Die Diagnose von Demenzerkrankungen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, stellt eine der größten Herausforderungen der modernen Medizin dar. In Zürich und anderswo werden intensive Anstrengungen unternommen, um Demenz frühzeitig zu erkennen, die Diagnose zu verbessern und neue Therapieansätze zu entwickeln. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Demenzdiagnostik, insbesondere in Bezug auf die Zürcher Forschung und Praxis.
Das Spektrum der Altersdemenz
Der Begriff Altersdemenz umfasst ein breites Spektrum von Beschwerden, die mit kognitiven Einschränkungen einhergehen. In Europa ist die Alzheimer-Krankheit mit einem Anteil von 50-75 % die Hauptursache für eine Altersdemenz, gefolgt von der vaskulären Demenz (20-30 %) und der Lewy-Körperchen-Demenz (10-25 %). An letzter Stelle steht mit 10-15 % die frontotemporale Demenz, die sich im Vergleich zu den übrigen Demenzformen schon früh manifestiert und häufig eine erbliche Komponente hat.
Gemeinsamkeiten neurodegenerativer Erkrankungen
PD Dr. med. Paul Unschuld, Leiter des Zentrums für demenzielle Erkrankungen und Altersgesundheit an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, betont: "Eine Gemeinsamkeit vieler neurodegenerativer Erkrankungen ist die Aggregation pathologischer Proteine im Gehirn." Mittels MRI oder PET konnten aggregierte Tau-Proteine im Gehirn von Patienten mit frontotemporaler Demenz, progressiver nicht familiärer Aphasie und progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) nachgewiesen werden. Die Alzheimererkrankung ist durch aggregiertes Beta-Amyloid in Form von neuritischen Plaques charakterisiert. Diese Gehirnveränderungen lassen sich mittels PET bei Alzheimerpatienten lange vor dem Auftreten klinischer Krankheitszeichen nachweisen. Im Verlauf der Alzheimererkrankung lagert sich darüber hinaus vermehrt hyperphosphoryliertes Tau im Gehirn ab. Interessanterweise korreliert das Ausmaß der Tau-Ablagerungen mit dem Verlust von Gehirnsubstanz sowie mit den fortschreitenden kognitiven Defiziten.
Frühdiagnostik von Demenz
Bedeutung von Biomarkern
Zusätzlich zur neuropsychologischen Untersuchung werden in der Demenzdiagnostik vermehrt Biomarker eingesetzt. Der Nachweis von pathologisch veränderten Biomarkern ermöglicht Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf und kann zur Evaluierung von Therapien, beispielsweise im Rahmen klinischer Studien, eingesetzt werden. So lässt sich beispielsweise das Ausmaß der Neurodegeneration anhand des Gehirnvolumens im MRI abschätzen.
Ein kürzlich im Journal "Alzheimer’s & Dementia" publiziertes, hypothetisches Modell beschreibt den Krankheitsprozess auf der Basis des heutigen Wissensstandes. Dieser beginnt mit dem präklinischen Stadium, in dem die Biomarker der Betroffenen verändert sind, mit den gängigen neuropsychologischen Methoden aber kein Unterschied zur Normalbevölkerung festgestellt werden kann. Es folgt das mögliche Prodromalstadium mit leichten kognitiven Einschränkungen, bis sich schließlich das klinische Vollbild der Alzheimerdemenz manifestiert. "Diese Stadien sind heutzutage an universitären und tertiären Behandlungszentren mittels bildgebender Verfahren wie MRI und PET nachweisbar", so der Spezialist.
