Elektromagnetische Stimulation des Gehirns: Wirkung, Anwendung und Zukunftsperspektiven

Die elektromagnetische Stimulation des Gehirns ist ein vielversprechendes Feld, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Sie bietet innovative Therapieansätze für verschiedene neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Dabei werden gezielt Hirnregionen durch elektrische oder magnetische Felder beeinflusst, um deren Aktivität zu modulieren und gestörte Funktionen wiederherzustellen.

Grundlagen der elektromagnetischen Hirnstimulation

Die Signalübertragung im Gehirn erfolgt überwiegend über elektrische Signale, die durch chemische Prozesse verstärkt werden. Dies ermöglicht es, das Gehirn durch von außen angelegte, schwache elektrische Felder zu beeinflussen. Bei gesunden Menschen kann dies zu einer Verbesserung oder Störung von Funktionen führen, während bei Kranken gestörte Funktionen normalisiert oder zumindest teilweise wiederhergestellt werden können.

Nicht-invasive Verfahren

Zu den nicht-invasiven, transkraniellen Hirnstimulationsverfahren gehören die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Beide Methoden haben aufgrund ihrer Wirksamkeit und guten Verträglichkeit in der Behandlung neurologischer und psychischer Erkrankungen an Bedeutung gewonnen. Die Auswahl der geeigneten Stimulationsmethode und des Stimulationsortes für die jeweilige Erkrankung ist jedoch entscheidend.

Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)

Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme neurophysiologische Methode, bei der mittels einer Magnetspule ein Zielbereich im Gehirn sowohl stimuliert als auch gehemmt werden kann. Die Spule wird berührungslos in bestimmter Ausrichtung an den Kopf des Patienten gehalten, wodurch ein Magnetfeld in dessen Gehirn induziert wird. Mit dieser Technik lässt sich die Kommunikation zwischen Nervenzellen und verschiedenen Gehirnstrukturen verbessern. Seit 1994 wird rTMS auch für therapeutische Zwecke eingesetzt. Studien haben gezeigt, dass sie bei der Behandlung von neurologischen Erkrankungen wirksam ist.

Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ist eine Methode zur nicht-invasiven Stimulation des Gehirns mit Hilfe sehr geringer elektrischer Ströme. Bei diesem Verfahren werden mindestens zwei Elektroden am Kopf des Patienten befestigt. Bereits bei kurzer Stimulationsdauer (~20 min) lassen sich positive Effekte beobachten. Die erzielten Effekte können sich in Form einer erhöhten Leistung bei unterschiedlichsten Beanspruchungen des Gehirns zeigen. Die Stimulation ist auf der Kopfhaut spürbar, aber nicht schmerzhaft.

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Tiefe Hirnstimulation (THS)

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) - im anglo-amerikanischen Raum als Deep Brain Stimulation (DBS) bezeichnet - ist eine etablierte Behandlung von Bewegungsstörungen. Seit ihrer Erstanwendung in den späten 1980er Jahren wurde die THS weltweit bei etwa 85.000 Patienten durchgeführt, meist aufgrund einer Parkinson-Erkrankung.

Wirkungsweise der Tiefen Hirnstimulation

Die THS arbeitet über eine kontinuierliche hochfrequente elektrische Stimulation von Kerngebieten des Gehirns. Es wird angenommen, dass diese hochfrequente Stimulation eine Hemmung des Kerngebietes bewirkt, die sich auf das gesamte Netzwerk der Basalganglien auswirkt. Die THS ist eine symptomatische Behandlung, die die Symptome reduziert, aber keinen Einfluss auf das Vorhandensein oder Voranschreiten der zugrunde liegenden Erkrankung hat. Der Effekt der THS ist reversibel: Nach Ausschalten des Stimulators stellt sich ein Zustand ein, wie er zu diesem Zeitpunkt ohne Stimulation wäre.

Indikationen der Tiefen Hirnstimulation

Die THS ist zur Behandlung vieler neurologischer Erkrankungen zugelassen. Etabliert hat sich die THS zur Behandlung des Morbus Parkinson, wobei als Zielpunkt meist der Nucleus subthalamicus (STN) verwendet wird. Alternativ kommt zur Behandlung von Überbeweglichkeiten (Dyskinesien) in der Spätphase der Parkinsonerkrankung der Globus pallidus internus (GPi) in Frage. Zur Behandlung eines Parkinson-Tremors wie auch des Essentiellen Tremors hat sich der Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus bewährt. Die generalisierte und segmentale Dystonie wird durch eine THS im GPi behandelt. Zugelassen ist die THS auch zur Behandlung der fokalen Epilepsie, wobei im anterioren Thalamus stimuliert wird. Neben diesen neurologischen Erkrankungen werden seit einigen Jahren zunehmend psychiatrische Erkrankungen mit der THS behandelt. Diese ist zur Behandlung von Zwangserkrankungen bereits zugelassen.

