Expedition ins Gehirn: Eine Reise in die Tiefen des menschlichen Denkorgans

Das Gehirn, das wohl geheimnisvollste Organ des Menschen, steht im Fokus der Dokumentation "Expedition ins Gehirn". Die Dokumentation beschäftigt sich mit den Forschungsbereichen um das Phänomen der sogenannten Savants, hochbegabter Menschen, die extrem ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen, Wissen zu speichern. Wie finden Bilder, Töne und Gerüche ihren Weg in unser Gehirn? Was macht es damit? Wie denkt das Gehirn? Wie trifft es Entscheidungen? Diese Fragen stehen im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung.

Moderne Methoden der Hirnforschung

Früher konnte man nur nach dem Tod eines Menschen dessen Schädel öffnen, um Einblick in die graue und weiße Hirnsubstanz zu nehmen. Später ermöglichten Röntgenstrahlen den Blick in lebende Gehirne, jedoch mit zellschädigenden Auswirkungen und ohne Aufschluss über Hirnfunktionen. Mittlerweile ermöglicht die Spitzenforschung auf dem Gebiet der Neurowissenschaften mittels bildgebender Methoden neue Einblicke.

Magnetresonanztomographie: Ein Blick in lebende Gehirne

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein gesundheitlich unbedenkliches Bildgebungsverfahren, dessen einziges Risiko in der magnetischen Anziehungskraft von metallischen Gegenständen liegt. Hochmoderne Ingenieurtechnik steckt in den Magnetresonanztomographen, die ein starkes, statisches Magnetfeld nutzen, um scharfe Bilder herzustellen.

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg besitzt mit dem Magnetom Terra.X, Impulse Edition, Baujahr 2022, den europaweit leistungsstärksten 7-Tesla-Magnetresonanztomographen (MRT). Dieser ermöglicht einen noch tieferen Blick in das menschliche Gehirn, zum Beispiel in den Kortex. Die Hirnrinde, nur zirka drei Millimeter dick, enthält die Neuronen, die für die Leistungsfähigkeit des Gehirns verantwortlich sind.

Ziele der Forschung mit dem 7-Tesla-MRT

Mit dem neuen MRT erhofft man sich Erkenntnisse über das Empfangen, Verarbeiten und Weiterleiten der neuronalen Signale. Erst wenn wir verstehen, wie die Signalübertragung funktioniert, können wir erkennen, wenn sie gestört ist. Das Gerät wird auch als 7-Tesla-Connectome-MRT bezeichnet, da es die Mikrostrukturen der Nervenverbindungen zwischen den Hirnarealen, das sogenannte Gehirn-Connectome, vermessen kann.

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Die Uni Magdeburg ist ein Standort mit europaweit einzigartiger Forschungsinfrastruktur. Bereits 2004 wurde hier innerhalb Europas der erste 7-Tesla-MRT für menschliche Anwendungen installiert.

Die Magdeburger UHF-MR Core Facility

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat knapp eine Million Euro für den Aufbau einer Core Facility bewilligt, einer gemeinsam genutzten Forschungsinfrastruktur. Oliver Speck leitet die Magdeburger UHF-MR Core Facility, deren Kurzbezeichnung für Ultra-High-Field-Magnetresonanz steht. Die Plattform steht Wissenschaftlern der Universität, des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN), des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) sowie des Magdeburger Forschungscampus STIMULATE zur Verfügung.

Zudem wurde 2013 das Forschungsnetzwerk GUFI gegründet, in das alle deutschen 7-Tesla-Betreiber eingebunden sind sowie einige aus Frankreich, Österreich, aus der Schweiz und den Niederlanden. GUFI steht für „German Ultrahigh Field Imaging“ und befasst sich unter anderem mit Standards zur Qualitätssicherung, mit Ausbildung und Kooperation.

Forschungsobjekt und Forschungsgegenstand

Der 7-T-Connectome-MRT in Magdeburg darf noch nicht in der Klinik eingesetzt werden, da er neuer als die neueste zugelassene Generation ist und selbst ein Gegenstand der Forschung ist. Die Kosten für den Ultra-High-Field-MR inklusive Einhausung beliefen sich auf 15 Millionen Euro. Er steht jetzt direkt neben dem europaweit ersten 7-Tesla-MRT von 2004, der kürzlich auf den aktuellen Stand der Ultrahochfeld-Technik aufgerüstet wurde. Beide Geräte sind Teil des Center for Advanced Medical Engineering CAME.

