Epileptische Anfälle im Schlaf: Ursachen, Symptome, Gefahren und Behandlungen

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Viele Menschen verbinden Epilepsie mit Anfällen, die mit Bewusstseinsverlust und Muskelkrämpfen einhergehen. Es gibt jedoch viele Arten von Anfällen, und die Symptome sind oft subtiler und weniger bekannt. Manche Menschen erleben epileptische Anfälle im Schlaf. Diese Anfälle können besondere Gefahren bergen und erfordern ein spezifisches Verständnis und Management.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall ist eine plötzliche Störung der elektrischen Aktivität im Gehirn. Im Gehirn arbeiten Milliarden von Nervenzellen zusammen. Im Regelfall stimmen die Nervenzellen ihre Aktivität untereinander fein ab. Um miteinander zu kommunizieren, senden sie einander Signale. Bei einem epileptischen Anfall funktioniert die Kommunikation zwischen den Nervenzellen nicht mehr. Plötzlich sind viele Nervenzellen gleichzeitig aktiv und senden Signale. Diese Funktionsstörung kann sich auf verschiedene Weise äußern, von kaum merklichen geistigen Abwesenheiten bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust.

Epilepsien sind zwar seit dem Altertum bekannt, die Ursache der Erkrankung ist jedoch noch nicht völlig geklärt. Mit Medikamenten bekommt man die Erkrankung in vielen Fällen gut in den Griff.

Ursachen von Epilepsie und Anfällen

Epilepsie kann verschiedene Ursachen haben. In einigen Fällen ist eine genetische Veranlagung erkennbar. Es gibt genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen. Manche Anfälle können sich in Folge von Unfällen (posttraumatisch) oder als Reflexantwort ereignen. Bei anderen Anfällen können Veränderungen in der Gehirnstruktur (z. B. eine fokale kortikale Dysplasie) ursächlich sein.

Neben solchen genetischen Ursachen, bei denen eine Epilepsie häufig schon im Kindes- oder Jugendalter auftritt, gibt es viele unterschiedliche erworbene Hirnveränderungen: Nach einem Schlaganfall zum Beispiel oder ausgelöst durch ein Schädelhirntrauma nach einem Unfall. Allerdings wird oft auch keine eindeutige Ursache gefunden.

Lesen Sie auch: Was Sie über epileptische Anfälle nach Hirnblutungen wissen sollten

Epileptische Anfälle treten auch als Zeichen von Entzündungen im Gehirn auf, beispielsweise bei akuten Infektionen mit Viren oder Bakterien (Meningitis, Enzephalitis) oder bei seltenen Autoimmunkrankheiten des Gehirns. Hier ist es wichtig, den Auslöser schnell zu finden und zu behandeln.

Es gibt auch spezifische Auslöser (Trigger), die Anfälle provozieren können. Die Auslöser können sich im individuellen Fall unterscheiden. Zu den häufigsten Triggern von epileptischen Anfällen gehören unter anderem:

  • Schlafmangel
  • unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
  • starke körperliche oder seelische Belastung (Stress)
  • hohes Fieber
  • Alkohol und Alkoholentzug
  • Drogen oder Schlafmittelentzug
  • eher selten flackerndes Licht (Computerspiele, Stroboskopbeleuchtung in Clubs)

Symptome von epileptischen Anfällen im Schlaf

Epileptische Anfälle im Schlaf können sich von Anfällen im Wachzustand unterscheiden. Da Betroffene schlafen, sind sie sich des Anfalls oft nicht bewusst. Symptome, die auf einen nächtlichen Anfall hindeuten können, sind:

