Der zerebrale Kortex (Großhirnrinde): Aufbau, Funktion und Bedeutung

Der zerebrale Kortex, auch Großhirnrinde genannt, ist der größte und am weitesten entwickelte Teil des menschlichen Gehirns und des zentralen Nervensystems (ZNS). Er nimmt den oberen Teil der Schädelhöhle ein und ist essentiell für das bewusste Erleben von Sinnesreizen sowie für die Planung komplexer Aufgaben und Prozesse.

Anatomischer Aufbau des zerebralen Kortex

Die Hemisphären und Lappen

Das Großhirn gliedert sich in zwei Hälften, die Hemisphären, welche durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die Oberfläche der Hemisphären ist durch Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) gekennzeichnet, was der Oberflächenvergrößerung dient. Beinahe alle Furchen und Windungen sind mittlerweile benannt.

Jede Hemisphäre wird in vier Hauptlappen unterteilt:

  • Frontallappen (Stirnlappen): Der am weitesten anterior/superior gelegene Anteil des supratentoriellen Gehirns.
  • Parietallappen (Scheitellappen): Liegt posterior zum Frontallappen und superior zum Okzipitallappen.
  • Okzipitallappen (Hinterhauptslappen): Der am weitesten posterior gelegene Lappen des supratentoriellen Gehirns.
  • Temporallappen (Schläfenlappen): Der anteriore/inferiore Anteil des supratentoriellen Gehirns.

Zusätzlich gibt es den Insellappen, der seitlich, aber völlig nach innen gefaltet und somit nicht von der Oberfläche her sichtbar ist.

Die Rinde: Graue und weiße Substanz

Die graue Substanz liegt außen und bildet die Großhirnrinde, während die weiße Substanz innen liegt und das Marklager bildet. Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) ist zwischen zwei und fünf Millimeter dick. Sie besteht aus dem Isocortex (oder Neocortex) und dem darunter liegenden Allocortex. Der Isocortex weist sechs Schichten auf und macht etwa 90 Prozent der Großhirnrinde aus. Der Allocortex ist entwicklungsgeschichtlich älter und hat einen dreischichtigen Aufbau. Die Großhirnrinde besteht aus den Zellkörpern von Milliarden von Nervenzellen (darunter Pyramidenzellen) und Gliazellen. Die Nervenzellen besitzen lange Fortsätze (Axone) in alle Richtungen.

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Zytoarchitektonik: Die Brodmann-Areale

Eine präzisere Aufteilung der Hirnrinde geht auf Untersuchungen von Korbinian Brodmann und Cecile und Oskar Vogt zurück. Anhand der feinen Unterschiede im zellulären Aufbau wurden von Brodmann 43 verschiedene Rindenfelder beim Menschen identifiziert, die als Brodmann-Areale bekannt sind.

Funktionelle Organisation des zerebralen Kortex

Sensorische und motorische Areale

Eingehende Signale werden von Nervenzellen im Thalamus umgeschaltet und an unterschiedliche Regionen im Cortex weitergeleitet, die den entsprechenden Funktionen zugeordnet sind. Es gibt sensorische Zentren für Sinneseindrücke und motorische Zentren für die Steuerung von Bewegungen. Bestimmten Körperteilen, Muskelgruppen und Bewegungen lassen sich Areale zuordnen.

Assoziationscortex

Der größte Teil der Großhirnrinde besteht aus dem Assoziationscortex. Hier werden Informationen aus den vielen Sinnessystemen zu einem umfassenden Bild der Welt zusammengefügt und Aufmerksamkeit und Aktivität reguliert.

Sprachzentren: Broca- und Wernicke-Areal

Im Frontallappen liegt das Broca-Areal, das für die Sprachmotorik zuständig ist. Im Schläfenlappen befindet sich das Wernicke-Areal, das vor allem für das Verstehen von Sprache entscheidend ist. Das Wernicke- und das Broca-Areal bilden das Sprachzentrum im Gehirn.

Der Homunculus

Die Großhirnrinde weist verschiedene motorische und somatosensible Areale auf, die bestimmten Körperabschnitten zugeordnet sind. Dabei sind benachbarte Körperteile auf benachbarten Gehirnarealen „abgebildet“. So ergibt sich das Modell eines kleinen, größenmäßig verzerrten Menschen, Homunculus genannt.

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Blutversorgung des zerebralen Kortex

Die arterielle Versorgung des Gehirns wird in zwei Kategorien eingeteilt: die vordere Zirkulation aus den Aa. carotis internae und die hintere Zirkulation aus dem vertebrobasilären System. Diese Quellen verbinden sich zum Circulus Willisii. Die primäre arterielle Versorgung im gesamten Großhirn erfolgt durch die A. cerebri anterior (ACA), die A. cerebri media (MCA) und die A. cerebri posterior (PCA). Alle münden in den Zusammenfluss der Sinus sagitallis, Sinus transversus, Sinus sigmoideus und schließlich in die V. jugularis interna.

Klinische Bedeutung des zerebralen Kortex

Folgen von Schädigungen

Aus den vielfältigen Funktionen der Großhirnrinde ergeben sich die möglichen Folgen örtlicher Verletzungen und Ausfälle. Ist das primäre Sehzentrum betroffen, besteht Blindheit trotz funktionierender Augen. Fallen bestimmte „höhere“ Rindenfelder aus, sieht der Mensch zwar, erkennt aber je nach Lokalisation der Störung nicht Gesichter, Farben oder Bewegungen. Bei einer Schädigung des Broca-Zentrums wird die Fähigkeit zu sprechen geschädigt, nicht aber das Sprachverständnis. Läsionen im vorderen Teil des Frontallappens führen zu Persönlichkeitsveränderung und Verminderung der intellektuellen Fähigkeiten.

Frontallappensyndrom

Schädigungen des PFC können zum Frontallappensyndrom führen, das unterschiedliche Aspekte hat. So können Schädigungen der orbitofrontalen Region zu pseudo-depressiven Störungen führen, während andere Patienten eine pseudo-psychopathische Störung entwickeln.

Neurodegenerative Erkrankungen: Alzheimer

Neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit können den Isocortex betreffen. Bei Alzheimer lagern sich Eiweißproteine in den Neuronen des Cortex ab, was zu Störungen der Transportvorgänge und schließlich zum Absterben der Nervenzellen führt.

Entwicklungsgeschichtliche Aspekte

Die typische Struktur des Cortex hat sich in der Stammesgeschichte der Säugetiere langsam entwickelt. Zunächst entstand der für Geruchswahrnehmung zuständige Palaeocortex, dann der Archicortex, der oft zum limbischen System gezählt wird. Die übrigen 90 Prozent werden als Neocortex bezeichnet.

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Das limbische System und seine Bedeutung

Das limbische System besteht aus mehreren Komponenten: dem Hippocampus, dem parahippocampalen Gyrus mit entorhinalem Kortex, dem Gyrus cinguli, der Amygdala und den Corpora mamillae. Es bildet die Grundlage für assoziative Funktionen wie Steuerung des affektiven Verhaltens, Emotionen, Lernen und Gedächtnis.

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