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Antikörper in Phase-III-Studien
Besonders intensiv werden die Biomarker bei der Entwicklung neuer Therapieverfahren genutzt. Eine aktuelle Übersicht zeigt die Vielzahl klinischer Studien zur Erforschung möglicher Wirkstoffe in der Alzheimerbehandlung. Ziel ist es, ein Medikament zu finden, das in den Krankheitsprozess eingreift, bevor eine irreversible Gehirnschädigung auftritt. Ein möglicherweise vielversprechender Kandidat in diesem Zusammenhang könnte der Antikörper Aducanumab sein, der mit Beteiligung von Zürcher Forschern entwickelt worden ist. Wie in einer kleinen Testpopulation mit 164 Patienten gezeigt wurde, führte die Behandlung mit dem Antikörper zu einer dosisabhängigen Reduktion von aggregiertem Beta-Amyloid im Gehirn. Die publizierten Daten geben Anlass zur Hoffnung, dass auch das Fortschreiten des kognitiven Abbaus verlangsamt werden kann. Aktuell wird der Wirkstoff in zwei Phase-III-Studien mit 2700 Patienten untersucht. "Sollte sich in diesen Studien der Effekt von Aducanumab bestätigen, hätten wir eine Therapie, die in einem ganz frühen Stadium in die Erkrankung eingreift", sagte Unschuld.
Neuropsychologische Untersuchung
Eine zentrale Bedeutung in der Diagnostik neurodegenerativer Erkrankungen spielt die neuropsychologische Untersuchung. Diese kann die Verbindung zwischen den Biomarkerinformationen und dem Demenzsyndrom herstellen. "Am aussagekräftigsten sind die Testverfahren in den frühen Krankheitsstadien", so der Spezialist. Wie sich am Beispiel der Alzheimererkrankung zeigt, präsentieren sich die Betroffenen im Frühstadium klassischerweise mit Einschränkungen im episodischen Gedächtnis, während andere kognitive Domänen wie die Sprache häufig erst später betroffen sind. Im späten Krankheitsstadium sind dagegen typischerweise alle kognitiven Domänen schwer beeinträchtigt. Im Unterschied dazu werden im Frühstadium der frontotemporalen Demenz (behaviorale Variante) vermehrt Verhaltensauffälligkeiten und ein Aufmerksamkeitsdefizit beobachtet. Die Sprache und das episodische Gedächtnis bleiben dagegen oft noch lange unauffällig. In fortgeschrittenen Stadien sind bei der frontotemporalen Demenz ebenfalls sämtliche kognitiven Domänen schwer beeinträchtigt.
Ethische Aspekte der Frühdiagnose
Die Möglichkeit, pathologische Biomarker zu einem Zeitpunkt festzustellen, zu dem der Betroffene noch keine subjektiven Beschwerden hat, ist ethisch gesehen ein Dilemma und hat intensive Diskussionen ausgelöst, ob und wie man den Betroffenen die Diagnose kommunizieren soll. Dabei drehen sich die Diskussionen vor allem um folgende Punkte: die Autonomie des Patienten und Förderung des Patientenwohls, das Vermeiden von Schäden und Gerechtigkeit.
Verschiedene Arbeiten setzen sich mit den ethischen Aspekten der Frühdiagnostik auseinander. Eine kanadische Publikation von Gauthier und Kollegen vertritt den Standpunkt, dass die Information des Betroffenen die Voraussetzung dafür ist, um die Zukunft - beispielsweise die Regelung der Tagesabläufe oder die Bestimmung gesetzlicher Vertreter - überhaupt planen zu können. Auch die kanadische Alzheimervereinigung vertritt in ihren ethischen Leitlinien die Meinung, dass die Diagnose auf keinen Fall verheimlicht werden darf. Sie weist darauf hin, dass die Diagnose Alzheimer für den Betroffenen sehr belastend ist, und unterstreicht die enorme Bedeutung des persönlichen Umfelds in dieser Situation. Schipper et al. sind zudem der Meinung, dass die Bestimmung von APOE, einem genetischen Risikofaktor für eine sporadische Alzheimererkrankung, gerechtfertigt ist. Als Grund dafür nennen sie die Bedeutung von Risikofaktoren, insbesondere für vaskuläre Erkrankungen, die von den Betroffenen beeinflusst werden können, wodurch das Risiko einer Alzheimererkrankung möglicherweise reduziert werden kann.
