Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI): Grundlagen, Anwendungen und ethische Aspekte

Brain-Computer-Interfaces (BCI), auch bekannt als Gehirn-Maschine-Schnittstellen (Brain-Machine-Interfaces), stellen eine revolutionäre Technologie dar, die eine direkte Informationsübertragung zwischen einem organischen Gehirn und einem technischen Schaltkreis ermöglicht. Sie eröffnen die Möglichkeit, Gedanken und mentale Befehle auszulesen und als neurotechnologische Eingabesysteme für eine sprach- und bewegungsunabhängige Maschinensteuerung zu nutzen. Da sie ohne jegliche Muskelbetätigung auskommen, bieten BCIs grundsätzlich revolutionäre Bedienmöglichkeiten. Ihre Umsetzung ist jedoch mit erheblichen technologischen Herausforderungen verbunden, was den hohen Entwicklungsaufwand in diesem Bereich erklärt.

Grundlagen der Gehirn-Computer-Schnittstellen

Ein BCI ist eine spezielle Mensch-Maschine-Schnittstelle, die die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeichnet und analysiert, um sie in Steuersignale umzuwandeln. Die elektrische Aktivität des Gehirns wird entweder nicht-invasiv mittels Elektroden auf der Haut (z.B. durch eine Haube auf dem Kopf) oder invasiv durch implantierte Elektroden aufgezeichnet. Anschließend wird diese Aktivität mit einem Computer analysiert und in Steuersignale transformiert.

Die Kopplung von Gehirn und Computer basiert auf der Erfassung und Verarbeitung spezifischer physiologischer Signale, wie beispielsweise elektrischer Potentialschwankungen oder Fluktuationen im Sauerstoffgehalt des Blutes. Diese Signale geben Aufschluss über die neuronale Aktivität. Die räumliche und zeitliche Dynamik dieser Signale kann über nicht-invasive Ableitverfahren wie die Elektroenzephalographie (EEG) oder die funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) gemessen werden. Die erfassten Aktivitätsmuster werden vom BCI fortlaufend mit vorgegebenen oder erlernten Referenzmustern verglichen. Auf diese Weise identifiziert das System charakteristische neuronale Signaturen und Motive, die als Kontrollsignale dienen. Durch die Identifikation und Klassifikation der Kontrollsignale entschlüsselt das BCI die Intentionen des Nutzers und generiert daraufhin entsprechende maschinelle Steuerbefehle.

Nicht-invasive vs. Invasive BCIs

BCIs lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

  • Nicht-invasive BCIs: Diese erfassen die elektrische Aktivität des Gehirns mittels Elektroenzephalographie (EEG). Dabei messen auf der Kopfhaut platzierte Elektroden die Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche. In der Regel handelt es sich bei entsprechenden Ausführungen um eine mit Sensoren ausgestattete Kappe. Alternativ besteht mittels Magnetoenzephalographie (MEG) die Möglichkeit, die magnetische Gehirnaktivität aufzuzeichnen. Nicht-invasive BCIs bieten den Vorteil, dass sie keine Operation erfordern, sind jedoch in ihrer Genauigkeit begrenzt, da die Schädeldecke die Signale filtert.
  • Invasive BCIs: Diese nutzen direkt in das Gehirn implantierte Elektroden, um die elektrischen Impulse via EEG zu messen. Dieses Beobachtungsverfahren bietet die höchste Signalauflösung, birgt jedoch das Risiko medizinischer Komplikationen wie neuronaler Schäden. Implantierte BCI-Systeme weisen eine hohe Übertragungsrate auf und sind daher zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten sowie Studien.

Die Rolle der Elektroenzephalographie (EEG)

Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine Technik, die zur Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns verwendet wird und oft in Hirn-Computer-Schnittstellen zum Einsatz kommt. Dabei werden Elektroden auf der Kopfhaut platziert, um die Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche zu messen. Die EEG ist eine nicht-invasive Methode, die relativ einfach und kostengünstig zu realisieren ist.

