Formen der Multiplen Sklerose: Definition und Verlauf

Die Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn und Rückenmark betrifft. Sie zählt in Mitteleuropa zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen junger Erwachsener. Die MS ist nicht ansteckend und manifestiert sich in unterschiedlichen Verlaufsformen mit einer Vielzahl von Symptomen.

Was ist Multiple Sklerose?

Bei MS kommt es zu einer Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen angreift. Diese fehlgeleiteten Immunreaktionen führen zu Entzündungen und Schädigungen der Nervenfasern und ihrer schützenden Myelinschicht. Die Myelinschicht ist entscheidend für die schnelle und reibungslose Weiterleitung von Informationen im Nervensystem. Sind die Nerven und besonders ihre Ummantelung geschädigt, werden Informationen langsamer oder fehlerhaft weitergeleitet, was zu den vielfältigen Symptomen der MS führt.

Die Ursachen der MS sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Studien deuten darauf hin, dass etwa ein Viertel der Ursachen auf genetische Faktoren und drei Viertel auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sind. Zu den Umweltfaktoren, die das MS-Risiko beeinflussen können, gehören unter anderem der Lebensstil und der geografische Standort.

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Die Multiple Sklerose ist nicht durch ein einheitliches Krankheitsbild gekennzeichnet. Der Verlauf der MS ist individuell sehr unterschiedlich und nicht vorhersehbar. Sowohl die Art und Anzahl der Symptome, die Häufigkeit, Dauer und Schwere der Schübe als auch das mögliche Fortschreiten einer Beeinträchtigung variieren von Person zu Person. Mediziner unterscheiden hauptsächlich drei Verlaufsformen der MS, die sich im Wesentlichen durch das Auftreten von Schüben und das Fortschreiten der Erkrankung unterscheiden:

  • Schubförmig-remittierende MS (RRMS)
  • Sekundär progrediente MS (SPMS)
  • Primär progrediente MS (PPMS)

Zusätzlich zu diesen Hauptformen gibt es noch weitere Varianten, die im Folgenden näher erläutert werden. Diese Verlaufsformen werden im Einzelnen noch unterschieden - je nachdem, wie aktiv bzw. nicht aktiv die MS-Erkrankung ist und ob sie fortschreitet oder nicht.

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Schubförmig-remittierende MS (RRMS)

Die schubförmig-remittierende MS (RRMS) ist die häufigste Verlaufsform der MS. Bei über 85 bis 90 % der Patienten beginnt die MS mit diesem Verlauf. Sie ist durch klar definierte Schübe gekennzeichnet, in denen neue Symptome auftreten oder sich bestehende Symptome verschlimmern. Ein Schub wird als das Auftreten eines klinischen Symptoms gewertet, das länger als 24 Stunden anhält.

Die Schübe dauern in der Regel Tage bis Wochen. Danach folgt eine Remission, in der sich die Symptome teilweise oder vollständig zurückbilden. Die Dauer der Remission kann unterschiedlich sein und Wochen, Monate oder sogar Jahre betragen. Zwischen den Schüben können sich viele MS-Patienten so gesund fühlen wie vor der Erkrankung, da sich die Symptome häufig teilweise oder vollständig zurückbilden. Dies ist jedoch ein trügerischer Zustand, weil die Entzündungsprozesse zum Teil auch in Phasen ohne Schub nicht zur Ruhe kommen.

Die genauen Auslöser für Schübe sind oft unklar, aber Faktoren wie Stress, Infektionen und Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen. Die ersten Schübe treten meist im frühen Erwachsenenalter (20-30 Jahre) auf, in seltenen Fällen können aber auch Kinder oder Patienten über 60 Jahre einen ersten Schub erleiden.

Sekundär progrediente MS (SPMS)

Die sekundär progrediente MS (SPMS) entwickelt sich häufig aus der RRMS, meist nach einem Zeitraum von etwa 15 bis 20 Jahren. Wesentliches Merkmal der SPMS ist eine langsam fortschreitende Krankheitsverschlechterung, die oft nicht gleich bemerkt wird. Bei dieser Form treten keine typischen Schübe mehr auf, stattdessen verschlechtern sich die Symptome langsam und kontinuierlich. Dies kann zu einer allmählichen Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Funktionen führen.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Übergang von der RRMS zur SPMS nicht bei allen Betroffenen eintritt. Manche bleiben viele Jahre in der RRMS-Phase, während andere früher oder später in die SPMS übergehen. Da der Verlauf meist schleichend ist, wird die Diagnose oft erst rückblickend gestellt.

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Primär progrediente MS (PPMS)

Die primär progrediente MS (PPMS) ist eine seltenere Verlaufsform, die etwa 10 bis 15 % der MS-Erkrankten betrifft. Sie ist durch einen schleichenden und progressiven Verlauf von Beginn an gekennzeichnet. Bei der PPMS nehmen die Symptome von Beginn an stetig zu, ohne dass Schübe oder ausgeprägte Remissionen auftreten. Betroffen sind häufig Menschen, die erst später im Leben, meist nach dem 40. Lebensjahr, diagnostiziert werden. Die Beschwerden können vielfältig sein und hängen von den jeweils betroffenen Bereichen des zentralen Nervensystems ab. Durch das fortschreitende Krankheitsbild fällt es vielen Betroffenen schwer, ihren Alltag uneingeschränkt zu bewältigen. Die primär chronische progrediente Form zeigt keine schubförmige Verschlechterung, sondern von Anfang an eine langsame Ausbreitung von verschiedenen Symptomen.

