Der Neurologe, umgangssprachlich in Deutschland oft als Nervenarzt bezeichnet, ist ein ausgebildeter Facharzt, der sich mit Erkrankungen des menschlichen Nervensystems sowie der Muskulatur beschäftigt. Der Begriff Neurologie stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Bestandteilen „Neuro“ (Nerv) und „logie“ (Lehre) zusammen, was übersetzt die Lehre des Nervensystems bedeutet.
Aufgaben und Zuständigkeiten eines Neurologen
Ein Neurologe untersucht und behandelt körperliche Störungen des Nervensystems, wie beispielsweise Epilepsie, Schlaganfall, Parkinson und multiple Sklerose.
Neurologische Untersuchung
Nach der Anamnese führt der Neurologe eine neurologische Untersuchung durch, eine Inspektion des Patienten. Ausgehend von den Symptomen setzt der Neurologe verschiedene medizinische Methoden, Tests und Geräte ein. Dazu gehören Funktionstests, bei denen beispielsweise die Gesichtsmimik und der Gesichtsnerv geprüft werden, indem der Patient das Gesicht bewegt und Grimassen schneidet. Das Schmecken kann getestet werden, indem der Patient Zucker und Salz unterscheidet.
Eine Reflexprüfung wird mit Hilfe eines Reflexhammers durchgeführt, wobei ein leichter Schlag auf eine Sehne eine unwillkürliche Muskelkontraktion auslöst. Bekannt ist hierbei das Klopfen des Reflexhammers auf die Kniesehne. Bei der Motorikprüfung untersucht der Neurologe den gesamten Bewegungsapparat inklusive Wirbelsäule, Gelenke und Gliedmaße, um verminderte Muskelkraft oder Muskellähmungen zu erkennen. Hierzu muss der Patient zum Beispiel Arme und Beine bewegen, sich um die eigene Achse drehen, Knöpfe öffnen und schließen oder Übungen mit geschlossenen Augen machen.
Auch die Prüfung der kognitiven Fähigkeiten wie Erinnerung, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Problemlösung und Kreativität gehört zur neurologischen Untersuchung. Neben diesen Untersuchungen kann sich der Neurologe für weiterführende Untersuchungen entscheiden.
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Apparative Diagnostik
In der neurologischen Praxis kommen verschiedene apparative Diagnoseverfahren zum Einsatz, darunter:
- Doppler-/Duplex-Sonographie: Mit Hilfe dieser Ultraschalluntersuchungen können Gefäßveränderungen der hirnversorgenden Blutgefäße erkannt werden.
- Elektroencephalographie (EEG): Hierbei wird die elektrische Hirneigenaktivität über Elektroden auf der Kopfhaut gemessen. Anhand von Veränderungen der Hirnstromwellen können verschiedene neurologische Erkrankungen, wie zum Beispiel Epilepsie, Entzündungen, Tumore oder Demenzen erkannt werden.
- Elektromyographie (EMG): Durch Messung der elektrischen Muskelaktivität kann unterschieden werden, ob eine Erkrankung muskuläre (z.B. Muskelentzündungen) oder nervale (z.B. Bandscheibenschäden, Polyneuropathie o.a.) Ursachen hat.
- Elektroneurographie (ENG): Hierbei werden Informationen über den Funktionszustand eines Nerven und ggf. den Ort einer Störung des Nerven gewonnen.
Erkrankungen, die von Neurologen behandelt werden
Das Spektrum der neurologischen Erkrankungen ist breit gefächert. Einige der häufigsten Erkrankungen sind:
- Epilepsie: Etwa 0,5 bis 1 Prozent der Deutschen sind von Epilepsie betroffen. Die Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, die sich in Form von epileptischen Anfällen äußert, welche in der Regel Krampfanfälle sind. Diese beginnen mit örtlichen Zuckungen und gehen dann später über in Kieferschlagen und Speicheln sowie Bewusstlosigkeit.
- Schlaganfall: Der Schlaganfall, auch Hirnschlag genannt, ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Er ist eine plötzlich auftretende neurologische Erkrankung des Gehirns, der ein schlagartiger Mangel der Nervenzellen an Sauerstoff zu Grunde liegt.
- Parkinson-Krankheit: Bei Betroffenen der Parkinson-Krankheit sterben Nervenzellen im Mittelhirn mit der Folge eines Mangels des Neurotransmitters Dopamin.
- Multiple Sklerose: Die multiple Sklerose ist eine unheilbare neurologische Erkrankung, von welcher in Deutschland über hunderttausend Menschen betroffen sind.