Gesetzliche Regelungen zum Schutz von Alzheimerpatienten
Aktuell geht der Trend dahin, die Alzheimererkrankung nicht mehr über die Demenz, sondern über den Nachweis von Biomarkerveränderungen zu definieren. Der Einfluss der präklinischen Diagnose auf das individuelle Wohlbefinden ist vollkommen unklar und die Reaktionen des sozialen Umfelds sind schwer abzuschätzen, schreibt Jason Karlawish in einer Publikation zu den ethischen, politischen und sozialen Herausforderungen der präklinischen Alzheimerdiagnose. Um Diskriminierungen aufgrund einer präklinischen Alzheimerdiagnose zu vermeiden, empfiehlt der Autor gesetzliche Regelungen zum Schutz von Betroffenen und hochsensiblen Patientendaten.
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Abschied vom Selbst: Umgang mit der Diagnose
Marion Reichert, Leitende Ärztin Ambulante Alterspsychiatrie, Luzern (lups), betont: "Der Behandlungsauftrag in der Frühphase der Demenz leitet sich aus dem Problem und der Gesamtsituation ab." Daraus ergäben sich Interventionen, die nicht nur die Klienten betreffen und in ganz unterschiedlichen Settings stattfänden, beispielsweise Gespräche mit den Familienangehörigen oder der Austausch mit dem Arbeitgeber.
Patientenbeispiel
Das folgende Patientenbeispiel zeigt die Herausforderungen im Umgang mit der Diagnose Demenz. Herr A. ist von Beruf Betriebsmechaniker, er hat zwei Kinder und lebt seit der Scheidung alleine. Der 52-Jährige leidet seit circa einem Jahr an Depressionen. Da die Behandlung bislang erfolglos war, wurde er zur differenzialdiagnostischen Abklärung in der Memory Clinic angemeldet. Nachdem die neuropsychologische Abklärung zu keiner eindeutigen Diagnose führte, bestätigte die Bildgebung das Vorliegen einer Alzheimerdemenz mit frühem Beginn. Im Fall von Herrn A. stellte das Diagnosegespräch eine zusätzliche Herausforderung dar, weil er schon beim ersten Gespräch angekündigt hatte, er würde sich das Leben nehmen, falls die Symptome auf eine Demenz zurückzuführen seien.
Demenz und Suizid
Studien, die den Zusammenhang von Demenz und Suizid untersuchten, zeigen, dass eine Demenz allein kein Risikofaktor für Suizid darstellt. "Es gab allerdings innerhalb der Studienpopulation verschiedene Subgruppen, bei denen eine erhöhte Gefahr für einen Suizid bestand", so Reichert. Dazu zählten beispielsweise Personen mit psychiatrischen Komorbiditäten, solche, die früher schon Suizidversuche unternommen hatten, und früh Erkrankte. Eine weitere Publikation zeigt, dass die Suizidalität oft in Verbindung mit der Angst vor Kontrollverlust, Entfremdung, gesellschaftlicher Unsichtbarkeit und fehlendem Lebenszweck steht. "Viele ältere Menschen und speziell an Demenz erkrankte sind in unserer Gesellschaft gar nicht mehr sichtbar", so Reichert.