Wirkung der Tiefen Hirnstimulation auf klinische Symptome

Die zu erwartende Wirkung auf die klinische Symptomatik ist von dem Zielpunkt und der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig. Sowohl die Muskelsteifigkeit (Rigor) als auch die Bewegungsarmut (Hypokinese / Bradykinese) sowie das Zittern (Tremor) beim Morbus Parkinson werden bei einer THS im Nucleus subthalamicus (STN) effektiv behandelt. Die THS im Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus zur Behandlung vieler Tremorformen wirkt nur auf den Tremor allein und führt daher nicht zu einer Reduktion der Begleitsymptome. Durch eine Stimulation des Globus pallidus internus (GPi) können dystone Bewegungsstörungen, der dystone Tremor, tardive Dyskinesien und Dyskinesien beim Morbus Parkinson effektiv reduziert werden. Eine Stimulation des anterioren Thalamus reduziert die Anfallshäufigkeit bei Patienten mit fokaler Epilepsie.

Ablauf einer stereotaktischen Operation zur Tiefen Hirnstimulation

Die THS-Operation wird durch die Ärzte der stereotaktischen Neurochirurgie durchgeführt und dauert insgesamt ca. 6 Stunden. Am Operationstag wird zunächst ein stereotaktischer Ring am Schädelknochen befestigt. Anschließend wird eine Computertomographie des Schädels veranlasst. Diese Bilddaten werden mit Daten aus einem vor dem Operationstag angefertigten Kernspintomogramm in Übereinstimmung gebracht. Nach Planung wird ein zusätzlicher Bügel am stereotaktischen Ring befestigt, der die Navigation ermöglicht. Nach örtlicher Betäubung erfolgt zunächst ein Hautschnitt, danach wird ein Loch mit ca. 8 mm Durchmesser in die Schädeldecke gebohrt. Anschließend werden Mikroelektroden in das Gehirn eingeführt, die elektrische Ableitungen aus dem Kerngebiet ermöglichen. Über diese Mikroelektroden erfolgt auch eine Teststimulation, um den Effekt der THS auf die jeweiligen Symptome zu untersuchen. Gemeinsam mit dem Patienten wird so der optimale Stimulationsort detektiert und die endgültige Stimulationselektrode dort platziert. Anschließend erfolgt in Vollnarkose die Implantation der Kabel und des Stimulators (Impulsgebers) unter der Haut. Der Impulsgeber ist durch die Haut programmierbar und wird einige Tage nach der Operation erstmals eingeschaltet.

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Komplikationen und Nebenwirkungen

Komplikationen durch den chirurgischen Eingriff (prozedural) können bei etwa 2% der operierten Patienten durch Verletzung eines Gefäßes zu einer Gehirnblutung führen. Sehr selten kommt es zu einer Dislokation (Fehlplatzierung) der Elektrode mit Wirkverlust oder Auftreten von Nebenwirkungen. Ein weiteres Risiko stellt das Infektionsrisiko dar. Je nach Stimulationsort und Elektrodenlage bzw. der verwendeten Spannung können durch die hochfrequente Stimulation neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen auftreten. Zu nennen sind Sprechstörungen, Gefühlsstörungen, Verkrampfungen oder Doppelbilder. Im Falle des Nucleus subthalamicus bei M. Parkinson können auch psychiatrische Nebenwirkungen wie Apathie, depressive Verstimmung oder submanische Zustände provoziert werden.

Anwendung der elektromagnetischen Hirnstimulation bei verschiedenen Erkrankungen

Schlaganfall

Durch die Hirnstimulation mit Strom werden Schlaganfallpatienten behandelt, die an Bewegungs- oder Sprachstörungen leiden. Die Stimulation verändert die elektrische Ladung in der Hülle (Membran) der Nervenzellen. Forschungen haben gezeigt, dass das Gehirn bis ins hohe Alter in der Lage ist, sich zu verändern, anzupassen und Funktionen geschädigter Areale in anderen Bereichen zu übernehmen. Gerade im Bereich der Therapie von Muskellähmungen - infolge von Schlaganfällen - versprechen sich die Wissenschaftler in der Kombination mit der herkömmlichen Physiotherapie gute Erfolge. Ist das Sprachzentrum durch einen Schlaganfall oder einen Unfall so geschädigt, dass die klassische Logopädie keinen Vorteil mehr bringt, könnte eine transkranielle Hirnstimulation ein intensives Sprechtraining unterstützen.