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Ideomotorische Prinzipien zur Verbesserung interaktiver Gehirn-Umwelt-Schnittstellen

Die Forschung im Bereich der Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) hat bemerkenswerte technische Fortschritte erzielt, bleibt jedoch in ihren Möglichkeiten begrenzt. Sie basiert typischerweise auf Signalen aus dem motorischen oder visuellen Kortex bei eng definierten Patientengruppen. Wie die Forschung weitergebracht werden kann, war Thema des ZiF-Workshops "Ideomotor Principles to Enhance Interactive Brain-Environment Interfacing".

Auf der Basis jüngster Fortschritte im Verständnis der neurophysiologischen Grundlagen ideomotorischer Prinzipien argumentieren wir, dass die Ideomotor-Theorie eine robuste, bisher untergenutzte Grundlage für die nächste Generation von BCI-Systemen bietet und die Systemgestaltung mit der natürlichen Planungsarchitektur des Gehirns in Einklang bringt. Die Mensch-Computer-Interaktion im Gehirn kann neu ausgerichtet werden, indem man sich auf das „Wozu“ der Handlung konzentriert - also auf die Ziele und Absichten des Nutzers - was eine skalierbarere und menschzentrierte Entwicklung zukünftiger neuronaler Schnittstellen ermöglicht. So könnten Menschen leichter lernen, ihre Gehirnsignale zu modulieren, um Agenten zu instruieren und die Verbindung zwischen Gehirnaktivierung und ihren Effekten zu optimieren.

Anwendungsbereiche von Gehirn-Computer-Schnittstellen

BCIs eröffnen eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten, die von medizinischen Hilfsmitteln bis hin zu innovativen technologischen Anwendungen reichen. Sie bieten nicht nur Lösungen für Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen, sondern auch spannende neue Möglichkeiten in Bereichen wie Unterhaltung, Kommunikation und sogar Leistungserweiterung.

Medizinische Anwendungen

Rehabilitationsmedizinische Anwendungen stehen im Vordergrund der BCI-Forschung. Insbesondere in den Bereichen der Signalerfassung und -verarbeitung wurden in den letzten Jahren gute Fortschritte erzielt - beispielsweise durch die Entwicklung von einfacheren und zuverlässigeren Messsensoren sowie präziseren und schnelleren Klassifikationsalgorithmen.

  • Unterstützung von Menschen mit Behinderungen: BCIs finden bereits Verwendung, um Menschen mit Behinderungen oder bestimmten Erkrankungen wie dem Locked-In-Syndrom in ihrer Mobilität, Kommunikation und Selbstständigkeit zu unterstützen. In der Medizin genutzte BCIs ermöglichen es zum Beispiel, einen Roboterarm zu bewegen, mithilfe einer Buchstabiermaschine zu kommunizieren oder Geräte per Gedankenkraft zu steuern.
  • Neuroprothesen: BCIs ermöglichen es, Prothesen oder andere Hilfsmittel direkt mit dem Gehirn zu steuern. Patienten, die ihre Gliedmaßen verloren haben oder gelähmt sind, können mithilfe eines Brain-Computer-Interfaces beispielsweise eine künstliche Hand bewegen, indem sie nur an die Bewegung denken.
  • Kommunikationshilfen: Für Patienten mit schweren Kommunikationsstörungen, wie sie beim Locked-in-Syndrom oder fortgeschrittener Amyotropher Lateralsklerose (ALS) auftreten, können BCIs eine direkte Kommunikationsschnittstelle bieten.
  • Neurorehabilitation: BCIs können in der Rehabilitation nach Schlaganfällen oder anderen neurologischen Verletzungen eingesetzt werden.
  • Behandlung von Epilepsie: Einsetzen von Implantaten zur Überwachung und Modulation abnormaler Hirnaktivität.
  • Tiefenhirnstimulation bei Parkinson: Elektrische Impulse werden eingesetzt, um Symptome wie Zittern zu lindern.

Nicht-medizinische Anwendungen

Parallel zu den medizinischen Anwendungen rücken in den letzten Jahren zunehmend auch nicht-medizinische Einsatzmöglichkeiten für gesunde Nutzer in den Fokus des Interesses, z. B. die Lenkung von Fahrzeugen oder Robotern, die Überwachung von Bewusstseins- und Gefühlszuständen oder die Interaktion mit virtuellen Umgebungen (insbesondere im Bereich Gaming).