Autonomie und Teilhabe
Die Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen nach grösstmöglicher Autonomie und aktiver Teilhabe an ihrer Umwelt unterscheiden sich nicht von den Grundbedürfnissen der Allgemeinbevölkerung, wie eine Zusammenstellung der Alzheimervereinigung zeigt. "Hier sind die Therapeuten gefordert, Hoffnung zu vermitteln, gut zu informieren, konkrete Unterstützung bei Problemen zu leisten und die Vernetzung der Betroffenen zu fördern", sagte die Spezialistin. Im Falle von Herrn A. bedeutete das, im Rahmen der wöchentlichen psychiatrisch-psychotherapeutischen Termine an der Akzeptanz der Diagnose und der Krankheitsbewältigung zu arbeiten. "Dank der ausführlichen Orientierung zu Beginn ist die Suizidalität im Moment kein Thema mehr", berichtete die Ärztin. Da die Ungewissheit in beruflicher Hinsicht nach der Diagnose eines der dringlichsten Probleme für den Klienten darstellte, wurde viel Zeit für die Besprechung dieses Themas aufgewendet. Dies habe zu einer enormen Entlastung des Betroffenen geführt, der nun wieder ohne Angst zur Arbeit gehen könne. Vor Kurzem hat das erste gemeinsame Gespräch mit den Kindern stattgefunden. Es wurde eine medikamentöse Therapie mit einem Antidepressivum und einem Antidementivum begonnen. "Als Nächstes ist der Aufenthalt in einer Tagesklinik geplant", so Reichert.
Verständnis der Verhaltensweisen
Dr. med. Christoph Held, Heimarzt und Gerontopsychiater des Geriatrischen Dienstes der Stadt Zürich, betont die Bedeutung eines besseren Verständnisses der Verhaltensweisen von Demenzkranken. Mit fortschreitender Demenz nehmen die Fähigkeiten der Betroffenen, Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) durchzuführen, ab und die Pflegebedürftigkeit zu. Die Ergebnisse gängiger Tests, wie des neuropsychiatrischen Inventars oder des Mini-Mental-Status, sind hilfreich, um den Patienten von aussen einzuschätzen. "Im Umgang mit den typischen Begleiterscheinungen der mittelschweren bis schweren Demenz, wie dem ATL-Verlauf, der Unruhe und Agitation, der Tag-Nacht-Umkehr oder Pflegeverweigerung, bringen sie uns nicht viel weiter", sagte Held. "Seit fast zwei Jahren versuchen wir deshalb, uns den betroffenen Heimbewohnern mit den Begriffen des ‹Selbst- Erlebens› aus der Psychopathologie zu nähern, wie sie der Psychiater Christian Scharfetter entwickelt hat." Der Grund dafür sei, dass Betroffene mit mittelschwerer bis schwerer Demenz ähnliches Erleben und ähnliche Verhaltensweisen zeigen wie psychotische Patienten. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehe die Frage, wie man trotz des veränderten Selbst-Erlebens auf einer ganz praxisbezogenen Ebene mit den Betroffenen in Kontakt bleiben könne.
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Veränderte Selbst-Erleben
Ein Beispiel für das veränderte Selbst- Erleben ist die Störung der Ich-Identität, die dazu führt, dass sich die Betroffenen in autobiografischen Zusammenhängen verirren und beispielsweise ihren Namen, die der Kinder und der Eltern nicht mehr nennen können und Körpersymptome wie Hunger, Durst, aber auch Schmerzen oder den Füllungsdruck von Blase und Enddarm nicht mehr auf sich beziehen. Dies hat einen Verlust der Gewissheit über sich selbst und den eigenen Körper zur Folge. "Das veränderte Selbst-Erleben wird von den Betroffenen bemerkt und führt zu Angst, manchmal auch Wahn und Halluzinationen", so Held. In ihrem veränderten Selbst-Erleben sehnen sich die Betroffenen nach Sicherheit und Geborgenheit.
Pharmakotherapie bei Demenz
Grundlage jeder Therapie eines Demenziellen Syndroms (Demenz) ist eine gründliche Diagnostik, um ggf. eine kausale Therapie der dem Demenziellen Syndrom zugrunde liegenden Erkrankung durchzuführen. Für die versch. Formen neurodegenerativer D. (häufigste Form: sporadische Form der Alzheimer-Krankheit) existieren keine kausalen Therapien. Hier ist zunächst die Sekundärprophylaxe durch Behandlung von vaskulären und metabolischen Risikofaktoren sinnvoll.
