Die Ergotherapie ist eine aktivierende Behandlungsform, die darauf abzielt, konkrete Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Sie spielt eine große Rolle bei der Bewältigung von Alltagstätigkeiten nach einem Unfall oder im Zuge einer fortschreitenden chronischen Erkrankung wie Parkinson. Ziel ist es, die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlich-kulturellen Leben zu sichern, indem beeinträchtigte Fähigkeiten und Funktionen verbessert, wiederhergestellt oder kompensiert werden.
Grundlagen der Ergotherapie bei Parkinson
Bei der Parkinson-Krankheit werden Hirnzellen geschädigt, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin ist wichtig für die Übertragung elektrischer Impulse vom Gehirn über die Nerven zu den Muskeln, wodurch Bewegungen gesteuert werden. Typische Symptome sind Bewegungsarmut, Muskelsteife und Zittern in Ruhe. Ergotherapie kommt vor allem dann zum Tragen, wenn die Krankheit weit fortgeschritten ist und die Auswirkungen nicht mehr vollständig mit Bewegung aufgefangen werden können.
Die Ergotherapie greift im Wesentlichen auf vier Methoden zurück:
- Funktionsorientierte Methode: Zielt darauf ab, Ausfälle im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates wiederherzustellen, zu erhalten oder zu steigern.
- Kompetenzzentrierte Methode: Konzentriert sich auf Übungen, mit denen sich der Alltag des Betroffenen besser bewerkstelligen lässt, indem verloren gegangene Fähigkeiten kompensiert werden.
- Ausdruckzentrierte Methode: Bedient sich kreativ-gestalterischer Mittel wie Musik, Materialien und Farben.
- Interaktionelle Methode: Fördert einen gruppendynamischen Prozess, der Auseinandersetzungen in der Gruppe adressiert und auf das Miteinander abhebt.
Ziele der Ergotherapie
- Verbesserung der Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit
- Erhalt und Förderung der Selbstständigkeit im Alltag
- Entgegenwirken von Muskelsteifheit und Störungen des Bewegungsablaufs
- Verbesserung der Feinmotorik
- Förderung der Wahrnehmung, Orientierung und Gedächtnisleistungen
- Reduktion von Stress, Angst und Unsicherheit
Übungsbeispiele und Therapieansätze
Menschen mit Parkinson sind in der Regel zunehmend in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Hilfen zur Aufrechterhaltung ihrer Mobilität sind daher ausgesprochen wichtig. Sie sollten sich möglichst viel bewegen. Geeignet sind Spazierengehen, aber auch speziell auf die Krankheit abgestimmte Physio- und Ergotherapie.
Feinmotorik
- ADL-Übungen mit Therapieknete: Faustschluss, Fingerstrecken, Daumenopposition.
- Koordinative Übungen: Mit diversen Therapiemedien und funktionellen Spielen.
- Handwerkstechniken: Adaptierte Griffe an Pinsel, Werkzeug, Flechtfäden, großflächiges Malen (kombiniert mit Atemübungen, Rotationsbewegungen), Weben, Peddigrohr flechten.
Schreibstörungen
- Griffverdickungen für Stift: Auf korrekte Sitzhaltung, Tischhöhe und aufgelegten Unterarm achten.
- Bleistift statt Kuli: Da der Andruck verstärkt werden kann (hilfreich bei Tremor).
- Golwitzer-Zeichen auf Din A 1-2: Auch als Wischübung geeignet.
- Spirale von innen nach außen zeichnen lassen: Umstellung auf Druckbuchstaben statt Schreibschrift.
- Schreib- und Schwungübungen mit vorgegebener Zeilengröße zur Orientierung: Von klein nach groß schreiben lassen, ggf. Benutzung von PC oder Schreibmaschine üben, wenn handschriftlich nicht mehr möglich.