Depressionen

Bei der Magnetstimulation wirken keine elektrischen Impulse auf die Gehirne der Patienten ein, sondern Magnetfelder. Dieses Verfahren kann zum Beispiel bei der Behandlung von Menschen mit Depressionen eingesetzt werden. Bei der transkraniellen Magnetstimulation wird ein starkes Magnetfeld punktgenau auf einen bestimmten Nervenknoten ausgerichtet. Die transkranielle Magnetstimulation funktioniert bei Depression so gut, dass die Krankenkassen die Behandlung im stationären Bereich mittlerweile bezahlen.

Alzheimer

Eine Phase-2-Studie hat untersucht, ob die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bei Alzheimer helfen kann, den Krankheitsverlauf möglicherweise zu verlangsamen. Der Krankheitsverlauf wurde bei Menschen, die mit TMS behandelt worden waren um 44 Prozent verlangsamt (im Vergleich zur Placebo-Gruppe). Bei 37 Prozent der Behandelten blieb die Krankheit über ein Jahr stabil (Placebo-Gruppe: 17 Prozent). Die geistige Leistungsfähigkeit konnte erhalten werden. Die Fähigkeiten im Alltag blieben stabil. Zudem verminderten sich Verhaltensauffälligkeiten.

Parkinson

Mittels tiefer Hirnstimulation können elektrische Impulse die Wirkung des Dopamins nachahmen, wie Forschende der Charité - Universitätsmedizin Berlin jetzt zeigen konnten. Das Dopaminsystem ist essenziell für menschliches Verhalten, für Gefühlswahrnehmungen oder das Ansprechen auf Belohnungen, aber auch für das Planen und Durchführen von Bewegungen. Durch gezielte tiefe Hirnstimulation konnten die Forschenden den Effekt von Dopamin imitieren. Die Kommunikation im Hirnnetzwerk wurde schneller und die für Parkinson typische Bewegungsverzögerung verkürzte sich.

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Neue Entwicklungen und Forschung

Temporale Interferenzstimulation (TIS)

Eine neue Methode der noninvasiven elektromagnetischen Hirnstimulation erreicht auch tiefe Hirnregionen. Mit der neuen Methode der temporalen Interferenz lassen sich noninvasiv und fokussiert tiefere Hirnregionen stimulieren. Bei dieser Methode wird das Gehirn über 2 Sondenpaare auf dem Schädel aus unterschiedlichen Richtungen einem elektrischen Wechselstrom ausgesetzt. Dabei werden hohe Frequenzen gewählt, die keinen Einfluss auf die Hirnfunktion haben. Die Frequenzen der beiden Signale unterscheiden sich jedoch ein wenig. Dies löst an den Stellen, in denen sie aufeinander treffen, eine Interferenz aus mit niedrigeren Frequenzen, die Nervenzellen stimulieren können.

Brain-Sensing-Technologie

Mit der Brain-Sensing-Technologie kann nicht nur Strom abgegeben, sondern auch die elektrische Aktivität tief im Gehirn abgeleitet werden. Anhand der gemessenen Hirnsignale kann dann die Stimulationseinstellung weiter optimiert werden. Eine sehr wichtige Eigenschaft ist, dass der „Hirnschrittmacher“ mit diesem System so programmiert werden kann, dass die Stromstärke automatisch an die Symptome angepasst wird. Dies wird als sogenannte adaptive oder Closed-Loop-Stimulation bezeichnet.

Vorhersage der Wirkung elektrischer Hirnstimulation

Ein Oldenburger Forscherteam hat herausgefunden, wie sich die Wirkung des Verfahrens bei einzelnen Patienten besser voraussagen lässt. Das Team fand heraus, dass die Hirnstimulation dann eine starke Wirkung erzielt, wenn sich die berechnete Karte des Stromflusses im Gehirn und die Karte der Hirnaktivität bei einer Versuchsperson stark gleichen. Wenn es weniger Zusammenhänge zwischen beiden gibt, wirkt sich die Hirnstimulation entsprechend schwächer aus.

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