Cholinesteraseinhibitoren und Memantin
Cholinesteraseinhibitoren (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin, Antidementiva) stellen die Psychopharmakotherapie der ersten Wahl der leichten bis mittelschweren Alzheimer-D. dar. Sie verzögern den natürlichen Verlauf der Erkrankung um 6-12 Monate. Der NMDA-Antagonist Memantin ist für die Behandlung der mittelschweren bis schweren D. vom Alzheimer-Typ zugelassen. Einige, aber nicht alle Studien zeigen, dass eine Kombination beider Wirkprinzipien zu einer gesteigerten Wirksamkeit führen kann. Die Wirksamkeit anderer Substanzen (Nootropika: Ginkgo biloba, Nicergolin, Piracetam) ist nicht belegt und wird nicht empfohlen.
Behandlung depressiver Syndrome und Verhaltensstörungen
Die häufigen depressiven Syndrome (Depression) werden mit Antidepressiva behandelt. Dabei sind anticholinerg(isch) wirkende (z. B. trizyklische) Antidepressiva kontraindiziert, da sie ein Delir auslösen können. Verhaltensstörungen bei Demenziellen Syndromen (sog. BPSD: Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia: Unruhe, Aggressivität, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus (Schlafstörungen, psychotische Symptome, Psychose) werden entspr. der Zielsymptomatik behandelt. Psychotische Symptome (Illusion und Halluzination, Wahnwahrnehmungen und -einfälle, Wahn) werden mit Antipsychotika behandelt. Zugelassen für die Behandlung von Verhaltensstörungen bei Pat. mit Demenzen ist unter den neueren Antipsychotika allerdings nur Risperidon. Die Gabe von Antipsychotika ist im Alter mit einer erhöhten kardio- und zerebrovaskulären Mortalität assoziiert, daher ist die Indikation bes. streng zu stellen und immer wieder zu überprüfen.
Innovative Ansätze in der Alzheimer-Forschung
Die Früherkennung und Behandlung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer ist noch immer eine der großen Herausforderungen der modernen Medizin. Dass bestimmte Eiweiße im Nervenwasser (Liquor) zur Diagnose von Alzheimer herangezogen werden können, ist zwar bereits bekannt. Die derzeitigen Nachweisverfahren für derartige «Biomarker» mittels biochemischer Tests können jedoch lediglich die Anwesenheit und Menge der verdächtigen Eiweiße ermitteln. Derartige Informationen könnten jedoch Rückschlüsse auf das Krankheitsstadium und die Effizienz von möglichen Behandlungen erlauben.
Rasterkraftmikroskopie zur Visualisierung von Proteinen
Ein Team der Empa und der Klinik für Neurologie des Kantonsspitals St. Gallen hat nun die für Alzheimer aussagekräftigen Proteine mittels Rasterkraftmikroskopie unter möglichst realitätsnahen Bedingungen sichtbar gemacht. Mit der neuen Studie ergänzen die Forschenden ihre Einblicke in die Alzheimer-Entstehung und -Diagnose um ein weiteres Puzzleteil. In einer früheren Arbeit hatte das Team um Empa-Forscher Peter Nirmalraj vom «Transport at Nanoscale Interfaces»-Labor in Dübendorf die potenziell problematischen Eiweißstoffe bereits im Blut in ihrer natürlichen Gestalt darstellen können. Für diese Arbeit wurde das Team bereits von der «Franco Regli Foundation» in Bern ausgezeichnet.
Gelingen konnte dies dank einer Technologie, die mit eindrücklicher Präzision die Welt der Moleküle in ihrem Innersten erkennbar macht: die Rasterkraftmikroskopie (AFM). In der Größe an ein herkömmliches Tischmikroskop erinnernd, ermöglicht die AFM-Technologie indes morphologische Beobachtungen im Nanometerbereich, ohne dabei die Eiweiße zu zerstören. "Während sich bei Menschen in einer frühen Phase der Erkrankung lediglich kurze Eiweißfasern mit rund 100 Nanometern Länge fanden, tauchten in späteren Krankheitsphasen Fasern mit einer vielfach größeren Ausdehnung auf, die mehrere Mikrometer lang werden konnten", sagt Biophysiker Nirmalraj.
