Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und reichen von genetischen Defekten über Hirnschäden bis hin zu Stoffwechselstörungen. Angesichts der Komplexität der Erkrankung und der Tatsache, dass herkömmliche Therapien bei etwa einem Drittel der Betroffenen nicht die gewünschte Wirkung erzielen, wächst das Interesse an alternativen Behandlungsansätzen, insbesondere an der Cannabis-Therapie.
Die Rolle von Cannabis in der Epilepsiebehandlung
Cannabis enthält über 400 verschiedene Bestandteile, sogenannte Cannabinoide, von denen einige in der Medizin bereits erfolgreich eingesetzt werden. Dazu gehören die Schmerzbehandlung, die Behandlung von Erbrechen und Spastik. In der Epilepsiebehandlung gibt es inzwischen zahlreiche Einzelfallberichte, Fallserien und klinische Studien, die zeigen, dass Cannabis bei einem Teil der Patienten die Anfallskontrolle verbessern kann.
Die wichtigsten Bestandteile der Cannabispflanze in Bezug auf Epilepsie sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC ist für die psychoaktive Wirkung von Cannabis verantwortlich, während CBD keine berauschende Wirkung hat. Beide Substanzen können potenziell günstige Effekte auf die Anfallshäufigkeit oder -schwere haben.
Cannabidiol (CBD): Ein vielversprechender Wirkstoff
CBD hat sich in den letzten Jahren als vielversprechender Wirkstoff in der Epilepsiebehandlung herauskristallisiert. Es wird eine krampflösende Wirkung nachgesagt, und es gibt mittlerweile Zulassungen für den Einsatz von CBD bei drei seltenen Epilepsieformen:
- Dravet-Syndrom: Eine schwere, frühkindliche Epilepsieform, die mit häufigen und schwer kontrollierbaren Anfällen einhergeht.
- Lennox-Gastaut-Syndrom: Eine Epilepsieform, die durch verschiedene Anfallstypen und kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist.
- Strukturelle Epilepsien bei Tuberöser Sklerose: Epilepsie, die durch Veränderungen in der Hirnstruktur aufgrund der Tuberösen Sklerose verursacht wird.
Studien haben gezeigt, dass CBD die Anfallshäufigkeit bei Patienten mit diesen Epilepsieformen reduzieren kann. So zeigte beispielsweise eine Studie mit Patienten mit Dravet-Syndrom, dass knapp die Hälfte der Patienten eine Verminderung der Anfälle um 50 Prozent erlebte. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass auch in der Kontrollgruppe ohne wirksames Medikament etwa 20 Prozent der Betroffenen eine Verbesserung zeigten.
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THC: Eine umstrittene Substanz
Im Gegensatz zu CBD ist die Rolle von THC in der Epilepsiebehandlung umstritten. Während einige Untersuchungen einen krampflösenden Effekt von THC nahelegen, konnten andere Studien diese Wirkung nicht bestätigen oder kamen sogar zu dem Schluss, dass THC Krampfanfälle begünstigen könnte. Es gibt Berichte von Epilepsiekranken, die nach dem Konsum von Joints Anfälle erlitten.
Aufgrund der widersprüchlichen Datenlage und der psychoaktiven Wirkung von THC wird diese Substanz in der Epilepsie-Therapie kaum eingesetzt.
Wie wirkt CBD bei Epilepsie?
CBD interagiert mit dem Endocannabinoid-System (ECS), einem komplexen Netzwerk von Rezeptoren, Enzymen und Endocannabinoiden, das eine wichtige Rolle bei der Regulierung verschiedener Körperfunktionen spielt, darunter die neuronale Aktivität. Es wird angenommen, dass CBD die neuronale Aktivität reguliert und dadurch Epilepsie-Anfälle dämpfen und die Anfallshäufigkeit reduzieren kann.