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  • Mental State Monitoring: Im Projekt „Sixth Sense“ des Autobauers Jaguar Land Rover stellt eine Überwachung des mentalen Zustands eine zentrale Forschungslinie dar. Hier geht es darum, Stressbelastungen oder Konzentrationsschwächen frühzeitig zu erkennen, um Unfällen gezielt entgegenwirken zu können.
  • Entertainment, Fitness und Wellness: Diverse Hersteller vermarkten bereits heute vergleichsweise einfache, nicht-medizinische BCI in den Bereichen Entertainment, Fitness und Wellness. So sollen BCI-Headsets beispielsweise als Biofeedback-Systeme die bewusste Beeinflussung der eigenen Gemütslage ermöglichen und so helfen, Stress abzubauen oder die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen.
  • Augmented Reality (AR): Große Potentiale haben BCIs auch in der Augmented Reality (AR), bei der etwa über eine Brille virtuelle Elemente in unser Sichtfeld eingeblendet werden.

Zukünftige Anwendungsszenarien

In der Zukunft sind verschiedene weitere Anwendungsszenarien denkbar.

  • Neuroprothesen mit sensorischem Feedback: Bidirektionale BCIs würden die Möglichkeit eröffnen, dass Prothesen nicht nur die motorischen Fähigkeiten zurückgeben, sondern auch Signale an den Tastsinn zurücksenden. Auch Hör- und Seeverlust könnten dadurch über technische Geräte ausgeglichen werden.
  • Gehirn-zu-Gehirn-Kommunikation: Bidirektionale BCIs würden die Möglichkeit eröffnen, direkt von Gehirn zu Gehirn zu kommunizieren, Gedanken auf Cloud Server zu laden und sich mit dem Internet zu verbinden.
  • Optimierung im Alltag, am Arbeitsplatz und in der Schule: Theoretisch lassen sich mithilfe von BCIs noch nicht gelernte Fähigkeiten und nie dagewesene Kapazitäten aktivieren - etwa das Erlernen einer Sprache durch den Download auf das Gehirn.

Herausforderungen und Einschränkungen

Generell erweist sich die niedrige Informationsübertragungsrate zwischen Gehirn und Computer als wesentliches Hindernis bei allen gegenwärtigen BCI. Zudem werden die mentalen Kommandos von den Systemen bisweilen nicht verstanden oder falsch interpretiert. Zwar kann diese Fehlerrate reduziert werden, wenn es dem Nutzer gelingt, besonders klare Befehle zu senden, dies erfordert jedoch intensives Training und ein hohes Maß an Konzentration.

Eine weitere Hürde stellt der Schritt aus der kontrollierten Laborumgebung hinein in die alltägliche Anwendung dar. Ein hohes Hintergrundrauschen aufgrund elektromagnetischer Fremdsignale (z. B. Netzbrummen) und die Ablenkung des Nutzers durch eine Vielzahl unterschiedlicher Sinnesreize sind nur zwei Aspekte, welche die Funktion der Systeme dabei negativ beeinflussen. Im Vergleich zu herkömmlichen Bedien- und Steuerinstrumenten (z. B. Maus, Tastatur oder Lenkrad) bieten heutige BCI gesunden Nutzern deshalb noch keine Vorteile. Im Regelfall wird die Leistungsfähigkeit von Personen, die prinzipiell nicht auf ein BCI angewiesen sind, hier sogar entscheidend eingeschränkt.

Ethische Aspekte

Trotz der potenziellen Vorteile bergen Brain-Computer-Interfaces auch erhebliche Risiken. So ermöglicht das Auslesen der Gehirnaktivität, hochsensible private Daten zu analysieren. Kritikerinnen und Kritiker mahnen daher an, dass sich BCIs dazu missbrauchen lassen, die Gedanken und das Verhalten von Personen zu beeinflussen. Zudem sind Brain-Computer-Interfaces technisch noch nicht ausgereift und daher fehleranfällig, was im schlimmsten Fall unerwünschte Folgen nach sich zieht.