  • Unkontrolliertes Einnässen: Bettnässen, das zuvor kein Problem darstellte, kann ein Zeichen für einen nächtlichen Anfall sein.
  • Zungenbiss: Ein Zungenbiss kann während eines Anfalls auftreten, ist aber oft nicht bemerkt.
  • Muskelkater oder Kopfschmerzen am Morgen: Unerklärliche Muskelkater oder Kopfschmerzen nach dem Aufwachen können auf unbemerkte Anfälle hindeuten.
  • Ungewöhnliche Geräusche im Schlaf: Stöhnen, Grunzen oder andere ungewöhnliche Geräusche während des Schlafs können auf einen Anfall hinweisen.
  • Sturz aus dem Bett: Plötzliches Herausfallen aus dem Bett ohne erkennbaren Grund kann ein Anzeichen sein.
  • Unerklärliche Verletzungen: Blaue Flecken oder andere Verletzungen, die man sich nicht erklären kann, können auf nächtliche Anfälle zurückzuführen sein.
  • Schlafstörungen: Häufiges Aufwachen oder unruhiger Schlaf können indirekte Hinweise sein.

Einige Betroffene erleben vor einem Anfall eine sogenannte Aura. Bei der Aura können Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen und Schwindelgefühle auftreten.

Gefahren von epileptischen Anfällen im Schlaf

Epileptische Anfälle im Schlaf können besondere Gefahren bergen:

Lesen Sie auch: Epileptische Anfälle durch Licht: Ein Überblick

  • Verletzungen: Während eines Anfalls im Schlaf können sich Betroffene verletzen, beispielsweise durch Stürze aus dem Bett oder durch unkontrollierte Bewegungen.
  • Atemprobleme: In seltenen Fällen können Anfälle im Schlaf zu Atemproblemen führen, insbesondere wenn die Atemwege blockiert werden.
  • SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy): SUDEP steht für "Sudden Unexpected Death in Epilepsy" (plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie) und beschreibt plötzliche und unerwartete Todesfälle bei Epilepsiepatienten. Diese Todesfälle treten als Folge eines Anfalls aus einem weitgehend normalen Gesundheitszustand ohne weitere erkennbare Ursachen auf. In den meisten Fällen versterben die Patienten im Schlaf. Das Hauptrisiko für einen SUDEP sind generalisierte tonisch-klonische Anfälle, insbesondere wenn sie im Schlaf auftreten.

Es ist noch nicht vollständig geklärt, welche Abläufe genau zum Tod führen. Jedoch kann es im Verlauf von epileptischen Anfällen zu wesentlichen Veränderungen der Herzfrequenz (in Form von sehr hoher Frequenz oder Verlangsamung) und zu einer Störung der Atmung kommen, die dann zum Tod führen können.

Diagnose von Epilepsie und Anfällen im Schlaf

Die Diagnose von Epilepsie und die Identifizierung von Anfällen im Schlaf erfordern eine sorgfältige Anamnese und verschiedene Untersuchungen. Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:

  • Anamnese: Der Arzt wird detaillierte Fragen zur Anfallsgeschichte, zu möglichen Auslösern und zu Begleitsymptomen stellen. Auch Informationen von Angehörigen oder Partnern sind wichtig, da diese Beobachtungen während des Schlafs liefern können.
  • EEG (Elektroenzephalogramm): Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns. Auffälligkeiten im EEG können auf eine Epilepsie hinweisen. Um Anfälle im Schlaf zu erfassen, kann ein Schlaf-EEG durchgeführt werden.
  • Video-EEG-Monitoring: Bei dieser Untersuchung wird der Patient über einen längeren Zeitraum (oft mehrere Tage) per Video überwacht, während gleichzeitig ein EEG aufgezeichnet wird. Dies ermöglicht es, Anfälle aufzuzeichnen und die begleitenden EEG-Veränderungen zu dokumentieren.
  • MRT (Magnetresonanztomographie): Eine MRT des Gehirns kann strukturelle Veränderungen aufdecken, die möglicherweise für die Anfälle verantwortlich sind, wie z. B. Tumore, Narben oder Fehlbildungen.
  • Polysomnographie: Bei Verdacht auf eine Schlafapnoe, die Anfälle auslösen könnte, kann eine Polysomnographie durchgeführt werden. Diese Untersuchung misst verschiedene Parameter während des Schlafs, wie z. B. Hirnströme, Augenbewegungen, Muskelaktivität, Herzfrequenz und Atmung.