Mimische Störungen
- Mimische Übungen (siehe Übungen bei Fascialisparese)
Sprechstörungen
- Singen
- Laut sprechen, laut vorlesen lassen
- Logopädie
Schluckstörungen
- FOTT
- Auf korrekte Sitzhaltung achten
- Kost anpassen, Einfuhrprotokolle (Flüssigkeits- & Nahrungsaufnahme überwachen)
- Logopädie
Rigor (Muskelsteifheit)
- Aktiv/Teilaktiv: Kopf-/Nackenmobilisation, aktive Rumpfübungen im Sitz oder Stand, grobmotorische Übungen, Einsatz von Therapiemedien (Luftballon, Gymnastikstäbe, Bälle, funktionelle Spiele), Dehnungsübungen, um verkürzter Muskulatur entgegenzuwirken, Übungen, die die Körpermitte kreuzen, Schwungübungen (Arme), Gleichgewichtsübungen, Einzeltherapie, Gruppengymnastik, Rhythmisierend zu Musik, auf vertiefte Atmung achten, Übungen mit Atemrhythmus kombinieren.
- Passiv: Unterlagerung aller Körperpartien, die nicht nachlassen & sich ablegen können, Lagern, sanftes Ausstreichen der rigiden Muskelgruppen, sanften flächigen Druck mit den Händen auf die großen Gelenke (Schlüsselpunkte) geben.
Atemstörungen
- Atemübungen in jede Gymnastik einbauen
- Singen
- Laut lesen
- Seifenblasen
- Watte pusten mit/ohne Strohhalm
- Etwas ansaugen lassen mit Strohhalm (Watte/Papier)
- Pustebilder
Gang- und Haltungstörungen
- Gangschulung: Schwungübung mit Stöcken, "Seemanns-Gang" breitbeinig gehen, Hindernis gehen, um Schrittlänge vorzugeben.
- Freezing-Phänomen: Mithilfe einer physiotherapeutischen Behandlung lässt sich die Überwindung motorischer Blockaden trainieren und auf den Alltag übertragen. Patient gibt sich selbst Kommandos zur Schrittfolge (z.B. Im Takt nach einem vorgegebenen Rhythmus).
- Mimische Kommunikation: Vor dem Spiegel verschiedene Gesichtsausdrücke (Freude, Angst, Erschrecken) üben.
Weitere Übungen und Aktivitäten
- Entspannungsübungen: Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Biofeedback-Verfahren, Yoga oder Atemübungen.
- Bewegungsübungen: Schwimmen, Wassergymnastik, Wandern oder Nordic Walking.
- Spezielle Angebote: Tischtennis, Bogenschießen oder Karate.
Übungen für Zuhause
In Rückenlage
- Auf den Rücken legen, Arme ausstrecken, beide Beine anwinkeln und mit geschlossenen Knien abwechselnd links und rechts zum Boden absenken (je 6 - 8 mal).
- Arme und Beine lang ausstrecken, linke Fußspitze hochziehen und gleichzeitig die Ferse vom Körper wegschieben (6 - 8 mal). Und dann das gleiche mit dem rechten Bein (6 - 8 mal).
- Wie vorherige Übung, mit linkem Bein beginnen, jetzt aber gleichzeitig den rechten Arm weit vom Kopf wegschieben (wie beim Räkeln) (6 - 8 mal). Und dann das gleiche mit dem rechten Bein und dem linken Arm (6 - 8 mal).
- Die gestreckten Beine leicht grätschen. Arme nach oben zur Zimmerdecke strecken, die Hände falten und mit gestreckten Armen abwechselnd rechts und links auf den Boden legen (je 6 - 8 mal).
In Seitlage
- Auf die Seite legen, oberen Arm vor dem Körper aufstützen, den anderen Arm unter den Kopf. Unteres Bein anbeugen und mit dem oberen, gestreckten Bein vor- und zurückschwingen (6 - 8 mal). Dann auf die andere Seite legen, unteres Bein anbeugen und das obere Bein vor- und zurückschwingen (6 - 8 mal).
- Gleiche Position wie in vorheriger Übung einnehmen und abwechselnd rechtes und linkes Bein anbeugen und wieder ausstrecken (6 - 8 mal). Dann auf die andere Seite legen und die Übung wiederholen (6 - 8 mal).
- In der Seitenlage Arme und Beine ausstrecken und jetzt die obere Schulter nach hinten zurückdrehen und wieder hoch drehen. Das Becken bleibt in Seitenlage (6 - 8 mal). Dann auf die andere Seite legen und die Übung wiederholen (6 - 8 mal).
- Gleiche Position wie in vorheriger Übung einnehmen, beide Beine bleiben aber gestreckt aufeinander liegen. Jetzt das Becken nach vorne drehen und wieder in Seitenlage hochdrehen (6 - 8 mal). Seite wechseln und Übung wiederholen (6 - 8 mal).
