Demenz und Schizophrenie: Unterschiede, Gemeinsamkeiten und neue Forschungsansätze

Demenz und Schizophrenie sind zwei unterschiedliche neurologisch-psychiatrische Erkrankungen, die jedoch im Alter Gemeinsamkeiten aufweisen und differentialdiagnostische Herausforderungen darstellen können. Während Demenz primär durch kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist, äußert sich Schizophrenie hauptsächlich durch psychotische Symptome. Neueste Forschungsergebnisse deuten jedoch auf überraschende Überschneidungen hin, insbesondere in Bezug auf bestimmte Hirnregionen und neuronale Prozesse.

Grundlagen von Demenz und Schizophrenie

Demenz: Ein Überblick

Demenz ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen, die durch einen fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet sind. Diese Beeinträchtigungen betreffen vor allem das Gedächtnis, das Denkvermögen, die Sprache und die Orientierung. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz, gefolgt von vaskulärer Demenz, Lewy-Körper-Demenz und frontotemporaler Demenz (FTD).

Ein gemeinsames Merkmal vieler neurodegenerativer Erkrankungen, einschließlich der Alzheimer-Krankheit, sind krankhafte Eiweißablagerungen im Gehirn. Diese Eiweißaggregate, insbesondere das sogenannte Tau-Protein, führen dazu, dass Nervenzellen absterben und ganze Hirnareale schrumpfen, was sich bei Betroffenen als fortschreitende Demenz zeigt.

Schizophrenie: Ein Überblick

Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, die durch Denkstörungen, Halluzinationen, Wahnvorstellungen und eine Beeinträchtigung des Realitätsbezugs gekennzeichnet ist. Die Symptome treten in der Regel erstmals im jungen Erwachsenenalter auf und können in Schüben verlaufen oder chronisch bestehen bleiben.

Unterschiede in Symptomen und Verlauf

Obwohl Demenz und Schizophrenie unterschiedliche Erkrankungen sind, können sie im Alter ähnliche Symptome aufweisen, was die Diagnose erschwert.

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Kognitive Funktion

Bei Demenz stehen kognitive Beeinträchtigungen im Vordergrund. Betroffene haben Schwierigkeiten, sich neue Informationen zu merken, sich zu orientieren, Aufgaben zu planen und Probleme zu lösen. Bei Schizophrenie können kognitive Defizite ebenfalls auftreten, betreffen jedoch eher die Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis und die exekutiven Funktionen.

Psychotische Symptome

Halluzinationen und Wahnvorstellungen sind typische Symptome der Schizophrenie, können aber auch bei bestimmten Formen von Demenz auftreten, insbesondere bei der Lewy-Körper-Demenz und der Alzheimer-Krankheit. Bei Schizophrenie sind die Wahnvorstellungen oft bizarr und unlogisch, während sie bei Demenz eher realitätsnah sein können.

Verhaltensauffälligkeiten

Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggression, Enthemmung und Apathie können sowohl bei Demenz als auch bei Schizophrenie auftreten. Bei der FTD stehen Verhaltensänderungen oft im Vordergrund, während bei der Alzheimer-Krankheit Gedächtnisprobleme dominieren.

Verlauf

Demenz ist in der Regel eine fortschreitende Erkrankung, bei der sich die Symptome im Laufe der Zeit verschlimmern. Schizophrenie kann in Schüben verlaufen oder chronisch bestehen bleiben, wobei sich die Symptome im Laufe der Zeit stabilisieren oder sogar verbessern können.

Frontotemporale Demenz (FTD) und Schizophrenie: Eine besondere Herausforderung

Die frontotemporale Demenz (FTD) stellt eine besondere Herausforderung in der Differentialdiagnose zur Schizophrenie dar, da sie im Frühstadium ähnliche Symptome aufweisen kann. Insbesondere die Verhaltensvariante der FTD (bvFTD) ist durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit gekennzeichnet, die einer Schizophrenie ähneln können.