Behandlung von Epilepsie und Anfällen im Schlaf

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsoptionen sind:

  • Medikamentöse Therapie (Antiepileptika): Täglich eingenommene Antiepileptika sorgen dafür, dass die Nervenzellen gehemmt und dadurch beruhigt werden. Bei knapp 70 Prozent der Patienten helfen solche Medikamente gut. Mittlerweile gibt es rund 30 verschiedene Medikamente gegen Epilepsie. Moderne Wirkstoffe haben oft weniger Nebenwirkungen.
  • Chirurgische Therapie: Operative Verfahren kommen nur in Frage, wenn sicher festgestellt wird, von welcher Stelle im Gehirn die Anfälle genau ausgehen, also bei fokalen Epilepsien. Dann müssen weitere Untersuchungen in einem Neurochirurgischen Zentrum zeigen, ob die Entfernung des Focus ohne größere Gefahr möglich ist, oder ob der Eingriff zu Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen Ausfällen führen würde.
  • Vagusnervstimulation: Bei einer Vagusnervstimulation wird ein Schrittmacher - ähnlich einem Herzschrittmacher - unter die Haut im Brustbereich implantiert. Das Gerät erzeugt elektrische Impulse, die vom Vagusnerv am Hals ins Gehirn geleitet werden.
  • Tiefe Hirnstimulation: Ebenfalls auf Basis einer Elektrostimulation arbeitet ein neueres Verfahren, bei dem eine dünne Silikonscheibe mit Platinkontakten unter die Kopfhaut geschoben wird. Auch bei diesem Verfahren gehen die elektrischen Impulse von einem Schrittmacher aus, der im Brustbereich unter die Haut gesetzt wird. Durch diese Therapie soll eine tiefgehende und fokussierte Stimulierung des Gehirns möglich sein, ohne das Gehirn selbst zu berühren.
  • Ketogene Diät: Bei Kindern, deren Anfälle nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen, kann eine ketogene Diät hilfreich sein. Diese spezielle Diät ist sehr fettreich und kohlenhydratarm und kann die Anfallshäufigkeit reduzieren.
  • Anpassung des Lebensstils: Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, der Verzicht auf Alkohol und Drogen sowie Stressmanagement können dazu beitragen, Anfälle zu vermeiden.

Bei Epilepsien sind Hirnbereiche übermäßig aktiv und geben zu viele Signale ab. Gefährlich ist dabei vor allem, dass die Anfälle so unvorhersehbar sind. Ein epileptischer Anfall kann sich auf unterschiedliche Art äußern. Häufig treten Zuckungen einzelner Körperteile auf - genauso aber gibt es auch symptomlose Epilepsie-Anfälle, die gänzlich unbemerkt bleiben. In der Regel beginnt ein epileptischer Anfall plötzlich und ohne erkennbaren Anlass. Nach wenigen Minuten hört er von selbst wieder auf.

Maßnahmen zur Sicherheit bei nächtlichen Anfällen

Um das Risiko von Verletzungen und anderen Komplikationen bei nächtlichen Anfällen zu minimieren, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Lesen Sie auch: Provokation von Anfällen im Straßenverkehr