Potenzial der AFM-Technologie
Nach diesen Pilotstudien mit 33 Personen wird das Team jetzt die Anstrengungen verstärken und die im Labor gesammelten Erkenntnisse mit Daten von größeren Patientinnen- und Patientengruppen abgleichen. Zudem sollen weitere Informationen über die chemischen Eigenschaften der Eiweiße in verschiedenen Körperflüssigkeiten erforscht werden. "Die AFM-Technologie hat das Potenzial, die herkömmlichen Biomarker-Tests zu ergänzen und die Früherkennung von Alzheimer zu verbessern", ist Nirmalraj überzeugt. Denn während die Biomarker-Tests die Eiweißmengen angeben, könne die AFM-Technologie Informationen zur Struktur und Form von Eiweißansammlungen und damit zum Verlauf der Erkrankung angeben.
Der Promi-Test zur Diagnose von PPA
Jeder kennt die Gesichter von Prominenten wie Albert Einstein, John F. Kennedy oder auch Elvis Presley. Auch die Patienten mit primär progressiver Aphasie (PPA) kennen die Gesichter, doch es wollen ihnen einfach die Namen nicht einfallen. Die gelegentlichen Wort- und Namensfindungsschwierigkeiten, die jeder Mensch kennt, sind bei den PPA-Patienten ein erster Hinweis auf eine fortschreitende Demenz. Die Erkrankung beginnt häufig schon vor dem 65. Lebensjahr und kann bis zum vollständigen Verlust der verbalen Kommunikation fortschreiten. Ursache ist meistens eine frontotemporale Lobärdegeneration, in anderen Fällen ist es eine eher seltene Manifestation des Morbus Alzheimer. Ob es sich um eine pathologisch eigenständige Erkrankung handelt, ist umstritten.
Entwicklung eines Diagnosetests
Das Team um Marsel Mesulam von der Northwestern University, der seit 1982 Krankheitsfälle sammelt und später auch die Entität PPA vorgeschlagen hat, hat jetzt einen Diagnosetest entwickelt. Er besteht aus 20 Fotografien von in den USA geläufigen Figuren des öffentlichen Lebens, deren Namen die Patienten benennen sollen. Wenn ihnen der Name nicht einfällt, können sie auch mehrere Eigenschaften der Personen (etwa ehemaliger Präsident der USA und Tod durch Attentat) nennen.
Lokalisation von Defekten
Nach einer jetzt vorgestellten Studie erlaubt der Test nicht nur die Frühdiagnose der PPA. Die Art der Namensfindungsstörung weist auch auf die Lokalisierung des Defekts hin. So wiesen Patienten, die die Prominenten erkannten aber ihre Namen nicht benennen konnten, eine Atrophie im anterioren Anteil des linken Temporallappens auf. Wenn sie die Gesichter gar nicht erkannten, waren die Temporallappen meistens schon in beiden Hemisphären erkrankt, wie dies die kernspintomographischen Aufnahmen der 30 untersuchten Patienten zeigten.
Anpassung an die lokalen Gegebenheiten
Die Studie zeigt nebenbei, dass Neurologen den Ort von Hirnschäden oft durch subtile Untersuchungen lokalisieren können, eine Kunst, die durch die moderne Bildgebung vielfach verloren geht. Ob der Promitest zum Bestandteil der neurologischen Diagnostik wird, bleibt abzuwarten. Er müsste auf jeden Fall auf die einzelnen Länder angepasst werden. Denn wer wie Oprah Winfrey in einem Land eine Berühmtheit ist, kann andernorts völlig unbekannt sein.
tags: #Zürcher #Demenz #Diagnostik