- Hirnhautentzündung (Meningitis): Eine Hirnhautentzündung ist eine Entzündung der Hirnhaut und der Rückenmarkshaut. Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteifheit.
- Gehirntumor: Auch der Gehirntumor zählt zu den neurologischen Erkrankungen. Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie neurologische Anzeichen wie Schwindel, Schwerhörigkeit und Sprechstörungen.
- Kopfschmerzen und Migräne: Kopfschmerzen und Migräne gelten in Deutschland als Volkskrankheit.
Anfallartige Ereignisse und die Rolle des Neurologen
Anfallartige Ereignisse gehören zu den häufigsten Gründen für die Konsultation von Notärzten oder die Vorstellung in Kliniknotaufnahmen. Der Neurologe spielt hier eine entscheidende Rolle bei der Differenzialdiagnose.
Differenzialdiagnose von Anfallsleiden
Der Neurologe verfügt über breite differenzialdiagnostische Kenntnisse in Bezug auf Schwindel, Ohnmachtsanfälle, attackenartige Seh- oder Sensibilitätsstörungen oder paroxysmale psychische Veränderungen. Er berücksichtigt auch Differenzialdiagnosen aus Nachbardisziplinen wie den Morbus Menière in der HNO-Heilkunde oder Panikattacken in der Psychiatrie.
Beschreibung und Einordnung von Anfällen
Der erste Schritt zur Identifizierung der Anfallsentität ist die genaue und mehrdimensionale Beschreibung des Anfalls. Die Semiologie beschreibt das Muster der aufgetretenen Symptome in den verschiedenen neurologischen oder psychischen Funktionsbereichen. Dabei werden Veränderungen des Bewusstseins, des Verhaltens, der Kognition, der Wahrnehmung, der Motorik, des Affektes und im Vegetativum getrennt beschrieben.
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Anamnese bei Anfallsleiden
Die Anamnese zielt darauf ab, eine möglichst genaue Beschreibung des aktuellen Anfalls und ggf. auch früher stattgehabter Anfälle zu bekommen. Der Patient und mögliche Anfallszeugen sollten dafür nacheinander interviewt werden. Dabei sollte der Patient erst einmal ausreichend Gelegenheit bekommen, seine Erinnerungen an das Anfallsgeschehen mit seinen eigenen Worten zu schildern, ohne dass der Untersucher schon gezielt nach bestimmten Kontextmerkmalen oder Symptomen fragt.
Synkopen: Abgrenzung zu epileptischen Anfällen
Synkopen sind kurzzeitige Ohnmachten, die durch eine globale Drosselung der Hirndurchblutung verursacht werden. Die Abgrenzung von Synkopen gegenüber epileptischen Anfällen mit Bewusstseinsverlust ist wichtig. Um bereits aus der Anamnese eine zuverlässige Verdachtsdiagnose stellen zu können, kann der Einsatz des Sheldon-Scores I hilfreich sein.
Wichtige Persönlichkeiten in der Geschichte der Neurologie
Einige Persönlichkeiten haben maßgeblich zur Entwicklung der Neurologie und insbesondere der Epileptologie in Deutschland beigetragen:
- Gilbert C. van Wessem: Niederländer, Chemiker und Mitarbeiter in der pharmazeutischen Industrie, der in die USA emigrierte. Er gab wichtige Impulse für die professionelle Öffentlichkeitsarbeit und die Einbeziehung von Laien & Patienten in die Epileptologie.
- Prof. Dr. K.H. Stauder: Mediziner, der sich intensiv mit Themen der Epileptologie beschäftigte und die enge Beziehung bestimmter iktaler Symptome mit Läsionen des mesialen Temporallappens nachwies.
- Prof. Dr. R. Jung: Mediziner, Neurologe und Neurophysiologe, der an den ersten technischen Errungenschaften der Neurophysiologie beteiligt war und die klinische Neurophysiologie in Deutschland vorantrieb.
- Prof. Dr. W. Tönnis: Neurochirurg, der die erste unabhängige Neurochirurgische Abteilung in Deutschland leitete und Motor der Gründung der Fachgesellschaft für Epileptologie war.
- Prof. Dr. D. Janz: Gilt als Begründer der universitären Epileptologie in Deutschland und richtete eine erste Epilepsieambulanz ein. Zusammen mit Walter Christian beschrieb er das impulsive petit mal /"juvenile myoklonische Epilepsie" (Janz-Syndrom).
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