Die genauen Mechanismen, über die CBD seine antiepileptische Wirkung entfaltet, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass CBD verschiedene Rezeptoren im Gehirn beeinflusst, darunter den CB1-Rezeptor, den Serotonin-Rezeptor 5-HT1A und den GPR55-Rezeptor. Darüber hinaus kann CBD die Konzentration von Adenosin erhöhen, einem Neurotransmitter, der eine beruhigende Wirkung hat.
Die Anwendung von CBD in der Epilepsiebehandlung
CBD ist in Deutschland als verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung bestimmter Epilepsieformen zugelassen. Das zugelassene CBD-Öl, Epidyolex, wird in Form einer oralen Lösung verabreicht. Die Dosierung beginnt niedrig und wird individuell angepasst, abhängig von Gewicht und Verträglichkeit des Patienten. Die Behandlung mit CBD sollte immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, da eine enge Überwachung erforderlich ist.
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Rechtliche Aspekte und Kostenübernahme
Seit April 2024 ist medizinisches Cannabis in Deutschland durch das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) leichter zugänglich. Es kann nun von qualifizierten Ärzten auf ein einfaches Rezept verschrieben werden, ohne die bisher erforderliche Betäubungsmittelrezeptierung.
Die Kosten für Epidyolex oder andere Cannabis-Medikamente können jedoch erheblich sein und monatlich 2000-3000 Euro betragen. In Deutschland ist eine Kostenübernahme durch Krankenkassen möglich, erfordert aber einen Antrag mit ärztlicher Begründung.
Mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Wie alle Medikamente kann auch CBD Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:
- Schläfrigkeit
- Appetitverlust
- Durchfall
- Müdigkeit
- In seltenen Fällen eine Zunahme von Anfällen
Darüber hinaus kann CBD Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingehen, insbesondere mit Antiepileptika wie Clobazam oder Valproat. CBD kann die Blutspiegel dieser Medikamente erhöhen, was zu verstärkten Nebenwirkungen führen kann. Regelmäßige Kontrollen von Leberwerten und Medikamentenspiegeln sind daher unerlässlich.
Cannabis und Alkohol bei Epilepsie
Der Konsum von Alkohol kann bei Epilepsiepatienten das Risiko für Anfälle erhöhen. Studien haben gezeigt, dass das Risiko für Anfälle im Zusammenhang mit Alkohol bei Epilepsiepatienten etwa sechsfach erhöht ist. Daher sollten Epilepsiepatienten ein riskantes Trinkverhalten vermeiden und sich über die Auswirkungen von Alkohol auf ihre Erkrankung informieren.
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Eine Studie mit 310 Epilepsiepatienten ergab, dass viele Patienten keine Auswirkungen des Drogenkonsums auf ihre Epilepsie bemerkten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Drogen epileptische Anfälle akut provozieren können.
Fazit
Medizinisches Cannabis, insbesondere CBD, bietet vielversprechende Perspektiven für die Behandlung von Epilepsie. CBD hat in Studien gezeigt, dass es die Häufigkeit und Schwere von Anfällen reduzieren kann, insbesondere bei schweren Formen wie dem Dravet-Syndrom oder Lennox-Gastaut-Syndrom.
Die Behandlung mit CBD sollte jedoch immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, da eine enge Überwachung erforderlich ist. Patienten sollten sich über mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen informieren und regelmäßige Kontrollen durchführen lassen.
Es ist wichtig zu betonen, dass Cannabis kein Allheilmittel für Epilepsie ist. Die Studienlage bei erwachsenen Epilepsie-Patienten ist noch dürftig, und weitere Forschung ist erforderlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis in der Epilepsiebehandlung besser zu verstehen.
Wichtiger Hinweis zur Selbstmedikation
Selbstmedikation mit frei verkäuflichem CBD-Öl oder Hanföl bei Epilepsie ist gefährlich. Diese Produkte sind nicht standardisiert, nicht medizinisch geprüft und können unwirksam oder schädlich sein. Patienten sollten sich immer von einem Arzt beraten lassen, bevor sie Cannabis zur Behandlung von Epilepsie in Betracht ziehen.
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