Progressive-rezidivierende MS (PRMS)

Eine weitere, jedoch seltene Form ist die progressive-rezidivierende MS (PRMS). Dieser Verlaufstyp zeichnet sich durch eine kontinuierliche Verschlechterung der Symptome von Beginn an aus, wobei jedoch gelegentliche Schubphasen auftreten können. Diese Schübe unterscheiden sich von denen der schubförmig remittierenden MS, da sie meist weniger ausgeprägt und schwerer vorhersehbar sind. Das erschwert sowohl die Diagnose als auch die Behandlung.

Klinisch isoliertes Syndrom (KIS)

Das erstmalige Auftreten eines für die MS typischen Symptoms wie z. B. Sehstörungen wird als „klinisch isoliertes Syndrom oder kurz KIS“ bezeichnet. Dabei halten die Beschwerden länger als 24 Stunden an. Ein KIS kann, muss aber nicht in eine der beschriebenen Formen der MS übergehen. Werden erste, für die MS typische Veränderungen im MRT oder bei der Nervenwasseruntersuchung nachgewiesen, spricht man von einem klinisch isolierten Syndrom (KIS).

"Benigne" MS

Mit einer „benignen und damit gutartigen MS“ ist meist eine Form der MS gemeint, die über viele Jahre ohne oder nur mit milden Symptomen einhergeht. Diese Begrifflichkeit sollte jedoch nicht verwendet werden, weil sie in ihrer Aussagekraft nicht präzise genug ist und zu Missverständnissen führen kann.

Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Diagnose der Multiplen Sklerose kann komplex sein und erfordert eine sorgfältige neurologische Untersuchung sowie den Einsatz verschiedener diagnostischer Verfahren. Zu den wichtigsten Diagnoseinstrumenten gehören:

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  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome
  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Nervenfunktionen, wie z.B.Motorik, Sensibilität, Koordination und Reflexe
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung von Entzündungsherden (Läsionen) im Gehirn und Rückenmark
  • Lumbalpunktion (Nervenwasseruntersuchung): Analyse des Nervenwassers aufEntzündungszeichen und spezifische Antikörper
  • Evozierte Potentiale (VEP, AEP, SSEP): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um Schädigungen der Nervenbahnen festzustellen

Die Diagnosekriterien für MS berücksichtigen das Vorhandensein von Läsionen im ZNS, das Auftreten von Schüben und/oder eineprogrediente Verschlechterung der Symptome. Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, wie z.B. Borreliose oder Syphilis.

Therapie der Multiplen Sklerose

Obwohl die Multiple Sklerose derzeit nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapieansätze, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Symptome lindern können. Die Behandlung zielt darauf ab, dieEntzündungsaktivität im ZNS zu reduzieren, Schübe zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung von der Multiplen Sklerose gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

  • Krankheitsmodifizierende Therapie
  • Schubtherapie
  • Symptomatische Therapie

Krankheitsmodifizierende Therapie

Das Ziel dieser Therapie ist, das Immunsystem so zu beeinflussen, dass es zu weniger MS-typischen Entzündungen kommt. Auf diese Weise wird das Fortschreiten der Multiplen Sklerose verlangsamt und die Häufigkeit der Schübe reduziert. Um das unterschwellig laufende Entzündungsgeschehen im Zentralnervensystem zu verringern, werden verschiedene verlaufsmodifizierende Medikamente eingesetzt. Welche der verlaufsmodifizierenden Therapien für Sie infrage kommt, wird Ihre Neurologin bzw.

Schubtherapie

Häufig kennzeichnet sich der Beginn einer Multiplen Sklerose (MS-Krankheit) durch einen sogenannten Schub. Bei einem akuten MS-Schub ist es wichtig , möglichst schnell eine Behandlung einleiten. Einzelne Schübe werden mit einer Stoßtherapie (Kortison) behandelt. Diese schnelle Therapie wird auch als Stoß- oder Pulstherapie bezeichnet. Sie kann rasch die Entzündungsaktivität im ZNS eindämmen und damit die Schub-Symptome zurückdrängen. Für die Schubtherapie stehen vor allem Kortisonpräparate zur Verfügung, die die Entzündungen eindämmen sollen. Im akuten Schub werden sie über drei bis fünf Tage als Infusion verabreicht (Hochdosis-Schubtherapie). In vielen Fällen wird auf eine sogenannte Blutwäsche ausgewichen (Plasmapherese), bei der Blut entnommen, gereinigt und wieder in den Körper zurückgeleitet wird. Die Plasmapherese ist nur in speziellen Zentren möglich und wird auch nur bei schweren akuten Schüben durchgeführt. Nebenwirkungsärmer ist eine spezielle Form der Blutwäsche: die sogenannte Immunadsorption. Hierbei wird das Blut in Plasma (Blutflüssigkeit) und Blutzellen getrennt. Diese Form der Behandlung eröffnet neue Perspektiven beispielsweise bei schweren Schüben, die nicht auf eine Cortisontherapie ansprechen. Die Therapie erfolgt stationär und dauert etwa ein bis zwei Wochen. Dabei wird etwa jeden zweiten Tag eine Behandlung von etwa drei Stunden Dauer durchgeführt. Die Kosten für eine Plasmapherese oder die Immunadsorption werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

