Erweiterte Liquorräume und Demenzursachen: Ein umfassender Überblick

Die Diagnose von Demenz ist ein komplexer Prozess, bei dem es gilt, verschiedene Ursachen und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Während Morbus Alzheimer und die vaskuläre Demenz (Multiinfarktdemenz) häufige Diagnosen sind, sollte man auch seltenere, aber behandelbare Ursachen wie den Normaldruckhydrozephalus (NPH) in Betracht ziehen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen erweiterten Liquorräumen, Demenz und dem Normaldruckhydrozephalus und bietet einen umfassenden Überblick über Diagnose und Therapie.

Einführung in den Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Der Normaldruckhydrozephalus, oft auch als Altershirndruck bezeichnet, ist eine neurologische Erkrankung, die durch eine Störung des Liquorflusses gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Erweiterung der Hirnventrikel, ohne dass dabei dauerhaft ein erhöhter Hirndruck gemessen werden kann.

Epidemiologie des NPH

Die Prävalenz des NPH wird bei über 60-Jährigen auf etwa 0,6 Prozent geschätzt. Eine US-amerikanische Untersuchung in Alten- und Pflegeheimen deutet sogar auf eine Inzidenz von etwa zehn Prozent hin. Diese Zahlen legen nahe, dass der NPH möglicherweise unterdiagnostiziert ist.

Symptome des Normaldruckhydrozephalus

Die klassische Symptomtrias des Normaldruckhydrozephalus besteht aus:

  • Inkontinenz: Blasenfunktionsstörungen, die von häufigem Harndrang bis hin zur Harninkontinenz reichen können.
  • Gangstörungen: Unsicherer, breitbasiger Gang, oft als "Bügeleisengang" beschrieben, bei dem die Füße kaum angehoben werden.
  • Gedächtnisstörungen: Kognitive Beeinträchtigungen, die sich als Vergesslichkeit, Verlangsamung und allgemeine kognitive Defizite äußern können.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Gangstörung oft das erste und auffälligste Symptom ist. Sie sollte jedoch von anderen alterstypischen Gangstörungen (z.B. durch Knie- oder Hüftprobleme, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Polyneuropathie oder Parkinson) unterschieden werden.

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Ursachen und Pathophysiologie des Hydrocephalus

Ein Hydrocephalus, oft auch als „Wasserkopf“ bezeichnet, entsteht durch eine übermäßige Ansammlung von Liquor (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) im Schädelinneren. Der Liquor wird in den Hirnkammern (Ventrikeln) produziert und umspült Gehirn und Rückenmark. Normalerweise besteht ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Abfluss des Liquors. Ist dieses Gleichgewicht gestört, kann sich der Liquor ansammeln und den Hirndruck erhöhen.

Ursachen im Überblick

  • Störungen der Liquorzirkulation: Blockaden oder Verengungen der Liquorwege (obstruktiver Hydrozephalus).
  • Störungen der Liquorresorption: Beeinträchtigung der Aufnahme des Liquors in den Blutkreislauf.
  • Überproduktion von Liquor: Selten, aber möglich.
  • Angeborene Fehlbildungen: Entwicklungsstörungen wie Spina bifida, Chiari-Malformation oder Dandy-Walker-Syndrom.
  • Erworbene Ursachen: Infektionen (Meningitis, Enzephalitis), Blutungen im Gehirn, Tumore, Kopfverletzungen.

Pathophysiologie des NPH im Detail

Die genauen Mechanismen, die zum Normaldruckhydrozephalus führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass ein schwankender Druck im Schädelinneren eine Rolle spielt. Mögliche Auslöser sind Hirnblutungen, Meningitis oder Schädel-Hirn-Traumata.

Diagnostik des Normaldruckhydrozephalus

Die Diagnose des NPH erfordert eine Kombination aus klinischer Untersuchung und bildgebenden Verfahren.

Bildgebende Verfahren

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist das wichtigste bildgebende Verfahren zur Diagnose des NPH. Sie ermöglicht die Beurteilung der Ventrikelweite, den Nachweis von periventrikulären Veränderungen und den Ausschluss anderer Ursachen für die Symptome. Typische MRT-Befunde sind erweiterte innere Liquorräume mit einem Missverhältnis zu den äußeren Liquorräumen (insbesondere kranial) und periventrikuläre Veränderungen, die einer transependymalen Liquorabpressung entsprechen. Die MRT dient auch dem Ausschluss anderer Erkrankungen wie Tumoren oder Aquäduktstenosen. Frühe Anzeichen der Alzheimer-Demenz können sich in der MRT zeigen, wie z.B. die Hippocampusatrophie und erweiterte Liquorräume.

  • Computertomographie (CT): Die CT kann ebenfalls zur Diagnose eines Hydrozephalus eingesetzt werden, ist aber weniger sensitiv als die MRT. Sie eignet sich jedoch gut zur Verlaufskontrolle bei bekanntem Hydrozephalus und nach Shuntanlage.

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Lumbalpunktion und Liquordruckmessung

  • Lumbalpunktion: Die Lumbalpunktion spielt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik des NPH. Dabei wird im Liegen der Liquordruck gemessen und anschließend 40 ml Liquor abgelassen (Spinal-Tap-Test). Eine deutliche Besserung der Symptome nach der Lumbalpunktion spricht für die Diagnose NPH.