In Magdeburg wurden mittlerweile die weltweit meisten hochauflösenden 7-Tesla-Untersuchungen am Menschen durchgeführt.

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Schwerpunkte der aktuellen Forschung

Die Forschung in Magdeburg konzentriert sich auf verschiedene Aspekte der Hirnfunktion und -struktur.

Neuronale Ressourcen und altersbedingte Veränderungen

Anne Maass leitet am DZNE eine Nachwuchsforschungsgruppe und nutzt die MRT, um besser zu verstehen, wie sich das Gehirn und dessen Funktion im Alter und bei altersbedingten Erkrankungen verändert. Als neuronale Ressourcen werden Funktionen und Strukturen im Gehirn bezeichnet, wie zum Beispiel Durchblutung, Hirnvolumen und Myelin. Letzteres ist eine fetthaltige Substanz, die die Reizleitung im Gehirn ermöglicht und beschleunigt.

Die neurobiologischen Ursachen für die individuell unterschiedlichen neuronalen Ressourcen von Personen zu erkennen, ist ein Ziel von Anne Maass. Dabei steht der Hippokampus, der für Gedächtnisleistung und Lernprozesse verantwortlich ist, im Fokus. Wie die Blutgefäße den Hippokampus versorgen, habe einen großen Einfluss auf Gedächtnisleistung und deren altersbedingtes Nachlassen sowie auf die Manifestierung von Gehirnerkrankungen, ergänzt Stefanie Schreiber.

Vaskuläre Demenz und Alzheimer-Erkrankung

Stefanie Schreiber forscht als Neurologin an Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems. In ihrem Klinikalltag spielen vaskuläre und Mischdemenzen infolge einer gestörten Durchblutung des Gehirns eine wichtige Rolle. Die hochauflösende Bildgebung macht beispielsweise solche feinen Gefäßrisse klar und deutlich sichtbar. Auch frühste Veränderungen in der Gehirnfunktion oder Struktur, die durch Protein-Ablagerungen bei der Alzheimer-Erkrankung verursacht werden, könnten auf den Bildern des neuen 7-Tesla-MRT zu sehen sein, betont Anne Maass, die sich mehr Erkenntnisse über diese Krankheit erhofft.

Körperliche Fitness und Hirnfunktion

Es ist unstrittig, dass sich körperliches Fitnesstraining positiv auf die Durchblutung des Hippokampus auswirkt. Die Forschung sucht nach Antworten auf die Frage, welche Botenstoffe im Gehirn aktiviert werden und wie es ihnen gelingt, die Neurone fit zu halten.

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Expedition ins Gehirn: Teil der Forschung werden

Die Forschungsteams suchen Probanden, die mit auf Entdeckungsreise ins Gehirn gehen möchten. Neben den kognitiv hochleistungsfähigen „Super-Agern“ im Alter über 80 oder Patienten mit verschiedenen altersbedingten Hirnerkrankungen sind auch junge Leute willkommen.

Das Gehirn: Eine wissenschaftliche Herausforderung

Das Gehirn zu verstehen, gilt als die größte wissenschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Neurobiologen, Chirurgen, Verhaltensforscher und Psychologen suchen gemeinsam nach Antworten auf die zahlreichen Rätsel unseres Gehirns: Wie lernt der Mensch? Lässt sich das Gehirn trainieren wie ein Muskel? Lassen sich Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Alzheimer eines Tages heilen? Können Hirnschrittmacher Angststörungen oder Parkinson unterdrücken? Vielleicht werden Mediziner eines Tages gar das Gehirn - ähnlich wie das Herz - transplantieren können.