  • Privatsphäre: BCIs erfassen und interpretieren die Gehirnsignale eines Individuums, was theoretisch den ungewollten Zugang zu persönlichen Gedanken und Gefühlen ermöglichen könnte. Dadurch könnte die BCI-Technologie missbräuchlich gegen den Willen einer Person eingesetzt werden, um an private Informationen zu gelangen. Und selbst im Einverständnis könnte ein Datenleck sehr sensible Informationen verbreiten.
  • Datensicherheit: Die Datensicherheit ist im BCI-Bereich ein besonders wichtiges Thema.
  • Gleichheit: Ist die Technologie irgendwann ausgereift für den breiten Einsatz stellt sich außerdem die Frage, wie man die Gesellschaft davon profitieren lässt ohne dass sich bestehende Ungleichheiten noch mehr verschärfen?

Um die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer zu gewährleisten, müssen die ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen daher sorgfältig abgewogen werden.

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Führende Unternehmen und Forschungseinrichtungen

Im Bereich der Brain-Computer-Interfaces gibt es eine Reihe von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die eine Vorreiterrolle einnehmen:

  • Neuralink: Das US-amerikanische Unternehmen entwickelt invasive Brain-Computer-Interfaces. Das BCI-Implantat des Unternehmens verfügt über mehr als 1.000 Elektroden, die an haarfeinen Drähten angebracht sind.
  • Blackrock Neurotech: Das Unternehmen mit Hauptsitz in Utah ist schon seit 2008 im Segment der Brain-Computer-Interfaces aktiv.
  • BrainGate: Das Unternehmen stellte im Jahr 2004 als erstes Unternehmen überhaupt einen für Menschen konzipierten implantierbaren BCI-Chip vor und gilt damit als wegbereitend.
  • Synchron: Das Unternehmen hat ein minimalinvasives BCI entwickelt, das nicht direkt ins Gehirn implantiert wird, sondern in den Blutgefäßen im Kopf sitzt.
  • Universität Zhejiang (China): Im Jahr 2020 implantierten Forschende der Universität Zhejiang (China) einem querschnittsgelähmten Patienten ein Brain-Computer-Interface, mit dessen Hilfe er nun Roboterarme bewegt und Geräte per Gedanken steuert.
  • Berliner Charité: Am Berliner Charité hat man sich zum Ziel gesetzt, die weltweit erste nichtinvasive bidirektionale Gehirn-Computer-Schnittstelle zu entwickeln.

Bei der Implantation von Brain-Computer-Interfaces gelten aktuell die Vereinigten Staaten und China als führend. In Deutschland fokussiert sich die Forschung auf nicht-invasive BCIs, da diese deutlich weniger Risiken mit sich bringen.

Zukunftsperspektiven

Noch ist die Vision einer schnellen, intuitiven und präzisen Gedankenkontrolle von Computern und Maschinen Zukunftsmusik, der bedeutende technologische Herausforderungen entgegenstehen. Angesichts der aktuellen Fördermaßnahmen für neurowissenschaftliche Grundlagenforschung in Europa (Human Brain Project) und den USA (BRAIN Initiative) ist allerdings auch im Bereich der BCI-Technologien in den nächsten Jahren mit signifikanten Fortschritten zu rechnen. Ein besseres Verständnis darüber, wie neuronale Signale erfasst, interpretiert und sogar beeinflusst werden können, könnte langfristig den Weg für disruptive Entwicklungen ebnen.

Die Forschung im Bereich der Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) hat bemerkenswerte technische Fortschritte erzielt, bleibt jedoch in ihren Möglichkeiten begrenzt. Sie basiert typischerweise auf Signalen aus dem motorischen oder visuellen Kortex bei eng definierten Patientengruppen.

Studium mit Spezialisierung auf Hirn-Computer-Schnittstellen

Ein Studium mit Spezialisierung auf Hirn-Computer-Schnittstellen eröffnet berufliche Perspektiven in der Forschung und Entwicklung, Medizintechnik, der Neuroinformatik und im Gesundheitswesen. Man kann an der Entwicklung von Prothesen, Rehabilitationsmethoden oder Kommunikationssystemen für Menschen mit Behinderungen arbeiten. Für die Forschung an Hirn-Computer-Schnittstellen sind hochentwickelte EEG- oder fMRT-Geräte, präzise Algorithmen zur Signalverarbeitung, leistungsfähige Computer für die Datenanalyse sowie sichere Übertragungstechnologien notwendig.

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