügt bzw. aktualisiert wurden auch Daten und Empfehlungen zu Differenzialindikationen nicht oraler medikamentöser (invasiver) Therapien wie Pumpentherapien und der Tiefen Hirnstimulation (THS). So gibt es zu den THS-Formen (d. h. unterschiedliche Elektrodenlokalisationen) inzwischen Langzeitstudien. Man weiß inzwischen, dass die THS (z. B. des Nucleus subthalamicus/STN-THS) im Langzeitverlauf bis zu elf Jahre gegen motorische Symptome wirksam ist, die Verzögerung einer Demenz-Entwicklung war dabei nicht zu erkennen. Auch Langzeitdaten zu anderen THS-Formen und deren Unterschiede werden vorgestellt.
Pumpentherapien: Sowohl die Behandlung mit der L-Dopa- als auch die Apomorphin-Infusion werden medikamentös nicht behandelbaren Fluktuationen empfohlen. Die Verbesserung der Lebensqualität gelang aber mit der Apomorphin-Behandlung nicht. Randomisierte Vergleichsstudien zwischen den verschiedenen invasiven Therapien gibt es nicht. Die Differenzialindikation zwischen Pumpentherapien und der THS hängt stark von der individuellen Situation ab und muss mit dem Patienten besprochen werden. Bei Pumpentherapien stehen mittlerweile auch verschiedene Optionen zur Verfügung, die hinsichtlich ihrer differenziellen Indikation, Wirksamkeit und Sicherheit dargestellt werden.
Ablative Verfahren: Außerdem werden operative, ablative Verfahren wie die Pallidotomie in ihrer aktuellen Bedeutung bei fortgeschrittener PK eingeordnet; Thalamo- und Subthalamotomie mittels Radiofrequenzablation sollen bei der PK nicht mehr durchgeführt werden und auch radiochirurgische Verfahren (Gamma-Knife, Cyber-Knife) sind mangels Studien und aufgrund des potenziell hohen Komplikationsrisikos nicht zu empfehlen. Das relativ neue, ablative Verfahren MRgFUS (MRT-gesteuerter, fokussierter Ultraschall), das von außen durch die geschlossene Schädeldecke zur Anwendung kommt, ist v. a. sehr effektiv gegen den Tremor. Allerdings sollen diese Interventionen aktuell nur im Rahmen von Studien oder Registern durchgeführt werden. Alle ablativen Verfahren werden bisher nur unilateral eingesetzt. Zum erweiterten Einsatz des MRgFUS werden aktuell die notwendigen Studien durchgeführt. Bis hier weitere Ergebnisse vorliegen, wird bei Fehlen von Kontraindikationen gegenwärtig primär die THS empfohlen.
Nicht-medikamentöse Therapien
Neben der medikamentösen und invasiven Therapie spielen nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle bei der Behandlung des Morbus Parkinson. Dazu gehören Physio- und Ergotherapie, Logopädie, psychologische Unterstützung und Selbsthilfegruppen.
Betont wird die große Bedeutung einer multidisziplinären, teambasierten Versorgung für die Verbesserung der Lebensqualität bei PK. Empfehlungen zu komplexen Therapieansätzen sind enthalten. Die sogenannten aktivierenden Verfahren beinhalten Physio- und Ergotherapie, Logopädie oder künstlerische Therapien (Musik-, Tanz-, Kunst- oder Theatertherapie). Physikalische Verfahren verbessern wahrscheinlich motorische Symptome, Mobilität, Gang und Gleichgewicht und verhindern möglicherweise muskuloskelettale Sekundärprobleme. Eine relativ umfangreiche Datenlage gibt es beispielsweise für die Physiotherapie, die bei Beeinträchtigung durch motorische PK-Symptome im Alltag mindestens 3 h/Woche erfolgen sollte, wenn möglich auch als Eigentraining. Ob die Progression der PK durch aktivierende Therapien verlangsamt wird, ist noch unklar, daher sollte dies auch nicht als Therapieziel benannt werden. Für eine gezielte Sporttherapie bei PK lässt die Datenlage dagegen derzeit keine klaren Empfehlungen zu.
Therapie von Begleitsymptomen
Auch zu Diagnostik und Therapie der häufigen Begleitsymptomatik sind neue Empfehlungen enthalten. Zu nennen sind die Kapitel zu Schmerzen bei PK, zu Blasenfunktionsstörungen, erektiler Dysfunktion, orthostatischer Hypotonie (Blutdruckabfall beim Aufstehen) und nächtliche bzw. Liegend-Hypertonie sowie zur chronischen Obstipation. Aktualisiert oder ergänzt wurde auch das Vorgehen bei Tagesschläfrigkeit und bei nächtlichen Schlafstörungen, die insgesamt häufig sind (Ein- und Durchschlafstörungen, motorische Ursachen, Restless-Legs-Syndrom, Nykturie, Parasomnien, Atmungsstörungen, Albträume, REM-Schlafstörungen) und das aktuelle Management der Frage nach der Fahreignung von Erkrankten in Frühstadien.
Fazit
Die Diagnostik und Therapie des Morbus Parkinson haben sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Die neue S2k-Leitlinie der DGN bietet Ärzten und Betroffenen eine umfassende Orientierungshilfe für die bestmögliche Behandlung der Erkrankung. Neben der medikamentösen Therapie spielen invasive und nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle bei der Linderung der Symptome und der Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die frühzeitige Diagnose und eine individuelle, altersgerechte Therapie sind entscheidend für den Behandlungserfolg.
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