  • Liquordruckmessung und Langzeitmessungen des Liquorabflusswiderstands: Der Stellenwert dieser Messungen ist umstritten, da der Liquordruck beim NPH oft normal oder nicht ständig erhöht ist.

Weitere diagnostische Tests

  • Spinal-Tap-Test: Hierbei werden 30-50 ml Nervenwasser aus dem Wirbelkanal entnommen. Anschließend wird der Patient beobachtet, um festzustellen, ob sich die Symptome bessern.
  • Lumbaldrainage: Ein Katheter wird in den Wirbelsäulenkanal eingelegt, um über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Hirnwasser abzuleiten.
  • Infusionstest: Eine dem Hirnwasser ähnliche Flüssigkeit wird unter leichtem Druck in die Hirnwasserräume infundiert.

Differentialdiagnose des Normaldruckhydrozephalus

Es ist wichtig, den NPH von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:

  • Morbus Alzheimer: Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz.
  • Vaskuläre Demenz: Durchblutungsstörungen im Gehirn können zu kognitiven Beeinträchtigungen führen.
  • Parkinson-Syndrom: Diese neurologische Erkrankung kann ebenfalls Gangstörungen und kognitive Defizite verursachen.
  • Andere neurologische Erkrankungen: Polyneuropathie, zervikale Myelopathie oder spinale Stenose können Gangstörungen verursachen.
  • Psychische Erkrankungen: Depressionen können sich ebenfalls auf die Kognition und den Gang auswirken.

Therapie des Normaldruckhydrozephalus

Die Therapie der Wahl beim NPH ist die Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts.

Ventrikuloperitonealer Shunt

Ein ventrikuloperitonealer Shunt ist ein Kunststoffschlauch, der das Ventrikelsystem des Gehirns mit dem Peritoneum (Bauchfell) verbindet. Dieser Shunt schafft einen zusätzlichen Abflussweg für den Liquor, wodurch der Druck auf das Hirngewebe reduziert wird.

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Erfolgsraten und Prognose

Die Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts hat hohe Erfolgsraten. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten bessert sich die Symptomatik spürbar. Vor allem die Gangstörungen lassen deutlich nach. Der Effekt auf die Inkontinenz ist oft weniger ausgeprägt.

Es ist wichtig zu beachten, dass der NPH nicht heilbar ist. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Je früher die Diagnose gestellt und die Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten.

Vaskuläre Demenz und erweiterte Liquorräume

Neben dem Normaldruckhydrozephalus kann auch die vaskuläre Demenz mit erweiterten Liquorräumen einhergehen. Die vaskuläre Demenz wird hauptsächlich durch eine Mikroangiopathie verursacht, die oft Folge einer arteriellen Hypertonie ist.

Radiologische Befunde

In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen sich bei vaskulärer Demenz typische hyperintense Marklagerveränderungen in der FLAIR-Sequenz. Ergänzend kann eine Gradientenechosequenz (T2*-gewichtete Sequenz) durchgeführt werden, um Mikroblutungen nachzuweisen.

Therapie und Prävention

Die Behandlung der vaskulären Demenz zielt darauf ab, die Risikofaktoren zu kontrollieren und weitere Hirnschäden zu verhindern. Eine frühzeitige und effiziente antihypertensive Therapie kann die Entstehung einer Demenz zumindest hinauszögern.

Die Rolle der Bildgebung in der Demenzdiagnostik

Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine zentrale Rolle in der Früh- und Differenzialdiagnose der Demenz. Sie ermöglicht die Darstellung von Positivkriterien und des morphologischen Krankheitsverlaufs und dient dem Ausschluss anderer demenzieller Erkrankungen.

MRT-basierte Biomarker

  • Hippocampusatrophie: Ein frühes Anzeichen der Alzheimer-Demenz.
  • Erweiterte Liquorräume: Können auf einen Normaldruckhydrozephalus oder andere Ursachen hinweisen.
  • Entorhinalkortexatrophie: Ein weiteres Merkmal der Alzheimer-Demenz.
  • Corpus callosum-Atrophie: Ein Maß für den regionalen neokortikalen Zelluntergang.

Perfusions-MRT

Die Perfusions-MRT kann den zerebralen Blutfluss messen und Informationen über die Durchblutung des Gehirns liefern. Bei Alzheimer-Patienten zeigen sich oft verminderte Blutvolumina im frontalen und parietalen Kortex.

Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS)

Die Protonen-Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS) ermöglicht die Bestimmung der Konzentration bestimmter Metaboliten im Gehirn. Dies kann wichtige differenzialdiagnostische Informationen liefern, insbesondere bei der Unterscheidung zwischen vaskulärer und Alzheimer-Demenz.

Zukunftsperspektiven in der Demenzdiagnostik

Die Forschung im Bereich der Demenzdiagnostik entwickelt sich stetig weiter. Neue bildgebende Verfahren und Biomarker versprechen eine frühere und genauere Diagnose.

MRT-Mikroskopie

Mit höher auflösenden MRT-Techniken (z.B. sieben Tesla MRT) wird die Nachweisgrenze für strukturelle Veränderungen wie Mikroblutungen immer weiter verbessert. Dies könnte dazu beitragen, die zerebrale Mikroangiopathie besser zu verstehen und vaskuläre Demenzen frühzeitiger zu erkennen.

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