Im Sitzen
- Auf den vorderen Teil des Stuhles setzen, Hände auf die Oberschenkel legen und dann den gestreckten Oberkörper nach vorne neigen und wieder zurück (6 - 8 mal).
- Gleiche Position wie in vorheriger Übung einnehmen und abwechselnd den Oberkörper nach rechts und nach links bewegen (je 6 - 8 mal).
- Oberkörper nach rechts bewegen und gleichzeitig das linke Knie anheben. Dann Oberkörper nach links bewegen und gleichzeitig das rechte Knie anheben (6-8 mal).
- Wie in vorheriger Übung die Knie abwechselnd anheben. Aber die Arme schwingen gegenläufig mit (wie beim Wandern): linker Arm und rechtes Knie hoch und umgekehrt (6-8 mal).
- Stellen Sie das linke und das rechte Bein etwas weiter nach rechts. Arme vor dem Körper nebeneinander ausstrecken und nun mit beiden Armen erst nach links und dann nach rechts schwingen (6-8 mal). Danach Beinposition ändern: Linkes und rechtes Bein jetzt etwas weiter nach links stellen. Beide Arme schwingen nun wieder nach rechts und nach links (6-8 mal).
- Mit geradem Rücken an die Stuhllehne anlehnen, den rechten Fuß auf die Stuhlkante setzen und das Bein mit den Armen umfassen. Den Rücken betont strecken. Dann das gleiche mit dem linken Bein (je 6-8 mal).
- Mit geradem Rücken an die Stuhllehne anlehnen. Mit der rechten Hand an der Sitzfläche festhalten. Mit dem linken Arm fassen Sie weit über den Kopf zum rechten Ohr und ziehen den Kopf sanft nach links. Dann Kopf wieder aufrichten. Und nun umgekehrt mit rechtem Arm über den Kopf greifen und Kopf sanft nach rechts ziehen (6-8 mal).
- Die Hände wieder auf die Oberschenkel, den Kopf langsam nach rechts drehen und jetzt mehrmals nicken. Und dann das gleiche zur linken Seite (je 6-8 mal).
Im Stehen
Bei diesen Übungen müssen Sie sich an einer festen Griffstange, z. B. an einer Sprossenwand, festhalten. Ersatzweise an der Türklinke oder einem anderen festen Griff festhalten. Achtung: Tür vorher verschließen, damit die Tür sich während der Übungen nicht versehendlich öffnet.
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- Seitlich zur Tür hinstellen. Mit rechter Hand an Türklinke/Griff festhalten. Auf dem linken Bein stehen bleiben und rechtes Bein vor- und zurückschwingen (6-8 mal). Dann umdrehen, mit linker Hand festhalten. Und das rechte Bein vor- und zurückschwingen (6-8 mal).
- Nun kommt zur Übung 1 eine Armbewegung hinzu. Wenn das rechte Bein nach vorne schwingt, schwingt der linke freie Arm auch nach Vorne. Arm und Bein gleichzeitig vor- und zurückschwingen (6-8 mal).
- Drehen Sie sich jetzt zur anderen Seite und halten Sie mit der linken Hand die Türklinke fest. Auf dem rechten Bein stehen bleiben und linkes Bein vor- und zurückschwingen (6-8 mal). Danach die Armbewegungen hinzunehmen: linkes Bein und rechter Arm schwingen gleichzeitig vor und zurück (6-8 mal).
- Mit dem Gesicht zur Tür hinstellen. Die Füße stehen mindestens hüftbreit auseinander. Mit beiden Händen die Türklinke festhalten. Becken nach hinten strecken.
Weitere Therapieansätze
Neben den genannten Übungen und Therapieansätzen gibt es weitere Möglichkeiten, die Lebensqualität von Parkinson-Patienten zu verbessern:
- Sprachtherapie: Atemübungen, mimische Übungen und Sprechübungen.
- Psychotherapie: Gesprächstherapie zur Aufarbeitung möglicher Traumata und zurReduktion von sozialem Rückzug.
- Hilfsmittel: Anpassung des Wohnraums zur Vermeidung von Stolperfallen und zur Erleichterung von Alltagsaktivitäten.
Kostenübernahme
Behandelt ein ausgebildeter Therapeut, übernehmen die Krankenkassen fast immer die Kosten einer verordneten Ergotherapie.
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