Die Bedeutung des Gehirns aus historischer Sicht

Hippokrates (460 bis 370 vor Christus) erkannte bereits die zentrale Rolle des Gehirns für unser Erleben: „Die Menschen sollen wissen, dass von nichts anderem als dem Gehirne unsere Freude, unser Entzücken, Lachen und Vergnügen herrühren, woher auch Kummer und Schmerzen, Angst und Trauer stammen. Mit ihm vor allem denken und überlegen, sehen und hören wir und unterscheiden das Hässliche vom Schönen, das Schlechte vom Guten und das Angenehme vom Unangenehmen. Dasselbe Organ lässt uns in Raserei und Wahnsinn verfallen, und es treten Angst und Furcht an uns heran, sowohl des Nachts als auch am Tage, dazu Schlaflosigkeit, Irrtümer, unpassende Sorgen, Nichterkennen der wirklichen Lage und auch das Vergessen. Alles dies erleiden wir durch das Gehirn, wenn es nicht gesund ist. Deshalb bin ich der Meinung, dass das Gehirn im Menschen die größte Macht hat.“

Die Physiologie des Gehirns

Das Gehirn ist das aktivste Organ des Menschen und hat dementsprechend einen enormen Sauerstoff- und Energiebedarf: Etwa 20 Prozent des Bluts werden vom Herzen ins Gehirn gepumpt; schon der kurzzeitige Ausfall der Sauerstoffversorgung führt zu Hirnschäden und bereits nach wenigen Minuten ist der Gehirntod festzustellen.

Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns

Das Gehirn des Menschen ist allerdings auch ein sehr anpassungsfähiges Organ. So ist es beispielsweise möglich, dass eine Gehirnhälfte die Arbeit der anderen mitübernimmt, falls diese nicht mehr arbeitsfähig ist.

Weitere Einblicke in die Hirnforschung

Die Dokumentation "Expedition ins Gehirn" beleuchtet verschiedene Aspekte der Hirnforschung in drei Teilen:

  • Gedächtnis-Giganten: Dieser Teil stellt das menschliche Gedächtnis in den Mittelpunkt. Es wird der Frage nachgegangen, woher das Gedächtnis kommt, was dazu führt, dass wir uns manche Dinge merken können und anderes sofort vergessen, und welche "Filtersysteme" dafür sorgen.
  • Der Einstein-Effekt: Dieser Teil untersucht die Kreativität und die menschliche Gabe, nie gedachte Gedanken erstmals zu denken. Es wird die These aufgestellt, dass herausragende Kreativität sehr häufig mit den Fehlschaltungen von Autisten zusammengeht.
  • Der große Unterschied: Dieser Teil widmet sich der Frage, ob Männer- und Frauengehirne auf gleiche Weise funktionieren. Es wird die These diskutiert, dass männliche und weibliche Gehirne gravierende Unterschiede aufweisen.

Neurodapt!: Wie das Gehirn lernt, sich anzupassen

Nico Bunzeck, Psychologe und Leiter einer Nachwuchsforschergruppe im Projekt "neurodapt!" der Landesexzellenzinitiative, untersucht, wie sich die Hirnregionen beeinflussen lassen.

Belohnung und Informationsverarbeitung

Bunzeck fand heraus, dass sich die Geschwindigkeit, mit der wir neue Informationen verarbeiten, steigern lässt, wenn eine Belohnung winkt. In Versuchen erkannten Probanden neue Informationen bereits nach 85 Millisekunden, wenn sie für richtige Antworten belohnt wurden. Ohne Belohnung dauerte es 200 Millisekunden.

Dopamin und die Verarbeitung neuer Informationen

Bunzeck untersucht nun, welche Rolle Neurotransmitter wie Dopamin für die Verarbeitung neuer Informationen spielen. Tests haben gezeigt, dass die Dopamin produzierenden Nervenzellen der Substantia nigra aktiviert werden, sobald das Gehirn neue Informationen speichert - besonders stark dann, wenn neue Informationen mit einem Belohnungsreiz verbunden sind.

Die Bedeutung der Dopaminkonzentration

Es kommt offenbar auf die Dosis an: In welcher Konzentration treibt Dopamin das Gehirn optimal an - und wann gerät das sensible System aus der Balance? Das will Nico Bunzeck nun mit neuen Versuchen herausfinden.

Interdisziplinäre Forschung

Bunzecks Forschungen sind Teil eines interdisziplinären Konzepts: Psychologen arbeiten gemeinsam mit Neurobiologen und Medizinern. Neben dem UKE sind an den Untersuchungen auch die Universität Hamburg, mehrere Max-Planck-Arbeitsgruppen für strukturelle Molekularbiologie, die Universität zu Lübeck und das Neurozentrum der Schön Klinik Hamburg Eilbek beteiligt.

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