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Symptome der bvFTD

  • Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
  • Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Sowohl bei der bvFTD als auch bei der Schizophrenie können Veränderungen in der Persönlichkeit und im Verhalten auftreten. Allerdings gibt es auch wichtige Unterschiede:

  • Bei der bvFTD stehen Veränderungen im Sozialverhalten und der Persönlichkeit im Vordergrund, während Gedächtnisprobleme oft erst im späteren Verlauf auftreten. Bei der Schizophrenie können Denkstörungen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen im Vordergrund stehen.
  • Menschen mit bvFTD haben oft keine Einsicht in ihre Erkrankung, während Menschen mit Schizophrenie ihre Symptome eher erkennen können.
  • Neuropsychologische Tests zeigen bei bvFTD oft Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben.

Neue Forschungsansätze und Erkenntnisse

Neuroanatomische Gemeinsamkeiten

Forscher haben mithilfe von Bildgebung und maschinellem Lernen bei einem Teil der Schizophrenie-Patienten erste stichhaltige Hinweise für neuroanatomische Muster im Gehirn gefunden, die der Signatur von Patienten mit frontotemporaler Demenz ähneln. Insbesondere das sogenannte „Default-Mode“-Netzwerk und das Salienznetzwerk des Gehirns, verantwortlich für Aufmerksamkeitssteuerung, Empathie und Sozialverhalten, zeigten Volumenabnahmen im Bereich der grauen Substanz.

Genetische Faktoren

In den letzten Jahren konnten die Erkenntnisse über die molekularen Grundlagen neurologisch-psychiatrischer Leiden wie Alzheimerdemenz, Depression und Schizophrenien stark erweitert werden. Neben den bekannten Risikofaktoren für eine Alzheimererkrankung, wie kardiovaskuläre Auffälligkeiten oder Tabak- und Alkoholkonsum, sind die Ursachen der Demenz in genetischen Veränderungen zu suchen. Bei der FTD ist in etwa 40 Prozent der Fälle eine familiäre Häufung zu beobachten, wobei Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT eine Rolle spielen können.

Serotonin-Rezeptoren

Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass bei der Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen die Signalübertragung durch einen bestimmten Serotonin-Rezeptor namens 5-HT7R eine entscheidende Rolle spielt. Das Antipsychotikum Amisulprid, das zur Behandlung von Schizophrenie zugelassen ist, kann den 5-HT7R blockieren und so die krankhafte Anhäufung des Tau-Proteins verhindern. Der therapeutische Effekt von Amisulprid zeigte sich unter anderem auch in Nervenzellen, die aus menschlichen Stammzellen mit krankheits-relevanten Mutationen differenziert wurden. Derzeit wird in Kooperation mit der Neurologischen Klinik der LMU München und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Magdeburg eine klinische Phase-II-Studie vorbereitet, um die Wirkung von Amisulprid bei der Behandlung von Patienten mit Demenzen zu testen.

Diagnostik

Die Diagnostik von Demenz und Schizophrenie erfordert eine umfassende und sorgfältige Untersuchung, um die Symptome richtig einzuordnen und andere mögliche Ursachen auszuschließen.

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Anamnese und klinische Untersuchung

Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis. Bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.

Neuropsychologische Tests

Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind.

Bildgebende Verfahren

Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.

Genetische Untersuchungen

Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.

Therapie

Medikamentöse Behandlung

Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht. Manche Symptome - etwa starke Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten - lassen sich mit bestimmten Medikamenten lindern. Bei Schizophrenie werden Antipsychotika eingesetzt, um die psychotischen Symptome zu reduzieren.

Nicht-medikamentöse Therapieformen

Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden. Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit FTD ist jedoch, dass viele Erkrankte keine Einsicht in die eigene Erkrankung haben. In solchen Momenten ist es wichtig zu wissen: Man kann eine an FTD erkrankte Person nicht vom eigenen Fehlverhalten überzeugen, weil ihr schlicht der innere Maßstab fehlt.

Weitere Maßnahmen

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:

  • Sport: Sport hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung kann Ängste abbauen, Unruhe mildern und beim Ein- und Durchschlafen helfen.
  • Aktivitäten, die das Gehirn anregen: Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Wichtig ist: Es soll Freude machen und nicht überfordern.
  • Soziale Kontakte erhalten: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut.

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