  • Verwendung eines Bettschutzgitters: Ein Bettschutzgitter kann verhindern, dass Betroffene während eines Anfalls aus dem Bett fallen.
  • Weiche Unterlagen: Weiche Unterlagen um das Bett herum können das Verletzungsrisiko bei Stürzen reduzieren.
  • Atmungsüberwachung: Für Menschen mit einem hohen Risiko für Atemprobleme während der Anfälle gibt es spezielle Überwachungsgeräte, die Alarm schlagen, wenn die Atmung aussetzt.
  • Anfallssensoren: Es gibt Geräte, die Anfälle erkennen und Alarm schlagen können, um Angehörige oder eine Notrufzentrale zu informieren.
  • Schlafposition: Das Schlafen in Seitenlage kann helfen, die Atemwege freizuhalten.
  • Epilepsie-Überwachungsgeräte: Bei einem erkannten Anfall löst das Gerät einen Alarm aus, z.B. bei den Eltern, beim Partner, anderen Angehörigen oder in einer Notrufzentrale. So ist eine sichere Betreuung möglich. Der Anfall wird zudem aufgezeichnet und mit Dauer und Stärke dokumentiert. Epilepsie-Überwachungsgeräte können ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfsmittel übernommen werden.
  • Sturzmelder: Sturzmelder können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen. Dieses zweistufige System verhindert Fehlalarme. Voraussetzung dafür ist, dass Patienten über ein Hausnotrufgerät verfügen, damit ein Alarm an Angehörige oder an eine Notrufzentrale abgesetzt werden kann.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Viele Menschen sind unsicher, wie sie reagieren sollen, wenn jemand einen epileptischen Anfall hat. Dabei ist das richtige Verhalten gar nicht so kompliziert. Einige wenige Regeln können helfen.Es gibt verschiedene Anfallsformen. Zudem hängt es von der Stärke des Anfalls und der Situation ab, wie man sich am besten verhält. Grundsätzlich ist es am wichtigsten, ruhig zu bleiben und Betroffene vor Verletzungen zu schützen. Die meisten Anfälle sind nicht gefährlich und nach wenigen Minuten vorbei.

Wenn Sie Zeuge eines epileptischen Anfalls werden, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

  • Schützen Sie die Person vor Verletzungen: Legen Sie die Person auf den Boden und entfernen Sie alle gefährlichen Gegenstände in der Nähe. Polstern Sie den Kopf mit einer weichen Unterlage ab.
  • Lockern Sie enge Kleidung: Lockern Sie beengende Kleidung, insbesondere um den Hals, um die Atmung zu erleichtern.
  • Versuchen Sie nicht, den Anfall zu stoppen: Halten Sie die Person nicht fest und versuchen Sie nicht, den Anfall zu unterbrechen. Lassen Sie den Anfall seinen Lauf nehmen.
  • Stecken Sie nichts in den Mund: Es ist ein Mythos, dass man bei einem Anfall etwas in den Mund stecken sollte, um ein Zungenbeißen zu verhindern. Dies kann zu Verletzungen führen.
  • Beobachten Sie den Anfall: Achten Sie auf die Dauer des Anfalls und die Art der Symptome. Diese Informationen können dem Arzt bei der Diagnose helfen.
  • Rufen Sie den Notruf (112), wenn:
    • Der Anfall länger als fünf Minuten dauert.
    • Es sich um den ersten Anfall handelt.
    • Die Person sich verletzt hat.
    • Die Person Schwierigkeiten beim Atmen hat.
    • Die Person nach dem Anfall nicht wieder zu Bewusstsein kommt.

Nach dem Anfall ist es wichtig zu kontrollieren, ob die Atemwege frei sind. Den Betroffenen nicht allein lassen; auch nicht, um Hilfe zu holen - außer es wird unbedingt nötig, weil der Anfall nicht aufhört.

Leben mit Epilepsie

Menschen mit Epilepsie können ein erfülltes und aktives Leben führen. Wichtig ist eine gute medizinische Betreuung, die konsequente Einnahme von Medikamenten und die Anpassung des Lebensstils. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen und die Unterstützung durch Angehörige können hilfreich sein.

Menschen mit Epilepsie können meist nicht vorhersagen, ob und wann sie einen epileptischen Anfall bekommen. Und genau das macht ihn gefährlich: Gerade bei einem großen Anfall - der Fachbegriff heißt "bilateral tonisch-klonischer" Anfall - kann es durch Bewusstlosigkeit zu Stürzen und damit verbunden zu Verletzungen kommen. Aber auch die häufigeren kleineren Anfälle können Betroffene körperlich und psychisch belasten. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmata, die den Alltag für Menschen mit Epilepsie zusätzlich erschweren. So ist im Verlauf der Erkrankung das Risiko für eine Depression erhöht. Insgesamt haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Sterberisiko.

tags: #epileptischer #Anfall #im #Schlaf #gefährlich #Ursachen