Symptomatische Therapie

Hier steht die Linderung von Symptomen im Zentrum der Behandlung. Symptome wie beispielsweise Blasenstörungen, Spastik, Schmerzen o. a., werden mit unterschiedlichen Therapieansätzen behandelt. Die Behandlung setzt sich dabei aus Maßnahmen folgender Bereich zusammen: Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Psychotherapie, Medikamente und Operationen. Für pflegebedürftige Menschen mit Multiple Sklerose bietet das sogenannte Bobath-Konzept eine Möglichkeit, ihre motorischen Fähigkeiten zu fördern.

Weitere Therapieansätze

Viele MS-Betroffene greifen zu Mitteln aus der Naturmedizin, um ihre Beschwerden und Symptome zu lindern. Johanniskraut ist zum Beispiel eine beliebte und wichtige Heilpflanze bei depressiven Verstimmungen. Viele Symptome, die im Verlauf einer Multiplen Sklerose auftreten, können auch begleitend mit homöopathischen Mitteln behandelt werden. Je nach MS-Symptomen und Beschwerden stehen Betroffenen unterschiedliche Homöopathische Arzneien zur Verfügung, die für ein erfolgreiches Therapieverfahren individuell ausgewählt und abgestimmt werden müssen. Um die passende homöopathische Arznei zu finden, sollten Betroffene den Einsatz daher immer mit dem Arzt und einem Therapeuten besprechen.

Propionat, das Salz einer Fettsäure, zeigte in Laborversuchen positive Effekte auf die Nervenzellen. In einer internationalen Studie erhielten MS-Patienten zusätzlich zu ihren Medikamenten Propionsäure.

Vitamin D bei MSHochdosierte Vitamin-D-Gaben können MS-Schübe vermindern, also die MS-Aktivität etwas verlangsamen. Vitamin D wird vom Körper gebildet, sobald er Sonnenlicht bekommt.

Leben mit Multipler Sklerose

Die Diagnose Multiple Sklerose macht den meisten Menschen zunächst große Angst. Das Leben kann also auch trotz einer MS-Diagnose durchaus lebenswert sein. Vorausgesetzt, die Betroffenen nehmen ihre Erkrankung an und gestalten ihr Leben mit der MS - statt gegen sie. Beeinträchtigungen annehmen, aber nicht zum Hauptinhalt des Lebens zu machen: Wenn das Gehen mal schwerfällt, ist Radfahren vielleicht leichter. Die körperlichen Belastungsgrenzen anerkennen und zum Beispiel das Sportprogramm so dosieren, dass Sie Ihre Leistungsfähigkeit nicht überschreiten. Generell sind Ihren Vorlieben beim Sport keine Grenzen gesetzt. Ob Sie nun Wassergymnastik bevorzugen oder Klettern im Hochgebirge. Ihre Ernährung können Sie auf Ihre Erkrankung abstimmen: Es gibt zwar keine spezielle MS-Diät, aber eine Fülle von Empfehlungen, zum Beispiel eine vegane Ernährungsweise, eine antientzündliche Diät oder auch eine Ernährung, bei der möglichst wenig Kohlehydrate (low carb), aber viele Proteine aufgenommen werden.

Auf Dauer kann eine MS die Psyche belasten - vor allem bei regelmäßigen Schmerzen. Dabei entwickeln viele Patienten depressive Symptome und Ängste. Grundsatz der KVT ist, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann. Dabei ist die innere Gefühls- sowie Gedankenwelt inbegriffen. Manchmal ist es schwer, mit anderen Menschen über die eigenen Belastungen zu sprechen und Hilfe anzunehmen. Doch ist genau das in vielen Situationen hilfreich. Wenn für Sie die Hürde zu groß erscheint, können Sie auch auf digitale Programme zurückgreifen. levidex ist eine DiGA für Menschen mit MS, in der Sie wertvolles Krankheitswissen, psychologische Unterstützung und spezielle Bewältigungsstrategien an die Hand bekommen. Das Programm können Sie ergänzend zu Ihrer aktuellen Therapie nutzen. Sprechen Sie dazu Ihren Arzt an. Er kann Ihnen ein Rezept für levidex ausstellen, das Sie bei Ihrer Krankenkasse einreichen. Es gibt mittlerweile viele MS-Selbsthilfegruppen. Die MS-Selbsthilfe gibt Betroffenen Halt und ermöglicht den Austausch untereinander. Das erhöht die Lebensqualität immens. Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

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